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Herzschmerzhelden

von

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Happy Birthday

'Hey!'

 

Die Nachricht ploppt auf dem Bildschirmrand auf, aber ich ignoriere sie. Schließlich stehe ich gerade vor der schwierigen Frage, ob ich den knackigen Halbgott vor mir nun verführen oder vermöbeln soll. Beide Optionen haben was für sich, allerdings ist das hier kein ausgewiesenes Gay-Spiel und ich bin mir nicht sicher, ob Pane … Pans? … Panini? eigentlich bisexuell sind. Oder vielleicht sogar pansexuell? Hahaha!

 

Ich grinse und lasse meine Finger in Richtung des „Ich zwinkere ihm zu“-Button wandern, als erneut eine Nachricht meine Konzentration stört.

 

'Hey!'

'Was machst du gerade?'

 

steht jetzt auf dem breiter gewordenen Chatfenster. Offenbar sind die Nachrichten vom selben Absender. Ich stöhne verhalten.

 

Man, Pascal, nerv nicht, denke ich und will die blöde Frage ignorieren, als mir plötzlich die zwei Buchstaben oben in der Ecke ins Auge stechen. Sofort wird mein Mund trocken und meine Hände fangen an zu schwitzen.

 

Was zum … ? Was? Fuck!

 

Noch bevor ich reagieren kann, ist das Nachrichtenfenster wieder verschwunden. Jetzt kann ich mir nicht mehr sicher sein, ob es wirklich Bruno war, der mir geschrieben hat. Und was ist, wenn doch? Und was ist, wenn nicht?

 

Ich muss nachsehen.

 

Die kleine Stimme, die mir wild winkend irgendwelche Warnungen zurufen will, ist leider zu langsam, und so wische ich den Ziegenmann schnellstmöglich beiseite und öffne im gleichen Atemzug den Messenger. Und Überraschung! Es ist tatsächlich Bruno, der mir geschrieben hat, und er ist online.

 

Mhm, und jetzt sieht er, dass du es auch bist. Hättest du mal nur die Benachrichtigungen aufgerufen. Trottel!

 

Ich presse die Kiefer aufeinander und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass es vielleicht wirklich ne dumme Idee war, so schnell auf ihn anzuspringen. Andererseits öde ich mich inzwischen schon selbst an und der Stapel benutztes Geschirr auf meinem Schreibtisch wird auch immer größer. Das Ding hat schon solche Ausmaße, das sich mich mit meinen Büchern kurzerhand ins Bett verzogen habe. Nicht, dass ich die wirklich lesen würde, aber …

 

'Ich lerne' schreibe ich nichtsdestotrotz, weil der Schulkram ja immerhin in greifbarer Nähe liegt, und will es gerade absenden, als mir auffällt, dass das vielleicht ein bisschen streberhaft rüberkommt. Außerdem könnte Bruno denken, dass ich nicht mit ihm chatten will. Und ich will. Unbedingt!

 

'Nichts besonderes', klingt da doch schon sehr viel besser, wenn auch ein bisschen uninteressant. Aber zu spät, ich hab es bereits abgeschickt.

 

Jetzt denkt er bestimmt, dass ich voll lame bin.

 

'Und du?', schicke ich daher schnell noch hinterher und warte mit zwischen die Zähne gezogener Unterlippe auf die Antwort.

 

Bruno tippt eine ganze Weile. Die drei Pünktchen erscheinen und verschwinden, erscheinen und verschwinden. Endlich ploppt eine Nachricht auf.

 

'Ich versuche zu lernen.'

 

Ich grinse mir eins und schreibe zurück.

 

'Hab ich aufgegeben.'

 

Na, wenn das mal nicht cool ist. Bruno scheint das nur irgendwie anders zu sehen. Er schickt einen zweifelnd aussehenden Smiley.
 

'Wieso? Bist du durchgefallen?'

 

Ey, wieso denken das nur immer alle? So schlecht bin ich ja nun auch nicht in der Schule. Ich teile mir eben meine Ressourcen ein. Mindestaufwand, Mindestanwesenheit, Mindestnoten. Schließlich heißt es doch, dass man nicht für die Schule, sondern für das Leben lernt, und wann werde ich schon mal eine Unterhaltung über die Eirollbewegungen von Graugänsen führen wollen. Das interessiert doch keine Sau!

 

Mit einem Schnauben fange ich deswegen erneut an zu tippen.
 

'Ich werde sie alle mit meinem Charme überzeugen.'
 

Immerhin zählt in der mündlichen Prüfung ja nicht nur was man vorträgt, sondern auch wie man es macht. Im Ausführungspunkte einheimsen war ich schon immer gut. Bruno schickt prompt eine Antwort.

 

'Da hast du beim Böhme aber wenig Chancen.'

 

Ich lache bei der Vorstellung, dass ich tatsächlich versuche, unseren steinalten Mathelehrer mit einem verführerischen Augenaufschlag zu becircen. Der würde mich vermutlich nicht mal mit ner Kneifzange anfassen, was durchaus auf Gegenseitigkeit beruht. Andererseits reitet mich wohl gerade der Schalk und ich tippe.

 

'Och, wer weiß? Vielleicht steht er ja heimlich auf mich.'

 

Mit einem Grinsen und einem Smiley schicke ich die Nachricht ab. Ich meine, so rein statistisch gesehen, ist die Vermutung ja nicht ganz hinterm Mond vorgeholt, auch wenn man in Hintertupfingen wohl nicht unbedingt mit einer Gaußschen Normalverteilung rechnen darf.

 

Kaum habe ich das gedacht, lasse ich mich mit einem Stöhnen in mein Kissen sinken und möchte meinen Kopf gerne im Klo runterspülen. Ich glaube, das viele Lernen schadet meinem Gehirn. Da sind auf einmal Dinge drin, die ich nie wissen wollte. Fuck!

