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Im Dunkeln der Nacht

Mystery Spell
von

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Böses Erwachen

Dunkelheit umgibt sie, und wohlige Wärme. Die Studentin spürt an ihrem Rücken einen kräftigen Brustkorb der sich gleichmäßig hebt und senkt. Ruhiger Atem streicht ihren Nacken und ein Arm liegt um ihre Taille. Seit vielen Monaten fühlt sie sich das erste Mal geborgen und absolut sicher. Sie muss sich nicht fürchten jemandem ins Auge zu fallen, oder angelogen zu werden und sich Ausflüchte anhören. Allerdings ist sie sich auch bewusst, dass dieser schützende Kokon der sie im Moment umgibt nicht ewig halten wird.

Ein Tag. Sie hat einen Tag Zeit, um Klarheit zu bekommen wie es weitergehen soll – dass ist verdammt wenig, wenn man Nicolaes Drohung bedenkt. Eine endgültige Entscheidung … Sie ist sich gar nicht so richtig sicher, was er genau damit eigentlich gemeint hat. Noch dazu, ist so vieles noch im Dunkeln …

Die Brüder haben sie belogen – mehrfach; und irgendwas ist da immer noch hinter ihrem Rücken. Das Seelenfragment, dass sie quält scheint mit Nicolae in Verbindung zu stehen und es eigentlich auf ihn abgesehen zu haben. Nicht zu vergessen diese Frau, die sie kontaktiert hat – dieselbe Frau die Lorie bereits zwei Mal gemalt hat.

Ob die Kleine etwas weiß? Generell scheint das Mädchen mehr zu wissen und mitzubekommen wie gedacht. Wahrscheinlich sogar mehr, wie ihre Brüder denken. Sie muss unbedingt mit ihr reden; am besten ohne das der Rest der Familie es mitbekommt.

Die junge Frau schnurrt und streckt sich ausgiebig – soweit es der eng um sie gelegte Arm zu lässt. Sie blinzelt auf die Uhr und seufzt. 3:20 Uhr.

Emma erinnert sich an den Nachmittag, nachdem Sebastian sie alles andere für eine ganze Weile vergessen lassen hat. Eine unfassbar intensive und berauschende Weile, wenn sie ehrlich ist.

Sie haben sich danach lange unterhalten; eng aneinandergeschmiegt und in warme Eintracht. Er hat sie fragen lassen; alles was sie interessiert und bewegt. Und er hat geantwortet; auch wenn es ihm oft hörbar schwergefallen ist.

Emma hat gemerkt, wie unangenehm ihm seine eigene Situation ist. Er hadert mit dem, was er jetzt ist. Trotzdem hat er ihr geduldig erklärt, wie das mit der Verwandlung ist, wie „menschlich“ er noch in seiner Wolfsform empfindet und wie seine zweite Natur aber auch sein normales Dasein beeinflusst. Einzig und allein nach dem Ursprung seines Fluchs hat sie nicht gefragt – sie hat sich nicht getraut.

Danach hat die Studentin ihm von sich erzählt; von ihrer Gabe, wie sie damit aufgewachsen ist. Wie oft sie als Kind fürchterliche Angst hatte und wie es jetzt zu ihrem Alltag gehört. Sie hat ihm auch von ihren Alpträumen erzählt; alles, bis auf die Tatsache, dass es wohl einer seines gleichen ist, der sie des Nachts durch den Wald hetzt. Oder ein Werwolf; dass kann sie immer noch nicht so genau sagen.

„Denk darüber nach, was dich in deinen Träumen jagt.“ Diese Worte sind ihr sofort wieder eingefallen – Der Älteste der Bartholys hat offensichtlich ganze Arbeit geleistet.

Nach einigem Zögern hat sie ihm auch erzählt, was ihr Nicolae gesagt hat; dass etwas an ihr anders ist und sie aus unbekannten Gründen plötzlich anziehend auf die Brüder wirkt. Das sie inzwischen den starken Verdacht hat, dass die Brüder womöglich ihr Erinnerungsvermögen beeinflusst haben um sie bestimmte Dinge vergessen zulassen.

Professor Jones hat ihr bemüht gefasst erklärt, dass das durchaus möglich ist, dennoch hat man die kalte Wut mehr als deutlich herausgehört. Er hat ihr auch gesagt, dass es zu den Fähigkeiten eines Vampirs gehört, das Gedächtnis ihres Opfers gegebenenfalls zu manipulieren und ganze Erinnerungen geradezu zu löschen.

