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Im Dunkeln der Nacht

Mystery Spell
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hinweis:

Game: Sebastian Jones
Szene: Anfangsszene im Wald Komplett anzeigen

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Vollmondnacht

Emma erwacht brummend. Es ist immer noch dunkel; nur der Vollmond leuchtet in ihr Zimmer. Verträumt betrachtet sie ihn, bis ihr schließlich das leise Klopfen am Fenster auffällt. Noch etwas verschlafen richtet sie sich auf. Als sie ihren Besuch bemerkt, huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. Sie steht auf und öffnet das Fenster. „Hey, Kleines“, flüstert sie.

Die weiße Eule flattert herein und setzt sich auf den Schreibtisch. Sie gurrt leise und scheint zu lächeln.

Die Eule ist eines Abends einfach aus dem Nichts aufgetaucht. Die junge Frau hatte sich im ersten Moment fürchterlich erschrocken. Allerdings zeigte sich, dass das eigentlich scheue Tier recht zutraulich ist; sie lässt sich sogar streicheln. Inzwischen kann man sogar von einem freundschaftlichen Verhältnis sprechen – soweit man bei einem Tier überhaupt davon sprechen kann. Sie taucht regelmäßig auf, leistetet dem Kindermädchen Gesellschaft und manchmal auch Trost.

Ein wenig irritiert legt Emma die Stirn in Falten. Ihr eigenartiger Besuch strahlt meistens Ruhe aus, aber heute ist es anders. „Alles okay?“, fragt sie nach. Klasse, ich rede inzwischen schon mit ihr, als wäre sie ein Mensch, denkt sie sich und schmunzelt.

Die Eule gurrt aufgeregt und flattert los. Sie umkreist die Frau und fliegt zum Fenster hinaus. In einiger Entfernung setzt sie sich auf einen Baum und ruft, wieder und wieder.

Was ist nur los? Unschlüssig steht die junge Frau da und überlegt, was das bedeuten soll.

Scheinbar dauert das dem Tier zu lang; wieder flattert es los, kommt zurück zum Fenster, macht eine enge Kurve und fliegt wieder davon. Zurück auf dem Baum ruft sie wieder.

„Okay“, nuschelt sie vor sich hin. Scheinbar ist wirklich irgendwas. Vielleicht will sie ihr etwas zeigen? Die junge Frau zieht sich an und verdrängt den Gedanken, dass es albern ist, mitten in der Nacht einer Eule nachzulaufen – und gefährlich; vor allem gefährlich. Doch die Art, wie das Tier immer wieder ruft, erzeugt ein Dringlichkeitsgefühl, gegen das sie nicht ankommt. Sie huscht aus ihrem Zimmer, so leise wie es ihr möglich ist, die Treppe hinunter und zur Terrassentür hinaus.

Die Luft ist kühl, aber noch nicht wirklich kalt. Der Spätsommer zeigt sich von seiner besten Seite. Der Vollmond erleuchtet die Umgebung und taucht alles in fahles Licht. Die Eule taucht erneut auf, flattert um die junge Frau herum und fliegt Richtung Wald.

Es gibt Nächte, die sind einfach anders, wie andere – und diese hier ist so seine. Emma könnte nicht sagen warum, aber tief in drinnen spürt sie es einfach. Und dieses Gefühl bestätigt sie in ihrem Tun; egal wie merkwürdig das sein mag. Schnurstracks läuft sie dem Tier hinterher durch den Garten, der eher einem Park gleicht und schließlich in den angrenzenden Wald.

Schon praktisch, einen riesigen Garten zu haben, der zu einem Wald wird, wenn man gelegentlich „jagen“ geht. Ein kleiner Schauer huscht ihr den Rücken hinunter. Ja, sie hat kein Problem, mit dem Wesen ihrer Gastfamilie, aber es gibt trotzdem Dinge, über die sie lieber nicht nachdenkt oder sich vorstellt. Sie Vampire und ihre Ernährung wird ihnen dadurch vorgegeben. Dass sie kein menschliches Blut trinken, ist Grundvoraussetzung für die angestrebte Integration in die normale Welt. Aber auch ihre tierische Ernährung, möchte sich das Kindermädchen lieber nicht bildlich vor Augen führen. Sie mag die Familie – so wie sie ist. Es würde wahrscheinlich ihren Blick für immer verändern, wenn sie einen von ihnen mit seiner Beute zwischen den Fangzähnen sehen müsste.

