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Crimson Nights

Für Knuddelkeks-Schoki - und Vampirfans! ;D
von

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Ortswechsel

Nachdem die DVD zu Ende war, zockten Dean und Kai Tekken, bis die Zeiger der Uhr auf halb Eins zugingen.
 

"Woah, schon wieder so spät und ich hab die Mittagsschicht!"
 

"Dann sollte ich mich jetzt auf die Socken machen. Bin eh schon voll im Arsch und ich muss die Katze noch füttern! Wenn sie weiterhin zu so unregelmäßigen Zeiten ihr Fressen bekommt, fängt sie noch an mich zu hassen."
 

Dean gähnte, dicht gefolgt von seinem Freund, den er damit ansteckte und nickte. Kai bestand darauf ihre zusätzliche Unordnung aufzuräumen. Nachdem alles gespült und verräumt war, schnappte er sich seine Sachen und begab sich auf den Heimweg.

Den Mordfall hatte er beim Zocken verdrängt, doch nun, wo er allein durch die Straßen lief, fühlte er sich unwohl.

Bei jedem leisen Geräusch drehte er sich um und vermied es nach Möglichkeit an dunklen, schwer einsehbaren Ecken vorbei zu laufen. Notfalls wich er ein ganzes Stück auf die Straße aus.

Er verlangsamte seine Schritte nicht eher, bis er sicher die Eingangstür seines Mietshauses hinter sich schloss und das Licht anschaltete. Erleichtert atmete er aus und ärgerte sich über seine Paranoia.
 

Seinen Briefkasten hatte er noch nicht geleert und so holte er ein paar Werbeflyer und eine Briefsendung aus seinem Fach. Vermutlich handelte es sich um die DVD, die er neulich günstig ersteigert hatte.

Während er die Werbung überflog, lief er die Treppe zu seiner Wohnung hinauf. Kurz bevor er an die Biegung zum dritten Stock gelangte, wo sich seine Wohnung befand, ging das Licht aus. Er hatte am Briefkasten zuviel Zeit gebraucht.

So schnell es ihm im Dunkeln möglich war, lief er die nächsten Stufen nach oben und tastete an der Wand nach dem Lichtschalter.

Das Licht ging wieder an und sein Blick fiel auf eine dunkle Gestalt, die an seiner Wohnungstür lehnte. Kai schrie auf, ließ seine Post fallen und nahm eine abwehrende Körperhaltung ein. Sein Atem ging schnell und Adrenalin durchströmte sein Blut. Er war bereit sich seinem Angreifer mit aller Kraft entgegen zu stellen.

Nun erst fiel ihm auf, wer da vor ihm stand: Elias, mit einer hochgezogenen Augenbraue!
 

"Scheiße Mann, du hast mich zu Tode erschreckt!"
 

Der junge Mann entspannte sich wieder und ließ seine Fäuste sinken. Elias verschränkte lässig die Arme vor seiner Brust.
 

"Tote schreien nicht wie am Spieß!"
 

Kai bückte sich und sammelte seine Post vom Boden auf, die sich dort schön verteilt hatte. Seinen Wohnungsschlüssel entdeckte er auf einer Treppenstufe.
 

"Was erwartest du, stehst da im Dunkeln vor meiner Wohnungstür!"
 

"Wen dachtest du denn hier vorzufinden?"
 

"Unwichtig, wie bist du überhaupt hier rein gekommen?"
 

"Unwichtig."
 

So kamen sie hier nicht weiter. Elias stieß sich mit dem angelehnten Fuß von der Tür ab und trat zur Seite, als Kai Anstalten machte die Tür aufzuschließen.
 

"Warum bist du eigentlich hier? Du willst mich doch sicher nicht so spät noch zu einer Probe abholen, oder?"
 

"Nein, sicherlich nicht. Ich bin zwar ein Nachtmensch, aber ich muss ausschlafen können und habe vorher noch ein paar Dinge zu erledigen."
 

"Komm erstmal rein, aber sieh dich bitte nicht so genau um, ich habe nicht mit einem Spontanbesuch gerechnet und die Wohnung ist etwas… naja, unordentlich."
 

Elias trat an Kai vorbei, während dieser die Tür wieder schloss und traf im Flur auf Minx, die ihren menschlichen Dosenöffner schon sehnsüchtig erwartete. Als sie Elias sah, stellte sich ihr Fell am Rücken auf und ihr Schwanz glich einem Eichhörnchen, so dick plusterte sie sich auf und fauchte.
 

"Minx! Sorry, das macht sie sonst nicht, sie ist eine sehr umgängliche Katze. Was ist denn mit dir los, Süße? Ähm… vielleicht wartest du dort im Wohnzimmer, ich geb ihr schnell was zu fressen."
 

Elias betrat das Wohnzimmer, sah sich aufmerksam um, zog die Vorhänge zu und blieb neben einem der Fenster stehen, wo er ab und zu wie beiläufig durch einen Spalt auf die Straße schaute. Kai stieß kurze Zeit später dazu.
 

"Entschuldige, ich hab nicht mehr viel da, aber kann ich dir was zu Trinken anbieten?"
 

Elias' Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln. Er wirkte amüsiert.
 

"Das ist sehr freundlich von dir. Was möchtest du mir denn anbieten?"
 

"Ähm… ich müsste noch etwas Saft oder Bier im Kühlschrank haben… oder möchtest du einen Tee? Den könnte ich dir auch aufbrühen."
 

"Nein danke."
 

"Ok, mehr ist leider einfach nicht da. Ich kam noch nicht zum Einkaufen, tut mir echt leid."
 

"Das muss es nicht."
 

Sein Besucher drehte eine Runde durch das Wohnzimmer, während Kai sich abwartend auf das Sofa setze und ihm dabei zusah. Es war ihm peinlich, als Elias betont über eine Boxershorts von ihm stieg.

Das erste Mal hatte er ihn nun zu Besuch und durch seine makellose Erscheinung und seinen Anzug wirkte die Wohnung noch unordentlicher.

Er hatte ihm nicht einmal etwas anbieten können, was er mochte und Minx hatte ihn angegiftet. Als Gastgeber hatte er auf ganzer Linie versagt.
 

"Zeige mir dein Schlafzimmer!"
 

"Bitte was?"
 

"Ich möchte dein Schlafzimmer sehen."
 

"Warum?"
 