Ein Schauer hat Emma bei dieser Information geschüttelt und ihre Gedanken hatten sich überschlagen. Es besteht die Möglichkeit, dass die Brüder vielleicht doch nicht widerstehen konnten und anschließend einfach ihr Gedächtnis gelöscht haben um ihre Spuren zu verwischen. Vor einigen Wochen hätte sie das nie für möglich gehalten, doch jetzt …

Sebastian hat ihr erklärt, dass es verschiedenen Ebenen im Geist gibt und dass man die oberflächlichen Erinnerungen zwar blind machen kann, also Bilder, Geräusche und solche Dinge ausblenden, aber nicht die tiefergehenden, die eher den Gefühlen und Empfindungen entsprechen. Er hat ihr gesagt, dass diese Dinge zurückbleiben und eben nicht verschwinden. Es ist möglich, dass man eine Art Déjà-vu-Gefühl bekommt, wenn man durch etwas getriggert wird, allerdings ohne, dass die nötigen Bilder dazu auftauchen. Aber man ist sich sicher, dass da etwas ist – etwas sein sollte.

Kommt ihre merkwürdige Angst eventuell daher? Vielleicht hat es gar nichts mit dem Geist der Frau zu tun, wie sie bisher annahm. Wenn ihr Unterbewusstsein sich an Dinge erinnert, könnte es diese Angst auslösen? Das steht aber im Widerspruch zu der sanften Auf- und, ja sie muss es zugeben, Erregung, die sie mitunter empfindet, wenn ihr einer der drei auf diese besondere Art nahekommt. Das letzte Wort zu dem Thema ist noch nicht gesprochen, wird aber wohl noch etwas auf sich warten lassen. Lorie hat definitiv Priorität.

„Worüber denkst du nach?“, raunt es warm in ihren Nacken.

Die junge Frau brummt und streckt sich erneut. Sie macht einen kleinen Katzenbuckel und dreht sie schließlich herum. Sie blinzelt Sebastian an und schmunzelt ein wenig. „Nichts“, flüstert sie gegen seine Lippen. Die goldenen Augen nehmen sie direkt gefangen und scheinen die Antwort schneller in ihr zu finden wie ihr lieb ist.

Zärtlich haucht er ihr einen Kuss auf die Lippen. „Hör damit“, knurrt er leise.

„Womit?“, fragt Emma irritiert nach und runzelt die Stirn ein wenig.

„Mich so anzusehen“, haucht er ein wenig heiser. Er küsst sie wieder und wieder, vertieft den Kuss schließlich. Seine Hand streicht über ihre Taille, Hüfte und über ihren Oberschenkel. Die Studentin schnurrt seinen Namen und lässt sich sofort auf seine Berührungen ein und schmiegt sich an ihn …
 

Emma setzt sich auf und reibt sich die Augen. Der Geruch von Kaffee und Brötchen hängt in der Luft. Ein etwas pikiertes Lächeln zeichnet sich auf ihrem Gesicht ab und sie steht auf. Sie zieht ihren Pullover über und ihr Unterhöschen an.

Im Nebenzimmer angekommen steht ein gedeckter Tisch bereit und ein offenbar etwas beschämter Professor sitzt da. Er deutet ihr auf den Stuhl gegenüber und bemüht ein neutrales Gesicht; seine bernsteinfarbenen Augen sprechen aber eine andere Sprache, sie glühen leidenschaftlich und bescheren ihr Gänsehaut. Sie setzt sich ein wenig verschüchtert auf den Stuhl und wartet.

Sebastian ringt sich ein Lächeln ab. „Wir essen erst mal.“

Der Magen der Studentin schnürt sich sofort zu. Wenn es ein was gibt, dass man am Morgen danach nicht in der Stimme seines Liebhabers hören möchte, dann ist es Reue. Doch genau das ist es, was sie gerade überdeutlich aus seinem kurzen Satz herausgehört: er bereut es. Man merkt es ihm auch unverkennbar an; er weicht ihrem Blick aus und scheint sich unwohl zu fühlen. Trotzdem sieht sie in den kurzen Momenten, in denen er sie doch ansieht, genau das Leuchten in seinen Augen. Er scheint Zwiegestalten mit der Situation, und das beunruhigt sie noch mehr, wie das Bereuen in seiner Stimme eben.