 

Um mich abzulenken von zu viel Schlauheit, nehme ich wieder mein Handy zur Hand und blicke gespannt auf den Bildschirm. Leider lässt Brunos Antwort auf sich warten.

 

Mhm. Ob er das vielleicht persönlich genommen hat? Immerhin haben ja er und ich und so …

 

Ach Scheiße!

 

Schnell beginne ich, eine Erklärung hinterher zu tippen, doch noch ich dazu komme, meinen Text abzuschicken, erscheint eine Nachricht von Bruno auf dem Bildschirm.
 

'Sorry, musste runter zu meiner Mutter.'

 

Ah, deswegen die Funkstille. Schnell lösche ich mein armseliges Geschwafel von wegen 'Tut mir leid' und 'war nicht auf dich bezogen', bevor ich es aus Versehen noch abschicke. Nicht, dass er sich nachher was einbildet. Die Sache ist durch und damit basta!

 

Ja ja, unkt meine innere Stimme und bekommt von mir dafür einen bösen Blick. Ich hasse den Kerl, ja wirklich.

 

Mit grimmigen Gesicht wende ich mich wieder Bruno und unserem Chat zu. Vielleicht sollte ich ihn fragen, wie es bei ihm zu Hause läuft. Freunde machen so was doch, oder? Andererseits habe ich irgendwie Angst vor der Antwort. Was, wenn er mir schreibt, dass das mit uns nichts Ernstes war. „Nur ne Phase“ oder irgendsoein Scheiß. Ich glaube, das könnte ich nicht ertragen. Allein er Gedanke daran macht irgendwas Komisches mit meinem Brustkorb. Fühlt sich an wie Schluckauf, nur unangenehmer.

 

'Sie backt gerade.'

 

Mühsam blinzele ich meine leicht verschwommene Sicht wieder gerade und starre die Nachricht an, die Bruno mir gerade geschickt hat. Es dauert einen Augenblick, bevor mir klar wird, dass er seine Mutter meint. Sofort muss ich an die Sache mit dem Spiegelei denken. Da hat er mir davon erzählt. Ohne nachzudenken tippe ich.
 

'Brot?'

 

Die Antwort kommt prompt und ohne Verzögerung.

 

'Nein, Apfelkuchen.'

 

Ich lächele. Na klar. Apfelkuchen. Heile, heile Welt. Obwohl Apfelkuchen jetzt schon irgendwie geil wäre. Oder wenigstens jemand, der ihn für einen backt.

 

'Meine ist arbeiten.'

 

Jetzt, wo ich das so schreibe, klingt es ein bisschen bitter. Immerhin ist es ja nicht so, dass ich meine Mutter wirklich hier haben wollte. Viel zu anstrengend. Außerdem muss sie ja arbeiten. Wo sollen sonst die Brötchen herkommen? Trotzdem wäre es jetzt gerade schön, nicht allein zu sein. Vorzugsweise inklusive Apfelkuchen. Ich glaub, ich hab Hunger.

 

'Wie war das eigentlich, als du es ihr gesagt hast?'

 

Ein wenig überrumpelt starre ich den Bildschirm an und kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass Bruno bei sich zu Hause ebenso gespannt zurückstarrt. Gleichzeitig weiß ich nicht, was ich jetzt schreiben soll. Will er das wirklich wissen?

 

Klar will er das, sonst würde er ja wohl nicht fragen.

 

Ich schnaufe und versuche mich an einer Antwort.

 

'Sehr unspektakulär. Ich hab ihr von nem Typen erzählt und sie hat gefragt, ob da was zwischen uns läuft. Da hab ich Ja gesagt.'

 

Ein bisschen unbefriedigt lese ich mir meinen Text nochmal durch und schicke ihn dann trotzdem ab. Denn eigentlich ist das natürlich nicht die ganze Geschichte. Ich hab schon ne Weile gebraucht, bis ich so weit war, es meinen Eltern wirklich zu erzählen und das obwohl meine Mutter immer mal erwähnt hat, dass es kein Problem wäre. Aber das mit Rico … von dem sollten meine Eltern gar nichts wissen. Und die Zeit danach war ja auch nur Sex. Und Gefummel. Und Geknutsche. Also wirklich nichts, über das ich mit meinen Eltern hätte sprechen wollen. Allein die Vorstellung! Brrr!! Geändert hat sich das dann irgendwie erst mit Jamie. Er war der Erste, den ich mit nach Hause gebracht habe. Und der Einzige.

 

Nicht ganz korrekt, bemerkt mein innerer Wichtigtuer und deutet unauffällig auf das Handy. Ja gut, Bruno hab ich auch mit nach Hause genommen. Aber das waren ja auch … andere Umstände. Er brauchte doch eine Unterkunft. Das war doch was anderes.

 

Mein innerer Vollidiot pfeift sich daraufhin eins und ich zeige ihm – mal wieder – den Mittelfinger. Echt man, der Kerl kotzt mich so an. Es ist vorbei, verdammt nochmal. Und selbst wenn … also falls da noch irgendwas zwischen uns wäre, würde das doch rein gar nichts an der Situation ändern. Überhaupt gar nichts!

 

Ein Geräusch holt mich zurück in die Wirklichkeit. Bruno hat geschrieben. Ich lese.

 

'Einfach so?'

 

Geräuschvoll blase ich die Backen auf und lasse die Luft wieder entweichen. Mal im Ernst, das sind doch keine Gesprächsthemen für einen Mittwochvormittags-Chat. Mehr so für ein besoffenes Sich-in-den-Armen-Liegen am Samstagabend.

 

Vielleicht machen wir das ja auch noch.

