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Herzschmerzhelden

von

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Den Mutigen gehört die Welt

Der Rückweg verläuft in relativem Schweigen. Während Bruno irgendwelchen Gedanken nachhängt, die sich vermutlich um seine Freunde, seine Familie und seine weitere Zukunft drehen, zähle ich die Schritte, die wir seit unserem Abstecher zur Hütte zurückgelegt haben. Im Gras davor hat tatsächlich Brunos T-Shirt gelegen. Es war reichlich zerknüllt und dreckig, aber nachdem Bruno den gröbsten Schmutz entfernt hatte, konnte man immerhin die groben Fußabdrücke nicht mehr erkennen. Was das über seinen Vater aussagt, dass der anscheinend auf das Teil auch noch draufgetreten ist, nachdem er es schon zu Boden geschleudert hatte, sage ich jetzt mal lieber nicht. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass, wenn ich es doch tun würde, die Worte „Klapsmühle“ und „dämliches Arschgesicht“ fallen würden.

 

Die Stadt taucht auf und Brunos Schritte werden langsamer. Ich merke das, weil wir vorher fast schon im Takt gelaufen sind. So ganz passte das natürlich nicht, weil seine Beine länger sind als meine, aber irgendwie hatten wir da einen Rhythmus gefunden. Jetzt, da Bruno daraus ausbricht, werde unweigerlich auch ich langsamer. Ich versuche, es zu ignorieren, aber als wir irgendwann an den Punkt kommen, an dem wir uns fast rückwärts schon bewegen, beschließe ich dann doch mal nachzufragen.
 

„Alles in Ordnung?“

 

Ich weiß natürlich, dass so ziemlich gar nichts in Ordnung ist, aber irgendwas muss ich ja sagen. Reicht doch, wenn einer von uns schweigt wie das sprichwörtliche Grab.

 

Brunos Miene bleibt unbewegt, aber ich kann mir vorstellen, was für Gedanken jetzt gerade hinter seiner Stirn herumkriechen. 'Was, wenn sie mich sehen?', 'Wenn mich jemand erkennt?', 'Wenn wir jemand treffen, den ich kenne?' Und natürlich geht es dabei auch um mich. Ich bin der Störfaktor. Das rote Tuch. Der verräterische Ohrring auf der falschen Seite. Der, dessen Name nicht im selben Atemzug mit dem eigenen genannt werden darf. Ach Scheiße.

 

Ich kann ihm ja anbieten, sechs Schritte hinter ihm zu laufen.

 

An jedem anderen Tag hätte ich wohl nicht gezögert, ihm genau das vor den Latz zu knallen. Weil es scheiße ist, dass er sich darüber Gedanken macht. Und gleichzeitig verstehe ich es. Dreck!
 

„Es wird uns schon keiner sehen.“

 

Und wenn werden sie vermutlich eher denken, dass Bruno mich gerade um die nächste Ecke bringt, um ohne mich wieder zurückzukommen. Blöde Witze? Kann ich.

 

Bruno gibt sich einen Ruck. Ich kann es spüren, schon allein deswegen, weil seine Schritte wieder schneller werden. Allerdings hält er weiterhin den Blick gesenkt und zieht die Schultern hoch. Nur nicht auffallen.

 

Als wenn das bei seiner Größe so einfach wäre.

 

Aber wir haben Glück. Einer der „Vorteile“ von Hinterschlumpfhausen ist nämlich, dass, sobald die Tagesschau angefangen hat, kein Mensch mehr auf den Straßen unterwegs ist. Die Bürgersteige werden hochgeklappt, Frauen, Kinder und kleine Hunde zu ihrer eigenen Sicherheit eingesperrt und für uns heißt es somit: freie Bahn mit Marzipan. Wenigstens, bis wir bei uns zu Hause ankommen.
 

„Wir sind da“, plappere ich und deute auf das weiße Haus mit dem roten Dach, das sich nahtlos in die Reihe ganz ähnlicher Stadthäuser einfügt. Lediglich die Farben der Fassaden weichen punktuell voneinander ab.
 

„Wir wohnen ganz oben.“

 

Letzteres hat sich Bruno wohl schon gedacht, denn das handgeschriebene „Vogel“, das inmitten der obersten Reihe sorgfältig maschinenbeschrifteter Klingelknöpfe klebt, ist wohl kaum zu übersehen. Irgendwann wollte der Verwalter sich mal darum kümmern, aber äh ja. Vielleicht, wenn wir ausgezogen sind.

 

„Es gibt aber keinen Fahrstuhl.“

 

Himmel, könnte dieser verbale Brechdurchfall endlich mal stoppen. Ich labere ja echt nur Scheiße. Als wenn irgendwer für zwei Stockwerke einen Fahrstuhl bauen würde. Gott, ich bin so dämlich.

 

Drinnen nimmt Brunos Nervosität erst ab und dann schlagartig wieder zu, als man irgendwo über uns eine Tür klappen hört. Als jedoch keine Schritte folgen, scheint er sich wieder zu entspannen. Ein leicht nervöses Lächeln trifft mich.
 

„Sollen wir hochgehen?“

 

'Between a rock and a hard place'

 

Die Redewendung kommt mir in den Sinn und passt wohl gerade wie Faust aufs Auge. Hierbleiben kann Bruno nicht, weil man ihn da mit mir zusammen sehen könnte. Aber wenn wir jetzt hochgehen, wird ihn eine mir mehr als wohlbekannte Person ganz bestimmt mit mir zusammen sehen. Und vermutlich wird sie Fragen stellen. Viele Fragen.

 

Ich versuche ein Grinsen.

