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A Revolution Is A Simple Thing, But Love Is Not What Revolution's For

von

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Still


 

„I’m Innocent“, She Cries
 

But Then You See Her Eyes
 

And Something In Them Tells You That She Absolutely Lies
 

Until Your Heart Replies…
 

 

„Der Name deines Urgroßvaters?“

„Zar Viktor!“, antwortete Yuri wie aus der Pistole geschossen.

Otabek nickte zufrieden. Die Tage waren wie im Flug vergangen und Yuri konnte inzwischen seine ganze Familiengeschichte auswendig.

„Deine Lieblingscousine?“, fragte er weiter nach.

„Gräfin Mila Babicheva“, erwiderte Yuri nach kurzem Nachdenken.

„Lebt sie noch?“

Yuri zögerte und dachte nach. Das blonde Haar hatte er zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, doch im Moment wünschte er, sein Haar würde ihm ins Gesicht fallen und seinen Ausdruck verbergen. Er murmelte leicht vor sich her, während er sich zu erinnern versuchte.

„Sie lebt in Italiya zusammen mit Markgräfin Sara Crispino!“, erwiderte Yuri schließlich. Otabek nickte zufrieden.

„Ich denke, du bist so weit“, erklärte er. „Allerdings gibt es da noch eine Sache.“

Yuri sah ihn fragend an.

„Kannst du tanzen?“, fragte Otabek und verbeugte sich dann vor ihm, hielt ihm die Hand entgegen.

Yuri schüttelte den Kopf. „Welchen Part übernimmst du?“

„Der Adel führt immer“, entgegnete Otabek und legte seine linke Hand auf Yuris Schulter. Yuri lächelte sanft und legte dann seine linke Hand auf Otabeks Schulterblatt, ehe er seine rechte Hand nahm und diese auf Schulterhöhe hob.

„Und jetzt?“ Yuri blickte auf ihre Füße.

„Mit dem rechten Fuß nach vorne“, gab er die erste Anweisung und folgte Yuris Bewegung mit dem linken Fuß.

„Dann mit dem anderen Fuß zur Seite und den rechten Fuß daneben stellen.“

„Wie ein Viereck“, murmelte er und auch wenn Otabek sein Gesicht nicht sehen konnte, wusste er, dass Yuri lächelte.

„Genau“, stimmte er ihm zu und ließ dann Yuris Hand los, um sein Kinn anzuheben. „Ein Prinz blickt beim Tanzen nicht auf seine Füße“, ermahnte er ihn. „Kinn hoch, Yuri.“

Ein leichter Rotschimmer legte sich auf Yuris Wangen, dann nickte er entschlossen.

„Also gut. Nochmal?“

Yuri nickte und erneut führten sie den Grundschritt aus. Dann noch einmal und noch einmal.

„Woher hast du eigentlich Tanzen gelernt?“, fragte er neugierig.

„Meine Mutter hat als Tänzerin gearbeitet“, entgegnete Otabek. Sie schwebten durch den Saal, stellte er fest. Yuri tanzte, als würde es ihm im Blut liegen. Der Blick ruhte auf seinem.

Sie tanzten weiter und Otabeks Augen wanderten weiter über Yuris Gesicht. Seine Wimpern waren ungewöhnlich lang und die grünen Augen blickten ihm stolz entgegen. Otabek ließ sich von Yuri durch den Raum führen. Nach vorne, zur Seite, nach hinten und wieder zur Seite. Drehung um Drehung, bis Otabek schwindlig wurde.

„Du bist wirklich gut“, murmelte Otabek und blickte auf Yuris Lippen. Er konnte nicht anders. Yuri war ihm so nah. Eine Bewegung nur und er könnte…

„Aber natürlich bin ich gut“, entgegnete Yuri langsam. „Ich bin ein Prinz, schon vergessen?“

Er hatte es tatsächlich vergessen. Otabek stoppte und blickte sich im Saal um. Yuri war ein Prinz, nein, er war die Möglichkeit, an Viktor heranzukommen und die Nikiforov-Plisetsky Familie endgültig auszulöschen. Und wenn Yuri wirklich der verlorene Prinz war, nun dann würde er ihn auch töten. Er durfte es sich nicht leisten, Gefühle zu entwickeln.