 

Bei dem Gedanken kribbelt es in meinem Bauch und ich wünschte, es wäre jetzt schon so weit. Obwohl ich natürlich weiß, dass die anderen Loser auch mit von der Partie sein werden und die Chance somit groß ist, dass sich Bruno wieder mal wie ein Arschloch verhalten wird. Aber trotzdem. Die Vorstellung, dass er und ich …

 

'Deine Mutter ist echt cool.'

 

Wieder muss ich mich aus meinen Tagträumen zurück zu einem sehr realen Bruno an meinem sehr realen Handy holen. Seine Nachricht entlockt mir ein leises Lächeln und ich schreibe.

 

'Dann solltest du sie mal erleben, wenn ich mein Zimmer aufräumen soll.'

 

Dann wird Madame nämlich zur nörgelnden Furie und nichts und niemand ist vor ihr sicher. Obwohl das in letzter Zeit weniger geworden ist. Hat wohl den Kopf voll, die Gute.

 

'Außerdem kann sie nicht backen.'

 

Keine Ahnung, wie wir jetzt in diesem Wer-hat-die-beste-Mutter-der-Welt-Wettstreit gelandet sind, aber ich lieb’s. Es fühlt sich so normal an.

 

Bruno schickt einen Lach-Smiley und eine Nachricht.

 

'Ich bring dir mal ein Brot mit.'

 

Ich grinse und schreibe zurück.

 

'Lieber Apfelkuchen.'

 

Daraufhin fängt Bruno an zu tippen. Es dauert eine ganze Weile und ich überlege schon, was er wohl so Wichtiges über Apfelkuchen zu sagen hat, als er endlich fertig ist und die Zeilen auf meinem Display erscheinen.
 

'Vielleicht schaffe ich es ja Samstag. Könnte aber später werden. Ich hab vorher noch was vor.'

 

Mit gerunzelter Stirn beiße ich mir auf die Unterlippe und überlege. Was vor? Was soll das denn jetzt heißen? Aber immerhin hat er gesagt, dass er kommt. Also …

 

'Was denn?'
 

War ja klar, dass meine Finger wieder schneller sind als mein Gehirn.

 

Bruno schickt schon wieder einen Smiley. Einen frechen.

 

'Ist ne Überraschung.'

 

Okay, das ist jetzt ja wohl Folter. Wie soll ich denn drei volle Tage aushalten, bis …

 

'Ich muss jetzt. Wir sehen uns Samstag.'

 

Damit hat Bruno aufgelegt, beziehungsweise ist offline gegangen, und ich starre mein Handy an, als wäre es eine Erscheinung. Eine Überraschung? Für mich? Von Bruno? Ein merkwürdiges Summen erfüllt meinen Kopf.

 

Er wird mir was schenken, piepst eine Stimme aufgeregt.

 

Er hat vor, sich zu outen, meint eine andere.

 

Du hast doch ein Rad ab, behauptet dagegen mein altbekannter Nörgler und scheucht damit auch alle anderen wieder zurück auf ihre Plätze. Denn natürlich habe ich ein Rad ab. Ein ganz gewaltiges sogar. Oh, wenn doch nur endlich Samstag wäre.

 

 

 

„Na, was sagst du?“

 

Während sie mich das fragt, kleben Michelles Mundwinkel ungefähr in Höhe ihrer Ohren und auch Pascal kann sein Grinsen nicht wirklich verbergen. Allerdings muss ich zugeben, dass sie sich das auch verdient haben. Es sieht fantastisch aus.
 

„Wow!“, sage ich und lasse meinen Blick über das Buffet schweifen, das im Garten aufgebaut steht. Es lässt sicherlich keine Wünsche übrig und sieht aus wie gemalt. Mit Häppchen und Salaten und sogar Servietten gibt es. Die Schüsseln stehen in Eis, die Wraps und Burger liegen in Reih und Glied und irgendwer hat Radieschenrosen geschnitzt. Bei letzterem vermute ich zwar, dass es der Partyservice war, aber die Schüssel mit dem dreifarbigen Wackelpudding und das Krokodil, das offenbar aus einer Gurke modelliert und danach mit Würstchen gespickt wurde, sind bestimmt von Michelle. Es ist wirklich der Wahnsinn.
 

„Wer soll denn das alles essen?“, entfährt es mir, denn obwohl das alles unheimlich gut aussieht, bin ich irgendwie noch satt vom Mittagessen. Meine Mutter hat mich zum Vietnamesen ausgeführt, nachdem sie mich vorher neu eingekleidet hat. Also eigentlich hat sie mir nur das Geld in die Hand gedrückt; Shoppen durfte ich alleine. Dementsprechend heiß sehe ich heute Abend aus. Meinen Oberkörper bedeckt ein gebatiktes Tanktop mit einer weißen 53 drauf und ein offenes, orangefarbenes Sommerhemd, während mein Hintern in einer weißen Shorts steckt und meine Füße sich in sündhaft teuren Flipflops aalen. Jede Menge nackte Haut also, die vermutlich noch Zuwachs kriegen wird, wenn ich mich nachher in den Pool begebe. Ich sehe also echt hot aus, auch wenn Pascal mal kurz gelacht und mich gefragt hat, wie viele Buntstifte für mein Shirt draufgegangen sind. Banause. Echt mal!

 

„Hast du ne Ahnung“, gibt Michelle lachend zurück und grinst sich eins. „Ich garantiere dir, dass das alles spätestens um Mitternacht ratzeputze leergefressen ist.

 

Obwohl ich da so meine Zweifel habe, nicke ich. Heute ist kein Tag für Streit. Immerhin habe ich Geburtstag. Volljährig. Selbst meine Mutter hat so getan, als würde das irgendwas bedeuten.
 