 

„Keine Bange, sie wird dich schon nicht fressen“, versichere ich Bruno und nehme mir vor, alles dafür zu tun, damit das auch wirklich nicht passiert. Die Zeichen dafür stehen allerdings mehr als schlecht, denn kaum, dass ich die Tür zu unserem trauten Heim geöffnet habe, höre ich die Stimme meiner Erzeugerin aus dem Wohnzimmer schallen.
 

„Fabian? Bist du das?“

 

„Nee, der Weihnachtsmann“ gebe ich augenrollend zurück. Als wenn sonst noch jemand einen Schlüssel für die Wohnung hätte.

 

„Wo warst du denn so lange?“, ruft meine Mutter noch einmal, während sie sich offenbar aus dem Wohnzimmer auf den Weg in Richtung Küche macht, und ich erinnere mich dunkel, dass irgendwann mal mein Handy einen Ton von sich gegeben hat. Zu dem Zeitpunkt war ich aber gerade damit beschäftigt, nicht erschossen zu werden, und danach war es auch irgendwie ungünstig. Also von daher …

 

„Ich war bei Bruno“, lüge ich daher so halb, denn meine Mutter kommt in diesem Moment um die Ecke und stockt, als sie die riesige Gestalt in ihrem Flur entdeckt. Wobei ich finde, dass sie ein bisschen übertreibt. So groß ist Bruno ja nun auch wieder nicht, auch wenn es ein bisschen so aussieht, als stände ein Eisbär in unserem Flur.

 

„Äh, hi“, sagt Bruno dann auch prompt und wird von Minute zu Minute zappeliger. Das ist definitiv nicht hilfreich.

 

„Wir gehen zusammen zur Schule, weißt du“, quassele ich deswegen einfach los und ignoriere dabei sowohl die erstaunten Blicke meiner Mutter wie auch die Tatsache, dass Bruno gerade ein leichtes P in die Augen bekommt.

 

„Und weil Pascal doch zurzeit ständig mit Michelle anhängt, habe ich mir gedacht, ich suche mir mal jemand neues zum Abhängen. Du hast doch nichts dagegen, oder?“

 

Okay, das hier ist mit Abstand die schlechteste Vorstellung, die ich seit Jahren gegeben habe. Und die Analogie zu Pascal und seiner Freundin ist auch nicht gerade die beste Idee aller Zeiten. Warum habe ich mir denn auf dem Weg hierher keine gute Geschichte einfallen lassen? Ich finde mich doch sonst so clever.

 

Auch meine Mutter, die sonst nur wasserdichte Alibis von mir gewohnt ist, lupft eine Augenbraue und schaut kritisch von einem zum anderen.
 

„Warum sollte ich etwas dagegen haben?“, fragt sie misstrauisch und ich kann quasi hören, wie sie ihm Geist all die Dinge durchgeht, die wir verbotenerweise gemacht haben könnten. Ihrem Blick nach zu urteilen zieht sie dabei außer Autodiebstahl und Mord so ziemlich alles in Betracht. Scheißndreck.
 

„Na, weil äh … ich gedacht habe, dass Bruno vielleicht … ein bisschen länger bleiben könnte. So bis morgen früh etwa.“

 

Oder bis übermorgen. Oder überübermorgen.
 

„Ach so?“
 

Die Augenbraue wandert noch weiter nach oben und bekommt dort prompt Besuch von ihrer Schwester. Die zwei sehen nicht aus, als wären sie von meinem Plan begeistert. Bevor sie jedoch auch noch den Rest meiner Mutter überzeugen können, springt endlich mein Notfall-Programm an. Dem Himmel sei Dank!
 

„Ja, ich meine, es sind doch quasi Ferien. Also Lernferien. Bruno und ich wollten uns zusammen auf die mündliche Prüfung vorbereiten. Und bevor wir da noch viel Zeit mit Hin- und Hergurken vertrödeln, haben wir gedacht, Bruno könnte doch auch einfach hier übernachten. Damit wir morgen früh gleich anfangen können.“

 

Na gut, ich gebe zu, die Story ist auch nicht viel besser. Eventuell wäre es auch gut gewesen, mich bezüglich der Geschichte mit Bruno abzustimmen, denn der sieht so aus, als würde er bei der ersten kleinen Nachfrage meiner Mutter sofort zusammenbrechen. Die hat jedoch zum Glück nur Augen für mich.
 

„Und wo soll er schlafen?“, fragt sie mit immer noch geknüllten Augenbrauen.

 

Im Geiste spitze ich die Ohren und wittere damit vorsichtig in ihre Richtung. Das hört sich ja gerade so an, als würde sie es tatsächlich in Betracht ziehen.
 

„Na in meinem Zimmer. Ich werde auf der Couch schlafen.“

 

Ganz normal. Es ist alles ganz normal. Wenn ich daran glaube, wird sie auch daran glauben.

 

„Und was ist mit Abendessen? Ich wollte mir mit dir die Reste von gestern teilen.“

 

Ooookay, das könnte jetzt problematisch werden, denn erstens reichen die Überbleibsel des Tortellini-Auflaufs nie im Leben für uns drei und zweitens sind aufgewärmte Nudeln von gestern nun wirklich nichts, mit dem man irgendwen hinterm Ofen vorlocken kann. Warum kann sie nicht einmal was Ordentliches kochen?
 

„Och Mama, haben wir nichts Besseres?“

 

Meine Stimme ist bereits im Nörgelmodus, bevor ich mich stoppen kann. Und natürlich zickt meine Mutter, wie erwartet, zurück.
 

„Das hätten wir vielleicht, wenn du einkaufen gegangen wärst, wie ich es dir aufgetragen habe“, erklärt sie mit verkniffenem Gesichtsausdruck. Ich stöhne und gebe den Geschlagenen.