Kaum, dass die junge Frau die Grenze zwischen Garten und Wald überschritten hat, umfängt sie eine noch merkwürdigere Stimmung, wie ohnehin bereits herrscht. Sie war schon oft hier, auch nachts hin und wieder, aber heute ist irgendetwas komplett anders wie sonst. Wirklich alles ist anders: die Geräusche, das Licht, selbst der Geruch. Einen Moment hält sie inne. Ist das hier wirklich eine gute Idee? Irgendetwas tief in ihr scheint sie warnen zu wollen, aber sie versteht es nicht. Schummrig erinnert sie sich an ihren Traum – der Wald, die Bäume … Alles andere ist weg, wie immer. Emmas Gedanken unterbrochen.

Die Eule flattert über ihren Kopf hinweg und ruft wieder. Anschließend fliegt sie einen großen Bogen und verschwindet kurz zwischen Ästen.

„Was ist denn los?“, fragt das Kindermädchen und muss im nächsten Moment kichern. Sollte Moony, wie sie die Eule getauft hat, ihr tatsächlich eines Tages antworten, würde sie bestimmt dumm aus der Wäsche schauen.

Erneut taucht das Tier auf und fliegt weiter in Wald, und ruft immer wieder.

Es geht immer tiefer und tiefer ins Dickicht. Die junge Frau konzentriert sich so sehr darauf, das schöne Tier nicht aus den Augen zu verlieren, dass sie es zunächst gar nicht bemerkt. Nach einiger Zeit wird ihr bewusst, dass sie noch nie in diesem Teil des Waldes gewesen ist.

Fasziniert betrachtet Emma ihre Umgebung und ist verzückt. Alles ist ihr fremd und die Bäume wirken uralt. Ihre Stämme sind dick und vernarbt, das Wurzelwerk hat hier und da ganze Felsen aus dem Boden gehoben, welche jetzt der Witterung ausgesetzt sind. Moose und Flechten bewachsen Wurzeln, Fels und Waldboden. Es wirkt, als wäre sie in einem Märchenwald. Doch plötzlich kommt ihr ein hässlicher Gedanke: falls sie sich verlaufen hat … Nein, das sollte sie lieber nicht zu Ende denken. Und wo ist Moony eigentlich?!

Das Kindermädchen sieht sich um und lauscht angestrengt – bis auf das Atmen des Waldes und dem leisen Knarren der Bäume ist nichts zu hören. Langsam aber sicher wird ihr mulmig. Ob einer der Brüder mitbekommen hat, dass ich das Haus verlassen hat? Irgendwie hofft sie es, auch wenn sie eigentlich keine Lust hat, hier mitten im Wald von einem der Bartholys eingesammelt zu werden.

Sie wüsste nicht mal, wenn sie bevorzugen würde.

Nicolae würde ihr wohl eine Moralpredigt halten und danach würde er ihr versichern, dass er es nur gut meint und sich halt Sorgen um sie macht.

Drogo … Nein, darüber will sie lieber nicht nachdenken. Seit sie hier ist, schleicht er um sie herum und ärgert sie ständig. Von seinen … merk- und manchmal denkwürdigen Avancen ganz zu schweigen.

Peter. Peter wäre eine annehmbare Option. Er ist ruhig und einfühlsam, mitunter sehr introvertiert und man braucht immer etwas, um ihn zum Reden zu bewegen. Das ist am Ende oft genauso anstrengend, wie Drogos ständige Provokationen oder Nicolaes undurchsichtige Überfürsorglichkeit – allerdings wäre dies entspannte Art genau das, was ihr hier am meisten helfen würde …

Plötzlich hört sie Wasser. Da sie keinen anderen Anhaltspunkt hat, folgt sie dem Plätschern. Sie klettert über einen moosbewachsenen Stamm, und dann um einigen größeren Felsen herum. Völlig unerwartet steht die junge Frau vor einem See.