Das Frühstück verläuft schweigsam und in kompletter Ruhe. Es werden schüchterne Blicke hin und her geworfen und sich immer wieder geräuspert oder geseufzt. Schließlich schafft Sebastian es als erster endlich das Gespräch zu beginnen; mit einem Tiefschlag für die junge Frau.

„Ich bin dein Dozent, das … das …“, spricht er genervt; scheinbar in erster Linie an sich selbst gerichtet. Sein Blick schweift haltlos über den Tisch, dann schließt er kurz die Augen bevor er aufsieht.

„Sag es nicht“, fleht sie leise und spürt wie ihr die Tränen kommen. Vor einigen Stunden war alles in Ordnung und jetzt zieht er ihr den Boden unter den Füßen weg. Eine alles zerfressende Leere beginnt sich in ihr auszubreiten. Sie hat sich noch nie so verlassen gefühlt; selbst nach dem Tod ihrer Eltern nicht.

„Das hätte alles nicht passieren dürfen“, stellt er mit eisiger Stimme klar. „Das … das ging viel zu weit. Du bist meine Studentin; es gibt klare Vorschriften diesbezüglich.“

Die junge Frau kann die Tränen nicht zurückhalten. Dick perlen sie über ihre Wange und tropfen auf ihren Pullover; einzig das Schluchzen verkneift sie sich verbissen. In der hintersten Ecke ist sie sich natürlich bewusst, was er ihr sagen will – das er hier gerade seinen Job aufs Spiel setzt; von ihrer Reputation mal ganz zu schweigen – aber das ändert nichts an dem Schmerz, den es in ihr auslöst. Es ändert nichts an dem Gefühl, dass er sie gerade im Stich lässt; sie fallen lässt. „Du … du hast gesagt …“, stottert sie zittrig.

„Das ich dir helfe“, beendet er ihren Satz. „Ja, das stimmt; und das werde ich auch tun. Ich werde dir helfen … und dich beschützen, wenn es nötig ist. Aber …“ Er knurrt genervt und fährt sich durch die Haare. Sein Blick geht zum Fenster hinaus und er seufzt schwer. „Das was heute Nacht zwischen uns passiert ist; hätte nicht sein dürfen“, brummt er missmutig.

Wortlos steht sie auf, in ihrer Brust sticht und schmerzt es. Emma wischt sich die Tränen weg und hat das Gefühl wie betäubt zu sein. „Schön“, knurrt sie wütend und verlässt den Raum. Sie knallt frustriert die Schlafzimmertür hinter sich zu und lehnt sich mit dem Rücken dagegen. Ihr Herz hämmert gnadenlos in ihrer Brust und ihr ganzer Körper bebt. Sie hört Sebastian lautstark Fluchen, dann rauscht es nur noch in ihrem Gehörgang.

Alles verschwimmt in einem Strudel aus Schmerz und Dunkelheit. Sie spürt, wie sie den Halt in der Welt verliert. Sie kann nicht vor und nicht zurück. Mehr und mehr Tränen bahnen sich ihren Weg und auch das Schluchzen kann die Studentin nicht mehr verhindern. Mehrere Minuten sitzt sie da und weint einfach nur; sie lässt all ihren Schmerz und der Hoffnungslosigkeit freien Lauf.

Nachdem sie sich wieder einigermaßen beruhigt hat, sammelt die junge Frau ihre Sachen ein. Als sie schnell durch das Wohnzimmer und nach draußen will, hält sie Sebastian am Arm fest. Mit geröteten Augen sieht sie auf, und erblickt etwas, mit dem sie nicht gerechnet hat. Schmerz steht in seinem sonst so starken und stolzen Blick. Schmerz und Leid.

„Denke nicht, dass es mir egal ist … dass du …“ Sebastians Stimme versagt und er sieht weg.

Emma wünscht sich, dass er auch aussprechen würde, aber er kann es offensichtlich nicht. Sie spürt, wie sich erneut Tränen ankündigen und reißt sich los. Hastig stürmt sie aus dem Haus, ohne sich noch einmal umzusehen.

Nachdem sie bei Professor Jones Hals über Kopf los ist, ist sie einfach drauf losgelaufen - quer durch Mystery Spell und irgendwo aus der Stadt raus. Sie hat überlegt, ob sie zu Sarah gehen sollte, sich aber dagegen entschieden. Die junge Frau hat das Gefühl ihrer besten Freundin nur noch zur Last zu fallen und außerdem, braucht sie ganz dringend Ruhe – richtige Ruhe. Keine Ratschläge, keine Ablenkung. Einfach in aller Stille darüber nachdenken, was hier los ist. Sie ist durcheinander und verwirrt; wenn sie ehrlich ist, weiß überhaupt nicht, wie sie sich eigentlich wirklich fühlt.

