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Wer suchet, der findet.

Ob der Fund zur Suche passt ist eine andere Sache
von

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Hänschen Klein ging allein…

()„Ich habe keinen braunen Overall.“ kommt Julians prompte Erwiderung und er wundert sich über diese Bitte. Die Uniform reicht, da muss er sich nicht zusätzlich in Overalls zwängen. Nicht einmal Latzhosen zieht er an. Er hat eine alte Jeans und in noch älteres Hemd. Die Sachen trägt er, wenn Renovierungen wie Malerarbeiten oder das Tapezieren von Wänden anstehen. Fliesen kleben, Parkett und Laminat legen hat er auch schon gemacht. In und an Häusern gebaut. Ein wenig ist Julian stolz auf sein handwerkliches Können – mit dem er sich sein Studium finanziert hat – und entscheidet, seinem Schatz seine Hilfe anzubieten. „Hey… Deine Wohnung habe ich noch gar nicht gesehen.“ gibt er zu bedenken. „Lass uns das doch zusammen machen.“

Die verkrampften Finger voneinander gelöst reibt er sich die Hände. „Egal wie unbescheiden das jetzt klingt. Ich bin in so was wirklich gut. Nicht nur das, Schatz! Es macht mir sogar Spaß!“()
 

Wer von euch ist noch erleichtert? Kein brauner Overall! Und wie er es gesagt hat. Spontan. Ohne zu überlegen. Das ist die Wahrheit! Am liebsten würde ich den Wagen anhalten und meinem unschuldigen Schatz um den Hals fallen, sein Gesicht mit Küssen bedecken und so vieles mehr noch.

Wisst ihr was? Ich werde es tun. Zu einer passenderen Gelegenheit. Wenn wir – er und ich – unter uns sind, nur zu zweit und ihr nicht guckt!

In seinem Enthusiasmus ist Julian unbeschreiblich putzig und ich nicke begeistert. „Wir machen es zusammen!“ bestätige ich und zwinkere. „Wir fangen mit dem Schlafzimmer an und hören da auch auf.“ Ich lege meine Hand in seine und drücke sie.

Für die Dauer eines Herzschlages sehen wir uns an und dann lachen wir.

Bei den Göttern. Dieser da. Meiner!
 

Leider hält die gute Stimmung nicht lange an. Das Blaulicht einiger Streifenwagen erinnert sowohl Julian, als auch mich an den Grund unserer Fahrt. Den Wagen geparkt steigen wir gleichzeitig aus und gehen das kurze Stück Richtung Absperrband. Die Forensik ist bereits vor Ort. Berger kam sicherlich mit Charlene.

An den ersten beiden Tatorten sind wir drum herum gekommen. Hier nicht mehr. Die Presse ist da. Ein paar mit Kameras, alle mit Mikrofon. Bei den Göttern. Was ein Scheiß!

„Was ein Scheiß!“ höre ich Julian flüstern. „Diese Bestie bekommt Publicity!“

So ganz unvoreingenommen, Leute. Gehören Julian und ich zusammen? Ja? Oder ja? Genau! Dachte ich mir.

Auf das Absperrband zugesteuert werden die ersten Kameras auf uns gerichtet und die ersten Fragen stürmen auf uns ein.

„Wer war das Opfer?“

„Weiß man schon, wie…?“

„Weiß man schon, wer…?“

„Weiß man schon, womit…?

„Was tut die Polizei, um…?“

Mein Schatz und ich wechseln uns ab mit den Antworten, in denen wir uns einig sind: „Kein Kommentar.“

Jäh werden diese… Ich würde gern Aasgeier und Hyänen sagen, damit aber die Tierwelt beleidigen. Also umformulieren. Diese sensationsgeilen Medienfritzen werden jäh von uns abgelenkt. Und zwar allesamt!

Ich beantworte Ihre Fragen!“

Ratet, wer sich da hervortut und seinen großen Auftritt genießt. Jawohl. Die da. Die… Unperson in Person. Dieses Biest, Miststück, was mir sonst noch einfällt! Oder – Noch besser! – euch! Vorschläge? Immer raus damit! Zu böse gibt es nicht!

„Carol Artus.“ flucht Julian leise und deutet an, auf den Boden zu spucken. „Egal wie! Der kotze ich auf die Pumps!“ tut er kund. „Auf jeden Fall!“ So wie er aussieht, wird er es wahr machen.

