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Im Dunkeln der Nacht

Mystery Spell
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
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keiner Komplett anzeigen

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Morgenrapport

Das Telefonat mit Sarah hat länger gedauert, wie sie gedacht hätte. Ihre Freundin wollte unbedingt alles ganz genau wissen; sie schien förmlich besessen davon, sie immer wieder zu fragen, wie genau der Wolf aussah und sich verhalten hat. Das Kindermädchen hatte schließlich nachgefragt, ob es denn ein Werwolf gewesen sein könnte. Sarah ist immerhin eine Hexe und mit der mystischen Welt und deren Dingen aufgewachsen; sie ist dementsprechend eher damit vertraut wie sie selbst. Leider konnte sie ihr das auch nicht so genau sagen.

Nun gut, Emma ist sich bewusst, dass sie eh mit Drogo sprechen muss, da kann sie ihn gleich noch dazu befragen. Falls es sich anbieten und der Blonde zugänglich ist, kann sie ihm erzählen, was Lorie gesagt hat – vielleicht kann sie ihn dazu bringen, ihr etwas zu verraten. Oder er macht sich wieder über sie lustig und nimmt sie verbal auseinander … Wahrscheinlich ist eher letzteres.

Das Gespräch geht noch mehrere Minuten weiter und kommt schließlich auf die Ereignisse des Morgens zu sprechen. Lories Ausraster steckt dem Kindermädchen immer noch in den Knochen, wenn sie ehrlich ist. Es war nicht das erste Mal, aber normalerweise sieht man es kommen, dass sie ausflippt und kann sich dementsprechend wappnen – aber das vorhin war wirklich unerwartet. Ihr fallen Nicolaes Worte wieder ein; das die Kleine spürt, dass etwas Kompliziertes vor sich geht. Womöglich geht das schon länger? Vielleicht hat es sich aufgestaut und sie ist deswegen so ohne Vorwarnung explodiert? Bleibt die Frage, was Kompliziertes vor sich geht.

Ihren Bericht, vor allem über das plötzliche ungute Gefühl Nicolae gegenüber, nimmt Sarah natürlich direkt wieder als Vorwand, um ihr zu sagen, dass sie ihr schon die ganze Zeit sagt, dass die Bartholys gefährlich sind und man sich vor ihnen in Acht nehmen muss; und man kann ihnen nicht vertrauen, und sie sind in ihrem Inneren schreckliche Bestien und so weiter, und so weiter. Sie seufzt laut und genervt ins Telefon und Sarah verstummt augenblicklich. Einige Sekunden vergehen, dann müssen die beiden Freundinnen lachen.

Sie einigen sich auf ein Treffen am Nachmittag in der Stadt, weil sie doch noch einiges unter vier Augen besprechen wollen. Sie verabschieden sich und Emma macht sich fertig für den Tag. Ein bequemes Outfit, ein loser Zopf und fertig – immerhin ist heute Sonntag, also wofür schick machen? Die Bartholys? Wohl kaum.

Wahrscheinlich wird sie gleich alleine am Tisch sitzen, weil die Frühstückszeit schon vorbei ist. Sie findet es ein wenig schade, wenn sie richtig darüber nachdenkt. Es ist nett Gesellschaft zu haben und nicht allein am Tisch zu sitzen. Noch dazu, wo ihre Gastfamilie es tatsächlich nur ihretwegen überhaupt macht. Da sie als Vampire keine herkömmliche Nahrung vertragen, haben sie natürlich keinen Grund, sich mit an den Tisch zu setzen – außer eben, um ihr Gesellschaft zu leisten. Eine Geste, die sie vom ersten Momente an, als sie wusste das sie Vampire sind berührt hat, wenn sie ehrlich war.

Die junge Frau atmet durch und verlässt ihr Zimmer. Es geht den Flur und anschließend die große Treppe hinunter. Die Atmosphäre im Haus wirkt angespannt. Es liegt nicht die herkömmliche melancholische Ruhe in der Luft, eher eine statische Aufladung, die bereit ist überzuspringen und einem einen Schlag zu versetzen.