 

„Ich geh morgen, okay? Bruno hilft mir bestimmt.“

 

Bruno wird den Teufel tun, als sich mit mir an einem öffentlichen Ort sehen lassen, aber das muss sie ja nicht unbedingt wissen. Je normaler, desto besser. Zum Glück schaltet der Trottel jetzt endlich mal und lässt ein bestätigendes Nicken sehen. Man, das hätte ja auch echt mal früher kommen können.

 

Meine Mutter verzieht das Gesicht, als würde sie uns keinen Meter glauben, lässt es aber dann doch durchgehen.
 

„Na schön. Ich mache euch ein paar Brote. Und wehe, ihr kauft morgen nur Chips und Junk Food. Wir brauchen frisches Obst und Gemüse.“

 

„Jaja“, schmettere ich ihr Anliegen fröhlich ab und schiebe Bruno dabei unauffällig in Richtung meines Zimmers. „Machen wir Mama. Alles, was du willst, und was immer du sagst.“

 

Immer noch bis zum Anschlag lächelnd, bugsiere ich Bruno durch die Tür, schließe sie hinter mir und lasse mich dagegen fallen.

 

„Puh, das wäre geschafft.“

 

Bruno steht in meinem Zimmer und sieht sich um. Viel zu entdecken gibt es nicht, denn es ist dank der gestrigen Putzaktion – saubergemacht wird samstags! - noch einigermaßen ordentlich und außerdem staubfrei. Nur meine Klamotten von gestern liegen auf dem Boden herum. Mit einem Fußtritt befördere ich sie unters Bett und setze mich obendrauf. Also aufs Bett, nicht auf die Klamotten.

 

„Willst du was trinken?“

 

Ich deute auf die Fanta, die auf meinem Schreibtisch steht. Bruno schüttelt jedoch nur den Kopf und steht danach immer noch herum, als würde er sich fehl am Platz fühlen. Dabei hab ich mir doch solche Mühe gegeben.
 

„Willst du dich nicht setzen?“

 

Auf die Frage hin mustert Bruno die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und zieht sich dann den Schreibtischstuhl heran. Einen Augenblick scheint er zu überlegen, ob der wohl sein Gewicht aushält, dann setzt er sich, als wäre das Teil mit Nägeln bespickt. Noch ungemütlicher geht quasi nicht, es sei denn, er würde sich auf eine Schale mit glühenden Kohlen setzen. Alles an ihm schreit geradezu „Flucht“.

 

Ich gönne mir ein tiefes Luftholen.
 

„So schlimm?“

 

Zum Glück muss ich nicht erklären, was ich meine. Bruno versteht mich auch so. Wenigstens denke ich das, weil er mich gleich darauf so entschuldigend ansieht.

 

„Nein“, meint er dann. „Es ist nur … ungewohnt.“

 

„Was ist ungewohnt?“

„Na alles.“

 

Äh ja. Präzise war heute aus, oder wie?
 

„Was genau meinst du?“

 

Bruno atmet ebenfalls tief durch und lässt seinen Blick noch einmal durch den Raum schweifen. Wie schon gesagt, viel gibt es hier nicht zu entdecken. Nur dass meine Mutter sich etwas ausgetobt hat. Weiße Möbel, petrolfarbene Vorhänge, ein dazu passender Teppich und die Wand hinter dem Schreibtisch hat sie in so einem blaugrau gestrichen. Ganz allein, während ich in der Schule war. Auch die restliche Wohnung hat hier und da immer mal irgendwwelche Farbkleckse. Mal ein rotes Kissen hier oder ein bunt gestreifter Vorhang dort. Ihr Schlafzimmer hat sie in grün und braun gestaltet. Fast schon dschungelmäßig mit einer Unmenge von Pflanzen. Ich glaube, sie war fast traurig, als sie fertig war und wieder zur Arbeit musste.

 

„Na alles halt“, wiederholt Bruno jedoch nur noch einmal stur und ich glaube zu verstehen, was er meint. Das Gefühl von „alles ist anders als vorher und die ganze Welt tut, als wäre das normal“ kenne ich zur Genüge.

 

„Man gewöhnt sich dran“, will ich gerade sagen, als es an der Tür klopft.
 

„Herein“, rufe ich also stattdessen und meine Mutter betritt den Raum, in ihren Händen einen Teller mit belegten Broten für ungefähr acht Leute. Anscheinend schätzt sie Brunos Fassungsvermögen ähnlich groß ein wie ich.
 

„So, Jungs, Essen ist fertig. Lasst es euch schmecken.“

 

Sie stellt noch zwei Gläser ab, bevor sie Bruno und mir noch einen freundlichen Blick angedeihen lässt und sich wieder verkrümelt. Anscheinend hat sie beschlossen, heute doch die coole Mutter sein zu wollen, die ihrem Sohn einfach mal seine Freiheiten lässt. Manchmal kann ich meine Mutter gut leiden.

 

Bruno starrt auf den riesigen Teller und weiß anscheinend nicht so recht, was er davon halten soll. Die meisten Brotschreiben ziert eine reichliche Portion Salami, das andere sind gesammelte Reste aus diversen Aufschnittpackungen. Sogar Käse ist dabei und irgendsoein veganes Zeug, das ich maximal mit einer Unmenge von Gewürzgurken zusammen herunterkriege. Leider hat sie die vergessen.
 

„Was ist?“, frage ich und runzele die Stirn. Unser Gast sieht nicht gerade begeistert aus. „Magst du keine Salami?“
 

„Doch“, gibt Bruno zurück. „Ich … ich wollte nur … ach vergiss es einfach“
 

Ohne mich anzusehen, greift er nach einem der Brote – Salami, was auch sonst bei der Quote – und beißt hinein. Während er kaut und schluckt und nochmal abbeißt und wieder kaut und wieder schluckt, lasse ich ihn nicht einen Augenblick aus den Augen. Irgendwann, etwa so nach dem fünften Bissen, gibt er auf.
 