Elias bedachte ihn mit einem strengen Blick, der ihm zeigte, dass er keine weiteren Widerworte dulden würde. Kai erhob sich, blieb unsicher im Flur stehen und wies mit dem Finger in Richtung Schlafzimmer. Sein Chef trat ein und musterte auch diesen Raum ausgiebig. Kai trat näher, um zu sehen was Elias vorhatte. Dieser drehte sich unvermittelt zu ihm um.
 

"Und jetzt zieh dich aus!"
 

"Was???"
 

"Dein verschreckter Blick ist zu amüsant, ich konnte mir diesen Scherz einfach nicht verkneifen."
 

Elias schien ein breites Lächeln zu unterdrücken und verließ den Raum, gefolgt von einem irritierten Kai.
 

"Deine Wohnung ist spärlich eingerichtet."
 

"Ich muss mein Geld eben zusammen halten."
 

"Oh, nein, nein. Versteh mich nicht falsch. Es ist gut, das du nicht so viel besitzt. Das wird deinen Umzug unkompliziert gestalten."
 

Kai dachte, er hätte sich verhört. Wie kam sein Chef denn auf diese Idee?
 

"Moment mal, Umzug? Ich habe nicht vor umzuziehen."
 

"Doch, das wirst du."
 

"Das habe immer noch ich zu entscheiden, meinst du nicht auch?"
 

Elias trat näher zu ihm, griff ihn rechts und links bei den Schultern und sah ihm fest in die Augen.
 

"Bedaure, das hast du nicht."
 

Kai war unfähig die passenden Worte zu finden über diese Dreistigkeit. Er setzte mehrmals an etwas zu erwidern, aber vor Wut konnte er nur noch stammeln.
 

"Du bist so rebellisch. Ich wusste, wir würden uns verstehen, aber nun hörst du mir gut zu, Kai Deger. Du wirst dich bald ausruhen und wenn du wieder aufstehst, wirst du deine notwendigsten Sachen zusammen packen. Diese Wohnung wird dir erhalten bleiben, keine Sorge. Um das Finanzielle kümmere ich mich, aber du wirst dich im Crimson Delight räumlich einrichten. Unsere Zusammenarbeit macht es zwingend erforderlich. Ich lasse morgen jemanden kommen, der deine Sachen abholt."
 

Die Worte seines Chefs drangen in ihn ein. Es hörte sich eigentlich nach einem guten Plan an, vernünftig. Er ging im Kopf bereits durch, welche Sachen er zuerst verstauen würde. Bad und Küche wären sicherlich am schnellsten abgehakt. Ob er auch sein Geschirr mitnehmen sollte? Da fiel ihm Minx ein.
 

"Aber… meine Katze!"
 

Elias verdrehte die Augen.
 

"Wenn du sie für notwendig erachtest und niemanden findest, der sich um sie kümmern kann, dann nimm sie mit, um des lieben Friedens willen."
 

Natürlich würde Kai sein Haustier mitnehmen, wie konnte nur jemand auf den Gedanken kommen, er würde Minx zurück lassen?

Elias hatte erledigt, weswegen er gekommen war und die Dunkelheit würde sich in ein paar Stunden mit dem Tag abwechseln. Es stand noch einiges auf seiner To-Do-Liste und die Zeit aufzubrechen war gekommen.
 

"Ich habe noch zu tun. Gute Nacht, Kai."
 

Elias nahm seine Hände von Kais Schultern und platzierte seine rechte an den Hinterkopf des jungen Mannes, ohne den Blick von seinen Augen abzuwenden. Liebe Güte, waren Elias’ Augen hell. Kai war ganz fasziniert vom Kontrast zu diesen dunklen Locken.

In seinem Kopf formten sich die Worte "dunkler Engel".

Die kühle Hand seines Chefs nahm ihren Weg über sein Haar und den Nacken hinunter, ehe sie sich von ihm löste. Mit einem letzten "Gute Nacht." wandte sich Elias von ihm ab und verließ ohne weiteres Zögern die Wohnung.

Obwohl er Kai schon wieder Befehle erteilt hatte und sich aufspielte, als könne er sich einfach alles erlauben, bedauerte Kai, dass sein Besucher nicht länger geblieben war.
 

"Scheiß Hormone!"
 

Da Elias nun sein Chef war, nahm er sich vor, nicht einmal daran zu denken, das Verhältnis zu vertiefen. Sein Körper allerdings reagierte auf ihn, natürlich, er sah gut aus und schließlich waren sie miteinander intim gewesen, bevor sich die Möglichkeit mit dem Vertrag ergeben hatte.

Kai wünschte nur zu wissen, wie intim genau sie miteinander an dem besagten Abend im Crimson gewesen waren. Er konnte sich an Berührungen erinnern, an Bilder… zum Beispiel wie Elias sich über ihn beugte… und dann? Was war dann geschehen? Wie konnte es sein, das er am nächsten Tag mit Knutschflecken übersäht gewesen war und nichts mehr darüber wusste?
 

Kai drehte murrend den Schlüssel zur Wohnungstür zwei Mal um und machte sich dann auf die Suche nach seiner Katze, die er unter seinem Bett vorfand. Es dauerte lange, bis sich Minx mit Leckereien darunter hervorlocken ließ.

Noch eine Stunde nach dem Besuch seines Chefs bewegte sich die Katze äußerst vorsichtig und verunsichert durch die Wohnung. So etwas hatte Kai nun wirklich noch nie an ihr beobachtet.
 

"Was ist nur mit dir, Minx?"
 

Schließlich schnappte er sich die Katze und nahm sie mit in sein Bett. Er war sehr müde und schlief auch bald ein.
 


 

Gegen 11 Uhr erwachte Kai durch das laute Klingeln seines Telefons. Verschlafen torkelte er in den Flur, nahm den Hörer ab und brachte ein schläfriges "Kai Deger?" heraus. Eine Männerstimme meldete sich.
 

"Klinger-Umzüge, guten Tag. Wir wurden für heute zu Ihrer Wohnung bestellt. Sind die Kartons bereit?"
 

Schlagartig war Kai wach. Umzug? Da war doch was!
 

"Oh, äh… nein! Ich habe verschlafen. Können Sie in… ähm… vielleicht drei Stunden oder so kommen?"
 

"Dann kommen wir um 14 Uhr vorbei. Auf Wiedersehen."
 

"Ja, Wiedersehen."
 