Vor der Tür zum Esszimmer hält sie noch einmal inne. Sie spürt ein kurzes Stechen in ihrem Brustkorb, als sie an die Szene zwischen ihr Nicolae vorhin denkt. Warum hat ihr Körper so heftig reagiert? Sie hat die Angst nicht wirklich gefühlt, aber sie hat dennoch von ihrem Körper Besitz ergriffen – wie eine fremde Macht. Ob das möglich ist? Sie hat gestern Abend auch die Traurigkeit und Verzweiflung der Frau aus ihren Träumen gespürt, wieso sollte es also nicht möglich sein? Und, wenn dem so ist, wessen Angst hat sie dann gespürt? Die Frau war verzweifelt und traurig, aber definitiv nicht ängstlich. Der Andere? Der, vor dem die Frau sie bereits schon mehrfach gewarnt hat? Er löst offenbar diese Alpträume aus, die sie Woche um Woche gequält haben; warum sollte jemand, der derartige Angst auslöst, sie selbst empfinden? Und warum vor Nicolae?

„Willst du da noch lange stehen?“, fragt es gedämpft durch die Tür hindurch.

Erschrocken zuckt Emma zusammen und starrt einen Moment die Klinke an, dann muss sie herzlich lachen. Einen Augenblick hat sie tatsächlich fast gedacht, die Tür hätte mit ihr gesprochen … Sie ist wirklich durch den Wind heute.

Sie betritt das Esszimmer und sieht Drogo, der überaus amüsiert wirkt, und Peter, der seine Nase in eines seiner Bücher gesteckt hat. Mit einem Lächeln auf den Lippen geht sie zum Tisch und setzt sich. Sie sieht die beiden Männer an und wirkt kurz verlegen. „Danke“, sagt sie schließlich. Sie hat nicht erwartet, dass sie hier warten, bis sie zum Essen kommt. Sie hat schon fast ein schlechtes Gewissen, dass sie so lange mit Sarah telefoniert hat und nicht erst runter gekommen ist.

Drogo winkt ab und grinst. „Ja, ja; aber jetzt mach hin, ich habe noch anderes vor, kleines Ding“, stichelt er.

Sie streckt ihm die Zunge heraus, worauf hin sie beide Lachen müssen; selbst Peter scheint amüsiert.

Während sie sich ein Marmeladen-Brot schmiert sieht sie immer wieder zu Drogo und auch zu Peter. Sie würde den Jüngsten gern wegen gestern Nacht befragen, aber eigentlich will sie das nicht vor Peter tun – warum auch immer. Er war nicht dabei und wirkt eh schon immer, als würde er die Last der Welt auf seinen Schultern tragen, da würde sie ungern noch mehr drauf packen. Sie beißt in ihr Brot und grübelt weiter.

„Falls du mit meinem Bruder lieber allein sein möchtest, musst du es nur sagen …“, spricht Peter in sein Buch und hebt danach den Blick.

Der jungen Frau bleibt der Bissen beinahe im Hals stecken vor Schreck. Ihr fällt gleichzeitig gestern Nacht wieder ein, als der Mittlere bei ihr war und ihr Trost und Nähe gespendet hat, allerdings ist da auch dieses merkwürdige Erinnerungsloch … oder auch nicht, sie ist sich nicht sicher.

Die grünen Augen beginnen leicht zu funkeln und ein amüsiertes Schmunzeln bildet sich um Peters Mundwinkel.

Im ersten Augenblick ist sie verwirrt, dann lacht Drogo herzlich und klopft seinem Bruder auf die Schulter und sie versteht, dass er sich einen Spaß erlaubt hat. Nun gut, dass konnte sie so schnell nicht wissen, weil das eher selten bis gar nicht vorkam. Heute ist wirklich ein verrückter Tag! Sie kichert kurz bevor sie antwortet: „Es wäre wirklich nett, wenn ich mit deinem Bruder unter vier Augen sprechen könnte.“

Peter lächelt und nickt verständnisvoll. Er steht auf und verlässt geräuschlos den Raum.

Sofort überkommen das Kindermädchen Zweifel, als die Tür sich wieder schließt. Allein mit Drogo ist nie eine gute Idee! Was hat sie sich nur dabei gedacht?! Vor allem, wo er ja weiß, dass sie mit ihm allein sein will … Er wird hoffentlich nichts Falsches hineininterpretieren.

„So, so“, schnurrt der Blonde und lehnt sich über den Tisch in ihre Richtung. Er grinst siegessicher und seine nussbraunen Augen beobachten sie aufmerksam.