„Beka?“ Yuri sah ihn irritiert an.

„Ich habe gar nicht bemerkt, wie spät es ist“, meinte Otabek schließlich. „Es wird Zeit, dass wir aufhören.“

Dann ließ er seinen Blick über Yuris Körper gleiten. Er stand anders, als noch vor wenigen Wochen. So voller Stolz und Eleganz.

„Ich denke, du bist so weit“, entschied er. „Ich werde sehen, wann der nächste Zug fährt und komme dich dann abholen“

Er wartete nicht auf eine Reaktion, sondern griff nach seiner Uniformjacke und verließ den Saal mit eiligen Schritten.

Erst als er den Palast durch einen Hintereingang verlassen und an einer dunklen, kaum sichtbaren Stelle über den Zaun geklettert war, erlaubte Otabek es sich, sein Tempo zu verlangsamen. Er klappte den Kragen seiner Jacke hoch, um sich so vor dem kalten Nachtwind zu schützen.

Es war spät, viel zu spät. Er hatte gar nicht gemerkt, wie viel Zeit vergangen war. Mit Yuri Zeit zu verbringen, war besonders. Er war nicht mehr Otabek, der Soldat. Otabek, dessen Vater von allen gefeiert wurde und von dem sie alle erwarteten, dass er in seine Fußstapfen trat. Er war einfach nur Otabek.

Vorsichtig drehte er den Schlüssel um. Sicher würde Dmitry bereits am Schlafen sein und er wollte ihn nicht wecken.

Doch sein Mitbewohner saß auf seinem Bett, ein Buch in den Händen.

„Wo warst du denn schon wieder?“, fragte er und blickte ihn über die Brillenränder streng an.

„Spazieren“, murmelte er und hängte seine Jacke an dem Garderobenständer in der Ecke neben der Tür auf.

Dmitry hob skeptisch eine Augenbraue. „Du bist jedes Wochenende spazieren. Bei deinen Rundgängen siehst du doch genug von dieser Stadt.“

Otabek zuckte mit den Schultern. Er und Dmitry hatten sich während der Ausbildung kennengelernt. Sie waren beide eher zurückgezogen und ruhig und so hatte es nicht lange gedauert, bis sie so etwas wie Freundschaft geschlossen hatten. Am Ende der Ausbildung hatte Dmitry dann vorgeschlagen, dass sie sich ein Zimmer teilten und Otabek hatte zugesagt. Es war immer noch besser, als sich mit einer wildfremden Person den Raum zu teilen.

„Übrigens ist ein Brief für dich gekommen“, murmelte Dmitry und stellte seine Nachttischlampe dann aus. „Scheint wichtig zu sein.“

Otabek nickte und verschwand dann kurz im Bad. Als er rauskam, trug er einen dunkelgrauen Pyjama. Dmitry hatte sich unter die Decke gelegt und ihm den Rücken zugekehrt. Das gleichmäßige Auf und Ab der Decke verriet Otabek, dass Dmitry schlief.

Der Brief, von dem Dmitry gesprochen hatte, lag zusammen mit ein paar anderen Briefen auf seinem Kopfkissen. Otabek runzelte die Stirn, als er den Absender sah. Die Regierung persönlich. Was immer sie wollten, wieso hatten sie es ihm nicht einfach während der Arbeit mitgeteilt?

Er öffnete den Umschlag und faltete dann den Brief auseinander. Es war ein Zweizeiler, dass er sich am kommenden Montag nach Arbeitsbeginn im Zimmer seines Vorgesetzten einfinden sollte.

Fassungslos starrte Otabek auf das Papier, drehte es um und hielt es gegen seine Lampe, um zu prüfen, ob es nicht noch irgendwelche versteckte Nachrichten gab. Doch das Blatt zeigte nichts an. Seufzend faltete er das Papier wieder zusammen und legte den Brief zusammen mit den anderen auf seinen Nachttisch, ehe er sich schlafen legte.