Kai zog sich in Windeseile eine Jeans und ein T-Shirt über, schlüpfte in seine Schuhe und raste in den Keller hinunter, um seine alten Umzugskartons zu suchen. In den nächsten drei Stunden hetzte er durch die Wohnung wie ein kopfloses Huhn, um alles irgendwie transportabel zu verpacken, was er in der nächsten Zeit gebrauchen könnte.

Schließlich standen fünf große, beschriftete Kartons in seinem Wohnzimmer und als er gerade die widerwillige Minx in die Katzentransportbox buxiert hatte, klingelte es an seiner Tür.
 

Rasch wurde der Umzugswagen durch einen stämmigen Mann beladen, der alleine kam und nicht sehr gesprächig war. Kai setzte sich mit der Katzenbox auf den Beifahrersitz.
 

"Wir fahren jetzt zum Crimson Delight, oder?"
 

"So lautet die Anweisung."
 

"Ok. Wer nimmt die Sachen dort entgegen?"
 

"Darüber habe ich keine Informationen."
 

"Zombie", dachte Kai bei sich und sah aus dem Fenster. Hoffentlich fand sich Minx in ihrem neuen Umfeld schnell zurecht. Um sie tat es ihm leid. Sie konnte ja nichts für diese plötzliche Entwicklung. Dean würde er dann schnellstmöglich bescheid geben. Ihm war auch noch immer nicht klar, warum er eigentlich umziehen musste.

Elias hatte ihn einfach damit überfahren und er empfand es, als hätte er keine andere Wahl gehabt, als das zu tun, was sein Chef von ihm verlangte. Wieder kochte Ärger in ihm hoch. Sein Chef konnte nicht über ihn verfügen wie er wollte und doch hatte er wieder seinen Willen durchgesetzt.

Kai beschloss ihn zur Rede zu stellen, sobald er ihn zu Gesicht bekam. Wenn es für ihn keinen einleuchtenden Grund gab zu bleiben, dann würde er eben seine Sachen schnappen und wieder in seine alte Wohnung umziehen. Elias hatte ihm ja versichert, dass die Wohnung nicht gekündigt werden würde.
 

Sie passierten Tore mit Sicherheitspersonal und der Fahrer musste zwei Mal seine Auftragspapiere und seinen Ausweis vorzeigen, bis sie zum Halten kamen. Zügig wurden die Umzugskisten ausgeladen und Kai blieb unschlüssig daneben stehen, bis die Empfangsdame, die ihn letztes Mal zu den Büros geführt hatte, mit fünf Männern im Schlepptau auf Kai zulief.

Die Männer trugen Businesskleidung, die Frau war Mitte Dreißig, adrett mit einem dunkelblauen Rock und einer weißen Bluse bekleidet, trug eine Hochsteckfrisur und hatte dezentes Make-up aufgetragen.
 

"Guten Tag, Herr Deger. Mein Name ist Sabine Rohn. Ihr Umzug verlief hoffentlich problemlos?"
 

Sie gab ihm zum Gruß ihre Hand.
 

"Guten Tag. Ähm… ja."
 

"Vielen Dank, das wäre alles.", sprach sie an den Fahrer gewandt, der daraufhin in seinen Wagen stieg und fortfuhr.
 

"Bitte folgen Sie mir, Herr Deger. Ich bringe Sie in ihre neue Wohnung."
 

Die Männer hoben die Kisten auf und folgten ihnen.
 

Sie nahmen diesmal einen anderen Eingang, der sie wie das erste Mal über Treppen hinab führte. Wieder fielen Kai Sicherheitstüren ins Auge und die Empfangsdame tippte an manchen Stellen Codes ein, um in weitere Bereiche zu gelangen. Vor einer Tür in einem breiteren Flur blieben sie stehen.
 

"So, da wären wir. Bitte treten Sie ein."
 

Sie öffnete ihm die Tür mit einer Chipkarte und als Kai den Raum betrat, glaubte er sich in einem Nobelhotel wieder zu finden. Die Möbel waren exquisit und in einem warmen Dunkelbraun ausgesucht worden. Es gab einen großen Flachbildfernseher, eine kleine Bar. In einem angrenzenden Raum entdeckte er das Bad, das bestimmt fünf Mal so groß als sein altes war. Eine geräumige Dusche und eine breite Badewanne, in der locker drei Personen Platz fanden, fielen ihm gleich ins Auge. Er war überwältigt.
 

Als er zurück in das Wohnzimmer trat, fand er seine Kartons in der Raummitte vor. Die Männer, die ihnen zur Hand gegangen waren, warteten im Flur. Die Frau lächelte ihn an und überreichte ihm einen Umschlag.
 

"Ich hoffe es gefällt Ihnen hier. Richten Sie sich in aller Ruhe ein und sollten Sie etwas vermissen, scheuen Sie sich bitte nicht mir weitere Wünsche mitzuteilen. Meine Durchwahl finden Sie hier auf dem Schreibtisch. Das Kochen ist hier leider nicht möglich, Essenswünsche gehen aus diesem Grund bitte auch an mich. Alles Weitere werde ich für Sie veranlassen."
 

Kai konnte nur dastehen und nicken. Frau Rohn deutete auf den Umschlag in seiner Hand.
 

"In diesem Umschlag befindet sich eine Liste mit Nummern, die Sie bitte auswendig lernen und an mich zurückgeben. Ein Plan ist beigefügt, der Ihnen erklärt, welche Bereiche Ihnen damit offen stehen. Die Chipkarte ist nur für ihre Wohnung bestimmt, bitte achten Sie gut darauf. Im Falle des Verlustes, teilen Sie mir das bitte schnellstmöglich mit."
 

Sie legte die Chipkarte sorgsam zu ihrer Rufnummer auf den Schreibtisch.
 

"In dieser Schublade befindet sich eine knappe Gebrauchsanleitung für die Kamerafunktion und Sprechvorrichtung an ihrer Wohnungstür. Sie werden sich sicherlich schnell damit zurechtfinden. Haben Sie für den Moment noch Fragen?"
 

Kai schüttelte den Kopf. Er hatte seine Sprache noch nicht wieder gefunden.
 

"Herr Duprés wird sie gegen 21 Uhr aufsuchen. Bis dahin: Leben Sie sich ein bisschen ein. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag."
 

"Ja, danke. Das wünsche ich Ihnen auch."
 

