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Die Bank am Fluss

Die letzten Sommertage
von

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Vereinbarung

Es war ein warmer, leicht schwüler Spätsommertag und während die Sonne sich alle Mühe gab, die Temperaturen doch noch über fünfundzwanzig Grad zu bringen, hatte der Wind heute eindeutig seinen freien Tag. Der Fluss wirkte träge und führte nur wenig Wasser, sodass die großen Frachtschiffe ausblieben und höchstens vereinzelte Yachten an der Bank vorbeifuhren, die im Schatten einiger Pappeln stand. Aufgrund des guten Wetters wimmelte es stattdessen allerdings vor Fußgängern, Joggern, Inlineskatern und Radfahrern, die allesamt teils belustigt, teils irritiert zu dem Mann starrten, der auf der Bank saß und sich in diesem Moment eine neue Zigarette ansteckte.

Arnd hingegen bekam von den Blicken kaum etwas mit und hätte sie sich vermutlich ohnehin nicht erklären können. Dass es für die meisten Menschen merkwürdig war, im Spätsommer mit Lederjacke und Stiefeln, kurz einem Rocker-Outfit, auf einer Bank zu sitzen, wäre ihm nicht in den Sinn gekommen. Stattdessen widmete er sich missmutig seiner Zigarette. Arnd vermutete, dass es etwa die vierte sein musste, wobei ihm der doch relativ eindrucksvolle Haufen von Kippen, der ihn eines Besseren belehrt hätte, nicht auffiel.

Zwei Joggerinnen hielten kurz inne, um den seltsamen Mann anzusehen, bevor sie kichernd weiterliefen und den restlichen Weg darüber philosophierten, wie wenig Modegeschmack manche Menschen doch hatten. Arnd hingegen machte sich derweil Gedanken über sein verbocktes Leben. Er wusste nicht, wie es so weit hatte kommen können. Er war einer Rocker-Gang beigetreten und hatte kleinere Jobs übernommen, ein Diebstahl hier, ein wenig Geld beschaffen da. Soweit so gut, aber irgendwann – und Arnd wusste nicht, wann – musste irgendetwas schief gegangen sein. Rein objektiv betrachtet lag es wohl daran, dass er sich mehrfach von der Polizei erwischen lassen hatte und dass nur die wenigsten, denen er Geld hatte abnehmen sollen, wirklich bezahlt hatten. Diese hohe Fehlerquote sah der Freizeit-Rocker allerdings nicht, immerhin ging es um ihn und in seinen Augen war er das geborene Gangmitglied.

Der Mann auf der Bank drückte mit seinem Lederstiefel die letzte Kippe in das Gras und suchte in seinen Jackentaschen nach einem noch vollen Päckchen. Fakt war, dass er ein gewaltiges Problem haben würde, wenn er nicht innerhalb weniger Tage die achtzehntausendsiebenhundertvierundsiebzig Euro auftreiben konnte, die er seinem Boss schuldete. Und im Gegensatz zu seinem eigenen Versagen war ihm zumindest diese Lage schmerzlich bewusst.

Zur gleichen Zeit lief ein anderer Arnd am gleichen Fluss entlang. Im Gegensatz zum Rocker-Arnd war dieser jedoch deutlich jünger und unauffälliger, zumindest wenn man von dem gewaltigen Rucksack absah, den er mit sich herum trug. Der zweite Arnd war zwölf Jahre alt, hochintelligent und frustriert und anders als bei dem Arnd, der momentan auf der Bank saß, war dem Jungen das alles völlig bewusst.

Die Hitze der Sonne und das schwere Gepäck machten dem jüngeren Arnd schwer zu schaffen und er war ehrlich genug, um sich einzugestehen, dass er an seiner eigenen Entscheidung zu zweifeln begann. Während er seinen Gedanken nachhing, begab er sich zu der nächsten Bank, um seinen Rucksack dort abzustellen und sich daneben niederzulassen. Dass es genau die Bank war, auf der momentan der Rocker-Arnd saß, entging ihm komplett und während der ältere der beiden weiterhin darüber nachdachte, woher er spontan knappe zwanzigtausend Euro herbekommen sollte, fragte sich der Junge, wie er jemals zu dem Internat gelangen sollte, bei dem er sich heimlich angemeldet hatte. Immerhin blieben noch die letzten drei Tage der Sommerferien.

