Zum Inhalt der Seite

Überwinde deine Angst

Weihnachts-OS 2021 - Naruto x Sasuke
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]


 

Da stand er. Dieser blonde Typ, mit diesen eisblauen Augen. Die Nase unter einem dicken, orangefarbenen Schal versteckt, die Hände tief in einer ebenso orangefarbenen Jacke vergraben. Nur wenige schwarze Akzente ließen sich auf Letzterem erkennen und dazu trug er eine schwarze Hose. Er zog seine Hand aus der Tasche, sah auf das Handy und ich wusste, ich verspätete mich.

Wir… Wir hatten uns verabredet und ich wusste, ich musste mich bewegen, um endlich zu ihm zu gehen. Doch ich konnte nicht. Mein Körper gehorchte meinen Befehlen nicht und verweigerte mir den Dienst.

Ich dachte daran zurück, wie es überhaupt dazu gekommen war, um meinen Muskeln noch zwei Momente der Ruhe zu geben, bis sie sich regen mussten…

 

 

Die Sonne schien trotz des angekündigten Schneefalls hell auf die Erde nieder und blendete mich, indem die Strahlen vom Schnee reflektiert wurden.

"SASUKE!", rief jemand hinter mir.

Direkt wusste ich, wieso ich immer fünf Minuten früher zur Schule ging. Um ihm nicht über den Weg zu laufen. Ich genoss es, in der Früh meine Ruhe zu haben. Doch heute hatte ich mich verspätet, weil mein Bruder mich aufgehalten hatte.

Seufzend drehte ich mich um und sah in … strahlend blaue Augen.

"Naruto", gab ich resigniert zurück.

"Hast du mich nicht rufen hören?", fragte er, als er auf mich zugeeilt kam.

"Doch, natürlich. Ich habe nur nicht reagiert", erwiderte ich und zuckte mit den Schultern.

"Das ist doch gemein!"

Naruto begann direkt zu schmollen und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Du bist doof", gab ich zurück und wandte mich wieder dem Schulweg zu.

"Ich dachte schon, du wärst über Nacht taub geworden", sagte Naruto, zwar immer noch schmollend, aber längst nicht mehr mit verschränkten Armen. "Kurz hatte ich auch überlegt, ob ich einen Schneeball forme und dir an den Kopf werfe."

"Du würdest mich niemals treffen."

"Sicher?"

Naruto schien eine mir unbekannte Herausforderung angenommen zu haben, denn er beugte sich direkt nach unten und nahm etwas vom Schnee auf. Schnell hatte er einen Schneeball geformt und hielt ihn in den Händen. Erst jetzt fiel mir auf, dass er Handschuhe trug. Ich dagegen hatte meine in der Eile vergessen.

"Lass den Mist", gab ich von mir und schüttelte den Kopf.

Als ich einige Schritte gegangen war, traf mich der Schneeball an der Schulter. Erneut hielt ich in meiner Bewegung inne und drehte mich zu Naruto. Jetzt traf mich die nächste Kugel am Schlüsselbein.

"Du wolltest mich am Kopf treffen und nicht an sämtlichen anderen Körperstellen, Dummkopf."

Ich seufzte, denn ich bereute es, Naruto kritisiert zu haben. Wenn er wollte, konnte er treffen und ich wusste, dass ich es noch mehr bereuen würde, wenn ich nicht bald weiter zur Schule lief. Mir wurde kalt und ich hasste es, meine Hände nicht mehr zu spüren, weil sie kurz vor dem Erfrieren waren.

"Lass uns endlich gehen", forderte ich Naruto auf.

Dieser hatte sich noch einmal nach unten gebeugt, nahm eine weitere Ladung Schnee auf und grinste breit. Doch dann kam er zu mir und lief neben mir her.

"Schade", begann er. "Dachte, ich könnte dich endlich dort treffen, wo du es wolltest."

"Das wirst du nie schaffen, weil du nicht weißt, wo ich es will", erwiderte ich und merkte erst hinterher, wie zweideutig diese Worte klangen.

Natürlich hatte Naruto meinen Fehltritt bemerkt und grinste noch breiter.

"Wo du es willst? Oh, reden wir immer noch vom Schneeball? Oder geht dieses Gespräch in eine ganz andere Richtung?"

"Wo denkst du hin?", konterte ich. "Ich meinte den Schneeball. Du wirst mich niemals am Kopf treffen. Weder jetzt, noch in einhundert Jahren."

Ich beeilte mich, etwas Abstand zu ihm zu bekommen und als ich dachte, ich wäre weit genug weg, atmete ich erleichtert aus. Seine Anwesenheit sorgte dafür, dass mein Kopf abschaltete und ich Dinge tat, die ich immer wieder bereute. Er sorgte dafür, dass ich etwas anderes wollte, als ich es jemals zeigen würde.

"Sasuke?"

Naruto riss mich aus den Gedanken, als er mich an der Schulter packte und festhielt. Perplex sah ich in seine Richtung.

"Was denn?"

Beschwichtigend hob Naruto die Hände nach oben.

"Ich dachte nur, du möchtest sicher nicht an der Schule vorbeilaufen?"

Er zeigte mit dem Daumen in die Richtung des Gebäudes. Wann waren wir bitte hier angekommen? Und war ich wirklich dabei gewesen, einfach daran vorbeizugehen? 

"Ja, ja…", begann ich. "Ich bin schon da."

Langsam gingen wir zum Haupteingang, wo wir bereits von Kiba, Sakura und Hinata erwartet wurden.

"Ihr habt euch ziemlich viel Zeit gelassen", plapperte Kiba direkt darauf los, ohne uns auch nur mit einem Wort zu begrüßen. "Ich dachte schon, wir müssten hier draußen erfrieren!"

"Ihr habt gewartet? Das finde ich ja voll cool!"