Das Gewässer liegt leise und ruhig im Mondschein. Die Oberfläche glitzert und strahlt etwas Magisches aus. Ein einsamer See, mitten in einem dunklen Wald in einer Vollmondnacht: es könnte romantisch sein, oder teil eines Horrorfilms – je nachdem, was man bevorzugt.

Emma fühlt sich eher beunruhigt. Ihr Unterbewusstsein scheint zu arbeiten und sie warnen zu wollen, aber sie versteht es nicht. Auch etwas Anderes versteht sie nicht. Sie hat definitiv Plätschern gehört, aber See ist ruhig. Was hat das Geräusch also verursacht?

In der Nähe des gegenüberliegenden Ufers wird plötzlich die Wasseroberfläche durchbrochen. Schwarzes Haar kommt zum Vorschein und ein breiter, durchtrainierter Rücken.

Fassungslos steht die junge Frau da und begreift im ersten Moment gar nicht, was sie da sieht. Nur langsam sickert es in ihren Verstand – da steht ein Mann. Ein nackter Mann, um genau zu sein. Ein nackter Mann in einem See, um es ganz präzise zu sagen; und sie beobachtet ihn!

Als sie sich endlich aus ihrer Starre lösen kann, versteckt sie sich hinter ein paar Büschen. Gerade noch rechtzeitig.

Blitzschnell dreht sich der Mann um. Seine bernsteinfarbenen Augen suchen das Ufer ab, wie ein Raubtier, auf der Jagd nach Beute. „Ist da jemand?“, ruft er kräftig und fordernd.

Die Hitze schießt Emma in die Wangen. Das Ganze ist ihr fürchterlich peinlich! Doch es kommt noch schlimmer; sie kennt den Mann. Ihr Herz setzt mehrere Schläge aus vor Schreck. Das ist einer ihrer Professoren – Sebastian Jones. Und er steht hier; im Wald, in einem See, bei Nacht –  nackt. Ihre Kinderstube sagt ihr zwar, dass sie die Augen schließen sollte, aber sie kann nicht. Dass Spektakel, welches sich hier bietet, fesselt sie zu sehr. Wie er dasteht, im Mondschein, und das Wasser an seinem athletischen Körper herunterläuft ... Seine Muskeln sind definiert und verleihen ihm einen animalischen Ausdruck. Er wirkt wie eine Urgewalt und gleichzeitig unfassbar schön. Die Wassertropfen auf seiner Haut glitzern im Mondlicht und lassen ihn fast göttlich wirken.

Ihr Blick folgt einem der Tropfen, von seiner Halsbeuge, über seine festwirkenden Brustmuskeln, hinab, über das wohldefinierte Sixpack läuft. Er läuft über jeden einzelnen Strang und schließlich …

Einen Moment schließlich dann doch die Augen. Nein, so schamlos will sie nicht sein! Sie atmet mehrfach bewusst ein und aus, um sich wieder zu sammeln.

Vorsichtig öffnet sie die Augen wieder und blinzelt. Professor Jones hat sich inzwischen dem Ufer auf seiner Seite zugewandt und läuft darauf zu. Es verhindert, dass sie doch zu viel von ihrem Dozenten zusehen bekommt, gleichzeitig gibt es ihr einen wunderbaren Ausblick auf seinen Rücken und Hintern.

Die junge Frau spürt wie sich die Hitze aus ihrem Gesicht langsam in ihrem Körper ausbreitet und sich unterhalb ihres Bauchnabels festsetzt. Ihr Mund fühl sich trocken an und ihr Herz pumpt wie verrückt in ihrer Brust. Die körperliche Auswirkung, die der Anblick ihres nackten Professors auf sie hat, ist ziemlich heftig. Sie hatte das so noch nie und eigentlich schämt sie sich dafür, dass sie hier sitzt und spannt wie ein Perversling.