„Was?“, blafft er mich an und klingt dabei fast so wie der Bruno, den ich von früher kenne. Ich hebe meine Mundwinkel ein bisschen.
 

„Nichts. Ich frage mich nur, ob du den ganzen Abend dasitzen willst, als hättest du einen Stock im Arsch.“

 

Bruno zuckt zusammen, aber bevor ich meine Wortwahl korrigieren kann, gibt er ein muffeliges Brummen von sich. Danach nimmt er sich noch ein Brot und isst es vor lauter Trotz ungefähr doppelt so langsam wie das vorherige. Als jedoch auch der letzte Bissen in seinem Mund verschwunden ist, hält er es nicht mehr aus.
 

„Du bist eine Nervensäge“, knurrt er und versucht, mich böse anzugucken. Ich grinse und schlage die Beine unter.

 

„Das Kompliment gebe ich zurück“, meine ich und deute auf den Teller. Bruno reicht ihn mir und ich angele mir ein Brot von ganz unten hervor. Corned Beef. Lecker.

 

Während ich nun auch endlich was esse und dabei feststelle, dass ich wirklich mal was in den Magen gebrauchen könnte, mustere ich Bruno weiter. Der findet das gar nicht lustig.
 

„Kannst du mal aufhören, mich anzuglotzen?“, murrt er und greift sich die Fanta vom Tisch. Ohne mit der Wimper zu zucken nimmt er einen großen Schluck. Es erinnert mich an die Flasche, die wir uns damals geteilt haben. Als das Ganze noch „einfach nur Sex“ war.
 

Und was ist es jetzt?, will der Typ in meinem Kopf wissen, aber ich ignoriere ihn. Das ist jetzt nun wirklich nicht wichtig.
 

Statt auf Brunos Frage zu antworten, fange ich an, den Rand vom Brot abzuknabbern. Das hab ich als Kind schon immer gemacht. So bleibt am Ende nur das weiche Innere übrig. Dabei gucke ich zur Abwechslung mal woanders hin. Eventuell entspannt er sich dann ja etwas.

 

Vielleicht war es doch keine so gute Idee, ihn mitzubringen.
 

Noch einmal sehe ich zu ihm rüber und kann erkennen, dass es jetzt er ist, der mich beobachtet. Als ich ihn dabei erwische, schaut er schnell woanders hin. Ich gebe ja zu, ich muss ein bisschen grinsen.

 

„Du kannst ruhig hingucken. Hier sieht uns keiner.“

 

Brunos Ohren bekommen einen leichten Rotschimmer und er senkt zunächst den Blick, bevor er dann doch zu mir rüberguckt.
 

„Sorry“, murmelt er. „Macht der Gewohnheit.“

 

Ich nicke und deute auf die Flasche neben ihm. Er reicht sie mir. Als ich sie ihm abnehme, berühren sich unsere Hände ganz kurz. Wie im Film, nur nicht so kitschig. Besonders, weil ich gleich darauf angeekelt das Gesicht verziehe.
 

„Da ist ja gar keine Kohlensäure mehr drin“, schimpfe ich und schraube diese Beleidigung an meinen Gaumen gleich wieder zu.

 

„Warum hast du denn nichts gesagt?“

„Ich hab mich nicht getraut.“

 

Einen Augenblick schweige ich verblüfft, dann poltere ich los.

 

„Sag mal, tickst du noch ganz sauber? Dein Vater hat dich vorhin mit ner Schrotflinte bedroht und du bist total cool geblieben, und jetzt traust du dich nicht, mir zu sagen, dass die Fanta schmeckt wie warme Katzenpisse? Dein Ernst?“

 

Bevor Bruno noch reagieren kann, bin ich aufgesprungen und aus dem Zimmer gestürmt. Ich rase in die Küche und suche dort nach einem Ersatzgetränk, finde aber natürlich nur Wasser. Immerhin mit Kohlensäure, aber trotzdem. Na prima. Ich muss wirklich einkaufen gehen.

 

Mit der Selterwasserflasche im Schlepptau schlappe ich wieder zurück in mein Zimmer und halte sie Bruno hin.
 

„Hier. Und dann mach dich endlich mal locker. Das kann ja keiner mitansehen.“

 

Bruno nimmt gehorsam die Flasche, trinkt einen Schluck und verschließt sie dann sorgfältig wieder. Danach stellt er sie wieder zurück auf den Tisch. Von locker keine Spur. Da muss ich wohl nachhelfen.
 

„Gibst du mir mal noch ein Brot? Ich sterbe vor Hunger.“

 

Bruno sieht zweifelnd von mir zum Teller und wieder zurück. Wahrscheinlich überlegt er sich gerade, ob er zulassen will, dass ich da esse, wo er heute Nacht schlafen wird. Aber wie meine Mutter immer so schön sagt: 'Wer nie sein Brot im Bette aß, weiß nicht wie Krümel piken.' Also her mit der Stulle!

 

Bruno reicht mir dann doch wortlos den Teller und ich schnappe mir dieses Mal ein Käsebrot. Wirklich Appetit hab ich keinen mehr, aber irgendwas muss man ja tun. Zumal Bruno immer noch keinen Mucks von sich gibt. Erst, als ich gerade überlege, ob ich Bruno eigentlich wirklich in meinem Bettzeug schlafen lassen kann und/oder will, gibt er plötzlich Laut.

 

„Er ist sonst nicht so“, sagt er und guckt mich dabei nicht an.

 

„Wer?“, frage ich dummdusselig und bin gedanklich immer noch in meine Bettwäsche verstrickt.
 