Naruto riss die Augen auf, grinste breit und schlug mit seiner Faust gegen die von Kiba. Dann umarmten ihn Hinata und Sakura. Wobei Hinata sich eher von Naruto in eine Umarmung ziehen ließ. Sie war mit Kiba zusammen, aber Nähe schien ihr dennoch unangenehm zu sein. Meine Begrüßung belief sich darauf, dass ich ihnen zunickte. Nachdem dies vollbracht war, gingen wir endlich ins Schulgebäude und wechselten die Schuhe.

"Bleibt es dabei, dass wir am Samstag auf den Weihnachtsmarkt gehen?", platzte es aus Naruto heraus.

Hinata lief sofort rot an und sah ertappt zur Seite, als hätte man ihr ein Geheimnis entlockt, was niemand erfahren sollte.

"Also…", begann sie und stammelte noch einige unverständliche Worte vor sich her.

"Meine Eltern sind nicht da und… Und wir wollten die Zeit zu zweit nutzen", grinste Kiba verschwörerisch und zwinkerte Naruto entgegen.

"Ich muss mich auch entschuldigen, leider. Meine Cousine kommt über das Wochenende zu uns und sie will mit mir einen Wellnesstag machen", erklärte Sakura und hob beschwichtigend die Hände. "Sorry."

Naruto sah zu mir und ich hob eine Augenbraue. Was erwartete er? Dass ich mit ihm allein auf den Weihnachtsmarkt ging? Um Himmels willen! 

"Was?", fragte ich also, als ich merkte, wie sich sein Blick in mich bohrte.

"Und du? Kommst du wenigstens mit… Du weißt, es ist mein einziges Wochenende vor Weihnachten, wo ich kann!"

Erneut begann Naruto zu schmollen und er wusste, dass ich ihm dadurch nichts abschlagen konnte.

"Muss das sein?"

"Ja!"

Er stemmte die Hände in die Hüften und sah mich eindringlich an.

"Habe ich eine andere Wahl?"

"Nein!"

"Na also…", erwiderte ich und verdrehte abermals die Augen. "Also bleibt mir nichts anderes übrig, als mich von dir durch die Menschenmassen schleifen zu lassen und mir nervige Weihnachtslieder anzuhören."

Um meine Gleichgültigkeit zu demonstrieren, zuckte ich mit den Schultern. Es war nicht so, dass ich Weihnachten nicht mochte, aber zum einen gab ich es nicht zu und zum anderen konnte ich Menschenmassen nicht leiden, die sich um zu teuren Glühwein tummelten und so taten, als könnten sie sich nur einmal im Jahr sehen.

"Du bist so was von gemein, Sasuke!"

"Ich komme mit, reicht das nicht?", fragte ich, um es wieder etwas gutzumachen.

"Also…", begann Naruto und hatte ein verschwörerisches Grinsen auf den Lippen. "Ich verzeihe dir nur, wenn…"

Sein Blick schweifte zu Sakura und dann zu Kiba und Hinata, ehe er mir direkt in die Augen schaute und noch breiter grinste.

"Was?", entgegnete ich. "Was willst du?"

"Wir fahren zusammen Riesenrad!"

"Nein! NIE IM LEBEN!", protestierte ich. "Ohne mich. Da bin ich raus."

Zur Untermalung meiner Worte schüttelte ich den Kopf und begab mich zum Klassenzimmer, um mich auf meinen Platz fallen zu lassen.

"Jetzt sei kein Angsthase!", hörte ich Naruto rufen, als er ebenfalls in den Raum kam.

"Ich werde da nicht mitmachen. Du kannst dich auf den Kopf stellen oder dich hier zum Affen machen, aber ich werde das nicht tun!"

"Ach Sasuke…"

Er griff sich einen Stuhl, schob ihn an meinen Tisch und setzte sich darauf. Die Ellenbogen positionierte er auf der Tischplatte, stützte das Kinn auf seine Hände und sah mich direkt an.

"Bitte", begann er zu betteln.

Gleichzeitig blinzelte er übertrieben häufig und verzog den Mund abermals.

"Ich habe mein letztes Wort abgegeben…", sagte ich und schüttelte den Kopf.

"Du willst doch nicht, dass ich unglücklich werde, oder?", hakte Naruto nach. "Du willst, dass mir dieser Besuch lange in Erinnerung bleibt, oder? Du willst, dass es schön wird, oder? Wenn ja, dann geh mit mir aufs Riesenrad!"

"Ich werde niemals in so ein wackeliges Ding steigen!", erwiderte ich und war froh, dass die Klingel den Stundenbeginn einläutete.

Naruto sprang panisch auf, rannte zu seinem Platz und sah noch einmal in meine Richtung. Ich hatte ihn natürlich beobachtet und erkannte, dass er mit dem Mund ein »Bitte« formulierte. Dazu schlug er die Hände zusammen und sah mich aus diesen blauen Augen an, denen ich nicht widerstehen konnte.

Etwas in meinem Inneren ließ mich einknicken. Also nickte ich und seufzte stumm. Was hatte ich mir da nur eingebrockt?

 

 

Und jetzt stand ich an der Ecke, versteckte mich und beobachtete Naruto von dort aus. Immer wieder sah er auf das Handy, tippte darauf herum und ich merkte, wie mein eigenes Telefon in der Jackentasche vibrierte. Wahrscheinlich fragte er, wo ich blieb. Ich konnte nicht antworten, weil mein Körper noch immer reglos an Ort und Stelle blieb.

Irgendjemand rempelte mich von hinten an, sodass ich nach vorne stolperte. Verwirrt sah ich mich nach der Person um, konnte aber niemanden direkt erkennen. Um wieder in mein Versteck zu kriechen war es jetzt zu spät. Naruto hob in diesem Augenblick den Kopf und sah in meine Richtung.

"SASUKE! Ich bin hier!", schrie er über den Platz und hob die Hand, um noch mehr auf sich aufmerksam zu machen.

Als sich alle nach mir umdrehten, lief ich eilig zu ihm und hob die Hand zum Gruß.

"Ja, hier bin ich. Sorry, wurde aufgehalten", gab ich von mir und wandte den Blick von ihm.