„Ich kotze mit!“ verspreche ich und verkneife mir zu fragen, wo seine Antipathie gegenüber dieser… Unperson herkommt.

„Huhu! Officer Meyers!“ grüßt sie mich und winkt mir zu und ich… Ich taste nach meiner Waffe. Die ich nicht dabei habe. Zu ihrem Glück!

„Tja, Herrschaften… Wäre Officer Meyers etwas erfahrener und weniger hitzköpfig…“ deutet die da gegenüber den Reportern an und seufzt gekünstelt. „Einmal Schläger-Bulle, immer Schläger-Bulle.“

Ich werde ihr nicht nur auf die Pumps kotzen! Und kriege ich eine Waffe in die Finger…
 

Ein kurioser Geruch weht mir entgegen, als wir uns dem Tatort nähern. Kurios deswegen, weil ich diesen Geruch zwar kenne – dieser Geruch jedoch nicht hier hingehört, in den Hinterhof eines Clubs. Auch nicht in den Hinterhof eines der besseren Clubs.

Nach ein paar Schritten sind Julian und ich im Hinterhof dieses besseren Clubs, nach ein paar weiteren Schritten befinden wir uns am Leichenfundort und der befremdliche Geruch hat sich verstärkt.

Der Geruch von Rasierschaum. Diesem billigen Zeug in der Dose aus dem Supermarkt. Nicht mein Ding. Zuviel Chemie, die nicht gut und das reinste Gift für meine Haut ist. Ich verwende die gute alte Seife, die Mann mit dem Rasierpinsel in einer Schale aufschäumt und aufträgt. Für diejenigen, die es – Mal wieder! – genau wissen wollen: Ich benutze ein aufklappbares Rasiermesser und habe mich noch nie geschnitten!

Charlene hockt neben der Leiche, Berger ebenfalls. So nah an einem toten Menschen habe ich meinen Partner noch nie gesehen. Ich dachte immer, er sei zimperlich. Aber was ich von meinem Partner dachte ist eh hinfällig. Geht euch doch auch so, oder? Gebt es ruhig zu. Wir alle müssen unsere Meinung über Gerrit Berger ändern.

„Charlene.“ grüße ich meine beste Freundin zuerst. Sie sieht ziemlich blass aus, was garantiert nicht an dem Toten in ihrer unmittelbaren Nähe liegt. Vorgebeugt gebe ich ihr einen Kuss auf die Stirn. „Verzeih, Liebes.“ entschuldige ich mich. „Hätte ich mehr…“

„Nein!“ fährt sie mich an und springt auf. „Das ist nicht… Das ist ganz und gar nicht deine Schuld!“ Ihren blitzenden Augen nach ist sie kurz davor mich zu ohrfeigen. Weil ich mir eben doch die Schuld für den Anruf dieses Irren gebe. „Whoa! Charlene!“ Die Hände gehoben gehe ich einen Schritt rückwärts, stolpere und stürze. Jedoch nicht zu Boden. Julian fängt mich auf und stellt mich wieder auf die Füße. Darüber verliert er kein Wort oder macht einen dämlichen Spruch, sondern geht direkt zur Begrüßung meiner Kollegen über. „Doktor Rush. Detective Berger.“ Er nickt beiden zu und beide nicken ihm zu.

Komischerweise gibt auch Berger nichts von sich. Keine Ahnung, was mit ihm los ist.

Ich gehe derweil auf das neueste Opfer des Schlitzer zu und in die Knie und sehe ihn mir an – das Totenlied singend. Mein Partner sieht mich an – sagt immer noch nichts – und hält mir Einmal-Handschuhe entgegen, die ich annehme und anziehe. Mit einem gemurmelten „Danke…“ beende ich meinen Gesang.

Wie der junge Wellington und der alte Chief sitzt er da. Nackt und die Hände im Schoß, die Kehle und den Brustkorb aufgeschlitzt und die Rippen zerschmettert. Und noch mehr. Der Geruch vom Rasierschaum kommt von ihm. Sein Kopf, sein Gesicht – auch die Augenbrauen, seine Scham – ich hebe den einen, dann den anderen Arm – die Achseln… Alles ist frisch rasiert. Sehr sorgfältig und achtsam sogar. Kein Haar und kein Schnitt ist auszumachen. Schaumreste sehe ich ebenfalls nicht. Ich betrachte den asphaltierten Boden, der wie frisch gewischt wirkt.