Sie lächelte und schloss beim Herausgehen die Tür hinter sich. Kai drehte sich um die eigene Achse und ließ den Raum auf sich wirken. Ob er sich hier jemals gemütlich einrichten konnte, sodass es sich nach einem zu Hause anfühlte bezweifelte er stark. Er würde sich eher wie im Urlaub fühlen. In einem sehr teuren Hotel.

Er betrat das letzte Zimmer, das er sich noch nicht angesehen hatte. Es war das Schlafzimmer, das mit einem großen Bett und einem begehbaren Kleiderschrank ausgestattet war. Alle Möbel waren von einer modernen Eleganz und aus echtem Holz, da konnten seine alten Do-it-yourself-Ikea-Möbel aus Pressspanplatten, die sich noch im Ellerweg befanden, bei weitem nicht mithalten.
 

Über all die neuen Eindrücke hatte er Minx ganz vergessen, die vor Ungeduld in ihrer Transportbox zu randalieren begann. Rasch ließ er das arme Tier heraus und sah zu, wie sie sich unsicher durch die Wohnung bewegte. Einmal fing er ihren Blick auf, der ihm – wie er glaubte – zu sagen schien: Du hast sie nicht mehr alle!

Minx war von dieser neuen Situation nicht begeistert. Kai hoffte, dass sie sich bald einleben würde. Das hoffte er auch von sich. Ein Versuch war es auf jeden Fall wert.

Wie viel seine Katze von dieser Idee hielt, zeigte sie deutlich, als sie demonstrativ in das Badezimmer kackte.

Kai war ihr dankbar, dass sie sich die Fliesen dafür ausgesucht hatte. Nachdem er den Protesthaufen beseitigt hatte, nahm er sich die Umzugskartons vor und versuchte den Räumen ein bisschen mehr Leben einzuhauchen. Er schrieb sogar an einer Liste, die er Frau Rohn bei Gelegenheit überreichen würde, sollte er nicht bald die Möglichkeit zu einem Einkauf haben.

Er ließ sich eine Pizza bestellen und machte es sich eine dreiviertel Stunde später damit auf dem teuren Ledersofa bequem.
 

Als er Dean anrufen wollte, stellte er fest, dass sein Handy keinen Empfang hatte. Mit dem Telefon konnte er nur intern telefonieren, mit anderen Worten: Frau Rohn war die Einzige, mit der er momentan in Kontakt treten konnte. Er sah auch nirgends eine Möglichkeit mit seinem Laptop ins Internet zu gehen.

Noch ein Punkt, den er dringend ansprechen musste. Er brauchte eine Verbindung nach draußen.
 

Von der Pizza waren schließlich nur noch ein paar Krümel übrig, die er mit dem Zeigefinger aufsammelte. Das war absolut kein Vergleich zu einer Tiefkühlpizza oder den Pizzerien die er kannte. Er würde sich darüber erkundigen, wer dieses köstliche Teil geliefert hatte.

Minx schmollte und hatte ihr Futter stehen gelassen. Kai hatte die Hoffnung, dass sie sich vielleicht später darüber hermachte.
 

Ein Blick auf die Uhrzeit verriet ihm, dass es noch fast zwei Stunden dauern würde, bis sein Chef bei ihm vorbei schauen würde. Den Umschlag hatte er bereits geöffnet und sich mit dem Inhalt vertraut gemacht. Mit dem Plan und dem Nummernzettel in der Hand, begab sich Kai auf Erkundungstour in den Gang. Hier hingen wenigstens ab und zu ein paar duplizierte Gemälde an der Wand, in den weiteren Gängen hatte man sich nicht so viel Mühe gegeben.
 

Alles wirkte trist und niemand begegnete ihm. Weit kam er mit seinen Zahlenkombinationen nicht. Schon gar nicht an die frische Luft, was ihn deprimierte. Er fühlte sich ein bisschen wie eine Maus, die durch unterirdische Gänge lief, um den richtigen Weg nach Draußen zu suchen.

Eigentlich hatte Kai erwartet, dass er auch Zugang zu dem Gang bekam, in dem sich Elias’ Büro befand, doch es war nicht so. Das irritierte ihn etwas und auch das war ein Punkt, den er besprechen würde.
 

Es war Zeit zurück zu laufen. Der Plan war eine große Hilfe, um wieder zurück zu seiner neuen Wohnung zu finden. Die anderen Gänge sahen sich alle ähnlich, sodass er sich andernfalls wohl verlaufen hätte.

Nur wie sollte er sich die Zahlenkombinationen im Kopf behalten? Er hatte noch nie über ein herausragendes Zahlengedächtnis verfügt und konnte von Glück sagen, das er sich ein paar Telefonnummern und Geburtstage im Kopf behalten konnte. Nun sollte er acht zehnstellige Zahlenreihen auswendig lernen und sich auch noch merken an welcher Tür er welche Reihe eingeben musste.
 

Als Kai sich wieder in der Wohnung befand, legte er das Zahlenblatt auf den Fernsehtisch. Jetzt hatte er nicht die nötige Konzentration, um sich damit zu beschäftigen.

Er beschloss die Dusche auszuprobieren und war begeistert über den breiten Duschkopf, mit dem man acht verschiedene Strahlen einstellen konnte. Er konnte sogar einstellen, das Strahlen seitlich aus der Wand heraus kamen. Ein Farbwechsler in der Decke beschien den Duschenden bei gedämmtem Licht in den Farben Blau, Violett, Rot, Grün oder in normalem Licht. Das Handtuch, mit dem er sich abtrocknete war voluminös und weich.
 

Nie hatte sich ihm die Möglichkeit zu einem Wellness-Urlaub geboten, von dem ihm seine Mutter ab und zu vorschwärmte, wenn es einmal zu den seltenen Telefonaten kam, die sie vielleicht drei Mal im Jahr miteinander führten, doch dieser Ort kam einem Wellness-Urlaub nahe.
 

Nach dem Tod seines Vaters und mit Kais Volljährigkeit, hatte seine Mutter begonnen durch die Welt zu tingeln. Vielleicht befand sie sich momentan in Indien bei irgendeinem Guru, der ihr Yoga näher brachte, wer wusste das schon. Sie war nun etwas mehr als fünf Jahre unterwegs und schien noch immer nicht angekommen zu sein – was auch immer seine Mutter darunter verstand.
 