„Hier“, hat sie gemeint und mir einen nicht gerade schmalen Umschlag überreicht, als wir mit dem Essen fertig waren. „Das ist das Restgeld für deinen Führerschein.“

 

Natürlich habe ich den Umschlag sofort geöffnet, woraufhin mir ziemlich viele vornehmlich grüne und braune Scheine entgegengequollen sind.
 

„Dein Ernst?“, habe ich gestaunt und kurz überschlagen, dass das Mindestens das Doppelte der benötigten Summe sein müsste.
 

„Ja“, hat meine Mutter mit einem Schmunzeln zurückgegeben. „Ich hab mir gedacht, wenn du das Ganze selber bezahlen musst, strengst du dich vielleicht etwas mehr an.“

 

Ob sie damit recht hat, wage ich ebenso zu bezweifeln wie Michelles Buffet-Prognose, aber allein das Gefühl, mal so viel Geld in der Tasche zu haben, ist schon ziemlich geil. Ich hab mir sogar einen Hunderter in die Shorts gesteckt, einfach weil ich es kann. Erzählt habe ich das meiner Mutter natürlich nicht. Die hätte sicherlich nur Angst bekommen, dass ich das Geld verliere. Nur weil ich den Umschlag aus Versehen auf dem Tisch habe liegen lassen. Also ehrlich. Für wie doof hält die mich eigentlich?

 

Mein Dad hat natürlich auch angerufen. Es war ein ziemlich kurzes Gespräch mit den üblichen Floskeln und einem Versprechen, mir Geld zu überweisen, sobald am Montag die Banken wieder aufmachen. Als wenn er noch nie was von Onlinebanking gehört hätte. Ha!
 

„Du kannst uns auch gerne mal besuchen“, hat er dann noch gemeint und ich hab geantwortet, dass ich es mir überlege. Im Grunde wissen wir ja beide, dass es nicht wirklich ernst gemeint ist, aber die Geste zählt oder so.

 

Doch über meinen Erzeuger und seine neue Lebensgefährtin werde ich mir heute Abend ganz bestimmt ebenso wenig Gedanken machen wie über die Tatsache, dass meine Mutter ausgerechnet an meinem Geburtstag zum Essen verabredet ist. Mit wem hat sie nicht gesagt, aber ich glaube, dass es dieser andere Anwalt ist. Mit dem hat sie sich in letzter Zeit öfter getroffen. Wer weiß, wer weiß.

 

„Na dann … let’s get the party started“, rufe ich und drücke mit Schwung auf den Knopf der Stereoanlage. Also sinnbildlich gesprochen. Praktisch gesehen hat uns Pascals Vater sein megateures und vor allem nigelnagelneues Soundsystem für den Garten ausgeliehen und lediglich darum gebeten, dass wir es nicht in den Pool schmeißen. Außerdem haben sie die Nummer der Putzfrau dagelassen, bevor sie gefahren sind. Ich denke, das war ein Zeichen.
 

„Okay, Bro, was willst du trinken?“, will Pascal wissen, während „Queen“ aus den Boxen quillt und mich ja so ein kleines bisschen zum Zucken bringt. „Wir haben Rum, Wodka, Tequila, Gin …“

 

Ich grinse.

 

„Klingt nach einem Long Island Ice Tea“, meine ich und ernte ein Paar erhobene Augenbrauen. Mein Grinsen wird breiter.
 

„Warum wählen, wenn man alles haben kann.“

 

Pascal lacht und macht sich daran, mir meinen Cocktail zu mixen. Währenddessen laufen bereits die ersten Gäste auf. Eine Gruppe Mädels, die doch tatsächlich noch mehr Essen mitgebracht haben. Wenn das so weitergeht, müssen wir anbauen. Oder die Heilsarmee rufen.
 

„Wohl bekomm’s!“ verkündet Pascal und drückt mit meinen Drink in die Hand. Ich grinse und stoße mit ihm an, bevor mich die nächsten Durstigen beiseite drängen, um ebenfalls einen Cocktail zu ordern. In dem Moment bin ich mir sicher, dass das hier ein voller Erfolg werden wird. Aber so richtig.

 

 

 

„Noch einen“, lalle ich einige Stunden später. Also eigentlich nuschele ich mehr. In meinem Mund steckt nämlich nebenbei noch ein Würstchen und ein Stück Brownie. Eine absolut göttliche Kombination, wenn man sich erst mal an den Geschmack gewöhnt hat. Außerdem lässt es sich viel besser mit den Händen essen als Kartoffelsalat, für den man angeblich eine Gabel braucht. Behauptet wenigstens Michelle und die muss es ja wissen.

 

„Ich glaube, du kriegst erst mal ein Wasser“, gibt jetzt wiederum mein bester Freund bekannt und füllt mir doch glatt schnödes H2O in mein Glas. Will der mich vergiften?
 

„Wenn ich Wasser will, spring ich in den Pool“, mosere ich dementsprechend beleidigt und deute auf die Wasserlandschaft hinter mir, die von jeder Menge halbnackter Körper, sowie der einen oder anderen Vollmontur bevölkert wird. Drumherum stehen lachen, schwatzend und tanzend noch mehr Leute und haben den Spaß ihres Lebens. Den ich auch haben könnte, wenn Pascal nicht so ein Knauser wäre.

 

„Komm schon, nur noch einen!“, bettele ich und bemühe mich um eine korrekte Aussprache. Pascal schüttelt den Kopf.
 

„Du verpasst sonst noch das Feuerwerk.“

 

Ich blinzele. Oh Gott ja, das hatte ich fast vergessen. Er ist wirklich der Beste!