In seinen Augen war es nur normal, dass man in einer verzweifelten Lage zu rigorosen Mitteln greifen musste – wenn weder die Lehrer noch seine Mitschüler seine Intelligenz und sein Wissen zu schätzen wussten, und seine Eltern ihn nicht auf das Internat gehen lassen wollten, dann musste er die Sache schlicht und ergreifend selbst in die Hand nehmen. Bewaffnet mit seinem Erspartem, einem Zugticket, das er im Internet mit der auswendig gelernten Kreditkartennummer seines Vaters gebucht hatte, und Gepäck, das weitestgehend aus Büchern, einigen Kleidungsstücken und seinem Tablet-Computer bestand, war er nun auf dem Weg zum Bahnhof. Eigentlich.

Unbewusst entwich ihm ein schweres Seufzen, was nun den anderen Arnd auf ihn aufmerksam machte. Dieser fragte sich, wo der Junge so plötzlich hergekommen war, wobei er aus Gewohnheit einen besonders tiefen Zug seiner Zigarette nahm und sich eine passende Provokation überlegte. Die fiel ihm allerdings erst ein, als der Junge seinen Tablet-Computer hervorholte. Um was für ein Gerät es sich dabei wirklich handelte, war dem Rocker-Arnd zwar schleierhaft, aber es musste irgendeine Art von Computer sein, da war er sich ziemlich sicher.

„Hast du nichts Besseres zu tun, als dich hier mit dem Ding zu vergnügen?“, murrte er dementsprechend und setzte dabei seinen typischen Gang-Slang ein.

Als er angesprochen wurde, hob der junge Arnd den Kopf und sah den Rocker an, der da auf der Bank saß. Arnd war nie besonders mutig gewesen und von einem fremden Mann angepöbelt zu werden, wäre im Normalfall eine jener Situationen gewesen, in denen der Junge Reißaus genommen hätte, aber heute war er erstens trotzig und irgendwie verbissen und zweitens wirkte der Rocker auf ihn eher melancholisch als gefährlich.

„Streng genommen handelt es sich hierbei um einen Tablet-Computer“, erklärte der zweite Arnd dem ersten. „Tablet-Computer sind heutzutage stark im Kommen. Die Verkaufszahlen sprechen für sich. Touchscreen, Kompatibilität mit Smartphones und vor allem sind sie deutlich handlicher als Laptops.“

Arnd Nummer eins war völlig vor den Kopf gestoßen und das sah man ihm sogar deutlich an. Er vergaß die Zigarette, die in seinem Mundwinkel hing, hielt sie nur instinktiv mit den Lippen fest und sprach durch die andere Mundhälfte.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst. Es interessiert mich einen Scheißdreck, ob das Ding ein Computer oder ein Toaster ist und jetzt verschwinde!“

Arnd Nummer zwei wollte gerade antworten, wurde allerdings von einem Geräusch unterbrochen, das auch den Rocker-Arnd dazu brachte, seinen Kopf zu drehen und nachzusehen. Bei besagtem Geräusch handelte es sich um das Fluchen des dritten Arnd.

Dieser war vierundachtzig und kämpfte gerade mit seinem Sauerstoffkonzentrator, der sich partout weigerte, sich über die Bordsteinkante hieven zu lassen. Theoretisch ließ sich das Gerät problemlos wie ein Trolley hinter sich her ziehen, praktisch stellten Bordsteine aber effektive Hindernisse dar.

„Verdammtes Ding“, zeterte der dritte Arnd und brachte das Gerät schließlich mit einem kräftigen Ruck über den Bordstein, der den Rasen, auf dem die Bank stand, von dem Weg abtrennte. Arnd eins und zwei hatten das Schauspiel derweil fasziniert beobachtet und diese Tatsache war nun auch dem Neuankömmling aufgefallen. Mit seinem Gehstock zeigte er etwas zittrig abwechselnd auf die beiden auf der Bank.

„Ist das spannend? Interessant? Vielleicht auch amüsant?“, fuhr er sie an und verengte die Augen. „Behandelt man so einen alten Mann?“ Er deutete mit dem Gehstock auf das Gepäck von Arnd Nummer zwei. „Weg damit, ich muss mich setzen!“

Sowohl der hochintelligente als auch der Rocker-Arnd waren aufgrund des doch eher rigorosen Auftreten des Senioren perplex, sodass der Junge sein Gepäck auf den Boden stellte, während dem Gangmitglied tatsächlich keine passende, möglichst provokante Bemerkung einfiel.

