Mittwoch, Burgertime
„Du wolltest wissen, wozu frei?“, knüpft er an, als wir uns mit unserem grenzwertigen Mittagsmal auf der Wiese an der Alster ausbreiten. Heute war ich schlauer, und es gibt Chicken Mac Nuggets für mich.
Ich nicke und wühle nach meinen Pommes. Eigentlich ist es nur aus mir raus geblubbert, aber gesagt ist gesagt.
„Zu machen, was ich will!“, erklärt er.
„Und was willst du?“, frage ich.
„Gewiss kein BWL. Ethnologie wäre toll! Irgendetwas Kulturwissenschaftliches! Das wäre klasse! Wie Menschen leben!“, schwärmt er.
„Warum machst du’s nicht?“, will ich wissen.
Seine Miene verdüstert sich. „Erpressung“, erwidert er. „Wenn ich das wirklich richtig anfangen würde, dann ist meine Mutter übel dran. Leerlauf ging noch, aber keine Nägel mit Köpfen.“
„Und was hast du bisher getan?“, bohre ich weiter.
„Ich war die letzte zwei Jahre auf Kreta. Am Strand. Habe Freundschaftsbändchen geknüpft und an Touristen verkauft“, erzählt er.
„Was?“, keuche ich fassungslos.
„Ja, ganz im Ernst. Aber das hat mein Alter mir ja versalzen. Da wusste er schon wie. Da bin ich untendurch. Ich will ja was machen! Aber eben nicht das hier!“, seufzt er.
„Hattest du immer schon rosa Haare?“, nutze ich die Chance.
Er lächelt. „Nö. In Wirklichkeit bin ich aschblond. Straßenköterblond. Ich habe meinem Alten gesagt, dass ich das hier nicht will, sondern mein eigenes Leben, und dass ich schwul bin. Davon wollte er nichts wissen. Weißt du eigentlich, warum rosa heutzutage mit Schwulsein in Verbindung gebracht wird?“
„Nicht wirklich“, muss ich zugeben.
„Die Nazis haben den Schwulen im KZ einen rosa Wimpel verpasst. Damit sogar ihre Mitgefangenen auf sie herabblicken. Mädchenfarbe rosa. Absolut unmännlich und pervers. Dabei war rosa früher mal die Männerfarbe, in der Renaissance, habe ich mal gelesen. Um sie lächerlich zu machen und bloßzustellen. Und als mein Alter mir so kam … da hab ich sie mir rosa gefärbt. Verstehst du?“
„Die Bank ist doch kein KZ!“, protestiere ich.
„Nein, natürlich nicht“, gibt er zu. „Aber die Haltung meines Vaters ist ähnlich. Es hat alles zu passen, sonst ist jedes Mittel recht. Fidel, echt, er ist so ein übler Mensch. Ich wollte es lange nicht wahrhaben, aber das ist er. Ich wollte, dass er mich liebt, doch Liebe ist für ihn nur Mittel zum Zweck. Damit alles so ist, wie er es will. Ist dein Vater auch so?“