Sie schätzt, ja, bewundert ihn – aber eigentlich auf intellektueller Ebene und auch menschlich. Er war auf unzähligen archäologischen Ausgrabungen und ist eigentlich eher ein Abenteurer wie ein Professor. Sein Kurs „Mythen und Legenden“ ist voll mit Studentinnen, oder eher Groupies. Ja, er ist für einen Dozenten recht jung und sieht gut aus – verständlich, dass sich ein Fanclub gebildet hat. Aber sie selbst gehört nicht dazu, und sie ist eigentlich stolz darauf. Sie schätz Professor Jones als Lehrer, als Mensch; nicht als Lustobjekt – doch jetzt gerade, ist es unfassbar schwer, dass weiter beizubehalten.

Die Hitze unter ihrem Nabel wandert immer weiter abwärts, kriecht den feinen, unsichtbaren Strich zwischen ihre Schenkel hinab. Ein untrügliches Pulsieren setzt ein. Sie schämt sich mit jedem Moment mehr, gleichzeitig kann sie den Blick nicht abwenden. Fast schon hungrig fährt sie diesen unfassbar muskulösen Körper mit den Augen ab.

Als er am gegenüberliegenden Ufer ankommt, nimmt er sein Oberteil aus dem Gras und zieht es sich über.

Sie beobachtet genau, wie sich seine Rückenmuskeln bewegen und kommt nicht umhin, sich zu fragen, wie es sich anfühlen dürfte, wenn ihre Hand darauflegen würde. Ungewollt entkommt ihr ein leises Keuchen.

„Wer ist da?“, knurrt Jones und seine Augen wandern erneut das Ufer ab.

Erschrocken hält sich Emma die Hand vor den Mund. Sie bemüht sich um Ruhe, und darum ihre Fassung irgendwie zu bewahren, oder besser; sie wieder zurück zu gewinnen.

Noch einmal sehen sich die bernsteinfarbenen Augen um, dann verschwindet der Professor im Wald.

Sie wartet noch einige Augenblicke und versucht wieder runter zu fahren. Als sie sich sicher ist, dass Jones wirklich weg ist, steht sie auf.

Der See liegt wieder still und einsam da, als wäre nichts gewesen; als hätte hier nicht gerade, die fleischgewordene Versuchung gestanden. Sie wird den Professor nicht mehr wie bisher sehen können. Nie wieder, wird ihr bewusst. Das wird morgen in der Uni bestimmt furchtbar werden …

Allerdings, sollte sie sich erstmal Gedanken um jetzt machen. Sie steht allein, in einem Teil des Waldes in dem sie noch nie war … Wie kommt sie denn jetzt zurück?

Unsicher läuft die junge Frau los und versucht irgendetwas wiederzuerkennen. Aber sie war auf dem Weg hierher zu sehr abgelenkt – von der Stimmung des Waldes und von Moony.

Moony. Wenn Sie die Eule das nächste Mal sieht, wird sie ein Hühnchen mit ihr rupfen müssen.

Nach mehreren Minuten bleibt sie stehen und seufzt resigniert. Sie wird hier nie alleine heraus finden … Langsam aber sicher meldet sich die Angst. Muss sie womöglich die gesamte restliche Nacht hier draußen verbringen? Bitte nicht!

„Na, kleines Ding, verlaufen?“, ertönt es plötzlich hinter ihr.

Emma dreht sich um und fühlt sich erleichtert, und gleichzeitig genervt. Ja, nur Drogo schaffte es, diese widersprüchlichen Gefühle auszulösen. Verdammt! Selbst Nicolae wäre ihr am Ende lieber gewesen, wie er hier. Die Aussicht, hier allein im Wald mit dem Blonden zu sein, löst ein eigenartiges Kribbeln in ihrem Nacken aus. Wenn sie ganz ehrlich ist, so richtig traute sie ihm nicht über den Weg. Man muss ehrlicherweise auch sagen, dass er es auch irgendwie darauf anzulegen scheint, dass man ihm misstraut.

