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Paper Lilies

【 Rundum-Wichteln 】
von

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#o1 | Huntress

Der Jagdbogen fühlte sich in ihrer Hand ungewohnt an. Die Sehne war neu, sie hatte sie erst diesen Morgen nach dem Aufwachen eingespannt. Vorsichtig legte Ayame ihr Geschenk beiseite und machte sich daran, ihre Gestalt in einen hellen Flachsmantel zu hüllen. Seit sie sich erinnern konnte, hatte sie immer darauf gehofft, eines Tages den Platz ihres Vaters unter den Jägern einzunehmen. Während andere Kinder von einem Leben als Wind- oder Schattenmagier auf dem Drachenrücken geträumt hatten, hatte Ayame gelernt, Fährten zu lesen, sich vor Hyänen zu verteidigen, selbstständig ein Lager zu errichten und wieder abzubauen. Sie hatte sich nicht mit alten, gesungenen Beschwörungen in der Sprache der ersten Menschen sondern mit der Verwandlung von Knochen in Dolche oder Leder in Zeltplanen beschäftigt und im Kreis mit Männern gesessen. Anfangs hatten sich die Jäger bedroht gefühlt. Eine Frau in ihren Reihen war nicht gemäss der Sitte des Stammes. Sie hatten vieles versucht; ihre Beute gestohlen, ihre Waffen zerstört und ihre Zeltplanen aufgeschlitzt. Selbst ihr eigener Grossvater hatte darauf bestanden, dass sie ihren Traum aufgab. „Eine Frau gehört hinter die Zeltplane, neben das Herdfeuer. Oder hoch in die Luft, den Göttern nah. Wie soll dich dein zukünftiger Ehemann beschützen, wenn du widerspenstig bist, Ayame?“, hatte er sie sanft gefragt und ihr das rotbraune Haar gekämmt. Die alte Deuterin hatte behauptet, sie sei ein Kind der Wüste, mit langen Wellen in der Farbe des Sandes. Ein Kind des Todesgottes, mit der Aufgabe, ein neues Zeitalter einzuläuten. Das Volk der lotu verehrte den Anfang gleichermassen wie das Ende, doch Ayame wusste, dass nicht überall in der Steppe dieselben Ansichten galten. Wäre sie in einen anderen Stamm geboren worden, hätte ein anderer Deuter ihr Kommen als schlechtes Omen angesehen. Sie wäre geopfert worden, lange bevor sie alt genug wäre um Hand an Bogen und Pfeil zu legen.

Die Lotu empfanden es als Sakrileg, ein Kind zu töten und das war ihre Rettung. Ayame hatte die Gelegenheit erhalten, sich zu bewähren. Sie war nicht besser oder schlechter als die anderen Lehrlinge gewesen, niemals. Aber sie hatte einen eisernen Willen und die Entschlossenheit, ihren Weg zu finden. Mit oder ohne Beistand. Und irgendwann hatten die Jäger geschwiegen.

Ihre Eltern waren verbrannt worden, als sie noch glaubte, die Welt fände ihr Ende wo die Sonne auf die Savanne traf. Ihre Mutter war bei der Geburt eines Sohnes einem Fieber erlegen und ihr Vater wenige Jahre später während eines Überfalls eines benachbarten Stammes. Ihr Grossvater war alles, was sie an Familie noch besass. Und deshalb lenkte Ayame ihre Schritte zu seiner Hütte. Gut möglich, dass er noch schlief, die ersten Sonnenstrahlen waren noch kaum erkennbar. Es würde auch nicht von Bedeutung sein, beschloss sie vor seiner Schwelle und verneigte sich in aller Stille. Es war Brauch, die Familie dem Initiationsritus der Jäger zu ehren. Sie hatte wilden Lavendel für ihre Mutter und Bergrosen für ihren Vater verbrannt und die Asche in kleinen Kalebassen über Nacht vor dem Scheiterhaufen ihres Dorfes aufgestellt. Nun hatte sie auch ihrem Grossvater die Ehre erwiesen. Sie würde mit gutem Gewissen gehen können.

 