 

„Lass dich knutschen!“, rufe ich und will mich schon auf ihn stürzen, als ich aus den Augenwinkeln was Schlimmeres entdecke, als Pascal, der mir Alkoholverbot verpasst. Die Affenbande, die schon eine ganz Weile wie ein schlechter Geruch in der Gegend herumlungert, schiebt sich missgünstig nach allen Seiten sichernd durch die bunte Partymeute. Ehrlich, denen fehlen nur noch die Bomberjacken und Springerstiefel. Obwohl ich zugeben muss, dass wenigstens Jakob damit einigermaßen lächerlich aussehen würde. Solche Stiefel gehen ihm bestimmt mindestens bis zum Knie. Overknees sozusagen.

 

Leicht kichernd in meine Vorstellung versunken, merke ich nicht, dass die Kanaillen genau auf mich zusteuern. Erst, als Zwerg Nase direkt vor mir steht, merke ich, dass er mich obendrein auch dumm anmachen will.
 

„Mach Platz!“, knurrt Jakob und wirft sich in die Hühnerbrust. Ich grinse schräg und betrunken.

 

„Ah, ich kann aber viel besser Männchen machen. Oder Bitte-Bitte. Willst du mal sehen?“

 

Bevor ich noch dazu komme, mit meinen „Pfoten“ einen auf lieber Hund zu machen, hat sich schon Paul vor mich geschoben.
 

„Verschwinde!“, blafft er mich an und ich will ihn gerade fragen, ob er neuerdings Brunos Platz eingenommen hat, als eine dunkle Stimme hinter mir mich zusammenfahren lässt.
 

„Hey Jungs, wir sind hier Gäste. Also benehmt euch.“

 

Bruno!

 

Mir läuft es heiß und kalt den Rücken runter und ich kann mich nur mit Mühe beherrschen, mich nicht umzudrehen und ihm an den Hals zu schmeißen. Buchstäblich. Himmel, ich komm gleich in meine Shorts. Er ist hier!

 

„Hey Simmrich. Danke für die Einladung.“

 

Und natürlich ignoriert er mich. Stattdessen reicht er doch glatt Pascal eine Flasche, die verdächtig nach billigem Weißwein aussieht. Danach sieht er sich suchend um.

 

„Habt ihr auch Bier?“

 

Pascal, ganz der Gastgeber, deutet auf den Kistenstapel.
 

„Klar, bedien dich. Ist genug da.“

 

Bruno brummt etwas, das sich wie ein „Danke“ anhört und drängt dann, rein zufällig natürlich, seine Freunde ein Stück von mir weg. Eigentlich müsste ich ihm dafür wohl dankbar sein. Dummerweise fühle ich mich so gar nicht dankbar. Eher enttäuscht.
 

„Hey, Kumpel, jetzt mach mal nicht so ein Gesicht. Du kriegst noch nen Drink. Sex on the Beach?“

 

Ich nicke abwesend und versuche, Brunos breitem Rücken nicht allzu auffällig nachzustarren. So richtig erfolgreich bin ich dabei wohl nicht, denn als Michelle an meiner Seite erscheint, checkt sie sofort, was los ist.
 

„Ach Großer, lass dir die Stimmung doch nicht von diesen Idioten verderben. Du bist genau richtig, so wie du bist.“

 

Ich lächle leicht und nehme mein Getränk entgegen, während Michelle mir die Schulter tätschelt und sich einen Kuss von ihrem Schatz abholt, bevor sie sich wieder ins Getümmel stürzt.

 

Ich will auch denke ich und seufze in mein Glas. Am Horizont räumt die Sonne so langsam das Feld und die ersten Sterne am Himmel zu funkeln beginnen. Die perfekte Stimmung, um sich ein bisschen zurückzuziehen und zu knutschen. Ich wüsste da sogar eine Gartenbank, die ein bisschen versteckt den Hand runter steht. Leider ist sie, wie ich kurz darauf später feststellen muss, schon besetzt. Verdammt!

 

Nicht mal in Ruhe Trübsal blasen kann man hier, denke ich, während ich den Rest meines Cocktails hinunterstürze und mich dann auf schon leicht wackeligen Beinen wohl etwas zu schwungvoll umdrehe.
 

„Hoppla“, meint jemand und fängt mich doch glatt auf, bevor ich unsanft einen Abgang mache. Oh Scheiße, ist das etwa …?

 

„Bruno“, flüstere ich und kann es noch gar nicht so richtig glauben. Auch er guckt ein wenig unangenehm berührt. Schnell lassen wir uns wieder los. Muss ja keiner mitkriegen, dass wir …
 

„Können wir reden?“

 

Ich muss einen Augenblick über die Frage nachdenken. Nach Reden ist mir eigentlich weniger zumute. Aber na gut, wenn er meint. Dann reden wir eben.

 

„Allein?“

 

Ach so, ja. Natürlich. Er will ja nicht mit mir gesehen werden. Obwohl die zwei da auf der Bank vermutlich eh was anderes zu tun haben, als unser Gespräch zu belauschen. Bruno sieht allerdings nicht aus, als wenn dieser Punkt verhandelbar wäre. Einen Moment lang fixiere ich ihn noch, bevor ich mich von dem Anblick losreiße und in einen Ungefähr-Diese-Da-Richtung zeige.

 

„Mir nach“, befehle ich und widerstehe der Versuchung, nach seiner Hand zu greifen.

 

Ein bisschen schneller, als es mein Zustand und mein Schuhwerk zulassen, tänzele ich den Berg wieder zurück nach oben. Also vermutlich torkele ich eher, aber das Adrenalin vom Beinahe-Sturz und die verzweifelte Entschlossenheit, mir die Gelegenheit, Zeit mit Bruno zu verbringen, nicht durch die Lappen gehen zu lassen, beflügeln meine Schritte.