Der Jüngste der Bartholys steht zwischen den Bäumen und grinst siegessicher. Geschmeidig setzt er sich in Bewegung und geht auf sie zu; wie ein Raubtier auf der Jagd – grazil und selbstbewusst.

Das Ganze zieht sie in ihren Bann und sie kann nicht wegsehen. Wie er auf sie zu läuft, im Schein des Mondes und mit dieser mystischen Stimmung hier im Wald, hat es etwas … anziehendes. Erschrocken über sich selbst schüttelt sie den Kopf. Was ist heute Nacht nur los mit ihr?! Oder sind das noch die Nachwehen von vorhin?

Drogo kommt eine Handbreit vor ihr zum Stehen, sein Blick immer noch auf sie gerichtet. Seine Augen sehen sie an, forschen in ihren. „Was ist los? Warum so … aufgeregt, kleines Ding?“

Die junge Frau schluckt nervös. Er ist zu nah, viel zu nah. Sie macht widerwillig einen Schritt zurück. Tatsächlich ist sie sich unsicher, wieviel der Blonde in ihr lesen kann, oder fühlen, oder was auch immer. Spürt er ihre … Erregung? Denn ja, sie selbst spürt die Hitze in ihrem Unterleib noch recht deutlich und auch ihr Herz pocht immer noch verdächtig schnell und kräftig. Anstatt dass sich ihr Zustand beruhigt, scheint er sich wieder zu intensivieren – wegen ihm. „Keine Ahnung, was du meinst“, krächzt sie heiser und zittrig.

Ein teuflisches Grinsen bildet sich auf Drogos Gesicht. Seine nussbraunen Augen funkeln im Mondlicht und lassen die Frau keinen Moment aus den Augen. „Sicher?“, fragt er spöttisch nach.

Sie kann sich nicht helfen, die Hitze in ihr wird immer mehr und es ärgert sie maßlos. Ausgerechnet Drogo! Ja, er sieht verdammt gut aus und sein Badboy-Image sorgte dafür, dass es mehr als genug Mädchen in Mystery Spell gibt, die unbedingt seine Aufmerksamkeit wollen – sie aber nicht! Er nervte sie, ärgerte sie ständig!

Und trotzdem … er hilft ihr auch, beschützt sie …

Und jetzt in Moment, hat sie das unbändige Bedürfnis ihn zu kosten, seine Lippen mit ihren zu berühren …

Was ist nur los?! Sie versteht sich gerade selbst nicht.

Drogo beugt sein Gesicht näher an ihres. „Sag schon“, flüstert er förmlich gegen ihre Lippen.

Ein Schauer huscht durch ihren Körper. Er weiß genau, was sie denkt und was er gerade in ihr auslöst. Und das ärgert sie unfassbar! Nur warum hat er plötzlich so eine Wirkung auf sie? Ist das so ein Vampirding? Diese ominösen Pheromone die sie aussenden um ihre Beute willig zu machen? Ist das hier … eine Falle? Ein Spiel? Wird er sie beißen? Fressen? „Lass mich …“, flüstert sie, ohne es wirklich zu meinen, zumindest klingt sie nicht so.

Sie stehen da, mitten im Wald und sehen sich an. Die junge Frau hat das Gefühl, als würden ihre Seelen kommunizieren, aber sie versteht es nicht. Als würden sie einer Fremdsprache lauschen, die sie noch nie gehört hat.

„Nun sag schon, was hast du gesehen?“, fordert Drogo nach einigen Momenten und durchbricht damit diese eigenartige Verbindung. Er bringt Abstand zwischen sie beide, in dem er sich aufrichtet; allerdings scheint er nicht glücklich darüber zu sein.

„Nichts“, antwortet Emma hastig und nutzt die Chance, und huscht einige Meter von dem Vampir weg. Irgendetwas merkwürdiges passierte mit ihr, als würden ihre Hormone urplötzlich die Kontrolle übernehmen und sie Amok laufen lassen.