„Immer diese Jugend“, murrte Arnd Nummer drei, während er seinen Sauerstoffkonzentrator so platzierte, dass das Kabel zu seiner Nase nicht unter Spannung stand. Der Rest, den er vor sich hin nuschelte, war für die anderen beiden zwar nicht zu verstehen, aber dass es sich nicht um etwas Nettes handelte, war offensichtlich genug.

Da hatte man aufgrund von einem überwundenen Lungenkrebs schon eine Lunge, die ihre Arbeit größtenteils eingestellt hatte und war auf konzentrierten Sauerstoff angewiesen und trotzdem erhielt man keinerlei Respekt! Für Arnd Nummer drei war das unverschämt. Dass aber zumindest Rocker-Arnd mit dem Gerät in etwa so viel anzufangen wusste wie mit dem Tablet-Computer von dem jungen Arnd, war dem Alten selbstverständlich nicht bewusst. Immerhin hatte das Auftauchen von Arnd Nummer drei den sich anbahnenden Streit zwischen den ersten beiden Namensgenossen verhindert.

Eine Weile lang saßen die drei schweigend auf der Bank, wobei sich keiner von ihnen sonderlich wohl fühlte, bis der Senior sich schließlich an den Rocker wandte.

„Haben Sie zufällig eine Zigarette für mich?“

Der Angesprochene sah den älteren Herrn düster an, begann dann aber in seinen Jackentaschen zu kramen. Vielleicht würde der Alte dann ja mit der Zigarette verschwinden.

„Wissen Sie eigentlich, was Sie da machen?“, ging schließlich der Junge dazwischen und sowohl der Rocker als auch der Senior fühlten sich angesprochen und sahen ihn an. Wen genau Arnd damit gemeint hatte, wusste er selbst nicht genau, also ließ er die beiden anderen einfach in dem Glauben, er hätte beide gemeint. „Das da ist ein Sauerstoffkonzentrator! Den benötigt man, wenn die Lunge aus irgendeinem Grund nur noch bedingt funktionsfähig ist – ich bin mir sicher, dass man nicht rauchen darf, wenn man darauf angewiesen ist, mit Sauerstoff versorgt zu werden.“

Etwas verunsichert steckte Arnd Nummer eins die soeben gefundene Zigaretten-Packung wieder ein – wenn ihm bewusst gewesen wäre, dass er auf den Jungen gehört hatte, wäre er sicherlich mehr als wütend geworden.

„Der Kleine hat recht“, murrte der Senior mit einem Seufzen. Nichts schien ihm vergönnt zu sein! „Du erinnerst mich an meinen Sohn.“

Der Junge nahm das mit einem vorsichtigen Lächeln und einem Nicken zur Kenntnis. Er hatte schon einige über Demenz, Parkinson und andere Alterskrankheiten gelesen und wusste, dass man mit älteren Menschen vorsichtig umzugehen hatte.

„Ist das eine Rolex?!“

Rocker-Arnd hatte die gewaltige, goldene Uhr am dürren Handgelenk des Alten entdeckt. Das Ding war mit Sicherheit gute sechstausend Euro wert! Mindestens!

„Hm?“, machte Arnd Nummer drei und blickte zu seinem Handgelenk. Da war tatsächlich die Rolex. Er hatte doch eigentlich die Montblanc-Uhr anziehen wollen… „Offensichtlich.“

„Wo haben Sie die her?“

Sowohl der hochintelligente als auch der alte Arnd stutzten, als sie diese doch eher sinnfreie Frage hörten.

„Gekauft natürlich“, entgegnete der Senior. Er hatte zwar keine Familie mehr, aber an Geld fehlte es ihm bei weitem nicht. Sein Sohn war vor vier Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, sieben Jahre nachdem Senior-Arnds Frau gestorben war. „Ich bin Arnd Kluger, Gründer und Ehrenvorstand des gleichnamigen Konzerns!“

Während Arnd Nummer eins mit der Firma nichts anfangen konnte und eher darüber überrascht war, dass er Alte den gleichen Vornamen hatte, wie er selbst, starrte Arnd Nummer zwei den Firmenboss mit offenem Mund an.