Ich konnte ihm nicht sagen, dass ich ihn bereits seit einigen Minuten beobachtete. Nein. Auf keinen Fall durfte ich sagen, dass ich schon eine Weile hier war und ich Angst hatte, zu ihm zu gehen.

Kaum hatte ich mich innerlich darauf vorbereitet, vor ihm zu stehen und mit ihm zu reden, wirbelte er herum und stand mit einem Mal neben mir. Sein Arm lag augenblicklich um meine Schulter und er zog mich zu sich.

"Lass uns gehen, bevor wir festfrieren!", sagte er für meine Verhältnisse etwas zu laut. "Oder willst du weiter hier herumstehen?"

"Nein, nein. Lass uns gehen", erwiderte ich.

Aus dem Augenwinkel sah ich zu ihm, genoss die Nähe zu ihm und schluckte. Er war mir nahe, zu nahe. Doch wegstoßen würde ich ihn garantiert nicht. Aber zu meinem Bedauern ließ er mich wieder los.

Fröhlich pfeifend lief er neben mir, hüpfte wie ein Kleinkind über große Gehwegplatten und grinste breit. Es steckte einen fast schon an, dass Naruto so gute Laune ausstrahlte.

Nach einigen Minuten kamen wir auch schon beim Weihnachtsmarkt an und ich betrachtete die Menschen, die sich bereits vor den ganzen Ständen tummelten. Mir persönlich waren es viel zu viele. Aber Naruto schien es zu gefallen. Er sprang nur noch aufgeregter neben mir umher und zupfte an meinem Ärmel herum.

"Da! Da!", rief er und zeigte auf einen Stand, den ich nicht richtig deuten konnte.

Entweder meinte er einen, bei dem es Essen und diverse Getränke gab oder den daneben, der verschiedene Dekorationsartikel anbot, natürlich passend mit weihnachtlichen Motiven. Um nicht als Langweiler dazustehen, lief ich einfach neben Naruto her und beobachtete ihn, wie er sich an dem Ambiente erfreute.

Es dauerte einige Zeit, bis er sich endlich dazu entschieden hatte, wo er sich gebrannte Mandeln kaufen und einen Glühwein trinken wollte. Ich hatte mich dagegen für eine heiße Schokolade entschieden, auch wenn solche süßen Getränke absolut nicht mein Fall waren. Alkohol wollte ich dann aber doch nicht zu mir nehmen. Also hielt ich mich an meiner Schokolade fest, während Naruto abwechselnd am Glühwein nippte und sich Mandeln in den Mund schob. Sein Blick glitt über den Weihnachtsmarkt. Meiner lag allerdings auf ihm. Ich konnte nicht aufhören, ihn zu betrachten und mir jeden Zentimeter seines Gesichts einzuprägen.

Kurz überlegte ich, seit wann wir uns kannten. Doch es musste irgendwann in unserer Kindheit gewesen sein, dass wir uns über den Weg gelaufen waren. Vermutlich auf dem Spielplatz, als mich Itachi mal dorthin gebracht hatte, um sich mit seinem Freund zu treffen und für die Schule zu lernen. Bereits damals hatte ich mich schon von anderen Kindern ferngehalten, weil sie mir auf die Nerven gingen.

Doch Naruto war es damals ein Dorn im Auge gewesen und hatte mich unbedingt zum Spielen auffordern müssen. Weil er mich so nervte, hatte ich irgendwann zugestimmt und dann… Dann war es jeden Tag so gewesen. Auch in der Grund- und Mittelschule war ich ihn nicht mehr losgeworden. Er war wie eine Klette, die man nicht mehr abgezogen bekam. Und jetzt… Jetzt, wo wir auf der Oberschule waren, wollte ich ihn gar nicht mehr von mir wegbekommen. Es gefiel mir, dass er in meiner Nähe war, auch wenn ich es niemals zugeben würde.

"Wen beobachtest du eigentlich die ganze Zeit?", riss mich Naruto mit seiner Stimme aus den Gedanken.

"Ich beobachte niemanden! Ich habe nur an … etwas gedacht."

"Oh, und woran?", hakte er sofort eine Spur zu neugierig nach.

"Wie du mir seit unserem Kennenlernen auf die Nerven gehst."

"Jetzt sei kein Frosch, Sasuke!"

Sofort verzog er die Lippen zu einem Schmollmund und sah mich aus großen Augen an.

"Du willst nur nicht zugeben, dass du mich seitdem ins Herz geschlossen hast", grinste er schließlich und stieß mich mit dem Ellenbogen an. "Gib es doch endlich zu. Immerhin habe ich dich durchschaut!"

"Lebe ruhig weiter in deiner Fantasiewelt. Dich ins Herz schließen? Wie käme ich denn dazu?", fragte ich zurück.

Ich konnte ihm nicht sagen, dass er sich wirklich in mein Herz geschlichen hatte, er nicht mehr aus meinem Leben wegzudenken war und ich mir nicht vorstellen wollte, wie es ohne ihn wäre. Es wäre zum einen ziemlich langweilig und zum anderen genoss ich es, ihn bei mir zu haben. Doch sagen würde ich es ihm nicht. Immerhin wusste ich nicht, wie es um seine Gefühle stand und wie er sich dem männlichen Geschlecht gegenüber äußerte. Wir hatten bisher nie über so etwas gesprochen. Immer war etwas dazwischengekommen, wenn wir doch mal auf das Thema kamen.

"Sasuke?", fragte Naruto und riss mich abermals aus den Gedanken.

"Ja?"

"Du bist mir etwas zu abwesend. Ist alles in Ordnung?"

Ich überlegte kurz, ob ich ihn an den Gedanken teilhaben lassen sollte oder nicht. Entschied mich aber dagegen. Es wäre besser, wenn er nicht wusste, wie es in mir aussah. Am Ende könnte man es immer gegen mich verwenden.

"Alles gut, ich war nur kurz woanders gewesen. Ich bin aber jetzt wieder vollends hier."