Der Jüngste der Bartholys verzieht das Gesicht, als würde es ihm nicht passen, dass sie den Abstand zu ihm vergrößert hat. „Wenn du meinst. Aber du solltest nicht alleine im Wald herumstreifen … das könnte gefährlich sein.“ Er lässt seine Zähne aufblitzen und grinst reißerisch.

Da ist er wieder, der nervige Idiot und sie ist tatsächlich froh darüber, heilfroh. Das dürfte es wieder einfacher machen, mit ihm zu reden, und hier allein mit ihm zu sein. „Gefährlich? Ich wohne bei Vampiren, was hier draußen sollte noch gefährlicher sein?“, spottet sie sarkastisch zurück und verschränkt die Arme vor der Brust.

„Ich bin hier, reicht dir das nicht?“, knurrt der Vampir spielerisch und fixiert die junge Frau.

Da ist es plötzlich wieder, dieses Knistern. Die Luft zwischen scheint sich aufzuladen und nimmt ihr fast den Atem. Er nähert sich ihr wieder und sie tritt den Rückzug an, bis ihr ein Baum die Flucht abschneidet. „Bleib weg“, haucht sie leise. Einen Wimpernschlag später steht Drogo vor ihr, stützt sich rechts und links neben ihr ab und kesselt sie ein. Sein Duft und seine Ausstrahlung vereinnahmen ihren Geist, sie spürt, wie ihr Widerstand schwindet und sie nichts dagegen tun kann.

 

[Bonus-Kapitel - Drogo]

 

Die Stille die sich im Wald nach dem Spektakel ausbreitet wirkt seidig. Wie ein Tuch breitet sie sich aus und hüllt alles ein, als wolle sie den Mantel des Vergessen darüber ausbreiten.

Die junge Frau hat Mühe ihre Atmung und ihren Puls wieder unter Kontrolle zu bringen. Das Drogo noch einige Momente still an ihrer Halsbeuge ruht, hat etwas Friedliches, und Befremdliches. Als er sich von ihr löst, haucht er ihr einen flüchtigen Kuss auf die Lippen und steht auf. Diese Geste verwirrt sie und holt sie schlagartig zurück. Was hat sie nur getan?! Frustriert über sich selbst, legt sich den Unterarm über die Augen.

„Komm schon“, fordert Drogo leicht amüsiert.

Sie nimmt den Arm von den Augen und sieht zu ihm auf. Er ist tatsächlich schon wieder komplett bekleidet. Diese Tatsache nervt sie direkt, ohne dass sie sagen könnte warum. Er hält ihr die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Sie nimmt das Angebot widerwillig an.

Mühelos zieht Drogo sie hoch und einen Augenblick treffen sich ihre Blicke. „Was ist los, kleines Ding?“ Ein Grinsen bildet sich auf seinem Gesicht. „Ich sagte doch, dass du mir nicht widerstehen kannst.“

„Halt die Schnauze!“, mault sie ihn an. Wie konnte sie nur?! Mit ihm! Wütend sammelt sie ihre Sachen ein und zieht sich an. Das der wachsame Blick des Blonden immer noch auf ihr ruht, ignoriert sie, obwohl er eine merkwürdige angenehme Gänsehaut erzeugt.

„Du brichst mir das Herz“, witzelt der Vampir und hält sich theatralisch die Brust.

„Wie konnte das nur passieren?! Und auch noch mit dir!“, schimpft die Emma vor sich hin. Endlich wieder bekleidet verschränkt sie die Arme vor der Brust und sieht Drogo genervt an.

Der Blonde zieht die Augenbraue hoch und irgendetwas huscht kurz durch seinen Blick. Für den Bruchteil einer Sekunde ist Betroffenheit zusehen, oder Frust. „Mit mir? Wäre dir einer meiner Brüder lieber gewesen, kleines Ding?“, fragt er herausfordernd und verengt die Augen.