 

Wie der Zufall es will, ist Pascal gerade nicht auf seinem Posten hinter der Bar, sodass ich von ihm unbemerkt ins Haus schlüpfen kann. Drinnen ist es dunkel, nur der Weg zum Badezimmer ist ausgeleuchtet. Allerdings scheint hier gerade keiner zu sein. Das ist die Gelegenheit, sich ins obere Stockwerk abzusetzen. Kaum, dass ich diesen Plan gefasst habe, höre ich jedoch auch schon, wie mein Glück sich verabschiedet. Helles Lachen erklingt hinter mir und kommt unaufhaltsam näher.

 

Oh Fuck!

 

So gut es geht, verkrieche ich mich zwischen den Blättern einer Yuccapalme oder was immer das ist, und sehe zu, wie Anna, Sarah und Jule an mir vorbei in Richtung Klo schweben. Wenigstens gehen die ja immer im Rudel, sodass kurz darauf wieder Ruhe herrscht und Bruno und ich unseren Weg fortsetzen können.

 

Leise wie zwei Schwerverbrecher schleichen wir uns die Treppe hinauf und stehen kurz darauf in einem mit abstrakten Kunstwerken in braun und beige geschmückten Flur. Der Mond scheint durch das große Panoramafenster und beleuchtet sanft den dicken Teppichboden. Es könnte fast romantisch sein, wenn es nicht immer noch ein fucking Flur wäre.
 

„Hier?“ fragt Bruno und betrachtet sorgenvoll die vielen Türen. Das von jetzt wieder Stimmen zu hören sind und irgendwer lachend nur haarscharf unter uns vorbei marschiert, während wir einen auf secret service machen, erleichtert die Sache auch nicht unbedingt. Trotzdem lächele ich zuversichtlich.
 

„Keine Bange. Die Party findet unten statt.“

 

Trotz meiner Versicherung zögert Bruno. Da gibt mir Gelegenheit, ihn zu betrachten. Gut sieht er aus. Definitiv zurechtgemacht. Und er riecht gut. Wenigstens bilde ich mir das ein, als er sich endlich einen Ruck gibt und auf mich zu tritt. Wow. Ich hatte ganz vergessen, wie groß er ist. Und wie stark. Und wie … oh man, ich glaube, ich werde schwach. Scheiß auf Vorsätze, komm lass uns ficken!

 

Jetzt reiß dich mal zusammen!

 

Okay, okay, hast ja recht. Bruno guckt auch schon ganz komisch. Fast so, als würde er dasselbe denken wie ich. Dabei hatten wir das doch geklärt. Wir sind nur Freunde. Nichts weiter.

 

„Also … geile Party, oder?“, brabbele ich in einem Anflug geistiger Umnachtung. Zum Glück ist das genau das Niveau, auf dem auch Bruno gerade fährt.
 

„Ja. Ja, absolut“, beeilt er sich zu versichern. „Das Haus ist toll. Und der Pool und …“

 

Du.

 

Bruno sagt es nicht, aber ich weiß, dass er das gedacht hat. Denn, sagen wir es doch mal, wie es ist: Ich bin heiß. Verdammt heiß und Bruno springt darauf an. Genau wie beim ersten Mal auf diesem bescheuerten Ball. Wahrscheinlich müsste ich nur mit dem Finger schnipsen, und ich würde alles von ihm kriegen. Wenigstens bis irgendwer auf der Bildfläche erscheint, der ihn kennt. Oder mich. Oder irgendwer. Vermutlich würde sogar ne Katze ihn dazu bringen, verschämt von mir abzurücken. Und deswegen geht es einfach nicht.

 

„Das Buffett!“, springe ich daher auch sofort hilfreich ein und zaubere ein „Hast du das gesehen“-Lächeln auf mein Gesicht. So eines, mit dem man Autos verkauft. Oder Zahnpasta. Bruno lächelt leicht und sieht mich an.
 

„Ja, das ist auch toll.“

 

Oh fuck. Fuck, fuck, fuck, fuck, fuck! Da ist sie wieder diese Stimmung, die ich doch gerade so schön von uns weggeschoben hatte. Es ist, als würde er sich kein bisschen anstrengen, das hier unpersönlich zu halten. Na schön, dann eben mit Gewalt. Hands up, jetzt komm ich!

 

Ohne ihm Kontext zu geben und ohne etwas dazu zu sagen, strecke ich meine Arme aus und halte sie Bruno auffordernd entgegen. Er schaut ein bisschen konsterniert und weiß offenbar nicht, worauf ich hinauswill. All right, dann muss ich nachhelfen.
 

„Kuchen“, gebe ich ihm einen Hinweis, den mein leicht brunobenebeltes Hirn wohl beim Stichwort „Buffet“ herausgekramt und an die Abteilung für dämliche Ideen weitergereicht hat. Leider scheint es nicht zu funktionieren. Ich stöhne innerlich und präzisiere.
 

„Du hast mir einen Kuchen versprochen. Also? Wo ist er?“

 

Jetzt endlich scheint Bruno zu begreifen, worauf ich hinaus will. Und da es offensichtlich ist, dass er keinen Kuchen dabei hat – es sei denn, er hat ihn in der Hosentasche seiner Jeans transportiert, doch den würde ich dann, bei aller Liebe, auch nicht mehr essen wollen – wird er mal wieder ein bisschen rot. Also seine Ohren. Zu schade, dass ich das nicht sehen kann. Aber ich erkenne den Gesichtsausdruck.
 

„Den hab ich vergessen“, nuschelt er und guckt doch tatsächlich so bedropst drein, dass ich ihn am liebsten küssen würde. Also süß küssen, nicht sexy. Das auch, aber …

 

Schluss damit! Wir sind hier gerade beim Ablenken!