Kai drängte den Gedanken an seine mangelhaften Familienbande hinfort und wählte eine schwarze Cargohose mit einer Schlüsselkette an der Seite, streifte sich ein dunkelrotes T-Shirt über und befestigte ein dunkelbraunes Lederarmband am linken Handgelenk, in das keltische Muster eingebrannt waren.

Sah passabel aus, entschied der junge Mann, als er sich von allen Seiten im ausgeleuchteten, mehrteiligen Spiegel betrachtete. So ein begehbarer Kleiderschrank war unnötig, aber wenn man ihn erst einmal hatte, sah man schon die gewissen Vorzüge.

Dean würde ihn vermutlich auslachen und ihn als Diva bezeichnen. Mehr würde sich Kai aber nicht aufbrezeln. Sonst käme Elias vielleicht auf falsche Gedanken. Nun, genau genommen käme er wohl auf den richtigen Gedanken, aber genau das war es was Kai verhindern wollte:

Elias sollte nicht glauben, er hätte sich für ihn in Schale geworfen, obwohl er ihm doch irgendwie gefallen wollte.

Auch wenn er nicht vorhatte etwas mit seinem Chef anzufangen, so mochte er den Gedanken, dass er etwas mit ihm anfangen könnte.
 

Die nächste halbe Stunde verbrachte er vor dem riesigen Fernseher, bis es an seiner Tür klingelte und er durch das unerwartete, ungewohnte Geräusch zusammenzuckte.

Er schaltete mit der Fernbedienung den Fernseher auf Stand by-Betrieb um und lief zur Tür.
 

Die Kamera neben der Tür zeigte, dass wie erwartet Elias davor stand und Kai öffnete ihm fröhlich. Ihm fiel auf wie einsam und abgeschieden er sich in der fensterlosen Wohnung gefühlt hatte. Und das bereits nach den wenigen Stunden.
 

"Hi!"
 

"Guten Abend, Kai."
 

Kai trat zur Seite und bat seinen Chef durch eine Geste einzutreten. Elias sah sich kurz um.
 

"Wie ich sehe hast du dich schon ein wenig eingelebt. Wie gefällt dir die Einrichtung?"
 

"Sie ist echt schick, aber sie erschlägt einen.", sagte er wahrheitsgemäß und bereute in der nächsten Sekunde, dass er einfach gesprochen hatte, ohne darüber nachzudenken.
 

"Ich habe mir Mühe gegeben etwas auszusuchen, das deinen Bedürfnissen entsprechen könnte. Natürlich kannst du Änderungen vornehmen. Verstehe es als einen Vorschlag."
 

Elias verzog keine Mine, aber Kai konnte sich nicht sicher sein, ob er sich auf den Schlips getreten fühlte, wenn es wirklich der Wahrheit entsprach, das er selbst die Einrichtung ausgesucht hatte und diese Aufgabe nicht an eine Sekretärin in Auftrag gegeben hatte.
 

"Das sollte nicht unhöflich klingen. Ich bin diesen Luxus einfach nicht gewohnt."
 

"Verstehe. Nun, ich hoffe du wirst dich bald gut einleben."
 

Verlegen rieb sich Kai den Nacken. Er wollte nicht nörgelnd klingen, aber er sollte schließlich sagen, wenn ihm etwas missfiel.
 

"Da wären noch ein paar Dinge… ähm, zum einen der Anschluss. Ich kann nicht telefonieren."
 

"Soweit ich unterrichtet wurde hat die Kommunikation mit Frau Rohn einwandfrei funktioniert."
 

"Ja, das stimmt, ich meinte eigentlich dass ich keine Freunde anrufen kann."
 

"Nun, das dürfte schwierig werden. Der Anschluss ist nur für interne Zwecke bestimmt."
 

"Gibt es da keine Lösung? Nicht einmal mein Handy funktioniert hier unten."
 

"Ich fürchte, du wirst hier auf anderweitige Telefonate verzichten müssen. Auch mit einer Internetverbindung kann ich leider nicht dienen. Nach deiner Arbeit heute werde ich dir jedoch eine Möglichkeit verschaffen deinen gewünschten Anruf zu tätigen."
 

Elias nickte in Richtung des Fernsehtisches, worauf der Nummernzettel lag.
 

"Hast du sie auswendig gelernt?"
 

"Was? Nein, noch nicht. Dafür brauche ich noch ein bisschen Zeit."
 

"Du solltest dir damit nicht mehr allzu viel Zeit lassen. Es ist notwendig sie wie im Schlaf zu können. Laufe bitte nicht mit dem Blatt in der Gegend herum. Es ist ein Privileg diese Codes zu erhalten. Ich wünsche nicht, das sie in unbefugte Hände gelangen."
 

"Ok."
 

Wie gut das sein Chef nicht wusste, dass er dies bereits getan hatte. Kai fragte sich noch immer weshalb hier alle so sehr auf Sicherheit bedacht waren, aber da auch Leute hier herumliefen wie beispielsweise die Männer, die ihm die Umzugskartons getragen hatten, konnte er schon verstehen das es ein Risiko darstellte, wenn er den Zettel mit den Codes versehentlich in einem der Flure verlieren würde.
 

"Nun, ich hoffe du bist bereit für die heutige Probe. Diesmal wirst du mit den anderen Bandmitgliedern zusammen proben, damit ihr euch besser aufeinander einstimmen könnt."
 

"Oh, gut."
 

Elias hielt ihm die Chipkarte entgegen und öffnete ihm die Tür. Kai hätte die Karte sicherlich liegen gelassen. Er verstaute sie in einer tiefen Hosentasche und folgte seinem Chef, der einige Flure entlang lief und ihn zu dem Raum führte, in dem bereits die erste Probe mit ihm allein stattgefunden hatte.

Auf der Sitzgarnitur in einer Ecke lümmelten bereits vier junge Männer, die Kai vom Alter her auf Mitte bis Ende Zwanzig schätzte. Als er auf die Bühne gerufen worden war, hatte er vor Nervosität nicht wirklich Notiz von ihnen genommen. Sie begrüßten Kai lässig und stellten sich vor.
 

Liam war ein Gitarrist aus England, der nur gebrochen Deutsch sprach. Er trug sein hellbraunes, stufiges Haar schulterlang. Auf den ersten Blick machte er mit seinem grün-gelb kariertem Hemd und der dunkelbraunen Jeans einen entspannten Eindruck, auf den zweiten Blick wirkte er aufgeweckt und voll Tatendrang.