„DER Kluger-Konzern?“, hakte er nach und sah dabei zur Abwechslung tatsächlich wie ein normaler, staunender Zwölfjähriger aus. „Sie produzieren Maschinen und Maschinenteile für große Produktionsfabriken! Sie haben den Konzern aus dem Nichts gegründet!“

„Das heißt Sie haben tonnenweise Geld?“, warf der Rocker ein, bevor Kluger etwas sagen konnte. Arnd Nummer eins war soeben bewusst geworden, dass er neben der potentiellen Lösung für all seine Probleme saß. Wenn er an das Geld von dem alten Firmenchef käme… Der hingegen verschränkte die Arme.

„Richtig“, bemerkte er, während er seinen Sitznachbarn kritisch musterte. „Und Sie sehen so aus, als hätten sie das Geld dringend nötig. Versuchen Sie es gar nicht erst, mein Chauffeur wartet bei meinem Wagen auf mich.“

„Chauffeur?“

Das Erstaunen war dem Rocker deutlich anzusehen, Kluger interpretierte das allerdings bewusst als Ahnungslosigkeit und setzte ein süffisantes Lächeln auf.

„Ja, das sind die netten Menschen, die andere für Geld durch die Gegend fahren.“

Wenn Arnd Nummer eins ein wenig mehr bei der Sache und vielleicht ein wenig intelligenter gewesen wäre, wäre ihm sicherlich aufgefallen, dass man das auch auf einen gewöhnlichen Taxifahrer hätte beziehen können. So allerdings verschränkte er lediglich mit einem verächtlichen Kopfschütteln die Arme, wandte den Blick stur nach vorne und sinnierte darüber, Kluger zu überfallen.

„Und du?“, wandte sich der redselige Senior an den Jungen. „Was machst du hier mit den ganzen Sachen?“

Der Angesprochene schwieg, schien für einen Moment darüber nachzudenken, was er sagen sollte – und tatsächlich spielte Arnd mit dem Gedanken, irgendeine Geschichte zu erfinden, da er allerdings kein besonders guter Lügner war, seufzte er, legte seinen Tablet-Computer beiseite und entschied sich für die Wahrheit.

„Faktisch betrachtet, bin ich in meiner Schule völlig unterfordert. Ich habe bereits zwei Klassen übersprungen und langweile mich dennoch. Prinzipiell wäre es dementsprechend am sinnvollsten, wenn ich auf ein Internat für hochbegabte Schüler gehen würde, allerdings scheinen meine Eltern aus einem für mich nicht ersichtlichen Grund dagegen zu sein, sodass ich nun aus gegebenem Anlass die Situation selbst in die Hand genommen und mich bei besagtem Internat angemeldet habe.“

Die beiden erwachsenen Arnds waren sichtlich überrascht. Der Rocker aufgrund der für ihn doch eher merkwürdigen Sprechweise des Jungen und Kluger aufgrund des Vorhabens.

„Wissen deine Eltern davon?“, hakte Kluger nach und konnte die Antwort am verlegenen Gesicht des Jungen ablesen, sodass er die Frage direkt umformulierte. „Hast du mit ihnen darüber geredet? Hast du es ihnen begründet?“

Arnd hatte seinen Eltern tatsächlich mehrfach vorgeschlagen, auf das Internat zu gehen, aber die hatten den Vorschlag jedes Mal abgetan. Dass der Grund dafür wohl auch in seiner doch eher eingeschränkten sozialen Kompetenz lag, war ihm dabei nicht in den Sinn gekommen. Kluger deutete das Schweigen richtig.

„Also…“, sagte der Senior und überlegte kurz, ob er den Namen des Jungen vergessen hatte oder ob dieser ihm den Namen schlichtweg nicht genannt hatte. „Wie war der Name?“

„Arnd.“

„Arnd ist ein guter Name“, bemerkte Arnd Kluger mit einem Zwinkern und wandte sich dem Rocker zu. Dieser hatte während des kurzen Gesprächs überlegt, wie er an Klugers Geld kommen konnte und ob sein Boss vielleicht mit einer Rolex als Anzahlung leben konnte, sodass er doch überrascht war, als sich der Senior plötzlich umdrehte. „Sie! Sie sehen mir aus wie jemand, der sich durchsetzen kann.“

Arnd Nummer eins wusste nicht, ob er das nun als Kompliment oder Beleidigung auffassen sollte, sodass er vorsorglich die Stirn runzelte.