 

„Vergessen?“, frage ich und schiebe meine Unterlippe vor.

 

Okay, das ist nicht hilfreich. Sinnliches Schmollen aus! Kusch! Bei Fuß!

 

„Ja. Sorry.“

 

Oh er ist. So! Süß! Wie er dasteht mit seinen vielen Muskeln und seinem schiefen Lächeln und so unbeholfen und gar nicht furchterregend. Ich verstehe gar nicht, wie ich jemals Angst vor ihm haben konnte. Also nicht, dass ich die wirklich gehabt hätte, aber …

 

Jetzt reiß dich mal zusammen! Er ist nur ein Freund!!

 

„Ach na ja. Macht ja nichts. Dann werde ich nächstes Jahr einfach nochmal 18 und du kannst es erneut probieren.“

 

Wie ich gehofft hatte, lacht Bruno, und die Spannung, die zwischen uns brodelt und zischelt wie ein überhitzter Teekessel, wird ein ganz kleines bisschen weniger. Ich kann förmlich fühlen, wie er aufatmet. Und ich auch. Immerhin will ich das hier nicht. Und er auch nicht.

 

„Aber die Überraschung, die du mir versprochen hast, hätte ich schon gerne.“

 

Boah, echt jetzt? Fabian, du bist. So. Dämlich. Ernsthaft. Welchen Teil von „er ist nur ein Freund“ hast du denn eigentlich nicht verstanden? Und was erwartest du jetzt? Dass er niederkniet und dir nen Antrag macht?

 

Ach was. Ein Blowjob würde mir reichen.

 

Aber natürlich ist das Quatsch. Vollkommener Quatsch, allerdings wenigstens welcher, der mich einigermaßen wieder runterbringt. Denn Bruno wird mir keinen blasen. Und auch keinen Ring anstecken. Trotzdem sieht er nervös aus. Nervöser als noch vor einer Minute. Was hat er denn nur vor?

 

„Ich … also …“

 

Ich glaube, wenn er einen Hut in der Hand hätte, wäre der gerade echt in Gefahr, in kleine Stücke zerfetzt zu werden. Oder vollkommen zerdrückt. Oder vielleicht …

 

„Ich ziehe zu Hause aus.“

 

Bumms. Das ist das Geräusch, mit dem mein Hintern gerade auf dem Teppich gelandet ist, nachdem Bruno mir so nonchalant den Boden unter den Füßen weggezogen hat. In Wahrheit stehe ich natürlich noch. Obwohl … der letzte Cocktail muss irgendwie schlecht gewesen sein. Um mich dreht sich alles.

 

„Du ziehst … was?“, wiederhole ich und halte ihn mit einem schnellen Handgewedel davon ab, diese Ungeheuerlichkeit auch noch zu wiederholen. Dazu habe ich zu viele Fragen.
 

„Wann? Wohin? Wie?“

 

Anscheinend klinge ich einigermaßen fassungsverloren, was Bruno wiederum dazu bringt, seine wiederzuerlangen. Er atmet tief durch.

 

„Zu meinem Onkel“, erklärt er und lächelt dabei ein wenig. „Er war letzte Woche bei mir im Studio. Kurz nachdem du weg warst. Meine Mutter hat ihn angerufen und … er hat einen Job für mich.“

 

„Einen Job?“, echoe ich und komme nicht mehr mit. Gerade war es doch noch eine Wohnung und jetzt auch noch ein Job? Sein fucking Ernst?
 

„Dein Ernst?“, bringe ich auch noch heraus, während ich versuche zu rekapitulieren, was er mir gerade eröffnet hat. Irgendwo zwischen Wodka, Tequila und zu viel Ananassaft schwant mir, dass das grüne Hemd, in das ich hineingerannt bin, irgendwas mit der Sache zu tun haben muss. Sein Quadratschädel kam mir gleich so verdächtig vor. Aber warum und wie und was genau hier gerade abgeht, übersteigt momentan meinen geistige Fassungskapazität. Morgen vielleicht, wenn ich wieder nüchtern bin.

 

„Mein voller Ernst“, antwortet Bruno jedoch und scheint fast ein bisschen stolz auf sich zu sein. Und vermutlich kann er das wohl auch, doch meinem inneren Arschloch gelingt es, für einen Augenblick, die Kontrolle über meine Stimmbänder zu erlangen.
 

„Und dein Vater?“

 

Kaum habe ich das gesagt, verdüstert sich Brunos Miene. Man, was bin ich doch für ein Depp. Ehrlich. Bruno hat es geschafft. Er hat sich auf den Weg gemacht. Und ich?

 

„Er weiß es noch nicht“, sagt Bruno leise. „Ich wollte noch abwarten, ob es wirklich klappt, bevor ich es ihm sage.“

 

Er hebt den Kopf und sieht mit aus dunklen, glänzenden Augen an.
 

„Außerdem wollte ich es dir zuerst erzählen.“

 

Ich schlucke. In meiner Brust ist plötzlich ein Knoten, wo eigentlich mein Herz hingehört. Ein Knoten mit Schluckauf. Es puckert und muckt und möchte am liebsten zerspringen, doch gleichzeitig ist da diese Mauer. Die Grenze. Das ungesagte „Ich darf das nicht“, das es mir verbietet, ihm einfach um den Hals zu fallen und ihn zu küssen. Dabei will ich das doch. So gerne.

 

Peng … Puff!
 

Etwas explodiert am Himmel und taucht Brunos Züge in blaues Licht. Gleich darauf folgt ein goldenes und dann ein rotes und grünes Aufleuchten. Es zischt und knallt. Funkenregen und Blitzgewitter. Alles auf seinem Gesicht. Und mittendrin ein Schrei.
 