„Mein Vater“, erklärt Bruno und ich bin mit einem Mal wieder ganz Ohr. Will er mir etwa gerade weismachen, dass der durchaus wütende Mann mit dem Karpfengesicht und dem ungesunden Hang zur Waffengewalt sonst ein ganz braves Lämmchen ist? Ich mein, man denke an die Geschichte mit dem Hamster! Der hat doch nicht mehr alle Latten am Stafettenzaun oder wie das Ding heißt.

 

„Ja genau“, erwidere ich mit einem abfälligen Schnauben. „Deswegen schleichen bei euch zu Hause alle rum, als würden sie sonst den Geist von Canterbury herbeibeschwören, wenn sie nur einmal zu laut husten?“

 

Gut, sinnvolle Sinnbilder sind nicht so mein Ding, aber Bruno versteht bestimmt, was ich meine. Wenigstens guckt er so.
 

„Es ist nicht einfach“, murmelt er und ich weiß nicht so ganz, was er meint, denn in meinen Augen ist es ganz einfach. Sein Vater ist ein despotisches Arschloch, das seine Frau guilttript, seine Tochter aufgrund eines vollkommen aus der Luft gegriffenen Verdachts mit Missachtung straft und seinen Sohn aus dem Haus wirft, weil der seine Hand in der Hose eines anderen Kerls hatte. Also für mich gibt es da keine Unklarheiten.

 

„Er will doch nur, dass es uns gutgeht.“

 

Also jetzt reicht es mir langsam. Anscheinend ist dieser Rinderwahnsinn auch noch ansteckend.
 

„Gutgeht?“, echoe ich daher mit reichlicher Entrüstung. „Und deswegen wirft er dich aus dem Haus und droht damit, dich zu erschießen? Also das musst du mir mal erklären.“

 

Auf Brunos Stirn bilden sich Falten und ich sehe, wie sich sein Kiefer anspannt. Oh-oh, das war wohl nicht gerade geschickt.
 

„Für dich ist ja auch immer alles ganz einfach“, faucht er und sieht mich zum ersten Mal richtig an. „Du kommst hierher und …“

 

Ich unterbreche ihn, bevor er sich wieder in Rage redet.
 

„Fängst du jetzt wieder mit dem Scheiß an?“, frage ich und wäre gerade ganz gerne das blöde Ding in meiner Hand los. Mit einem Käsebrot in der Hand rumzufuchteln nimmt einem irgendwie die Glaubwürdigkeit.
 

„Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich genauso meine Probleme habe wie jeder andere auch. Aber im Gegensatz zu dir und deinem Vater gehe ich deswegen nicht los und vermöbele andere Leute.“

 

„Nein, natürlich nicht. Du mischt dich nur ungefragt in ihr Leben ein.“

 

Autsch, das hat gesessen. Vor allem, weil ich das wohl gerade eben wirklich getan habe. Aber ich hab’s doch nur gut gemeint.

 

Das Gegenteil von 'gut' ist 'gut gemeint', tönt es in meinem Kopf und ich frage mich, wann eigentlich auch noch meine Oma sich dort oben eingenistet hat. Nicht, dass ich sie nicht vergöttert hätte, als sie noch gelebt hat, aber ne alte Frau kann ich da oben nun wirklich nicht auch noch brauchen.

 

Ich atme einmal tief durch und versuche, mir einen inneren Frieden herbeizubeschwören. Vielleicht sollte ich es doch mal mit Yoga probieren. Oder mit Joghurt.

 

„Tut mir leid“, sage ich mit allem möglichen Ernst, der mir zu Verfügung steht. „Es ist nur … als ich bei euch zu Hause war, war das alles so deprimierend. Deine Mutter, deine Schwester und sogar du … das war alles so …“

 

„Na was soll ich denn machen?“, schnauzt Bruno mit einem Mal. In seinem Gesicht steht eine wilde Mischung aus Wut und Verzweiflung. Seine Augen blitzen auf und gleichzeitig wirkt es, als würde er jeden Moment anfangen zu heulen. In meiner Brust greift eine riesige Faust nach meinem Herz.

 

„Ich versuche ja schon, sie zu beschützen“, beteuert er. „Ich helfe meinem Vater, wo ich nur kann. Mache alles, was er verlangt. Und ich weiß, dass er unrecht hat. Aber wenn ich nicht so wäre, wenn ich einfach normal wäre, dann …“

 

Ich verkneife mir, ihn darauf hinzuweisen, dass er normal ist. Es zu wissen und es zu fühlen sind zwei verschiedene Dinge.

 

„Ich hab es mal versucht. Mit nem Mädchen, weißt du. Aber ich … ich kann das nicht. Ich kann das einfach nicht.“

 

Seine Worte klingen in meinem Ohr nach und für einen Moment frage ich mich, warum er mir das erzählt. Hab ich ihm etwa einen Grund dafür gegeben?

 

„Ist schon okay. Du hast Zeit.“

 

Ich weiß nicht, ob es das Richtige ist, was ich sage. All diese Probleme, die er jetzt hat … die hatte ich nie. Sogar mein Vater hat sich Mühe gegeben, mich so zu akzeptieren, wie ich bin. Auch wenn er dafür an anderer Stelle vollkommen versagt hat. Aber das ist dann wieder eine andere Geschichte. Trotzdem ist da noch etwas, das ich gerne wissen würde.
 

„Bereust du es?“

 

Bruno senkt für einen Moment den Kopf.

 

„Auf dem Weg hierher habe ich überlegt, ob ich nicht lieber woanders hingehen sollte. Zu Paul oder Gustav. Mit denen war ich früher immer ganz gut dran. Gustav hat sogar manchmal bei uns übernachtet. Oder ich bei ihm. Das war schön.“
 

Die Vorstellung versetzt mir einen kleinen Stich, denn eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Gustav und mir ist durchaus vorhanden. Schlank, blond, große Klappe. Und wer weiß, vielleicht steht Bruno ja sogar auf ihn. Oder stand.