Die Nacht ging schneller um, als Otabek recht war. Sonntags erkundigte er sich am Bahnhof nach den nächsten Zügen, die Rossiya verlassen würden. Gleich am Montag würde ein Mitternachtszug Richtung Germaniya gehen. Der nächste erst wieder in einem Monat. Es war nicht Frantsariya, aber wenigstens ein erster Schritt.

Die Ausreisevisa hatte er schon vor einigen Tagen besorgt. Alles war bereit für ihre Abreise.

Montag kam und Otabek machte sich auf den Weg zum Zimmer seines Vorgesetzten. Grigori Petrow war einst ein Freund seines Vaters gewesen. Er war einer der Rebellen, die die Zarenfamilie erschossen hatte. Sicher hatte Otabek nichts zu befürchten. Trotzdem war er nervös, als er anklopfte und kurze Zeit später ein tiefes „Herein!“ erklang.

Er drückte die Türklinke runter und trat dann ein. Petrows Zimmer lag im dritten Stock, von seinem Fenster aus hatte er einen Blick auf den Marktplatz. Dort, wo er Yuri das erste Mal getroffen hatte.

„Sie wollten mich sehen, Sire?“, fragte Otabek mit einer leichten Verbeugung.

Petrow deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. „Tee, Altin?“, fragte er nach und goss sich und Otabek jeweils eine Tasse Tee in zwei Metalltassen ein.

„Trinken Sie ruhig“, forderte Petrow ihn auf und nahm selbst ein paar Schlucke. Einige Tropfen verirrten sich dabei in seinen langen, schwarzen Bart. Er stellte die Tasse wieder auf dem Tisch ab und trommelte dann mit seinen langen, dürren Fingern auf die Holzplatte.

„Wie lange ist es jetzt eigentlich her, dass Euer Vater verstorben ist?“, fragte Petrow schließlich.

„Drei Jahre“, erwiderte Otabek.

„Hm.“ Petrow lehnte sich zurück und kratzte sich am Schnurrbart.

„Euer Vater war ein Held, Altin. Aber das wisst Ihr sicher selbst. Ihr habt doch vor, in seine Fußstapfen zu treten, nicht wahr?“

Otabek nickte langsam und drehte die Tasse in seinen Händen.

„Gut, gut. Etwas anderes hätte ich auch gar nicht erwartet.“ Petrow nickte zufrieden. „Und trotzdem sind mir Gerüchte an die Ohren gekommen, dass man Euch in der Nähe des alten Zarenpalasts gesehen haben soll. Ihr glaubt doch nicht etwa diesen lächerlichen Gerüchten, dass die Zarenfamilie dort spukt und probiert euch als Geisterjäger aus, oder?“

Er schmunzelte bei diesen Worten, seine Augen blickten ihn doch herausfordernd an.

Otabek seufzte und führte die Tasse zu seinem Mund, tat so als würde er einen Schluck daraus nehmen, während er über seine nächsten Worte nachdachte.

„Es gibt da diesen Straßenjungen“, murmelte er schließlich. Je näher die Lüge an der Wahrheit dran war, desto besser. So würde er sich nicht in Widersprüche verwickeln. „Er lebt im alten Palast und ich bringe ihm ab und zu etwas zu essen. Ich wusste nicht, dass es verboten ist, Sire.“

Petrow zwirbelte seinen Bart zwischen zwei Fingern. „Natürlich ist es nicht verboten. Aber woher diese Nettigkeit, Altin? Es ist nur ein einfacher Straßenjunge.“

„Ich … Er tat mir einfach leid“, gab Otabek zu. „Und es ist immer noch besser, als wenn er wieder stiehlt, oder? Ich versuche ihn zu überreden, für uns zu arbeiten. Einen Spion zu haben, der sich auf der Straße auskennt, ist doch nie verkehrt, oder?“

Petrow lächelte leicht. „Natürlich nicht, natürlich. Ich sehe, Ihr kommt wirklich nach Eurem Vater.“

Otabek zwang sich zu einem Lächeln.