Die junge Frau fühlt sich sichtlich unwohl. War ja klar, dass er die Situation wieder völlig anders auslegt. Egal, es gibt jetzt Wichtigeres. „War das gestern, ein … Werwolf?“, fragt sich unsicher und schüchtern. Sie kommt sich dämlich vor, jetzt wo sie gefragt hat; aber ohne nachfragen, wird sie es nie herausfinden.

Der Jüngste der Brüder verzieht missmutig das Gesicht. Scheinbar möchte er lieber über anderes sprechen. „Komm schon, kleines Ding. Wir könnten über viel … interessantere Sachen reden.“ Er beugt sich weiter über den Tisch, wozu er sogar ein wenig aufsteht.

Wieso nur, hat sie etwas Anderes erwartet? Immerhin handelt es sich hier um Drogo! Dass, er sich ihr nähert, bringt sie aber ungewollt aus dem Konzept. Seine Nase berührt beinahe ihre und sein Blick ist selbst für ihn extrem intensiv. Ob sie will oder nicht, ihre Sinne geraten in Wallung.

Sie darf sich nicht aus dem Konzept bringen lassen! Wenn sie jetzt einknickt oder sich von ihren konfusen Emotionen übermannen lässt, wird sie nie ihre Antwort bekommen. „War das ein Werwolf?“, hakt sie erneut nach, jetzt allerdings weniger überzeugt.

Der Blonde brummt und verzieht das Gesicht. „Warum interessiert dich das?“

„Ich möchte es einfach wissen“, flüstert sie. Sie überkommt wieder dieses eigenartige Gefühl. Drogo sieht sie auf eine Art an, dass man den Eindruck bekommt, dass da irgendwas im Busch ist. Was wissen die Brüder? Nicolae hat angedeutet, dass sie bereits Dinge in Erfahrung gebracht haben und Lories Aussage unterstreicht, dass hinter ihrem Rücken etwas vor sich geht.

Der Blonde seufzt genervt und gibt schließlich unerwartet nach. „Nein, es war kein Werwolf“, erklärt er kurz angebunden und legt den Kopf schief, sein Gesichtsausdruck wird spitzbübisch. „Ein Werwolf hätte dich eher verspeist, statt dich zum Kuscheln einzuladen“, säuselt er zuckersüß.

Emma fühlt sich einen Augenblick veräppelt, dann setzt sie zum Konter an. „Also eher so wie du?“, fragt sie provozierend und bereut es sofort.

In Vampirgeschwindigkeit packt er ihre Handgelenke und fixiert sie auf dem Tisch. Der Jüngste der Brüder knurrt regelrecht und seine Augen werden dunkler. „Vergleiche mich nicht mit diesen hirnlosen Bestien!“, grollt er so laut, dass das Porzellan auf den Tisch erzittert.

Angst und Panik überrollen sie. Obwohl sie weiß, dass es sinnlos ist, zieht sie mit aller Kraft, um sich aus seinem Griff zu befreien – natürlich ohne Erfolg. Ihr Herz rast wie ein Kaninchen auf der Flucht und ihre Muskeln zittern vor Anspannung.

Das passiert doch jetzt nicht wirklich! Ja, sie ist sich bewusst, dass Drogo der Gefährlichste der drei ist, aber damit hat sie nicht gerechnet. Und, ja, sie weiß das es keine gute Idee ist, einen Vampir mit einem Werwolf zu vergleichen. Ihre Augen weiten sich und ihre Atmung wird hektisch und abgehackt. Er wird doch nicht …?

Ihre Gedanken werden unterbrochen. Der Blonde zerrt sie regelrecht zu sich, wodurch sie der Länge nach auf dem Tisch liegt. Ihr Stuhl fällt um und erzeugt ein dumpfes Poltern.

Eben lag sich noch auf dem Bauch, aber er dreht sie schnell und geschickt um, dass sie gar nicht weiß wie ihr geschieht. Plötzlich ist der Tisch unter ihrem Rücken und sein Gesicht über ihr. Es ist zwar verkehrt herum aus ihrer Position, aber sie sieht genau, wie sich seine Augen rot färben und die Eckzähne zum Vorschein kommen.

Was zum Teufel ist heute los?! Als würden alle in diesem verfluchten Haus verrücktspielen! Erst Lorie, dann Nicolae und jetzt auch noch Drogo! Was passiert nur?!