Frustriert, wütend, Enttäuscht – ja. Aber auch einsam und heimatlos – und vor allem eins: Famillienlos. Deutlich spürt sie, wie sich wieder Tränen in ihren Augenwinkeln sammeln.

Nein! Sie darf sich nicht ihrer Verzweiflung hingeben, auch wenn es noch so verlockend ist. Durchatmen und Gedanken sortieren ist angesagt. Jetzt! Sofort! Doch es hilft nichts. Tränen laufen ihre Wangen hinab und lassen ihre Sicht verschwimmen.

Emma bleibt stehen und schluchzt. Sie wischt sich die Feuchtigkeit aus den Augen und schnauft. Ihr Blick geht die Straße entlang.

Verdammt! Wo zum Kuckuck ist sie? Als wäre ihr jetzt erst bewusst, dass sie die Stadt verlassen hat, sieht sie sich ungläubig um. Hinter ihr, in beachtlicher Entfernung, sieht sie die letzten Häuser. Rechts und links erstrecken sich Felder und Wiesen. Vor ihr ist die Landstraße, die sich davon schlängelt und sich in der Ferne verliert.

Sie läuft einfach weiter, ohne dass sie wüsste warum oder wo sie eigentlich hinmöchte. Ihr Kopf ist überfüllt und gleichzeitig komplett leer. Was soll nur aus ihr werden?

Nach einer halben Stunde bleibt das Kindermädchen wieder stehen.

Das ist doch wahnwitzig! Was macht sie hier eigentlich? Sie ist mitten im Nirgendwo, allein und völlig verwirrt. Keine gute Kombination. Tatsächlich ist auch noch kein einziges Auto vorbeigekommen – irgendwie merkwürdig.

Sie geht mit schweren Schritten zu einem alten Baum, der am Straßenrand steht. Kraftlos lässt sie sich zu seinen Füßen nieder und lehnt sich mit dem Rücken gegen die knorpelige Rinde. Wiesen, abgeerntete Felder und vereinzelte Baumgruppen. Soweit man sehen kann nichts Anderes. Die Sonne schenkt ihr ein wenig Wärme, aber man spürt deutlich, dass der Winter nicht mehr allzu fern ist.

Scheiße! In ihrem Kopf ist das der vorherrschende Gedanke. Egal um was es sich handelt.

Die Nacht mit ihrem Professor … Er hat natürlich recht, dass hätte nicht passieren dürfen – so prinzipiell. Er ist ihr Dozent, sie seine Studentin. Trotzdem war es einfach unfassbar berauschend und gut. Außerdem hatte sie das Gefühl, dass da mehr ist, wie nur der rein körperliche Aspekt. Als wäre da eine tiefe Verbindung zwischen ihnen.

Nicolae war gestern verständlich sauer. Sie ist das Kindermädchen und ist einfach ohne ein Wort verschwunden. Wäre sie an seiner Stelle gewesen, wäre sie auch sauer gewesen. Und würde vielleicht darüber nachdenken, ob sie sich nicht jemanden anderen suchen sollte. Jemanden der zuverlässiger ist.

Und wieder: Scheiße!

Ihre Träume, die Seelenfragmente, die kryptischen Nachrichten die sie von ihnen erhalten hat … all diese Dinge haben dafür gesorgt, dass sie irgendwie das Wesentliche und ihren Weg aus den Augen verloren hat. Sie kann diese Sachen aber auch nicht einfach ignorieren! Von dem Interesse der Brüder mal ganz zu schweigen und, dass Lorie die Frau aus ihrem Traum gemalt hat. Außerdem muss sie unbedingt klären ob da was gelaufen ist, zwischen ihr und den Brüdern. Und wenn ja, wie soll es dann weitergehen?

Erneut: Scheiße!

Die Studentin seufzt und reibt sich über das Gesicht. Die Sonne und der lange Fußmarsch lassen langsam die Müdigkeit Einzug halten. Ihre Augen fallen immer wieder zu und nach einiger Zeit fehlt ihr die Kraft, sie wieder zu öffnen.



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