 

Aber das konnte er ihm nicht sagen. Er konnte es niemandem sagen. Nicht einmal seinem besten Freund.

 

„Und dann kam ich“, sage ich tonlos. Irgendwie mag ich die Richtung nicht, in die sich das Gespräch entwickelt.
 

„Ja, dann kamst du“, wiederholt Bruno und seine Stimme klingt dabei ein wenig erschöpft. „Und ich wollte nicht, dass du da bist. Es war, als hielte mir jemand einen Spiegel hin, in dem ich all das sehen konnte, was ich nicht sein wollte. Und gleichzeitig wollte ich es doch. Es war … furchtbar verwirrend und ich wollte nicht, dass irgendjemand denkt, dass ich …“

 

Bruno atmet tief durch.

 

„Aber als das dann mit uns anfing, da war es …. toll. Ich hätte das nie gedacht. Alles war plötzlich so leicht bis zu … diesem Abend. Da dachte ich, dass es dann eben einfach doch nur eine Phase war. Ein kurzes Hirngespinst. Aber dann bist du zu uns nach Hause gekommen. Mir war sofort klar, dass mein Vater Wind davon bekommen würde. Und ich war so … wütend auf dich. Weil du alles kaputtgemacht hast.“

 

Ich schlucke, weil sich das, was Bruno da erzählt, nicht gut anhört. So gar nicht gut. In seiner Version der Geschichte bin definitiv ich der Arsch. Wenn ich mich nicht verkleidet hätte, wenn ich nicht auf sein Angebot eingegangen wäre, wenn ich nicht bei ihm Hause eingefallen wäre …

 

Dann hätte sein Vater uns vielleicht nie erwischt.

 

Einerseits weiß ich, dass er recht hat. Aber zu der Geschichte gehören immerhin zwei.

 

„Warum hast du dich denn überhaupt nochmal mit mir getroffen?“, frage ich und klinge dabei defensiver, als ich es möchte. „Du hättest mich doch einfach ignorieren können.“

 

Bruno hebt nicht den Kopf.

 

„Ich hab gedacht, du hättest bei uns eingebrochen.“

 

Ich blinzele und verstehe nur noch Bahnhof. Eingebrochen? Why??
 

„Als ich dich mit der Tüte gesehen habe, da hab ich gedacht, du wärst nochmal zu uns nach Hause und … na ja.“

 

Ich blinzele noch einmal und versuche, die schräge Logik zu verarbeiten. Er hat gedacht, ich hätte seine Tüte geklaut?

 

„Und dann dachte ich, meine Mutter hätte sie vielleicht fortgeworfen. Sie war ziemlich ramponiert nach der Tour durch den Wald. Ich hab ihr auch nicht gesagt, was drin war. Ich hab das Hemd einfach nur in den Schrank zurückgehängt, wo es mein Vater dann gefunden und total rumgeschrien hat, weil es nicht gebügelt war. Da war ich auch echt sauer auf dich. Aber als ich dann den Zettel entdeckt habe ….“

 

Okay, okay, Moment mal Stopp. Was wird das jetzt hier gerade? Ein „alles Schlampen, außer Mutti“ und besonders Fabian? Wenn ja, bin ich raus aus der Geschichte. Aber so was von.
 

„Ich hab die Tüte nicht geklaut“, erkläre ich kategorisch und irgendwo auch ziemlich angepisst. „Und schon gar nicht habe ich in eurem Müll herumgewühlt. Ich war bei 'Bräuer Moden' und habe mir im Schweiße meines Angesichts eine neue 'Tragetasche' erbettelt. Ich hab mir sogar ne Freundin andichten lassen, um sie zu bekommen. Alles nur, um deinen fetten Hintern nochmal in den Wald zu kriegen, damit ich dir sagen kann, dass es mir leid tut.“

 

Ernsthaft ein wenig böse funkele ich Bruno an, der nun wiederum seines Zeichens kariert aus der Wäsche schaut.
 

„Eine Freundin? Aber alle Welt weiß doch, dass du … Wer kommt denn auf so eine Idee?“
 

„Der Fatzke vom Modehaus“, brummele ich. „Dabei hätte ich wetten können, dass der selbst schwul ist.“

 

„Hans Bräuer?“, meint Bruno erstaunt. „Nein, der ist ein Schürzenjäger. Vor dem ist nichts sicher, was einen Rock anhat.“

 

„Na da bin ich ja froh, dass ich Hosen trage“, knurre ich und frage mich, wer eigentlich 'alle Welt' ist und warum die sich für mein Sexualleben interessieren. Aber momentan haben wir wohl Wichtigeres zu klären.
 

„Ich hab auf jeden Fall ne ganze Menge auf mich genommen, nur weil du so ein Riesendickschädel bist“, schimpfe ich daher weiter und ziehe dazu auch noch einen Schmollmund. Ich meine, das muss ja nun wirklich mal gesagt werden.

 

Bruno senkt den Kopf und bekommt ein bisschen rote Ohren.
 

„Ich weiß. Und deswegen …“

 

In diesem Moment klopft es. Oh man, echt jetzt?
 

„Nein!“, meckere ich, was meine Mutter natürlich nicht davon abhält, trotzdem hereinzukommen. Ich glaube, wir müssen uns dringend mal über das Thema Privatsphäre unterhalten.
 

„Hey ihr beiden, ich hoffe, ich störe nicht.“

 

Doch, tust du.