Der Jüngste der Brüder beugt sich zu ihr hinunter. Sein Atem streicht über die Stirn der jungen Frau und er knurrt immer noch. In seinen roten Augen tobt eine Schlacht der Emotionen; wie blutige Wellen schwappen sie durch seine Iris und sorgen für ein unwirkliches Farbschauspiel. „Du solltest wirklich vorsichtiger sein, kleine Ding.“

Fasziniert starrt sie hinauf in dieses rubinartige wilde Meer, welches sie Stück für Stück zu verschlingen scheint. Sie vergisst für einen Moment alles; die Angst, die Gefahr und auch ihren Überlebensinstinkt. Das Rot füllt ihren Geist aus, taucht ihre Welt in ein neues Farbschema. Ihre Unterlippe beginnt zu zittern. Aus Angst? Erregung? Sie weiß es nicht und kann es auch nicht einordnen. Nur eins merkt sie deutlich; sie will sich gehen lassen, sich ihm hingeben. Bilder formen sich in ihrem Kopf; Bilder, wie er seinen Mund an ihren Hals legt, wie seine Zähne ihre Haut durchdringen und er ihr Blut trinkt.

„Drogo!“, donnert es mit immenser Gewalt durch den Raum und zerstört diese fremdartige Szene wie eine Explosion.

Der Blonde springt förmlich zurück und bringt Distanz zwischen sich und Emma, welche sofort vom Tisch rutscht. Völlig perplex sieht sie Richtung Tür und schafft es nicht, ihren vor Verwunderung offenstehenden Mund zu schließen.

Da steht doch tatsächlich Lorie! Ihren Augen sind glutrot und ihr rosa Haar wirkt wild. „Du bist mein Bruder!“, brüllt sie so laut, dass das ganze Haus beinahe bebt.

Verblüfft blinzelt die junge Frau und genau diese Zeit braucht Drogo, um bei seiner Schwester anzukommen. Er geht vor ihr in die Hocke und redet leise auf sie ein – so leise, dass das Kindermädchen nichts versteht. Sein Umgang mit ihr ist so viel anders, wie der von Nicolae heute Morgen, der die Kleine ja regelrecht bedroht hat.

Es dauert einige Minuten, aber dann entspannen sich die Gesichtszüge von Lorie und kurz darauf lächelt sie glücklich. Sie nickt eifrig und huscht dann aus dem Raum.

Der Blonde sieht über seine Schulter und mustert die junge Frau. Da ist Scham in seinem Blick, aber auch unbändiges Verlangen. Einen Moment verengt er die Augen, dann verlässt er ohne ein weiteres Wort das Zimmer.

Zurück bleibt das Kindermädchen, welches völlig neben der Spur ist. Sie stellt ihren umgestürzten Stuhl auf und setzt sich. Sie kann die jüngsten Geschehnisse nicht einordnen, versteht nicht, was und warum, dass alles passiert.

Ohnmacht und Verzweiflung überkommen sie. Eilig verlässt sie ebenfalls den Raum und flüchtet in ihr Zimmer. Sie schließt die Tür hinter sich und kann sich der Tränen nicht mehr erwehren. Es dauert eine ganze Weile bis sie sich wieder im Griff hat.

Bis zum Nachmittag verlässt sie ihre Räumlichkeiten nicht mehr. Es klopft auch keiner um nach ihr zusehen wie sonst immer, wenn derartige Vorkommnisse waren. Sie hört Peter nicht Klavierspielen, oder Lorie toben … Das Herrenhaus beherbergt eine unerträglichen Stille. Es scheint fast so, als wäre die zarte Oberfläche des Zusammenlebens zerbrochen und jeder hätte sich in seine eigene Welt geflüchtet.

Die Zeit bis zum Treffen mit Sarah lässt dieser Umstand wie eine Ewigkeit wirken. Emma liest, surft im Internet und versucht alles, um sich abzulenken und möglichst nicht zu viel nachzudenken.

Als die Zeit endlich heran ist, zieht sie sich um und macht sich zurecht. Sie packt sich einen kleinen Rucksack mit einigen Dingen, die sonst nicht unbedingt zu einem Treffen mit ihrer Freundin mitnimmt – aber ihr Gefühl sagt ihr, dass sie sie heute wahrscheinlich brauchen wird.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Große Überarbeitung 21.04.21 Komplett anzeigen

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