Einen Augenblick ist sie verwirrt über seine Frage. Meint er das ernst, oder ist das wieder eine, seiner üblichen Provokationen? Sie darf sich nicht aus der Ruhe bringen lassen – nicht schon wieder! „Du weißt genau was ich meine! Ausgerechnet mit dem größten Schürzenjäger der Stadt!“, flucht sie und stapft wütend los. „Erzähl bloß niemandem davon!“

„Pff. Keine Sorge. Ich habe einen Ruf zu verteidigen“, antwortet Drogo flapsig. „Was sollen die Leute von mir denken?“

So ein Arschloch! Sie kann es immer noch nicht fassen. Was hat sie da nur geritten? Sie ist doch normalerweise nicht so … so … triebgesteuert. Das schlimmste ist, dass sie wahrscheinlich jetzt jedes Mal daran denken muss, wenn sie diesem Idioten begegnet. Und sie wohnen auch noch zusammen, also begegnen sie sich ständig. „Ich wünschte, das wäre nie passiert“, nuschelt sie vor sich hin.

„Das kann ich veranlassen.“

Verwirrt bleibt die junge Frau stehen und dreht sich um. Sie mustert Drogo eingehend. War das ein Witz, oder kann er das wirklich? Außerdem, hatte er so einen ungewohnten Unterton in der Stimme, den sie so gar nicht von ihm kennt. „Das … geht?“, hakt sie nach.

Der Blonde nickt. Er wirkt angespannt und ein wenig betrübt. „Natürlich. Ich kann dein Gedächtnis löschen. Nicolae will nicht, dass wir das machen, aber wir können es.“

Ihre Gedanken rasen. Es klingt verlockend, allerdings wird ihr etwas Anderes bewusst. Sie würde vergessen, aber er nicht. Was, wenn er das nutzt? Er weiß jetzt, dass er offenbar Begehrlichkeiten in ihr wecken kann. Er könnte das wieder tun und sie würde da unvorbereitet hineinstolpern, wenn sie nicht erinnern kann. Vielleicht … vielleicht hat er das sogar schon. Wer sagt, dass das hier ihr erstes Mal war?

„Nein“, sagt sie schließlich entschieden und sieht ihn an.

Drogo grinst und scheint wieder in seine gewohnte Rolle geschlüpft zu sein. Er will gerade den Mund öffnen um etwas zu sagen, doch sie kommt ihm zuvor.

„Bild dir nichts darauf ein!“, will sie ihn sofort den Wind aus den Segeln nehmen, ehe er sich zu viel einbildet. „Das hat nichts mit deiner …“, sie ringt nach den richtigen Worten, „Performance zu tun. Ich will nur nicht nochmal in so eine Situation kommen“, stellt sie etwas übertrieben klar.

Der Blonde geht auf sie zu und beugt sich zu ihr hinunter. Mit sichtlicher Zufriedenheit registriert er ihre Verlegenheit. „Performance?“, säuselt er süßlich.

„Klappe!“, herrscht Emma ihn an und weicht etwas zurück. „Wir werden nie, nie, darüber reden, klar?“

„Klar.“ Drogo scheint merkwürdig zufrieden mit der Situation. Völlig unvorbereitet tippt er ihr gegen die Stirn und grinst. „Wir sollten zurück. Nicolae wird sich schon Sorgen machen.“ Er dreht sich von ihr weg und deutet ihr, dass sie auf seinen Rücken klettern soll. „Und ich habe keine Lust, wieder die ganze Nacht mit Diskussionen über Verantwortung zu verbringen.“

„Pff. Träum weiter.“ Soweit kommt es noch, dass sie sich von ihm Huckepack tragen lässt! Die junge Frau verschränkt die Arme trotzig vor der Brust.

Drogo sieht über seine Schulter hinweg an und funkelt schelmisch. „Ich kann dich auch einfach über die Schulter werfen, kleines Ding“, schnurrt er amüsiert.

Stimmt, schießt es ihr durch den Kopf. Er könnte sie einfach packen und gegen ihren Willen sonst wohin bringen. Genervt gibt sie nach und klettert auf seinen Rücken.

Eilig geht es durch die Nacht und den Wald zurück zum Herrenhaus …


Nachwort zu diesem Kapitel:
Kleine Überarbeitung 18.03.2021
Großer Überarbeitung 15.04.2021 Komplett anzeigen

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