„Sind Sie jetzt etwa auf den Mund gefallen?“, fügte Kluger hinzu und deutete mit seinem Stock auf den Rocker. „Ich rede mit Ihnen!“

„Passen Sie auf, wo Sie mit dem Ding hinzeigen“, entgegnete Arnd genervt und schob den Gehstock mit einer Hand beiseite, um sich anschließen eine weitere Zigarette anzustecken.

„Sehr schön. Dann dürfen Sie – wie heißen Sie eigentlich? – unserem jungen Arnd ein bisschen Nachhilfe darin geben, wie man sich durchsetzt.“

„Arnd“, brummte der Rocker und erntete dafür anfänglich ungläubige und anschließend amüsierte Blicke der anderen beiden Arnds. „Und wieso sollte ich dem Bengel irgendetwas beibringen?“

„Damit er seine Eltern von dem Internat überzeugen kann, natürlich!“ Kluger klang, als sei das das Selbstverständlichste der Welt. „Und weil ich mir überlege, Ihnen im Gegenzug das Geld zu geben, das Sie offensichtlich so dringend brauchen.“

Rocker-Arnd blinzelte.

„Wieso sollten Sie das tun?“

„Weil ich auf meinem Geld sitze, keine Familie habe und auf meine alten Tage das Geld auch sinnvoll einsetzen kann“, erwiderte Kluger und hob seine Schultern – zumindest soweit das in seinem Alter noch ging. „Sind Sie einverstanden?“

Das war für Arnd Nummer eins keine schwere Entscheidung. Er würde ein paar Tage damit verbringen, dem Bengel beizubringen, wie man den Mund aufmachte und dafür würde er von dem senilen Firmengründer Geld bekommen, das alle seine Probleme lösen würde. So gleichgültig wie möglich – der Rocker war kein guter Schauspieler – nickte er.

„Sehr gut“, bemerkte Kluger und wandte sich an den Jungen. „Du gehst jetzt nach Hause, bevor deine Eltern einen Herzinfarkt erleiden, weil du verschwunden bist und morgen treffen wir uns zur gleichen Zeit hier.“

„Ich bezweifle stark, dass diese Vereinbarung auch nur den Hauch eines Effekts haben wird“, warf dieser ein.

„Du bist zu schlau, um ernsthaft zu glauben, dass du auf eigene Faust zum Internat kommen und da auf Dauer bleiben kannst.“

Arnd seufzte. Dass Kluger damit recht hatte, war offensichtlich, sodass er betreten nickte. Schlimmer konnte es ohnehin nicht mehr werden.

Mühsam stand Kluger auf, stützte sich dabei mit einer Hand auf den Stock und griff mit der anderen nach dem Sauerstoffkonzentrator. Anschließend zwinkerte er den beiden Arnds auf der Bank zu und machte sich auf den Weg zur Bordsteinkante, die er mit einem kräftigen Ruck am Sauerstoffkonzentrator überwand, um anschließend in Richtung seines Autos zu gehen. Dass es sich dabei um einen Maserati handelte, hatte er dem Rocker-Arnd wohl wissentlich verschwiegen. Mit einem hörbaren Hustenanfall, der sowohl den Jungen als auch den Rocker aufblicken ließ, verschwand Kluger und ließ einen verwirrten und einen vorsichtig optimistischen Arnd zurück.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Anemia
2012-10-20T10:55:21+00:00 20.10.2012 12:55
Aloha!
Klasse - genau wie erwartet. Auch diese Geschichte vermochte mich zu fesseln. Auch jetzt bin ich eigentlich noch viel zu nachdenklich, um einen Kommentar zu schreiben. Doch ich versuche es. Mehr als Lob wird er ohnehin nicht enthalten. ;)

"Dass es für die meisten Menschen merkwürdig war, im Spätsommer mit Lederjacke und Stiefeln, kurz einem Rocker-Outfit, auf einer Bank zu sitzen, wäre ihm nicht in den Sinn gekommen."
Das Problem kenne ich auch, denn ich mag es einfach nicht, kurzärmlig zu gehen. Das Gaffen der Leute dann...ja. Sehr realistisch, die Stelle. Wie der ganze Rest.