Mit einer grünen Armyhose und einem olivfarbenem Hemd hatte sich der Schlagzeuger Patrick begnügt, der einen deutlich muskulösen Oberkörper hatte und die Spitzen seines kurzen, dunkelbraunen Haares gegelt hatte.

Der Bassist war ein Fall für sich. Er stellte sich mit dem Künstlernamen Corvid vor, trug eine schwarze Bondage-Lackhose und ein schwarzes Netz-Shirt. Seine Brustwarzen waren beide gepierct, ebenso seine rechte Augenbraue und an fünf Stellen sein linkes Ohr. Die unteren Zwei-Drittel der rechten Seite seines Kopfes waren rasiert, während das schwarz gefärbte Haar zu seiner linken Seite in einem Seitenscheitel spitz zulaufend geschnitten um die zwanzig Zentimeter lang war. Mehrere silberne Ringe zierten seine schlanken Finger. Beide Musiker kamen aus Deutschland.

Kjell, der Keyboarder, war in Schweden geboren und lebte seit vier Jahren in Deutschland. Er hatte die stereotypen blauen Augen und blonde, lange Haare, die er zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Er trug eine schwarze Lederhose und ein dunkelblaues Shirt von einer Band, die Kai nicht lesen konnte.
 

"Hey Leute, cool euch mal richtig kennen zu lernen. Ich bin Kai, aber das wisst ihr ja schon."
 

Kai bemühte sich so locker zu wirken wie die anderen, aber seine Nervosität bemerkte zumindest Elias, der ihn amüsiert anlächelte, während er an ihm vorbei lief. Er setzte sich auf einem Stuhl nieder und klatschte zweimal aufmunternd in die Hände.
 

"Nun lasst hören, was ihr zustande bringt."
 

"Yo, folks, zeigen wir’s dem Boss!"
 

Liam grinste, sprang als erstes auf und klopfte Kjell neben ihm auf die Schulter. Auch die anderen erhoben sich, nahmen ihre Positionen ein und legten los.

Kai musste sich erst einsingen, bis sich sein Stimmvolumen steigerte. Durch Elias' Tipps vom letzten Mal, bemerkte er sogar eine Verbesserung. Sie spielten die Songs durch, die Kai bei der ersten Probe schon gesungen hatte und legten dann eine Pause ein, um zu hören, was Elias dazu meinte, der ihnen stumm und konzentriert zugehört hatte.

Natürlich fand er sie verbesserungswürdig, mit etwas anderem hätte Kai auch nicht gerechnet, doch er äußerte seine Kritik, ohne ihre Motivation zu gefährden. Sie sahen es vielmehr als Herausforderung und bald zeigten sich erste Erfolge.

Kurz vor Mitternacht beendete Elias die Probe.
 

"Ich bin für heute zufrieden. Amüsiert euch ein wenig, die Getränke werden euch freigestellt."
 

Einen besseren Abschluss für diesen Tag konnten sich die jungen Männer nicht vorstellen. Während die anderen den Weg in Richtung Diskothek nahmen, wurde Kai von Elias zurück gehalten.
 

"Dir habe ich die Möglichkeit zu einem Telefonat versprochen. Asmodeus."
 

Elias' Leibwächter trat in das Zimmer. Er war wie so oft in einem schwarzen Mantel gekleidet und sein Gesicht spiegelte eine gewisse Härte wieder. Kai fand ihn furchteinflößend und unheimlich. Würde jemand ihm verraten, dass er ein Auftragskiller sei, Kai würde es ohne jeglichen Zweifel glauben.
 

"Begleite Kai nach draußen. Er kann bei der Aufsicht telefonieren. Danach bringst du ihn zur Diskothek zurück."
 

Asmodeus nickte kaum merklich und lief voraus. Kai folgte ihm zögerlich bis nach draußen zu einem teils verglasten Häuschen, in dem ein Mann im Anzug via diverser Monitore Teile der Anlage überwachte. Er nickte Asmodeus kurz zu als sie eintraten.
 

"Dem hier ist ein Telefonat gestattet."
 

Der Hüne wartete draußen, der andere Mann blieb jedoch an Ort und Stelle sitzen und schob Kai lediglich ein Telefon vor die Nase. Kai fühlte sich gestört, doch er tippte im Stehen Deans Nummer. Da er ihn auf dem Festnetz nicht erreichen konnte, probierte er es auf dem Handy.
 

"Hallo?"
 

"Ich bin's, Kai."
 

"Hey Kai, ist grad schlecht, ich bin auf der Arbeit."
 

"Sorry, ich weiß nicht wann ich die nächste Möglichkeit habe dir das zu sagen. Also hör kurz zu, ich bin umgezogen."
 

"Du bist was?"
 

"Umgezogen. Ins Crimson."
 

"Wann? Wieso das?"
 

"Seit heute Nachmittag. Kam kurzfristig. Ich erzähl dir alles nächstes Mal in Ruhe."
 

"Gut, du ich muss auflegen."
 

"Warte! Hier ist mieser Empfang, weiß nicht ob du mich erreichen wirst. Warte sonst einfach bis ich mich melden kann."
 

"Ok, bye."
 

"Bis dann!"
 

Kai legte den Hörer auf und bedankte sich bei der Aufsicht. Der Mann nickte kurz, ohne seinen Blick von den Monitoren zu nehmen und Kai ging hinaus. Er zuckte kurz zusammen, als Asmodeus aus einer unerwarteten Richtung neben ihn trat. Die Nacht hatte seine dunkle Gestalt praktisch verschluckt.

Sie sprachen kein Wort miteinander und nachdem sich Kai in der Diskothek befand, verließ dieser unheimliche Kerl ihn ebenso wortlos.

Hätte Kai gewusst, dass er heute Nacht noch Feiern würde, hätte er sich ein bisschen mehr Mühe mit seinem Erscheinungsbild gegeben, doch nun war es eh zu spät.
 

Auf dem Weg zur Bar wurde er von Liam fast umgerannt, der ihm überschwänglich einen Arm um die Schultern legte und ihn zur Bar dirigierte, an der bereits Corvid saß und mit einem Getränk in der Hand vor sich hinstarrte.

Die Musik, die heute gespielt wurde, folgte keinem Thema und war bunt gemischt.
 

"He dislikes the music, but scheiße drauf, ja?"
 

Kai musste lachen.
 

"Genau!"
 