 

„Ich wollte nur Bescheid geben, dass ich jetzt ins Bett gehe. Also seid bitte leise. Und Fabian, du musst dir noch die Couch fertig machen. Ach und das Brot ist alle. Wenn ihr morgen früh frühstücken wollt, muss einer von euch zum Bäcker gehen.“

 

Früh wollen wir ganz bestimmt nicht frühstücken. Spät vielleicht, aber das steht ja auch einem anderen Blatt. Doch natürlich nicke ich brav alles ab.
 

„Ja, Mama. Ist gut, Mama. Bis dann, Mama.“

 

Meine Mutter legt ihre Stirn in Warnfalten.
 

„Jetzt werd mal nicht frech, junger Mann“, ermahnt sie mich und schickt Bruno gleich darauf einen aufmunternden Blick.
 

„Wenn er zu unverschämt wird, rufst du mich, dann sperren wir ihn zusammen auf den Balkon.“

 

Bruno grinst pflichtschuldig.
 

„Ist gut, Frau Vogel. Und … vielen Dank, dass ich hierbleiben darf.“

 

Das Lächeln meiner Mutter wird breiter.
 

„Aber sicher doch. Ist doch nichts dabei.“

 

Jaja, okay. Wir haben es alle verstanden. Du bist ne saucoole Mutter. Und jetzt verzieh dich endlich. Los. Kusch! Hau ab!!

 

Als sie endlich verschwunden ist und die Tür hinter sich zugezogen hat, funkele ich Bruno kampflustig an.
 

„Wehe, du versuchst das mit dem Balkon. Ich schreie die ganze Nachbarschaft zusammen.“

 

Bruno schmunzelt ein bisschen.
 

„Ich glaube, das würdest du echt machen.“

„Und ob ich das machen würde. Das ist Kindesmisshandlung!“

 

Bruno lacht noch einmal, dann atmet er tief durch.
 

„Ich glaube, wir sollten auch langsam mal schlafen gehen. Es ist schon spät und … na ja.“

 

Oh man, der Typ ist echt der Meister der unausgesprochenen Wahrheiten und nicht zu Ende geführten Sätze. Aber gut, wenn er pennen will, kann er das haben. Obwohl ich zugeben muss, dass ich eigentlich gehofft hatte, dass wir …
 

„Willst du zuerst ins Bad?“

 

Mhm, heißt dass jetzt, dass er abgeneigt ist oder dass er 'hard to get' spielt. Wegen der Ehre und so. Um ihm einen kleinen Schubs zu geben, erhebe ich mich daher und strecke mich ausgiebig, damit er sieht, was er verpassen würde.

 

„Ich leg dir ne Zahnbürste hin“, verspreche ich und verziehe mich dann ein bisschen mit dem Hintern wackelnd aus meinem Zimmer. Leider bleibe ich trotz aller Versuche, Bruno an die Angel zu kriegen, vollkommen ungestört und räume, nachdem ich eine unanständig lange Weile dort verbracht habe, irgendwann dann doch das Bad. Bruno verschwindet kurz darauf darin und ich höre, wie er die Tür abschließt. Das soll wohl heißen, dass heute nichts mehr passiert. Blödmann!

 

Ein bisschen muffelig und brummelig verziehe ich mich ins Wohnzimmer und lege mich, nachdem auch Bruno eine ganze Weile zu brauchen scheint, irgendwann tatsächlich hin. Bruno bleibt wirklich irrsinnig lange im Badezimmer, sodass mir, als er endlich die Tür aufschließt, schon fast die Augen zugefallen sind. Umso erstaunter bin ich, als ich plötzlich seine Stimme höre.
 

„Fabian? Schläfst du schon?“

 

Ich ignoriere den Schauer, der meinen Rücken hinabrieselt, als er meinen Namen nennt, und bleibe einfach still liegen. Im Schatten der schwedischen Gardinen – die Einrichtung des Wohnzimmers ist von Ikea – kann ich Bruno im Türrahmen nur halb erkennen. Sicher ist jedoch, dass er keine Hose mehr anhat und somit nur noch in Shirt und Shorts vor mir steht. Und jetzt tappt er auch so unsicher noch von einem Fuß auf den anderen. Wie süß ist das denn, bitte?
 

„Ich … also … ich wollte dir eigentlich noch sagen, dass ich es nicht bereue.“
 

Er macht eine kleine Pause, während ich den Atem anhalte. Wahrscheinlich sollte ich jetzt irgendetwas antworten, aber ich kann nicht. Ich weiß nicht was!

 

Bruno räuspert sich und fügt noch hinzu: „Weil du doch gefragt hattest. Deswegen wollte ich, dass du das weißt.“

 

Einen Augenblick verharrt er noch im Türrahmen, bevor er sich wieder herumdreht und ebenso schnell und lautlos wieder verschwindet, wie er gekommen ist. Ich wiederum liege jetzt hellwach auf dem Sofa und frage mich, was das denn gerade für eine Aktion gewesen sein soll. War das jetzt ein Geständnis? Eine Beichte? Eine Einladung?

 

Wenn ja, müssen wir wirklich ganz, ganz dringend über Kommunikationsformen sprechen. Ich kann schließlich nicht hellsehen. Außerdem gehen mir so langsam die Tüten aus.

 

Nichtsdestotrotz schiebe ich langsam die Decke zurück und setzte mich auf. Ob ich mal zu ihm rübergehe? Zwar ist das Schlafzimmer meiner Mutter nebenan, aber die Wände sind ja nicht aus Pappe und wenn wir ganz leise machen …

 

Na los, trau dich. Was soll schon schiefgehen?

 

Eigentlich könnte sogar eine ganze Menge schiefgehen. Allem voran, dass Bruno mich rausschmeißen könnte. Aus meinem eigenen Zimmer. Das wäre schon ziemlich peinlich. Aber andererseits …

 

Ene mene miste, es rappelt in der Kiste

 

Ach scheiß auf Abzählreime. Ich geh jetzt zu Bruno und dann zeige ich ihm mal, was man auf 90 cm für Spaß haben kann. Also Augen zu und ran an den Mann. Den Mutigen gehört die Welt.

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  -Chiba-
2023-04-23T11:27:41+00:00 23.04.2023 13:27
Die beiden sind wirklich niedlich ^^

Dass es Bruno gerade nicht leicht hat ist ja verständlich. Das war wirklich alles etwas zu viel auf einmal. Hoffentlich wird das wieder.
Bruno mutet sich da meiner Meinung nach auch zu viel zu. Er will seine Mutter und seine Schwester beschützen und es seinem Vater Recht machen. Hoffentlich erkennt sein Vater noch, dass er dringend Hilfe braucht. Bruno kann das nicht alleine wieder gerade biegen. Und es ist ja offensichtlich, dass mit Brunos Vater was nicht stimmt. Existenzängste, Minderwertigkeitskomplexe...was auch immer.
Aber jetzt hat Bruno ja Fabian ^^
Und ich hoffe, dass der gute Fabian seine sensible und mitfühlende Seite noch entdeckt. Denn Bruno braucht jetzt ganz bestimmt keinen Sex, sondern vielleicht eher jemanden, der ihn in den Arm nimmt und einfach nur für ihn da ist.

Freu mich schon auf die Fortsetzung^^

LG
Chi
Antwort von:  Maginisha
24.04.2023 14:50
Hallo Chiba!

Jaaa, manchmal können die tatsächlich auch niedlich. So neben dämlich, beschränkt und strunzdoof. ^^

Bruno hat auf jeden Fall zu viel auf dme Zettel. Kein wunder, dass er immer so leicht gereizt ist. vermutlich schläft er auch nicht gut, trinkt vielleicht öfter mal einen, alles so was halt, was leicht in eine ganz ungute Richtung führen kann. Ob sein Vater in diesem Leben noch schlau wird, weiß ich nicht. Aber immerhin scheint Bruno ja jetzt das Steuer für sich selbst herumzureißen. was keinesfalls eine leichte Aufgabe ist, denn der Gegenwind wird nicht gerade zahm ausfallen. Aber schauen wir mal.

Sensibel war bei Fabian allerdings gerade aus, das hast du gut erkannt. Er war vermutlich zu fleißig dabei, sein eigenes Problem mit der ganzen Geschichte zu ignorieren, dass er sich mehr genug auf Bruno konzentrieren konnte. aber vielleicht kommt ihm die Erkenntnis ja noch. Wir werden es erleben.

Zauberhafte Grüße
Mag
Von:  Ryosae
2023-04-23T07:44:21+00:00 23.04.2023 09:44
Hey Mag,
was war denn hier mit Fabian los? So ulkig wie noch nie xD
Er wurde durch Brunos Offenbarung aber doch sehr enttäuscht. Irgendwie war fast alles was er sagte deprimierend und hatte einen bitteren Nachgeschmack. Ich mein, really Dude? Warum sollte Fabi bei dir einbrechen?! ^^"

Süß sind sie ja trotzdem. Ob die Mama bescheid weiß? Spätestens nach dieser Nacht bestimmt ;)
Achja, warum haben sie eigentlich keine Pizza bestellt? Bestes Essen für Übernachtungen aller Art. xD
Tolles Kapitel! Freu mich aifs Nächste <3

LG
Ryo
Antwort von:  Maginisha
24.04.2023 14:46
Hey Ryosae!

Tja, ich weiß nicht. Nen Clown gefrühstückt vielleicht. Oder das ist sein Coping-Mechanismus für schwierige Situationen. ^^

Dass das mit dem Einbrechen Quatsch ist, hat Bruno sich dann sicherlich auch schnell gedacht. aber vielleicht hatte das mit dem "Einbruch" beim ersten Mal zu tun, als Fabian in Brunos "heile Welt" eingedrungen ist udn alles durcheinandergebracht hat.

Tja, was sich die Mama so denkt, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Oder auch nicht, je nachdem, wie sich das alles entwickelt. Meiner Erfahrung nach haben Mütter ja ein Abo auf "ich hab es ja gleich gewusst". :D Und Pizza bestellen ging wahrscheinlich nicht mehr, weil der Pizza-Service auch schon zuhatte. *rofl*Oder sie war generell abgeneigt aufgrund von Fabians Art. Man weiß es nicht. ^^

Mal sehen, ob dir das nächste Kapitel dann auch gefällt. :D

Zauberhafte Grüße
Mag
Von:  chaos-kao
2023-04-22T20:35:52+00:00 22.04.2023 22:35
Fabians Mutter hat es mit ihm wirklich nicht leicht. Aber schön, dass sie Brunos Übernachtung erlaubt - wobei ich mir kaum vorstellen kann, dass sie Fabian auch nur ein Wort geglaubt hat.
Das Kapitel war toll. Bruno öffnet sich etwas und sie reden tatsächlich richtig miteinander. Ich bin ja mal gespannt, ob das mit dem Kuscheln was wird. So breit wie Bruno ist, sind 90 cm doch reichlich schmal. Außerdem braucht der Gute wohl eher jemanden, der ihn in den Arm nimmt, und keinen Sex.
Antwort von:  Maginisha
23.04.2023 07:56
Hey chaos-kao!

Ich glaube, ich kann dir eigentlich nur zustimmen. Mit allem. :D Aber schauen wir mal, wie es im nächsten Kapitel weitergeht. Vielleicht überrascht Fabian uns ja. ^^

Zauberhafte Grüße
Mag


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