"Zur gleichen Zeit lief ein anderer Arnd am gleichen Fluss entlang."
Ich dachte erst: WTF?, aber die Idee ist einfach nur klasse, und als dann noch der dritte Arndt dazukam, war die Sache perfekt. Es ist wirklich erstaunlich, wie sich diese drei komplett unterschiedlichen Leute, die wirklich nichts gemeinsam haben, einander helfen können. Die Namen schafften sicher auch eine unbewusste Verbundenheit. Mir zumindest geht es so, dass ich Menschen, die meinen Namen tragen, zunächst mehr Aufmerksamkeit schenke.

Sorry, mehr kann ich gerade wirklich nicht schreiben, denn ich bin noch zu gefangen von dem Ganzen. Dass ich deinen Schreibstil sehr mag, habe ich dir ja bei der anderen Geschichte bereits gesagt. Hier stimmt einfach alles, finde ich. Und ich hoffe, du bleibst der Schriftstellerwelt noch lange erhalten.

Mach weiter so!

lg Serpa,
vom Kommentarfieber gepackt.
Von:  Pumpkin_Queen
2012-10-19T18:45:22+00:00 19.10.2012 20:45
KF

Hallo erst mal!
Ich muss sagen, diese Geschichte ist wirklich schön!
Ich habe vom ersten Satz bis zum letzten jedes Wort aufgesaugt das mir unter die Augen kam!
Mir gefällt dein Schreibstil außerordentlich.
'„Faktisch betrachtet, bin ich in meiner Schule völlig unterfordert. Ich habe bereits zwei Klassen übersprungen und langweile mich dennoch. Prinzipiell wäre es dementsprechend am sinnvollsten, wenn ich auf ein Internat für hochbegabte Schüler gehen würde, allerdings scheinen meine Eltern aus einem für mich nicht ersichtlichen Grund dagegen zu sein, sodass ich nun aus gegebenem Anlass die Situation selbst in die Hand genommen und mich bei besagtem Internat angemeldet habe.“'
Mann oh mann, er hört sich an wie ein hochdekorierter Professor in seinen 50ern XD

'Arnd Nummer eins wusste nicht, ob er das nun als Kompliment oder Beleidigung auffassen sollte, sodass er vorsorglich die Stirn runzelte.'
Ja, ein Stirnrunzeln ist immer ein guter Anfang.

'„Weil ich auf meinem Geld sitze, keine Familie habe und auf meine alten Tage das Geld auch sinnvoll einsetzen kann“'
Einsicht ist der erste Schritt zur besserung, sage ich da nur.

'vorsichtig optimistisch' - ich mag deine Wortwahl!

Freue mich auf weitere Geschichten von dir!
Liebe Schreibziehergrüße
P_Q
Von:  konohayuki
2012-10-09T20:21:26+00:00 09.10.2012 22:21
Guten Abend,

ich bin von der Kurzbeschreibung schonmal gespannt, was mich erwartet. Und hoffe, dass ich nicht zwischenzeitlich anfange, die Arnds zu verwechseln.

>Arnd vermutete, dass es etwa die vierte sein musste, wobei ihm der doch relativ eindrucksvolle Haufen von Kippen, der ihn eines Besseren belehrt hätte, nicht auffiel.

Ich würde das "nicht auffiel" hier noch direkt hinter "Kippen" setzen, das ist aber eine rein subjektive Geschmackssache.
Ansonsten möchte ich dir jetzt schon ein Lob für deinen Schreibstil aussprechen, der ist supergut zu lesen und trägt einen praktisch mit :)

>Rein objektiv betrachtet lag es wohl daran, dass er sich mehrfach von der Polizei erwischen lassen hatte und dass nur die wenigsten, denen er Geld hatte abnehmen sollen, wirklich bezahlt hatten.

Die nüchterne Art, wie er die Sache betrachtet, finde ich sehr gut gewählt. Es hat so etwas ironisches, und genau das ist es, was ich bei einem auktorialen Erzähler erwarte. Diese kleinen Seitenhiebe zwischendurch.

>[...]fragte sich der Junge, wie er jemals zu dem Internat gelangen sollte, bei dem er sich heimlich angemeldet hatte.

