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Oh du fröhliche...

von

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Ich weiß nicht wann meine Geschichte begann, ich weiß nur noch, wie ich den Schutz meiner Mutter verlassen hatte. Erst war es kalt und windig, doch das Gefühl der Freiheit für einen Moment war unglaublich.

Meine Welt um mich herum war die ersten Wochen verschwommen und dunkel. Und ich fragte mich was mir mein Leben bringen wird. Ob je diese Kälte verschwinden wird? Und während ich auf meine Bestimmung wartete, merkte ich wie einige meiner Brüder und Schwestern vom Winde davongetragen wurden. Nur ich blieb nah bei Mutter.

Mit der Zeit wurde meine Welt immer klarer, die weiße Wand verwand und die einstige Kälte wurde meine neue Kraft zum Leben. Ein warmes Licht weckte meine Neugier. Ich wollte dieses Licht kennen lernen, ich wollte mehr davon und strecke mich so gut, wie ich konnte ihr entgegen. Und irgendwann habe ich meine ganze Welt gesehen. Und dieses warme Licht nannte meine Mutter Sonne.

Ich liebte die Sonne und ich liebte den Regen.

Im Vergleich zu meiner Mutter war ich nur ein kleiner Spross. Meine Mutter war riesig und schenkte mir Schatten an den heißen Tagen im Jahr. Doch ich wollte auch so groß und stark werden wie Mutter. Wie meine Nachbarn. Einige sahen wirklich lustig aus und ihre Blätter waren so unförmig. Als es wieder kälter wurde, erstrahlten sie in so vielen Farben, dass ich neidisch wurde. Mutter lachte nur: Wir sind nun mal Nadelbäume. Wir sind immer grün, grün wie die Hoffnung. Während die anderen nackt der Kälte trotzen mussten, gaben wir den anderen Schutz vor der weißen Pracht.

Ich liebte es, wenn die Vögel sangen. Bei Mutter suchten viele Schutz. Das wollte ich auch. Doch meine kleinen Äste waren noch nicht stark genug. Im Winter war es ruhig im Wald, eine herrliche Ruhe und im Sommer konnte es nicht lauter sein. Welche Zeit davon ich am meisten mochte, konnte ich nicht sagen. Und mit jedem Jahr kämpfte ich mich weiter zu Sonne hoch. Und mit jedem Meter mehr wurde meine Welt größer.

Dieses Gefühl, wenn die Sonne am Horizont langsam auftaucht und diese Wärme, die in die letzte Spitze meiner Nadeln drang. Ich liebte die Welt, ich liebte meine Welt. Ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen. Schon bald wuchs ich aus dem Schatten meiner Mutter. Pilze und Moos wuchsen zu meinen Wurzeln. Vögel bauten ihre Nester in meiner Krone und auch Eichhörnchen kitzelten meine Rinde. Insekten kletterten an mir rauf und runter. Ab und zu kamen auch mal andere Tiere mich besuchen. Ob es ein Hirsch war, der mich anbrüllte oder eine Katze sich an mir die Krallen wetzte, hier war ich Zuhause.

Doch dann kam der Tag, der meine heile Welt ins Dunkle stürzte. Und ich war meinem Schicksal hilflos ausgeliefert. Menschen nannte meine Mutter diese Gestalten, die mit ihren lauten Maschinen durch unseren Wald wüteten. Und als sie mich erblickten, weinte meine Mutter, weinte die Welt um mich herum. Vögel sangen nicht mehr und auch sonst war es leblos geworden in meinen Ästen.

Ich weiß nicht mehr genau was schlimmer war der Lärm oder dieser Schmerz, als ob man aus mir jegliche Freude brennen würde.

Dann wurde es wieder dunkel in meiner Welt. Dunkel und kalt. Es polterte und krachte. Gesänge, doch es waren keine Vögel. Brummen, doch es waren keine Bären. Und als es wieder wärmer wurde, hoffte ich, es wäre die Sonne, doch es war etwas anderes, etwas was mir Angst machte. Zwar wurde es feucht an meinem Stamm, aber es war nicht vom Schnee. Merkwürdige Dinge hangen in meinen Ästen. Mutter war nicht mehr da. Die Nachbarn waren nicht mehr da. Es war ein einziger Friedhof, in dem ich da stand und die Menschen lachten. Lachten und waren glücklich. Ich hoffte, dieser Albtraum hätte bald ein Ende, hoffte Mutter bald wieder zusehen.

Die Tage wurden immer länger und mit jedem Tag mehr schmeckte mir das Wasser weniger. Meine Nadeln fielen zum ersten Mal auf den Boden hinab. Meine schönen Nadeln, die doch den Tieren des Waldes Schutz bringen sollten. Mit der Zeit wurde ich immer mehr zu einem Laubbaum im Winter, aber so prächtige Farben hatte ich nicht. Meine Welt wurde grau, grau und kalt. Dann wurde es wieder dunkel. Brachte man mich jetzt wieder zu meiner Mutter zurück? Da hin wo sie mich einst ohne meinen Willen weggerissen haben? Wo sie mir meine Freiheit nahmen? Wo sie die Sonne vor mir verstecken? Und während ich in der Dunkelheit wartete und hoffte, hörte ich wieder dieses brummen. Mein Innerstes jubelte und freute sich, dann war da wieder dieser Schmerz, der meine Seele in tausend Stücke riss. Es war der Müllwagen.



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