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Von Hier bis Jetzt

Die Macht der Zeit
von

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November 2025

Nur das Licht des Mondes erhellte das Zimmer, in dem Vater und Sohn stumm beieinander saßen. Harry hatte seine Hand auf James Arm gelegt und musterte ihn forschend. Noch immer bebte der Jüngere unter der Last seiner Trauer, doch die Tränen schienen fürs Erste versiegt.

„Erzähl mir, wer sie war“, bat Harry leise und rückte näher an seinen Jungen heran.

Schniefend schüttelte James den Kopf. „Du wirst … es wird dir nicht gefallen, Dad. Bitte. Ich möchte nicht … Ich kann das gerade nicht.“

„Was kannst du nicht?“

„Ich kann mich nicht dafür rechtfertigen, dass ich ausgerechnet sie ...“

Harry seufzte leise und legte ihm den Arm um die Schulter. Es fiel ihm nicht schwer seinen Jungs und auch seiner Tochter mit bloßer Nähe Trost zu spenden. Das war schon immer so gewesen. Und obwohl James bereits einundzwanzig Jahre alt und aus seinem Elternhaus ausgezogen war, blieb die gewohnte Vertrautheit zu seinen Eltern bestehen. Auch jetzt, wo es ihm schlecht ging, war sein erster Weg der zu seinen Eltern gewesen.

„Liebe bedarf niemals einer Rechtfertigung, James! Nie. Ich stehe immer hinter dir.“

Der Jüngere hob den Blick und musterte seinen Vater. Dann nickte er zögernd. Es war keine leere Phrase, die sein Vater gesprochen hatte. Es entsprach voll und ganz der Wahrheit. „Pro … Professor Greengrass“, wisperte James mit rauer Stimme und spürte das Erstaunen des anderen, auch ohne ihm dafür ins Gesicht zusehen.

„Daphne? Deine ehemalige Arithmantik-Lehrerin. Tatsächlich?“ James spürte wie Harry stockte und tief Luft holte. „Also ist sie … Ich hatte keine Ahnung davon, dass sie diese Muggelkrankheit hatte.“

James verbarg das Gesicht in den Händen. Wieder und wieder durchlebte er die Schrecken der vergangenen Wochen. „Sie hat es mir erst gesagt, als es sich nicht mehr verheimlichen ließ. Sie hatte schreckliche Angst. Die Heiler sagten ihr, dass es in der magischen Welt keine Behandlungsmöglichkeit gäbe und sie sich an einen Muggelheiler … einen Arzt wenden soll. Doch sie wurde bei den Muggeln abgewiesen. Ich habe ihr versucht zu helfen, doch bei denen dauert alles so entsetzlich lange. Muggelheiler helfen nur, wenn man eine … eine Absicherung oder so …“

„Krankenversicherung“, warf Harry mit leiser Stimme ein.

„Ja. Diese bekommt man nur mit gültigem Muggelausweis und Muggelgeld. Dabei hat Gringotts helfen können, aber die Bestätigung dieser Versicherung kam erst Wochen später. Sie sagten, dass es schneller ginge, wenn wir einen Computer benutzen würden und das Dingsdanet – du weißt schon. Also haben wir das versucht. Aber die elektrischen Leitungen in diesen Strippen schmolzen immer dahin und ...“

„Deshalb hast du Hermine gebeten dir mit der Internetverbindung zu helfen?“

„Ja. Aber auch damit hat alles viel zu lange gedauert. Als wir dann endlich alles zusammen hatten, da war … da war es zu spät. Die Muggel haben auch nichts mehr für sie tun können.“ James raufte sich die Haare.

„Warum hast du denn nichts gesagt? Godric … Du hättest doch nicht allein ...“

James schüttelte den Kopf. „Das war einzig unsere Sache, Dad. Du hättest doch auch nichts tun können.“

Harry zuckte vage mit den Schultern. „Ich hätte für dich da sein können.“

„Es hätte aber nichts geändert“, flüsterte er leise.

„Nein, vielleicht nicht, aber manche Wege sollte man nicht allein beschreiten.“

„Ist es dir egal, dass ich mit einer Frau aus deinem Jahrgang ...“

Harry lachte leise auf. „Tja, ich bin wohl der letzte, der sich über so etwas aufregen sollte.“ Er verstummte für einen Moment, verließ seinen Platz und ging hinüber ans Fenster. James folgte der Gestalt des Vaters mit seinem Blick. Unsicher was jetzt kommen mochte.

„Ich werde dir etwas zeigen. Aber das ist sehr vertraulich, James. Bitte behalte es für dich.“ Ohen weitere Erklärungen verließ Harry den Raum.

Die Augenbrauen des jüngeren Potters schnellten in die Höhe. Doch er wartete schweigend, bis sein Vater zurück war.

Harry hielt ein abgegriffenes Pergament in den Händen und schien einen Augenblick lang zu zögern. Doch dann reichte er es seinem Sohn.

James griff nach seinem Zauberstab. „Lumos!“, murmelte er leise und richtete den Lichtstrahl auf den Brief in seiner Hand. Eine ordentliche, gleichmäßige Handschrift bedeckte das Pergament ...

 
 

Harry,

einen Menschen zu verlieren, den man liebt, ist immer schmerzhaft. Doch einen geliebten Menschen ziehen zu lassen, seinem Wunsch zu entsprechen, um einiges qualvoller. Ich habe beide Erfahrungen machen müssen und mir wird es schwer uns Herz, dir dasselbe Schicksal aufzubürden. 