Ehe Kai reagieren konnte, stand ein Bier vor seiner Nase und Liam hielt seine Flasche feierlich in die Höhe.
 

"Auf Nightflight, cheers!"
 

"Cheers!"
 

Sie stießen die Flaschen aneinander und Corvid schloss sich mit seinem Glas an.
 

"Wo sind die anderen beiden?", wollte Kai wissen.
 

Liam deutete mit der Hand, in der er die Flasche hielt, in eine Richtung.
 

"Kjell flirtet mit eine sexy Lady und Paddy…"
 

"Tanzt dort drüben wie ein Neandertaler.", warf Corvid trocken von der Seite ein.
 

Kai musste grinsen, denn ihr Schlagzeuger machte wirklich keine gute Figur auf der Tanzfläche. Trotzdem hatte dieser eine Menge Spaß und grinste dabei wie ein Honigkuchenpferd.
 

"Du hast eine gute Stimme, wie lange singst du schon?"
 

Der Bassist hatte sich in Kais Richtung gedreht und sah ihn interessiert an. Kai überlegte einen Moment.
 

"Ich glaub, ich habe irgendwie schon immer gesungen, auch wenn’s nur zu Hause unter der Dusche war. Vor einem Jahr bin ich dann einer Band beigetreten, wo auch mein bester Kumpel spielt. Übrigens auch Bass."
 

"Kennt man die Band?"
 

"Nein, ist nicht bekannt. Wir hatten bis jetzt nicht einmal einen Namen dafür. Tut mir schon leid das sie sich wieder jemanden für die Vocals suchen müssen."
 

"Wieder?"
 

"Hatten sich mit jemandem verkracht, deshalb bin ich eingesprungen."
 

Liam stellte seine leere Bierflasche auf die Theke, rief den beiden ein fröhliches "See ya, folks!" zu und sprang zu Patrick auf die Tanzfläche.
 

"Seine Energie möchte ich haben."
 

"Der hat einfach keinen Ausschalter. Manchmal geht er mir damit echt auf den Sack."
 

"Wie lange kennt ihr euch schon?"
 

Corvid trank einen Schluck und zählte im Geiste nach.
 

"Ungefähr ein halbes Jahr. Kjell kam als letztes zu uns. Der Boss hatte vor dir schon mal jemanden für die Vocals, aber er war ihm nicht gut genug. Wie du gemerkt hast ist er sehr anspruchsvoll, also Glückwunsch das du’s gepackt hast!"
 

"Danke."
 

"Woher kennt dich Elias eigentlich? Er hat uns beim Auftritt am Samstag sehr kurzfristig gesagt, dass jemand singen würde. Ich dachte erst das er selbst auf die Bühne geht."
 

"Das Zeug dazu hat er."
 

"Ja, er ist für die Bühne gemacht, aber er meint immer, dass er sich aus der Öffentlichkeit möglichst raushalten will."
 

"Ist er denn mit euch schon mal aufgetreten?"
 

"Zwei Mal. In einem ganz kleinen Rahmen mit ausgesuchten Leuten. Die waren schräg drauf."
 

"Um auf deine Frage zurück zu kommen, ich hab ihn das erste Mal hier getroffen. Der Rest war… wohl Zufall."
 

Corvid lächelte und nickte.
 

"Bei uns war es wohl ähnlich. Wir haben in anderen Bands gespielt, hatten kleine Auftritte und dann wurden wir von ihm angesprochen."
 

Er stellte sein leeres Glas vor sich ab und gähnte.
 

"Sorry, aber von dieser Musik bekomm ich langsam Ausschlag, ich geh nach Hause. Wir sehn uns!"
 

"Nacht."
 

Nach diesem Abend war sich Kai sicher, dass er sich mit seinen neuen Bandmitgliedern gut verstehen würde. Auch sein Bier neigte sich dem Ende zu und er überlegte, ob er sich den Tanzenden auf der Tanzfläche anschließen sollte. Als er seinen Blick schweifen ließ, blieb er an zwei Personen hängen.

Elias tanzte eng mit einem jungen Mann! Gerade fasste er an den Nacken seines Gegenübers und flüsterte ihm etwas verführerisch lächelnd ins Ohr.

Es versetzte Kai einen Stich ins Herz und gleichzeitig ärgerte ihn diese Tatsache. Ob er genauso ausgesehen hatte, als Elias mit ihm tanzte?

Kai wandte seinen Blick ab; er wollte dabei nicht zusehen, doch lange wegsehen konnte er genauso wenig.

Er sah wieder hin und beobachtete, wie Elias den Arm des anderen Mannes nahm und ihn hinter sich herzog. Es kam ihm vor wie ein Déjà-Vu, nur das er sich in einer rein beobachtenden Rolle wieder fand. Vielleicht trug Elias sogar die gleiche Kleidung wie an jenem Abend, als er ihn kennen gelernt hatte.
 

Erst jetzt merkte Kai, das er wohl die Hoffnung hatte etwas Besonderes zu sein. Der Abend damals im Crimson Delight war für ihn untypisch abgelaufen, dann hatte er auf der Bühne gestanden, den Vertrag unterschrieben, wurde hier einquartiert… die ganze Zeit über waren diese Erlebnisse nicht alltäglich für ihn gewesen und nun fühlte er sich irgendwie ersetzt.

Auch wenn er keinerlei Ansprüche stellen konnte – nicht an Elias, den er auf eine gesunde Distanz gehalten hatte, da er nun einmal zu seinem Vorgesetzen geworden war – stieg seine Wut an.

Gerade verschwand Elias mit dem anderen Mann hinter einem Vorhang, an den sich Kai noch gut erinnern konnte.
 

"Scheißkerl!"
 

Sofort biss sich Kai auf die Zunge. Er hatte nicht vorgehabt seinen Gedanken laut auszusprechen. Er wandte sich an den Barkeeper, der gerade in seine Richtung sah.
 

"Ich möchte das teuerste Getränk, das dieser Laden hier anbietet, egal was es ist. Drei Mal!"
 

Der Barkeeper hob die Augenbrauen und zögerte kurz, doch dann stellte er dem jungen Mann ein paar Handgriffe später drei Gläser vor die Nase.

Kai nahm sich ein Glas und trank es auf Ex aus. Der Alkohol darin war stark und schmeckte nach jahrelanger Reife. Manchmal war Rache eben infantil und herb. Als er das zweite Glas hob, um auch dieses zu exen, sprach ihn eine helle, sanfte Stimme von der rechten Seite an.
 