"Das glaube ich erst, wenn ich es sehe und bemerke", grinste Naruto und boxte mich mit der Faust gegen die Schulter.

"Das wirst du", erwiderte ich.

Ich bemerkte erst jetzt, dass er zu einem dieser Fahrgeschäfte lief. Autoscooter. Ich sah es das erste Mal auf einem Weihnachtsmarkt. Immerhin dachte ich, es wäre viel zu kalt, um sich in diese Miniflitzer zu setzen und sich gegenseitig anzurempeln. Doch die Bahn war voll und die meisten, die dort in den fahrbaren Untersätzen saßen, lachten lauthals und schienen eine Menge Spaß zu haben.

"Ich bezahle", sagte Naruto und sah mich herausfordernd an. "Wer den anderen fünfmal aus der Bahn wirft, hat gewonnen!"

"Aber es gibt keine Bahn?", antwortete ich und zog eine Augenbraue nach oben.

"Wir fahren jeder im Kreis. Der eine im Uhrzeigersinn, der andere dagegen. Und dann versuchen wir gleichzeitig, den anderen aus dem Konzept zu bringen."

Das Grinsen auf seinen Lippen wurde immer breiter, je mehr er von seiner schwachsinnigen Idee preisgab.

"Das wird nie gut gehen. Und was sollen wir mit den anderen machen?"

"Das ist die Schwierigkeit daran. Den anderen muss man eben gekonnt ausweichen."

Ich sah ihn einfach nur an, blinzelte und überlegte krampfhaft, ob es wirklich seine Idee war? Oder ob ich gerade nur eine Halluzination hatte und er nicht vorhatte, solch einen Schwachsinn durchzuziehen.

Und dann wurde ich eines Besseren belehrt. Er zerrte mich am Handgelenk hinter sich her, rannte zum Kassierer und kaufte für jeden von uns fünf Runden. Wahrscheinlich würde er noch einmal Fahrkarten nachkaufen, wenn kein eindeutiger »Sieger« hervorgegangen war. Auch wenn ich keine Lust hatte, ließ ich mich darauf ein. Ich ließ mich darauf ein, in diese Fahrzeuge zu steigen und gegen Naruto anzutreten. Es dauerte sechs Runden, bis Naruto mich immer wieder von der »Fahrbahn« gedrängt hatte und ich ihn nur einmal gestreift hatte, bis er lachend neben mir stand und mich aus seinen leuchtend blauen Augen ansah.

"Das hat Spaß gemacht!", grinste er. "Das müssen wir irgendwann wiederholen."

"Ich bin eigentlich relativ gut damit bedient, nicht noch einmal bei so etwas mitmachen zu müssen… Mir tut vom ganzen Aufeinanderstoßen immer noch alles weh."

Zur Untermalung meiner Worte ließ ich den Kopf kreisen und streckte mich kurz.

"Hab dich nicht so! Es ist ja nicht so, als hättest du gerade harten Sex gehabt."

Er schlug mir mit der Handfläche auf den Rücken und lachte laut auf.

Ich konnte nicht fassen, was er gerade von sich gegeben hatte. War das sein Ernst? Hatte er das wirklich gerade ausgesprochen? Und ich dachte, nur ich hatte bei diesem Satz zweideutige Gedanken. Doch zurücknehmen konnte ich das Gesagte jetzt sowieso nicht mehr. 

"Das Beste kommt doch noch!"

Ich folgte seinem Blick und starrte auf das Riesenrad, was sich mittlerweile vor uns in die Höhe erstreckte. Sofort blieb ich wie angewurzelt stehen und starrte das Ding an. Nein. Absolut nein. Ich hatte zu Naruto gesagt, dass ich nicht mit diesem Ding fahren würde. Niemals. Selbst dann nicht, wenn es bedeutete, dass ich als größter Angsthase galt, den es im Universum gab. Es war mir egal. Doch ich erinnerte mich daran, dass ich ihm mein Wort gegeben hatte, auch wenn ich nur ein stummes Nicken von mir gab. Aber ich hatte mein Wort gegeben und das würde ich halten. Nur musste ich mir vorher womöglich Mut antrinken.

Ich deutete auf eine der Weihnachtshütten, die Glühwein verkauften.

"Ich glaube, erst muss ich mich aufwärmen", erklärte ich und schleifte dieses Mal Naruto hinter mir her.

Nach drei Glühweinen und einer Tasse heißer Schokolade für mich und zwei Kinderpunsch für Naruto standen wir wieder auf dem Marktplatz. Ich für meinen Teil starrte wieder dieses Riesenrad an. Es drehte sich, die Gondeln wackelten hin und her und in meinem Inneren rebellierte es bereits. Ob es am Alkohol lag oder an meiner steigenden Angst, wusste ich nicht.

"Hast du dir jetzt genug Mut angetrunken?", fragte mich Naruto mit einem wissenden Blick. "Ich weiß, du hasst diese Dinger, aber die Aussicht ist grandios. Und du wirst es nicht bereuen!"

"Nein…", antwortete ich mit brüchiger Stimme. "Ich…"

Ich trat einige Schritte zurück, bis ich mit dem Rücken gegen etwas stieß und mich erschrocken umdrehte. Gerade war ich gegen einen Mann im Weihnachtsmannkostüm gelaufen und er sah mich mit großen Augen an.

"Alles gut?", fragte er mit rauer Stimme.

Sein künstlicher Bart wackelte dabei und ich konnte nicht anders, als den weißen Locken dabei zuzusehen, wie sie auf und ab hüpften.

"Kinder, ich glaube, er denkt, dass es mich nicht mehr gibt… Und deswegen ist er erschrocken. Wollt ihr ihm nicht sagen, dass ich noch existiere und die Geschenke verteile?", drehte er seine Verkleidung und die damit einhergehende Show einfach zu seinen Gunsten.

Perplex sah ich ihn an und war unfähig, etwas von mir zu geben. Eines der Kinder, die um ihn herumstanden, kam zu mir und zupfte an meinem Ärmel. Ohne es wirklich verhindern zu können, reagierte mein Körper und ich kniete mich hin.