Doch ich sehe keinen anderen Weg.

Du weißt, dass ich weniger mutig bin, als es mir nachgesagt wird. Und so habe ich lediglich die Lebensfrist eingehalten, um die Lucius und Narzissas mich baten. Bitte habe ein Auge auf sie. Ich verlange nicht, dass Ihr Freunde werdet, das entspräche weder Ihrem noch deinem Naturell. Doch wäre mir dieser letzte Weg weniger beschwerlich, wenn meine Sorge um diese beiden Menschen geringer ausfiele.

Diesem Brief an dich liegt ein weiterer Umschlag bei. Verwahre ihn gut, aber öffne ihn nicht. In einigen Jahren wird dir ein nahestehender Mensch ein Geschenk machen. Dann wirst du wissen, dass dies der Zeitpunkt ist den Umschlag seinem Adressaten weiterzugeben. Doch bis dahin werden noch beinahe dreißig Jahre vergehen. Zerbrich dir darüber nicht den Kopf.

Wenn diese Zeilen dich erreichen, dann sitzt du hoffentlich in der kleinen Teestube in Edinburgh, von der ich dir erzählt habe. Ich wüsste zu gern, ob in der Ecke hinter dem Klavier noch das geblümte Sofa steht. Wenn nicht, so wirst du es in meiner Erinnerung wiederfinden. Es ist die Erinnerung, die auf den 25 Juni deines Geburtsjahres datiert ist. Wenn du nun die Räumlichkeiten verlässt und den Gassen folgst bis in die St.-Giles-Alley wirst du dort ein Haus entdecken, dass du zweifelsfrei einem Zauberer zuordnen kannst. Mr Murray wird dich erwarten. Händige ihm die Erinnerung aus - er wird sie für dich porträtieren. Meine Erinnerung wird dir unbeschädigt zurückgegeben, sobald du das Porträt abholst. 

Es ist mein Geburtstagsgeschenk an dich. Mr Murray wird deine Mutter porträtieren. Es ist eine meiner liebsten Erinnerungen. Sie hat auf zuvor erwähntem Sofa gesessen, eine Teetasse gehalten und sie war schwanger mit dir. 

Sie war eine mutige Frau. Eine Einladung zum Vier-Uhr-Tee mit einem Todesser in einer Teestube, die von Muggeln geführt wird … So wagemutig war nur Lilly – und du bist es wohl auch. An diesem Tag habe ich sie vor Voldemort gewarnt. Und im Nachhinein betrachtet, legte SIE an diesem Tag den Grundstein für meine Wandlung. Für alles was darauf gefolgt war.

Und - bei Salazar - kaufe dir endlich eine neue Eule und untersteh dich, mir solange nachzutrauern, wie deiner Schneeeule! Am Lavandersquare, ebenfalls hier in Edinburgh, gibt es ein wunderbares Eulenkaufhaus. Schleiereulen sind sehr sanfte Tiere, die sich stark auf ihren Menschen prägen ...

Hätte es das Schicksal etwas besser mit mir gemeint, dann würde ich auf all diesen Wegen an deiner Seite stehen - doch scheinbar war meine Aufgabe auf dieser Welt eine andere.

Ich habe die letzten Monate, mit dir an meiner Seite lebendiger verbracht, als all jene zuvor, in denen ich mich zwar bester Gesundheit erfreut habe, doch anderweitig gefesselt war.

Du hast alle Fesseln von mir genommen und mir deine Liebe anvertraut. Niemals würde ich sie verraten - und das war auch der Grund für meinen Entschluss weiterzuziehen. Aber, Harry, die Zeit ist mächtig und der Tod bedeutet nicht das Ende. Wenn unsere Zeit hier in unserer Welt zu ende geht, dann werden wir doch spätestens im Tod wieder vereint sein!

Du sollst deine Freiheit nicht an mich verschwenden - dann wären all meine vergangenen Kämpfe umsonst gewesen. Ich bitte dich, Harry - geliebter, wunderbarer Harry - lebe!
 

Immer,

S.S.

 

 

James Kopf ruckte hoch. „Wer ist S.S.?“

Mit einem traurigen Lächeln ließ Harry sich auf einen Sessel sinken. „Severus Snape.“

Sein Sohn schnappte nach Luft. „Dad! Weiß Mum davon?“

Harry lachte leise. „Natürlich. Ich erzähle dir die ganze Geschichte, wenn du möchtest.“ Er beugte sich vor und suchte den Blick seines Jungen. „James. Man kann mehr als eine Liebe erleben. Ein Teil von dir wird für alle Zeiten bei deiner Liebe zu Daphne verweilen, und deine Trauer darum ist von großer Bedeutung. Doch das heißt nicht, dass du nie wieder dein Glück finden wirst. Glaub mir.“

James seufzte leise. „Scheinbar … Aber, ja, ich wüsste es gerne. Wie es war - du und … und Severus Snape ...“

Das Unglauben quoll dem jungen Mann aus allen Poren.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2018-10-13T15:59:48+00:00 13.10.2018 17:59
Wahnsinn! Was für ein Kapitel, was für mächtige Worte, was für eine Tiefgründigkeit! Ich habe selten ein Kapitel gelesen, dass mich derart stark nachdenklich gemacht hat und mich gleichsam auf eine Art und Weise berührt, die unter die Haut geht. Nur wer selbst schon einmal Trauer empfunden hat weiß, wovon hier die Rede ist und wie viel Wahrheit deinen Worten zugrunde liegt. Sie sind ebenso tröstlich wie untröstlich.


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