„Du brichst früh auf.“ Kogas Stimme schnitt durch die Luft und hätte Ayame seine Schritte nicht gehört, wäre sie fürchterlich erschrocken. „Ich werde Gazellen jagen. Wenn ich mich nicht beeile, verliere ich ihre Spuren“, erklärte sie und zurrte ihren Dolch mit geübten Handgriffen am Gürtel fest. Einst hätte er sie ehelichen sollen, aber kein Mann, der bei Sinnen war, nahm eine Jägerin zur Frau. Frauen mit eigenem Kopf waren trotz allem gefährlich. Man konnte nie erahnen, wann sie daran waren, ihrem Mann ein Messer in den Rücken zu jagen, hiess es. Dennoch schien Koga nicht daran zu denken. Er war seit drei Dürren Jäger und trug mit Stolz sein pechschwarzes Haar zu einem hohen Zopf gebunden, ein Streifen Hyänenfell diente als Haarband. Jäger hatten nicht mit den Lehrlingen zu sprechen, wenn sie zu ihrer ersten eigenen Jagd aufbrachen. Normalerweise wurden Gruppen ausgesandt, um sich um Nahrung zu kümmern, Frauen für Wurzeln und Früchte im Dschungel, mehrere Tagesmärsche vom Dorf entfernt, und Männer für das Fleisch. Doch um sich als würdiger Jäger zu erweisen – oder Jägerin, in Ayames Fall – war man auf sich alleine gestellt. Die Wahl der Beute gehörte zur Prüfung. Griff man zu tief, wurde einem Faulheit nachgesagt, schlug man die andere Richtung ein, war man zum Scheitern verurteilt. Im schlimmsten Falle auch zum Tode. Man half sich trotz aller Verbote doch gegenseitig aus, aber bisher hatte noch keiner sie selbst auf ihre Prüfung angesprochen. Wenn sie stark war, würde sie sich auch ohne die Hilfe der Männer beweisen können. „Du willst schiessen? Pass auf, dass du genügend Pfeile dabei hast“, riet Koga und griff in seinen eigenen Jagdbeutel, den er sich um die Hüften gebunden hatte. „Ich habe eigene Pfeilspitzen, danke“, erwiderte Ayame scharf und zog zum Beweis ein Stück Speckstein aus ihrem eigenen Beutel. „Halte Ausschau nach Wyvern. Wenn du zu leichtsinnig-“ „Auch ich habe eine Jägerausbildung hinter mir, Koga. Ich bin eine Frau, nicht dumm.“ Genervt über seinen gönnerhaften Tonfall wandte sich die junge Frau zum Gehen.

„Ich weiss. Aber du bist auch impulsiv und schnell verunsichert.“

Seine Worte erstaunen Ayame. Er machte sich sehr wohl Sorgen um sie. „Ich kann das“, versicherte sie sanfter und warf Koga einen letzten Blick über die Schulter zu. „Wir haben schon oft Gazellen gejagt.“ Er lächelte steif und beschloss wohl auch, endlich seinen Pflichten nachzugehen. „Wenn du zurück bist, heiraten wir.“

 

Erst waren ihre Schritte leicht, beschwingt. Ayame war stolz darauf, sich so still wie die Raubkatzen durch die Savanne bewegen zu können, doch bald beschwerte die sengende Hitze ihre Gliedmaßen. Wie vorsichtig geplant fand sie bald ihren Pfad und folgte der Herde unermüdlich. Hin und wieder legte sie unter einer Akazie eine kleine Rast ein, oft nur für wenige Atemzüge, und dachte an ihre Rückkehr. Dafür war während der Jagd selbst keine Zeit. Ein guter Jäger war in jenem Moment mit Herz und Kopf bei der Sache. Für nagende Gedanken war da kein Platz. Ihre Aufgabe war leicht. Sie musste eine Gazelle erlegen und sie zurückbringen. Zu weit konnte sich Ayame nicht vom Dorf entfernen, andernfalls würde die Entfernung für sie allein zu gross.

Es war ein Geschenk der Götter, erreichte sie um die Mittagszeit herum den Weideplatz ihrer Beute. In etwas Entfernung begann sie, ihre Vorkehrungen zu treffen. Pfeile wurden überprüft, ihr Dolch ein letztes Mal geschärft, Stöcke gesucht, an denen sie das Wild nach Hause transportieren konnte. Und dann wartete sie. Kein Wind ging, die Sonne brannte unerbittlich und Ayame war froh, hatte sie daran gedacht, sich am Wasserloch mit Lehm einzureiben. Als sie ihre lange Flachskluft ablegte, spürte sie die Hitze der Sonnenstrahlen wie Nadeln auf der Haut. Ihr Haar band sie sich sorgsam aus dem Gesicht und dann lag sie da, zwischen den Grashalmen, und spürte, wie Ameisen über ihre Arme und ihren Rücken krochen und wie ihr Nacken warm wurde.

 

Sie würde ein altes Weibchen erlegen, es war zwar mager aber würde genug hergeben und langsamer als die anderen Tiere. Den Pfeil im Anschlag, auf den Knien, zielte Ayame. Sie traf ins Knie und während der Rest der Herde aufgescheucht davonstob ging die alte Gazellendame zu Boden. Mitleid mit den Tieren gewöhnte man Jägerlehrlingen schon im ersten Jahr ab, doch bevor Ayame den Dolch an den Hals legte, dankte sie der Beute und schickte ein Stossgebet an den Jagdgott. „Habt Dank, sandtet ihr mir ein würdiges Opfer.“

Mit dem klebrigen Blut der Gazelle an den Händen machte sie sich an die Arbeit. Es verlangte viel Arbeit, das Tier in tragbare Teile zu zerlegen und als Ayame endlich, mit schmerzenden Handgelenken  von ihrer Arbeit aufsah, kreisten am Himmel Geier mit wilden Drachen um die Wette. Die Sonne stand bereits tief und wenn sie sich nicht beeilte, würde sie auf dem Rückweg von der Dunkelheit oder den weissen Löwen überrascht werden, die am späten Nachmittag auf Jagdstreife gingen. Ungeduldig pulte sie Hanfseile aus ihrem Beutel und begann, das Fleisch an den bereitgelegten Stöcken festzubinden. Am Ende sah das Ergebnis wie eine der Bratkeulen aus, die an Feiertagen herumgereicht wurden. Ein letzter Blick, um sich zu vergewissern, dass alles an seinem Platz war und dann hob Ayame die Enden hoch und machte sich auf den Weg.
 