"Das ist der echte Weihnachtsmann", lispelte das Kind freudestrahlend. "Er weiß, was ich mir wünsche! Er hat meinen Wunschzettel dabei!"

Ich war immer noch unfähig, etwas zu tun, also nickte ich einfach und hoffte, dass das Kind sich damit zufriedengab.

"Er erfüllt dir sicher auch deinen Wunsch", grinste das Mädchen weiter, als ich nichts sagte.

"Ich…", begann ich und sah zwischen dem Mann im Kostüm und dem Kind hin und her. "Ich glaube nicht."

"Was wünschst du dir denn?", fragte das Mädchen ungeniert.

Sofort merkte ich, wie die Röte in meine Wangen schoss und sich mein Herzschlag beschleunigte.

"Das…", begann ich zu stammeln. "Das gehört nicht hierher! Am Ende … geht es nicht in Erfüllung, wenn es alle wissen."

Ich sah Hilfe suchend zum »Weihnachtsmann« und der zuckte mit den Schultern.

"Wir sollten ihn in Ruhe lassen, Kinder. Er ist immerhin nicht allein hier und hat mit Sicherheit noch etwas vor. Lasst uns zurückgehen und an den Weihnachtskarten weiterbasteln."

Als die Kinder im Chor zustimmten, beobachtete ich, wie sie davonliefen und ich blieb noch einen Moment verwirrt an der Stelle hocken, an der ich mich gerade befand. Doch lange blieb ich nicht allein, denn das Mädchen kam erneut zu mir gerannt.

"Wenn du willst, dass dein Wunsch in Erfüllung geht, musst du es dir nur ganz fest wünschen!", grinste sie, beugte sich zu mir und hauchte mir einen Kuss auf die Wange. "Überwinde deine Angst und wünsche es dir von ganzem Herzen!"

"Okay", erwiderte ich und sah dem Mädchen erneut hinterher.

Als ich allein zurückblieb, richtete ich mich wieder auf und sah mich nach Naruto um. Er befand sich etwas abseits und grinste mich an, als ich zu ihm kam.

"Na, hast du eine heimliche Verehrerin?"

"Sei ruhig", brummte ich und überlegte, wie viel er wohl davon mitbekommen hatte.

Ich wandte mich noch einmal der Gruppe von Kindern zu, die dem Mann im Weihnachtsmannkostüm folgten. Sie schienen wirklich zu denken, er wäre der echte Santa Claus. Aber sie waren eben noch Kinder. Dabei fiel mein Blick auf das Mädchen.

"Überwinde deine Angst und wünsche es dir von ganzem Herzen!"

Ich wusste nicht, wie nahe das Mädchen der Wahrheit auf der Spur war. Doch sie hatte vollkommen recht. Wenn ich mich immer nur versteckte und verkroch, kam ich nicht voran. Ich musste etwas tun, um an mein Ziel zu gelangen. Immerhin war Weihnachten bekannt für seine Wunder, für seine Geschenke und für die Zuwendung, die es zwischen den Menschen gab.

"Willst du hier herumstehen oder endlich mit dem Riesenrad fahren?", erkundigte ich mich, als ich mich wieder zu Naruto drehte.

Er sah mich mit aufgerissenen Augen an. Es schien, als würde er nicht glauben können, was ich gerade sagte.

"Was?", fragte er und blinzelte mehrfach. "Was hast du gerade gesagt?"

"Ich habe dich gefragt, ob du nicht endlich zum Riesenrad gehen willst?"

Als ich dies erneut wiederholt hatte, zeigte sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht. Das Leuchten, welches sich ebenfalls darauf zeichnete, ließ seine Augen strahlen. Das Blau wurde intensiver, die Pigmente deutlich sichtbarer und er sprang vor Freude in die Luft.

"YEAH!", schrie er und erntete dafür einige teils verwirrte, teils böse Blicke der vorbeigehenden Passanten.

"Schrei doch nicht so", ermahnte ich ihn und verdrehte die Augen. "Wir gehen zum Riesenrad, fahren eine Runde mit und dann… Dann sehen wir weiter."

"Genau so habe ich mir das vorgestellt!", antwortete Naruto und grinste dämlich vor sich hin.

Kurz darauf befanden wir uns in der Warteschlange, die sich vor dem Kassenhäuschen gebildet hatte. Naruto hüpfte aufgeregt von einem Bein auf das andere und streckte sich immer wieder, in der Hoffnung, er würde sehen, wann wir endlich an der Reihe waren. Allerdings zog es sich unerwarteterweise tatsächlich in die Länge. Naruto wurde neben mir immer unruhiger und auch in mir stieg die Anspannung, aber nicht, weil ich mich auf die Fahrt freute. Sondern eher, weil ich mit mir kämpfte, jeden Moment davonzulaufen und mich so weit es ging, von diesem Fahrgeschäft zu entfernen.

"Oh!", stieß Naruto aus und zerrte mich einige Schritte nach vorne. "Wir sind gleich dran!"

Er sah mich an und für kurze Zeit waren meine Bedenken verschwunden. Hinter uns hörte ich plötzlich zwei Stimmen, die sich miteinander unterhielten.

"Sind sie nicht süß?", fragte die eine junge Frau.

"Ob sie ein Date haben?", fragte die andere Stimme.

"Sie scheinen auf jeden Fall nicht in der Öffentlichkeit zueinanderzustehen… Der Blonde ist auf jeden Fall am Riesenrad interessiert", sagte die erste Frau wieder.

Nur zu gerne hätte ich mich zu ihnen gewandt, denn in der ganzen Warteschlange befand sich außer Naruto kein weiterer blonder Mann. Naruto war der einzige, den ich in der ganzen Zeit entdeckte. Außerdem schien niemand vom Riesenrad so begeistert wie er zu sein. Also mussten die zwei Frauen hinter mir von uns beiden reden. Ob sie dachten, dass… Dass das hier eine Verabredung war? Dass wir ein Paar waren?