„Was sagt Ihr eigentlich zu diesen Gerüchten, dass der jüngste Prinz überlebt haben könnte?“, fragte Petrow gerade heraus.

„Nun, es sind Gerüchte“, erwiderte Otabek langsam. „Ihr wart dabei gewesen, als die Zarenfamilie hingerichtet wurde, nicht wahr? Ihr habt ihn sterben sehen.“

Petrows braune Augen weiteten sich. „Aber natürlich“, erwiderte er. „Und trotzdem gibt es Gerüchte, dass er überlebt hat. Gerüchte, die wir ersticken müssen, ehe sie sich zu einem Lauffeuer verbreiten. Denn, wer würde augenblicklich nach Rossiya zurückkehren, wenn er wüsste, dass jemand überlebt haben könnte und hier lebt?“

„Sire, ich verstehe nicht. Wenn Prinz Viktor zurückkommt, wäre das nicht die perfekte Gelegenheit ihn endlich gefangen zu nehmen?“

Petrow runzelte seine Stirn. „Wisst Ihr, weshalb dieses Land seit zehn Jahren keine Menschen mit Magie geboren hat? Weil Magie nur da wachsen kann, wo Magie blüht. Die Nikiforov-Plisetskys waren der Anker der Magie. Nun, selbst wenn Yuri damals überlebt hat, seine Magie war noch nicht entwickelt genug. Aber würde Viktor zurückkehren, würde es wieder so werden wie zur Zeit der Nikiforov-Plisetskys. Magie würde wieder existieren. All unsere Bemühungen, all die Bemühungen deines Vaters, wären vollkommen umsonst. Und natürlich, in anderen Ländern leben sie Seite an Seite, magische und nicht-magische Menschen, aber wie lange wird es noch dauern, bis auch in diesen Ländern das nicht-magische Volk erkennt, dass es sich nicht mehr von den Magischen unterdrücken lassen braucht? Rossiya muss der Welt ein Vorbild sein. Die Magie muss begraben bleiben.“

„Die Magie muss begraben bleiben“, wiederholte Otabek den Leitspruch der Regierung.

„Und genau deshalb müssen wir jedes Gerücht über den verlorenen Prinzen im Keim ersticken. Jeder, der es wagt, sich als Prinz zu bezeichnen, wird hingerichtet. Jeder, der ihm hilft, egal aus welchen Beweggründen, den wird das gleiche Schicksal erleiden. Aber dafür habt Ihr doch sicher vollstes Verständnis.“

Otabek nickte nur stumm.

„Gut, sehr gut. Ihr könnt gehen.“

Otabek stand auf, verbeugte sich noch einmal zum Abschied und verließ dann das Arbeitszimmer wieder. Er musste so schnell wie möglich von hier weg. Sobald seine Schicht vorbei war, würde er Yuri aus dem Palast holen.

Und wenn er Viktor erst einmal getötet hatte, dann würde Rossiya ihn als Helden feiern.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Swanlady
2021-02-06T14:25:38+00:00 06.02.2021 15:25
Mila und Sara glücklich zusammen, fernab des Dramas… gibt es etwas Schöneres? :D Es hat mich sehr gefreut, dass du die beiden erwähnt hast.
Die Tanzszene war super niedlich, aber natürlich mussten Otabeks Gedanken und Zweifel sich einmischen. Dabei wäre das die perfekte Gelegenheit für ihn gewesen, um sich den romantischen Impulsen hinzugeben… Aber nein, sonst wäre es auch zu einfach, was? :'D
Als für Otabek der Brief kam, war ich mir praktisch sicher, dass man ihm so gut wie auf die Schliche gekommen ist… aber das ging ja nochmal glimpflich aus und man hat bei Gelegenheit nochmal was über die Sicht der Regierung gelernt. :) Trotzdem hast du mit der Szene schön das Gefühl vermittelt, dass die Zeit drängt.


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