Der Dorfplatz war in das warme Licht der gemeinsamen Feuerstelle getaucht, als sie endlich ankam. Mit schmerzenden Füssen versuchte sie, unter den um das Feuer versammelten Männer ihren Lehrmeister Inu Yasha ausfindig zu machen. Dieser schien ihre Anwesenheit nicht wahrgenommen zu haben, er war tief in ein Streitgespräch mit einem der Abgesandten eines verbündeten Stammes verwickelt. Der Abgesandte trug eine schwarze Kutte, die ihn als Priester des Liebesgottes auswies. Auch viele ihrer Mitschüler hatten sich bereits etwas abseits versammelt. Noch sassen sie bei den Kindern und erzählten farbenfroh ihre eigenen Jagderlebnisse. Gerade schilderte der Bruder der Stammesführerin, wie bedrohlich Erdmännchen von nahem sein konnten und wies stolz darauf hin, dass er zwei Dutzend zurückgebracht hatte. Erdmännchen. Sie hätte selbst darauf kommen sollen, schalt sich Ayame und brachte ihren eigenen Fang zu Koga, der ihr anerkennend zunickte. Unter den Lehrlingen sassen auch solche, die wohl weniger Glück hatten. Einer der Jäger, Bankotsu sass neben einem seiner Unterwiesenen, und erkundigte sich nach Einzelheiten der Jagd während sein Freund Jakotsu und einer der Heiler damit beschäftigt waren, das Schienbein des Jungen wieder zu richten. Ayame zuckte zusammen, als der Verletzte aufschrie und der Knochensplitter, der gerade eben noch aus dem Fleisch geragt hatte wieder unter einer Schicht Muskeln verschwand. „Er wollte’s mit einem Gnu aufnehmen, der dumme Kerl“, hörte sie die Stimme ihres Lehrers neben sich. Sein Gesicht sah aus, als hätte man ihn mit dem Kopf voran in Wüstensand gedrückt. „Hatte ganz schön Glück, ist er nur dumm gefallen. Das hätte schlimmer ausgehen können.“ Ayame verkniff es sich, Inu Yasha darauf hinzuweisen, dass ein solcher Bruch doch schon Strafe genug war. „Koga hat erwähnt, du hättest eine Gazelle erlegt. Glückwunsch.“ Das Mädchen spürte, wie ihre Brust vor Stolz anschwoll. Die Worte des Jägers waren noch immer in einem ruppigen Tonfall gesprochen, doch ein Lob von seiner Seite war selten. Das reichte vollkommen aus.

Der Stammesführer selbst, Sesshomaru mit dem blendend weissen Haar, sprach den Lehrlingen gegenüber seine Achtung aus und forderte sie dazu auf, sich in den Kreis der Erwachsenen zu setzen. Ayame glaubte zu sehen, wie seine Gefährtin, eine Windmagierin namens Kagura ihr über das Feuer hinweg zuzwinkerte, die Hände fest auf den Schultern ihrer kleinen Tochter, und musste sich dazu aufraffen, nicht in ein breites Grinsen auszubrechen. Statt dessen lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf die anderen Erwachsenen und bemerkte mit Zufriedenheit, dass sich doch nicht so viel verändert hatte, wie sie gedacht hatte. Noch immer straften sie einige mit verächtlichen Blicken, die sie dazu herausforderten, mit hoch erhobenem Kopf dazustehen. Da war Interesse in den Augen einiger Männer, Anerkennung und in wenigen vereinzelten Gesichtern auch Stolz. Ayame glaubte sogar ein Lob von ihrem Grossvater zu hören, was natürlich keinen Sinn machen konnte. Sesshomarus tiefe, kühle Stimme und das Knistern des Stammesfeuers waren das einzige Geräusch neben dem wilden Klopfen junger Herzen.

Den Herzen junger Jäger. 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sam_Linnifer
2013-01-28T17:20:53+00:00 28.01.2013 18:20
Ich muss zugeben, dass ich die Serie nur so weit kenne, dass mir der Großteil der Namen vage bekannt vorkommt und ich ziemlich sicher bin, dass die Geschichte lediglich daran angelehnt ist. Das tut der Sache aber keinen Abbruch im Gegenteil. :)
Sie ist schön geschrieben und gefällt mir gut ich hoffe (und bin dahingehend eigentlich auch sehr zuversichtlich) dass dein Wichtelkind das mindestens genauso sehen wird ;)
LG
Sam


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