Mein Herz machte augenblicklich einen Sprung in die Höhe und begann sogleich noch schneller zu schlagen. Erst jetzt machte ich mir Gedanken darüber, wie es für andere aussehen mochte, wenn zwei junge Männer in eine Gondel von einem Riesenrad stiegen. Mir stieg die Hitze in die Wangen, ließ mich nach Luft schnappen. Ich kehrte erst in die Realität zurück, als mich Naruto abermals am Arm mit sich zog.

"Sasuke, wir sind dran!", rief er mir freudestrahlend entgegen.

Ich stieg durch die Tür in die sonst geschlossene Kabine und ließ mich auf der einen Seite auf die Bank fallen. Dann stieg Naruto ein und die Gondel begann zu wackeln. Sofort krallte ich mich an der Bank fest und meine Knöchel traten weiß hervor.

"Wir können immer noch aussteigen?", schlug Naruto vor, als er sah, wie ich mich verkrampfte.

"Nein!", schoss es aus mir heraus. "Alles gut. Wirklich."

"Sicher?"

"Gar kein Problem!", presste ich hervor und rang mir ein Lächeln ab.

Doch es verschwand sofort wieder, als ich bemerkte, dass das Riesenrad sich begann zu drehen. Kurz darauf hielt es allerdings wieder an, was die Gondel deutlich zum Schaukeln brachte. Dass Naruto aufstand und zu mir kam, bemerkte ich erst, als er eine Hand auf meinen Unterarm legte. Ich hob meinen Blick und sah ihm in die Augen.

"Ja, sieh mich an. Konzentriere dich auf mich", sprach er mir zu. "Stell dir vor, du sitzt einfach auf einer Schaukel… Zusammen mit mir. Eine Schaukel ist okay, oder?"

Schwach nickte ich und sah ihn einfach nur an. Es half, dass er mich ablenkte, denn ich dachte nicht mehr darüber nach, wie sich die Gondel bewegte, sich alles Stück für Stück fortbewegte und wie immer mehr Passagiere einstiegen und die Gondeln verließen.

Erst als wir ganz oben angekommen waren, wagte ich es, an Naruto vorbeizublicken und hielt den Atem an. Sofort klammerte ich mich wieder an der Bank fest und presste die Kiefer aufeinander. Ich begann hektisch zu atmen, merkte, wie sich ein dicker Kloß in meinem Inneren ausbreitete und ich augenblicklich schwerer Luft bekam.

"Sasuke?", hörte ich Naruto neben mir und ich versuchte, mich gänzlich auf ihn zu konzentrieren. "Sieh mich an. Nur mich."

Seine Stimme war ruhig und anders als sonst, nicht so laut und aufgedreht. Jetzt hatte es eine beruhigende Art, wie er mit mir sprach.

"So ist es gut", sprach er weiter, als er merkte, dass ich seiner Aufforderung nachkam. "Sieh nur mich an."

Es fiel mir schwer, mich von der Angst zu lösen. Je länger ich benötigte, desto schwieriger wurde es, meine Panik herunterzuschlucken. Aber mit jeder Sekunde, die ich weiter zu Naruto schaute, wurde es besser. Es fiel mir sichtlich leichter, den Brustkorb zu heben, Luft in die Lungen aufzunehmen und ruhiger zu werden.

"D-Danke", flüsterte ich nach einer Weile leise. "Ich…"

"Ich hätte dich nicht dazu überreden sollen", warf Naruto dazwischen. "Ich wusste, dass du Höhenangst hast… Aber… Ich wollte unbedingt mit dem Riesenrad fahren, die Aussicht genießen und jetzt…"

"Naruto", unterbrach ich ihn dieses Mal. "Mach dir keine Vorwürfe. Wirklich."

"Sasuke…"

"Ich hätte nicht mitfahren müssen…", sprach ich weiter. "Ich… Ich wollte dir eine Freude machen. Und… Als ich dich da unten sah… Es hat mich mitgerissen. Aber… Ich will nicht, dass das zwischen uns steht…"

Mit jedem Wort, was ich weiter hervorbrachte, wurde meine Stimme leiser.

"Es wird nicht zwischen uns stehen. Ich bin froh, dass du dennoch hier bist."

Seine Finger lagen mit einem Mal auf meiner Hand und ich konnte den Blick nicht von seinen Fingern lösen. Mein Herz überschlug sich und pumpte das Blut noch schneller durch meine Adern.

"Naruto…", flüsterte ich weiterhin. "Was…?"

Ich konnte aber nicht noch mehr von mir geben, denn Naruto schüttelte den Kopf und lächelte schwach.

"Lass uns dir restliche Fahrt einfach nur hier sitzen, okay? Ich bin für dich da. Du bist nicht allein. Ich bin bei dir."

Sein Daumen strich über meinen Handrücken und ich wusste nicht, was ich von dieser Geste halten sollte. Was sollte das bedeuten? Aber ich war unfähig, meine Gedanken zu formulieren und auszusprechen. Es gelang mir nicht. Meine Zunge und meine Stimmbänder versagten mir den Dienst. Stattdessen betrachtete ich Naruto, sah ihn an und prägte mir jede noch so kleine Unebenheit in seinem Gesicht ein. Ganz besonders seine Augen hatten es mir angetan. Dieses Blau würde mich noch in meinen Träumen verfolgen, auf positiver Art und Weise.

"Naruto?", platzte es nach einiger Zeit aus mir heraus.

Sofort wandte er den Kopf in meine Richtung und unsere Blicke trafen sich.

"Was denn?"

Die Gondel kam ruckartig zum Stehen, unterbrach mich somit, Naruto antworten zu wollen und ich sah mich panisch um. Wir befanden uns am höchsten Punkt. Und als hätte es nicht schon schlimm genug sein können, gingen die Lichter auf dem Weihnachtsmarkt aus. Nicht nur einzelne, sondern alle. Auch die Musik verstummte, die wir gedämpft durch die Verglasung gehört hatten. Alles wurde dunkel. An sich sollte es mich nicht stören, dass der Strom ausfiel. Es war kalt, es sollte schneien und die Leitungen waren überlastet. Da war es doch nicht ungewöhnlich, dass irgendwo eine Sicherung durchbrannte, oder?