Bei den Göttern. Dieser Irre… Der ist nicht irre. Der weiß genau, was er tut und wie er es tut.

Mein Blick richtet sich wieder auf das Opfer, das wieder anders ist, als die beiden Opfer zuvor. Dieser Mann ist ein Hüne – ich schätze ihn auf über zwei Meter zehn. Dazu hat er ein breites Kreuz und ist mit Muskeln bepackt. Was ein Koloss! Und doch fehlen an den Armen Abwehrverletzungen. Ich hebe den Kopf des Toten, auf der Suche nach den blauen Flecken am Kinn. Es sind keine zu finden. Einer Eingebung folgend sehe ich mir den Hinterkopf an. Haarlos zwar, dennoch sieht es so aus… „Es sieht so aus, als wurden ihm ein paar Haare ausgerissen.“ sage ich. „Wahrscheinlich am Schopf gepackt, zurückgerissen und…“

„SCHLITZ.“ beendet mein Partner sehr treffend den Satz.
 

()Aaron aufgefangen und auf die Füße gestellt hat er das Interesse von Doktor Rush an seine Person geweckt und sie mustert ihn gründlich. Ein kleines wissendes Lächeln auf den Lippen wendet sie sich von dem Officer in Zivil ab und dem Toten zu.

Das Lächeln irritiert Julian für eine Sekunde. Der Begrüßung nach ist sie gut – eher sehr gut mit Aaron befreundet und weiß von dessen Homosexualität. Jegliche Erwiderung unterlassend – ihm fällt auch gerade nichts zum Erwidern ein – beobachtet Julian seinen Schatz bei der Begutachtung des Opfers.

Näher herangetreten und bei den Füßen der Leiche ebenfalls niedergekauert besieht er das Gesicht des Toten. „Da könnte ich mich jetzt irren.“ denkt Julian laut. „Aber ich glaube, ich kenne ihn.“ Er zieht damit fast alle Blicke auf sich und es macht ihn befangen. Nur Aaron sieht nicht her, ganz mit dem Toten beschäftigt.

„Woher?“ will dessen Partner wissen.

Julian überlegt sehr genau. „Aus der ‚Grauzone‘.“

„Was ist das?“ will Detective Berger weiterhin wissen.

„Ein gemeinnütziger Treffpunkt für Straßenkinder.“ erläutert die Pathologin für Julian und mustert ihn wieder – und das weit gründlicher. „Was machen Sie in der ‚Grauzone‘?“ erkundigt sie sich bei ihm.

„Ich lehre den Kids Selbstverteidigung.“ erwidert er gewissenhaft und wahrheitsgemäß.

Detective Berger erhebt sich mit einem nicht zu überhörendem Ächzen. Mehr Sport würde dem Mann gut tun. Möglicherweise gepaart mit einer Umstellung der Ernährung. Mehr Obst und Gemüse. Mageres Fleisch. Weniger Fett. Und weniger Zucker.

„Selbstverteidigung. Aha. Kung Fu und so was, ja?“ hakt der Detective nach.

„Ja. Genau. Kung Fu und so was.“ stimmt Julian nickend zu und unterlässt es wohlweislich, die untersetze Figur des ranghöheren Polizisten zu kritisieren. In seinem eigenen Revier laufen genug Kollegen herum, die mit ihrem Bauchumfang den des Detectives bei weitem in den Schatten stellen.

„Aha.“ macht Detective Berger. „Und wie heißt er jetzt, unser toter Gigant?“

Wenn er das ist…“ fängt Julian vorsichtig an. „Dann ist das Hänschen Kline.“()



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Witch23
2013-04-20T20:13:47+00:00 20.04.2013 22:13
Hallo und schön wieder was von dir zu lesen. Ich wollte schon nachfragen, doch da hast du meine gedachte frage auch schon beantwortet. *freu* es ist zwar nicht schön von einer Leiche zu lesen, aber ich hibbel immer noch der Geschichte hinterher. ^_^°

Und mir ist gerade erst aufgefallen das der Hauptteil der Geschichte in Ich-Stil und der Rest in Erzähler-Stil geschrieben ist. o_O ist mir bislang nie so arg ins Bewusstsein gekommen oder habe ich schon wieder vergessen.

Ich freue mich auf jeden Fall das ich wieder etwas weiter lesen konnte und warte ungeduldig und doch geduldig auf weiteres.


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