„Scheiße! Fabian? FABI!“
 

Das ist eindeutig Pascal. Er ruft meinen Namen.

 

„Fabian! Oh scheiße, komm schnell! Das Feuerwerk!“

 

Ich begreife und irgendwie auch nicht. Dass das hier gerade passiert. Ich und Bruno. Im Feuerwerk. So wie ich es mir vorgestellt hatte und doch ganz anders. Denn ich darf ihn nicht haben. Ich darf nicht.

 

„Bruno …“

 

Da ist so viel, was ich sagen möchte. So viel, was ich fühle. Angst und Hoffnung und noch mehr Angst und … Liebe. Denn scheiße, ja! Egal, was ich mir immer wieder einrede. Egal, was alles dagegen spricht. Ich bin in diesen verdammten Idioten verliebt. Doch bevor ich ihm das sagen kann, weicht er vor mir zurück. In die Schatten, wo niemand ihn sehen kann. Irgendwo höre ich donnernde Schritte. Auf der Treppe. Pascal. Er kommt um mich zu holen.
 

„Fabian? Komm! Irgendsoein Spast hat das Feuerwerk gezündet. Du musst kommen.“

 

Pascals Finger legen sich um mein Handgelenk und zerren mich rücksichtslos mit sich. Die Treppe hinunter und raus auf die Terrasse, wo sich alle anderen schon versammelt haben. Rot und blau und gold blitzt es über uns auf. Es zischt und pfeift. Rauchgeruch liegt in der Luft und „Ahs“ und „Ohs“. Alles ganz genauso, wie ich es mir gewünscht habe. Nur nicht mit Pascal. Nicht mit ihm.
 

„Happy Birthday, Mann!“, schreit mein bester Freund mir jedoch ungerührt ins Ohr. Er schlingt seinen Arm um meine Schulter und drückt mich an sich. Und ich? Ich drücke zurück. Weil es alles ist, was ich haben darf. Weil ich nicht mehr bekommen werde. Und weil es mein scheißverdammter scheißhappy Birthday ist.

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Feuerwerk: https://www.youtube.com/watch?v=1apku0pVDeE Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  chaos-kao
2023-08-03T15:32:09+00:00 03.08.2023 17:32
Oh Mann, ob die beiden es wohl irgendwann noch auf die Reihe bringen? Es ist zwar niedlich wie sie umeinander herum tänzeln, aber dass sie einander nicht haben können obwohl sie doch beide wollen ist traurig. Das kann einem schon mal den Geburtstag versauen. Ich bin gespannt wie lange du die beiden noch leiden lassen wirst. Und ob das mit Brunos Onkel gut geht. Es besteht ja durchaus die Möglichkeit, dass der kein Stück besser als Brunos Vater ist und bisher ist nicht bekannt, ob der Onkel der Bruder mütterlicher- oder väterlicherseits ist. Ich bin auf alle Fälle weiterhin gespannt wo die vielen losen Fäden noch so alles hinführen werden! :)
Antwort von:  Maginisha
03.08.2023 17:48
Hey chaos-kao!

Also erst mal keine Bange. Wir nähern uns dem Ende der Geschichte und somit dem versprochenen Happy End. Und noch ist der Geburtstag ja auch nicht zu Ende. ;)

Dass es der Bruder der Mutter ist, musste leider zusammen mit allerlei anderen Infos der Dynamik der Situation weichen. Aber keine Sorge, das klären wir noch. Wobei ich ja zugebe, dass die beiden wirklich scharf darauf waren, sich jetzt schon um den Hals zu fallen. Geht aber nicht, da fehlt noch was. Ich hoffe, ich komme bald zum Tippen.

Zauberhafte Grüße
Mag
Von:  -Chiba-
2023-08-02T18:22:23+00:00 02.08.2023 20:22
Hi Mag,

hach...die beiden sind wirklich süß...jetzt müssen beide nur noch über ihren Schatten springen >_<
Gut, dass Bruno jetzt endlich etwas ändert. Obwohl der Umzug zu seinem Onkel ja eher einer Flucht gleicht, aber in seiner Situation ist das wohl die beste Entscheidung, die er treffen konnte. Und das war bestimmt auch nicht einfach für ihn.
Und Respekt, dass Fabian sich zurückhalten kann, obwohl er ja ziemlich angeheitert ist. Scheint fast so, dass er sich im volltrunkenen Zustand besser im Griff hat als im nüchternen *gg*
Aber ich vermute mal, dass Fabian doch noch schwach geworden wäre und seinen Gefühlen nachgegeben hätte, wenn Pascal nicht gekommen wäre.

Bin gespannt, wie es weiter geht und wie lange die beiden noch rumeiern, bevor sie endlich ihren Gefühlen folgen.

LG
Chi
Antwort von:  Maginisha
03.08.2023 13:27
Hey Chi!

Ja, man sollte doch eigentlich denken, dass das zu schaffen ist, Obwohl da ja noch so das eine oder andere zu klären wäre. Immerhin hat Bruno Fabian ja quasi ne Absage erteilt. Mit ein Grund, warum er sich so zusammenreißt. Dass er das kann, hat er ja schon bei Pascal bewiesen. Vorher musste er ja nicht. ^_~

Dass Pascal reinplatzen musste, war wirklich Pech. Wobei es ja nicht wirklich seine Schuld war. Immerhin wollte er nur die Geburtstagsüberraschung retten. Aber du könntest durchaus recht haben. (In nicht wenigen Versionen der Szene, die dann doch im Mülleimer gelandet sind, durften sie auch. ^^)

Aber allzu lang wird die Geschichte nicht mehr, also hoffen wir doch mal, dass die beiden „Helden“ das jetzt endlich mal auf die Reihe kriegen. ^___^

Zauberhafte Grüße
Mag


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