Es störte mich eher, dass ich in einem Riesenrad gefangen war. Am höchsten Punkt. In einer Glaskiste, die jeden Moment von den Angeln reißen und in die Tiefe stürzen konnte.

"Sasuke?"

Naruto hatte mir die Hände an die Schultern gelegt, schüttelte mich und ich riss meine Augen auf, als ich in seine sah. Er stand direkt vor mir und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, dass sich sein Gesicht nur wenige Zentimeter entfernt von mir befand.

"W-Was?"

"Es wird alles gut", versuchte er mir gut zuzureden.

Aber in meinem Inneren war es auf keinen Fall ruhig und mein Kopf spielte mir alle möglichen Szenarien vor, die sich mit Höhe und Schmerz vereinen ließen.

"Hey!"

Erneut schüttelte mich Naruto sanft an den Schultern und ich kehrte aus meiner Gedankenwelt zurück.

"Jetzt hör auf, endlich an den Weltuntergang zu denken und sieh mich an!"

Sein Ton wurde ernst, seine Stimme dunkel und ich wusste nicht, ob ich es schaffte, mich gegen das, was in meinem Kopf stattfand, zu wehren.

"Ich… Ich versuche es", gab ich von mir. "Aber… Ich weiß nicht, ob… Ob ich es schaffe."

"Wenn ich dich ablenke, würde es helfen?"

Schwach nickte ich und schluckte. Es gefiel mir immer noch nicht, in dieser Gondel auf unbestimmte Zeit gefangen zu sein. Aber… Die Aussicht, dass Naruto bei mir war, machte alles um eine gewisse Art und Weise erträglicher.

Naruto kniete sich vor mich, nahm meine Hände in seine und strich mit den Fingern über meinen Handrücken.

"Weißt du, ich habe lange gebraucht, um zu mir selbst zu finden", begann Naruto und mit einem Mal lag meine ganze Konzentration bei ihm.

"Was meinst du?"

"Ich… Ich bin…"

Doch er brach ab, senkte den Blick auf unsere Hände und schwieg einige Sekunden.

Ich wusste nicht, ob ich ihn auffordern sollte, weiterzusprechen oder ob er von selbst wieder anfangen sollte. Die Stille breitete sich zwischen uns aus und doch hing ich wie gebannt an seinen Lippen, ob sie sich bald weiter bewegen würden.

"Ich…", fing er noch einmal an, unterbrach sich aber wieder und sah mich anschließend an.

Unsere Blicke trafen sich und in seinen Augen lag etwas, was ich nicht deuten konnte. Etwas, was sich wie Schmerz identifizieren ließ oder wie Trauer. Auf jeden Fall etwas, was nicht hierzu passte.

"Ich bin schwul", platzte es mit einem Mal aus ihm heraus. "Ich stehe auf Männer und…"

"Was?", fragte ich verwirrt dazwischen und blinzelte perplex.

"Ich habe keinerlei Interesse an Frauen", erwiderte Naruto. "Ich habe Interesse an Männern, sexuelles Interesse."

"Soweit … bin ich mitgekommen."

"Wieso fragst du dann?"

"Ich… Warum sagst du mir das jetzt?"

"Weil ich dachte, es könnte die Situation … auflockern? Ich meine, ich lenke dich ab, oder?"

Als Antwort nickte ich und sah ihn einfach nur an.

Es… Es veränderte alles. Sprichwörtlich.

Es veränderte alles.

Denn… Denn es hieß, dass ich vielleicht… 

Nein!

Ich durfte es nicht. 

Ich… Die Freundschaft war dafür zu wichtig. 

Wenn… Wenn ich es offen heraussagte, würde alles anders werden.

Ich sah einfach nur weiter in diese blauen, wunderschönen Augen, die mich seit Jahren im Traum verfolgten, in denen ich versinken konnte und doch nicht durfte.

"Sasuke?"

"Ja?", erwiderte ich flüsternd.

"Ich…"

Doch er beendete den Satz nicht, richtete sich etwas auf und befand sich mit dem Gesicht nahe vor meinem. Unsere Nasen berührten sich fast und ich wusste, was folgte. Doch… Ich wollte es nicht glauben. Ich konnte nicht glauben, was gleich passieren würde. Mein Herz hämmerte unaufhörlich in meinem Brustkorb.

Naruto sah zu meinen Lippen, denn er senkte den Blick. Zumindest wünschte ich mir, dass er es tat. Ich wollte, dass … dass er mich küsste.

"Tu es…", forderte ich ihn auf.

Ich wusste nicht, ob ich es überhaupt aussprach oder nur gedacht hatte, aber ich nahm etwas wahr, was wie ein Nicken von Naruto aussah. Kurz darauf senkten sich meine Lider und ich lauschte den Geräuschen, die ich gedämpft wahrnahm, hörte aber nur mein rasendes Herz. In meinem Magen begannen unzählige Schmetterlinge wie ein Orkan umherzuwirbeln.

Ich merkte, wie Narutos Atem meine Haut streifte, wie sich seine Körperwärme mir näherte und kurz darauf lagen seine Lippen auf meinen. Der Kuss war sanft, weich und … es war ein unglaubliches Gefühl. In meinem Inneren explodierte etwas, was ich nicht benennen konnte. Es fühlte sich an, als würde eine riesige Last von mir abfallen. Vorsichtig, um ihn nicht zu vertreiben, bewegte ich meine Lippen gegen seine und war mehr als überrascht, als er diese Bewegungen erwiderte. Zwischen uns entstand etwas, was keiner von uns beiden lösen wollte.

Ich wusste nicht, wie lange wir uns küssten, aber als sich die Gondel mit einem Ruck wieder in Bewegung setzte, sah ich mich verwirrt um. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich mich vollkommen im Kuss verloren und vergessen hatte, wo ich mich befand.