"Diesen Tropfen muss man genießen, mon cher. Etwas anderes ist Frevel."
 

Eine zierliche junge Frau hatte sich neben ihn gesetzt und lächelte einnehmend. Sie hatte dunkles, glattes Haar, trug einen Bob mit einem dichten Pony, hatte dunkle Augen und eine makellos schöne Haut. Ihre Kleidung bestand aus einer schwarzen Lederhose, einer weißen Bluse, deren oberste drei Knöpfe geöffnet waren, darüber eine kurze Lederjacke und High-Heels. Ihre Gesichtszüge waren von einer gewissen Sanftheit und ihr Alter war schwer einzuschätzen. Sie konnte Mitte Zwanzig sein, oder um Jahre älter.

Irritiert sah Kai zu, wie sie das dritte Glas nahm und ihm in der Luft zuprostete.
 

"Santé!"
 

Sie nahm das Glas kurz an die Lippen und stellte es vor sich ab. Kai war es gleich wer das teure Zeug trank, solange es Elias war, der dafür zahlen musste. Obwohl es ihn wohl kaum stören dürfte, so viel Geld wie er zur Verfügung zu haben schien. Trotzdem, es war das Einzige was Kai im Moment tun konnte und es brachte ihm eine kleine Genugtuung.
 

"Prost!"
 

Kai trank einen kleinen Schluck und behielt das Glas in der Hand. Verdammt, das Zeug schmeckte ihm nicht einmal.
 

"Ich bin Cathérine."
 

"Kai."
 

Die junge Frau überschlug ihre Beine und fuhr mit einem zarten Finger den Rand ihres Glases entlang.
 

"Du siehst unglücklich aus, Kai. Macht es dir hier keinen Spaß, non?"
 

Kai wollte nicht mit einer Fremden über sein Liebesleben reden. Er zuckte nur mit den Schultern und fügte nach einem Moment der Stille hinzu:
 

"Manchmal kommt es anders als man denkt. Und manchmal verliert man etwas, bevor man es überhaupt hatte."
 

"Manchmal lohnt es sich zu kämpfen. Und manchmal hat man mehr als man glaubt, n’est-ce pas?"
 

Sie zwinkerte ihm zu und führte eine lockende Bewegung mit ihrem Zeigefinger aus. Kai beugte sich näher zu ihr.
 

"Ich verrate dir ein Geheimnis: Manche Laus treibt man nur mit Tanzen aus!"
 

Sie kicherte und führte ihm das Glas an den Mund.
 

"Trink brav aus und folge mir!"
 

Und eben hatte sie noch gesagt, man solle einen solchen Tropfen genießen. Kai schluckte den Rest hinunter und folgte der lebhaften Französin, die in anmutigen Bewegungen vor ihm auf die Tanzfläche stöckelte und ihnen Platz zum Tanzen verschaffte.

Sie tanzten lange zusammen und ganz gleich wie eng sie es taten, fühlte sich Kai absolut nicht von ihr angeflirtet. Cathérine schien eine lebenslustige Person zu sein und steckte ihn rasch damit an. Er konnte sich wieder freuen und den Abend genießen.

Einmal tanzte Liam mit einer Brünetten an ihm vorbei und zwinkerte ihm anerkennend zu. Kai lächelte nur. Als er sich ausgepowert hatte, zeigte er Cathérine mit einer Geste, dass er genug hatte. Sie folgte ihm zurück zur Bar.
 

"Zeit für einen Drink?"
 

Kai schüttelte den Kopf.
 

"Ich hatte genug für heute, will einfach nur noch ins Bett."
 

"Oui, es ist schon spät. Wenn du möchtest, bringe ich dich zu deiner Wohnung."
 

Der junge Mann sah sie aus verständnislosen Augen an.
 

"Keine Sorge, das geht in Ordnung, ich bin Monsieur Duprés Assistentin."
 

Sie zwinkerte ihm zu, hakte sich bei ihm unter und führte ihn aus der Diskothek. Kai hatte das Bedürfnis mit Cathérine zu reden, weil er die Stille zwischen ihnen als unangenehm empfand, aber seit sie ihm offenbart hatte, dass sie eine Angestellte von Elias war, fühlte er sich gehemmt.
 

Ehe er es sich versah, standen sie vor seiner Wohnung. Cathérine wusste also von Anfang an wer er war und wo er wohnte.
 

"Hast du den Abend genossen?"
 

"Ja, danke."
 

Kai zwang sich zu einem Lächeln.
 

"So viele Gedanken, in diesem hübschen Kopf."
 

Hatte er das nicht schon einmal gehört? Cathérine nahm sein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und drückte es sanft nach oben.
 

"Hocherhobenen Hauptes aufrecht stehen, mon cher! Du kannst es dir erlauben, glaube mir."
 

Sie küsste die Fingerspitzen ihres Zeige- und Mittelfingers und legte sie sanft auf Kais rechte Wange. Ein kühles Gefühl blieb zurück als die junge Frau sie zurückzog.
 

"Bonne nuit!"
 

"Ja, gute Nacht. Und danke fürs Tanzen."
 

"Gern geschehen."
 

Cathérine zwinkerte ihm zu und lief elegant den Gang zurück, aus dem sie gekommen waren. Kai sah ihr kurz nach und betrat mithilfe der Chipkarte seine neue Wohnung.

Minx hatte sich aus ihrem Versteck hervor gewagt und maunzte ihn hungrig an. Der junge Mann öffnete ihr eine Dose und setzte sich eine Weile neben sie, dann machte er sich fertig fürs Bett. Als er sich auf die Matratze legte, stellte er fest, dass er nie besser gelegen hatte. Sie war perfekt auf ihn abgestimmt.
 

"Und trotzdem ist er ein Scheißkerl!"
 

Minx sprang kurze Zeit später zu ihm aufs Bett und rollte sich an seinem Bauch zu einer Fellkugel zusammen. Kai streichelte ein paar Mal über ihr Fell, dann schlief er ein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  _MOoN_
2012-09-03T20:11:37+00:00 03.09.2012 22:11
meine scheiße wie du schreibst ist immer wieder nur zu bewundern. Zieh dich aus hahahahaha das ist meine lieblingsstelle hahahaha genialo geilo matiko^^
hier bring mir bei so zu schreiben du nuss. Schreib weiter sabber sabber


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