Der junge Arnd gefällt mir. Und wenn er noch drei Tage hat, dann schafft er das schon noch ;)

Und der Auftritt des dritten Arnds ist ja mal der Brüller. Wie er einfach mit den beiden umgeht, das ist der Wahnsinn. Ich hatte die Szene sehr deutlich vor Augen, ich kann mich nur wiederholen und deinen Schreibstil loben.

Das Gespräch zwischen den drei Arnds ist voller Energie und ich habe immer noch einen Film im Kopf laufen. Und amüsant ist das Ganze auch ;)

Ich bin gespannt wie es weitergeht, der Anfang ist auf jeden Fall schonmal sehr gut.

Liebe Schreibziehergrüße,

konohayuki


Von: abgemeldet
2012-10-05T17:00:46+00:00 05.10.2012 19:00
Hallo!
Zunächst sei angemerkt: Menno! Du hast soviel geschrieben. Es geht nicht darum, dass ich das jetzt kommentieren muss (schließlich möchte ich das ja auch gern), sondern schlichter Neid, der sich breitmacht. Aber es ist ja noch nicht aller Tage Abend.
Dann danke ich dir für die Kurzbeschreibung der Geschichte und die tollen Kapiteltitel. Das macht mich gleich nochmal so neugierig.
Ich verzichte wieder auf Struktur, das liegt an mir aber eher an der Tagesform. Und zwar habe ich festgestellt, dass ich nur bei wirklich guter Laune auch vernünftig ausformuliere und die einzelnen Gebiete an anderen Tagen zu kurz kommen und noch kühler wirken als meine übliche Art des Kommentierens.
Okay, genug der Vorrede.

Es war ein warmer, leicht schwüler Spätsommertag und während die Sonne sich alle Mühe gab, die Temperaturen doch noch über fünfundzwanzig Grad zu bringen, hatte der Wind heute eindeutig seinen freien Tag.
Ganz wunderbarer erster Satz, der mich gleich in eine ansprechende Stimmung versetzt. Du schaffst hier eine Atmophäre, beschreibst und lässt dabei auch deine Kreativität aufblitzen. Ist das schon zuviel Lobhuddelei? Das hört bestimmt gleich auf. ;)

Soweit so gut, aber irgendwann – und Arnd wusste nicht, wann – musste irgendetwas schief gegangen sein.
Ein toller Satz. Den Satzbau finde ich ansprechend. Außerdem mag ich Arnd den Rocker, eben weil ich diesen Menschenschlag im Allgemeinen immer ansprechend finde. Dabei kann ich gar nicht erklären, warum. Allerdings denke ich, dass es mit meiner Assoziation zu tun hat, mehr jedenfalls als mit dem tatsächlichen Lebensstil - besonders wenn er so ist, wie hier beschrieben.

Die Stelle, wo du den zweiten Arnd vorstellst, finde ich grandios. Sehr gelungen. Und genauso stelle ich mir übrigens auch einen allwissenden Erzähler vor. Soviel Subjektivität sei mir erlaubt.

Zunächst war ich etwas skeptisch, ob der siche wiederholenden Betonungen von Unwissenheit bei Rocker-Arnd und dem passenden bei beiden anderen. Doch es wurde weder langweilig, noch wirkte es übertrieben. Da bin ich sehr gespannt, was noch passieren mag.

Dein Schreibstil spricht mich sehr an, ist flüssig und ich würde ihn sogar sauber nennen. Außerdem hatte ich soviel Spaß beim Lesen! Tippfehlerchen oder sonstiges sind mir keine aufgefallen - die meiste Zeit war ich auch mit anderen Gedanken beschäftigt.
Sehr, sehr gelungen.

Liebe Schreibziehergrüße,
Turnaris
Von:  Shabon
2012-10-03T19:15:40+00:00 03.10.2012 21:15
XDD Klasse. Da hat sich der Alte doch als netter erwiesen als es zuerst schien. Oder ist ihm einfach nur langweilig? Na mal gucken was die nächsten beiden Kapitel bringen. XD Ich musste auch über den Kleinen lachen, weil der so herrlich gestelzt daher redet. Und auch der Rocker scheint im Grunde eigentlich nen guten Kern zu haben. Auch wenn ich noch nicht sicher bin wie "dumm" er wirklich ist.
Okay... nächstes Kapite. :D


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