"Naruto…", murmelte ich leise.

"Ja?", erwiderte er ebenso dezent.

"Ich…"

Ich stockte, denn die Worte des Mädchens kamen mir wieder in den Sinn.

"Überwinde deine Angst und wünsche es dir von ganzem Herzen!"

Würde es helfen, wenn ich es mir wirklich vom ganzen Herzen wünschte? Würde es in Erfüllung gehen?

"Ich liebe dich, Naruto", sagte ich schließlich.

Zwischen uns entstand wieder eine Ruhe, die niemand zu durchbrechen wagte. Ich wusste nicht, ob es ein gutes Zeichen war oder nicht. In diesem Moment wusste ich nur, dass ich gerade alles auf eine Karte setzte. Liebte er mich auch oder hatte ich damit die Freundschaft zwischen uns in tausend kleine Scherben zerbrechen lassen?

"Meinst du das ernst?"

Diese Frage verwirrte mich, aber ich nickte.

"Ja."

Erneut schien Naruto zu überlegen, denn er wurde wieder still. Sein Gesicht war sonst so offen wie ein Buch für mich. Ich konnte darin lesen, als würde er seine Gedanken vor mir auf dem Tablett präsentieren. Jetzt war nichts mehr davon zu erkennen.

"Ich…"

Naruto sah zu mir und ich wusste, egal, was jetzt kam, es würde alles verändern.

"Du…"

Ich wagte es nicht, etwas zu sagen, sondern blieb stumm, um Naruto nicht zu verschrecken und zu unterbrechen, was er sagen wollte.

"Seit wann?"

Dass er das Wort plötzlich an mich übergab, überforderte mich, aber ich atmete tief durch, ehe ich zur Antwort ansetzte.

"Ich denke, seitdem wir auf die Mittelschule gewechselt waren", erwiderte ich leise, denn ich hatte zu dieser Zeit wirklich begonnen, Naruto in einem anderen Licht zu betrachten.

Am Anfang war es nur so gewesen, dass ich überlegt hatte, wieso ich ihn mehr beachtete als andere. Doch im Laufe der Zeit war es mir immer deutlicher geworden, vor allem, als Kiba und Hinata zusammengekommen waren und ich mir wünschte, ich würde auch so etwas haben können. Solch eine Beziehung. Etwas, was sich durch Liebe beschreiben ließ. Etwas, wofür sich das Kämpfen lohnte. Naruto kannte mich wie niemand sonst. Wir hatten Dinge erlebt, die nie jemand anderes erfahren würde. Weder mein Bruder noch sonst jemand.

"Ich habe angefangen, mich für meine Umwelt zu interessieren und doch… Dich habe ich am meisten beobachtet und ich wollte, dass du die einzige Person für mich bist."

Ich atmete erneut tief durch, schluckte und schaute zu Naruto, wie er darauf reagierte. Doch erneut sagte er nichts und ich hatte das Gefühl, damit alles zerstört zu haben. Ich hatte alles verdorben.

Wieder kam die Gondel zum Stillstand, aber dieses Mal nicht durch einen Stromausfall oder dadurch, dass jemand einstieg, sondern weil die Fahrt zu Ende war. Die Tür wurde geöffnet, der Mitarbeiter sah uns lächelnd an und im nächsten Moment stand die Verwirrung in seinem Gesicht geschrieben.

Naruto sprang förmlich aus der Gondel, während ich mit wackligen Beinen wieder auf festen Untergrund trat. Als die eisige Luft meine Wangen berührte, merkte ich, wie sich mein Körper in diesen paar Minuten, die sich wie eine Ewigkeit angefühlt hatten, erhitzt hatte. Ich sah mich um und erkannte Naruto, wie er sich an eine Holzhütte lehnte. Langsam ging ich auf ihn zu, weil ich nicht wusste, ob das Thema für ihn beendet war oder es noch mehr gab, was es jetzt zu beenden gab.

"Du bist unmöglich, weißt du das?", fragte er mich plötzlich.

"Was? Wieso?"

"Weil… Du kannst nicht einfach so mit einem Liebesgeständnis herausrücken und… und dann hoffen, dass ich das von jetzt auf gleich erwidere!"

Als die Worte sich in mein Gehirn brannten, merkte ich, wie mein Herz zu zerspringen begann. Doch ehe es ganz in Scherben lag, riss mich Naruto an sich und seine Lippen prallten gegen meine. Ebenso unsere Zähne, aber es interessierte mich nicht mehr. Der Kuss, der jetzt entstand, war anders als eben der. Es war intensiver, inniger. Auch wenn ich gerade noch Zweifel hatte, jetzt waren sie verschwunden.

"Du bist dumm! Ich habe mir all die Zeit solche Gedanken gemacht, was du von mir halten würdest, wenn ich mich dir gegenüber offenbare…", begann Naruto, als er sich von mir löste. "Ich… Ich wollte nichts anderes, als dass wir uns gegenseitig irgendwann die Liebe gestehen."

Um zu verstehen, was er jetzt meinte, benötigte ich einige Momente länger. Aber ich nickte nur und beugte mich erneut zu ihm, um seine Lippen mit meinen zu versiegeln. Bis wir uns dieses Mal voneinander lösten, dauerte es etwas länger. Es war mir egal, dass wir uns auf einem Weihnachtsmarkt befanden, wir von allen Seiten angegafft wurden oder man sich über uns unterhielt. Alles, was für mich zählte, war die Tatsache, dass Naruto mich ebenfalls liebte, auch wenn er es noch nicht ausgesprochen hatte.

Erneut kamen mir die Worte des Mädchens in den Sinn. Auch wenn sie noch so jung war, schien sie alles genau zu wissen. Ihre Worte würden mich auch noch weiter verfolgen, selbst in einigen Jahren noch.

"Überwinde deine Angst und wünsche es dir von ganzem Herzen!"
 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück