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Living In A Toy Box

von

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Dusche

Sie hatte keine andere Wahl. Sie konnte nur in diese Richtung. Es war die einzig richtige. Wenn sie es nicht tat, wer weiß, was er mit ihr machen würde. Bestimmt verhaften lassen oder sie gar zurück in ihre Klinik schaffen. Nein, nicht in ihre Klinik, sondern nach Arkham, da, wo die ganz Schlimmen hin kamen. Denn sie war nicht besser. Gewesen. Jetzt wird alles anders. Sie würde es versuchen. Sie musste es versuchen. Sie einfach hatte keine Wahl.
 

Jazmin erkundete vorsichtig das Badezimmer, das direkt neben ihrem Zimmer lag. Es war ein kleiner, hell glänzender Raum. Das schimmernde Licht ließ ihn in einem zarten Gold erleuchten. Ein großer Spiegel hing über einem perlweißem Waschbecken. Gegenüber stand eine Dusche, neben ihr hingen Handtücher fein geordnet an goldenen Haken. Langsam trat sie vor den Spiegel, doch als ihr Blick den eines verwahrlosten, vernarbten Puppengesichtes traf, schrak sie so sehr auf, dass sie rückwärts an die kalten Fließen der Wand stieß.

Vorsichtig atmete sie wieder aus und wagte erneut den Blick in das Gesicht des Grauens.
 

Ihre Goldlöckchen waren nunmehr ein geringelter Wusch aus verfilzten Haaren, die letzten verbliebenen Korkenzieherlöckchen baumelten gelangweilt neben ihrem Gesicht herunter. Ihre großem grau- blauen Augen waren glasig und wirkten fast tot. Sie hatte Mühe, sich weiter zu fixieren. Ihre roten Lippen waren aufgesprungen und brannten. Sie blickte an sich hinunter und entdeckte Falten an jeglichen Stellen ihres kurzen Kostümchens. Ihre Knie waren aufgeschlagen wie bei einem kleinen Kind.

Sie raffte das Röckchen hoch, um die Narbe zu sehen, die sie sich bei der Flucht damals aus dem Fenster zugelegt hatte. Sie hatte eine unappetitlich blaue Färbung angenommen und das Blut, welches jedes mal aus der Wunde drang, wenn diese wieder aufriss, lag nun getrocknet auf ihrer Porzellanhaut.
 

Sie entdeckte noch weitere blutige Stellen an ihrem Körper, teilweise konnte sie sich nicht an deren Herkunft erinnern. Ihr rosa Kleid war nun mehr eine Mischung aus dunkelrot, altrosa und dunklen Flecken, die wunderbar zu den großen Löchern passten. Diese ganzen Mängel, ihre Wunden und überhaupt ihr verwahrlostes Aussehen, waren ihr lange nicht so intensiv aufgefallen wie in diesem Moment. Als hätte sie bisher alles verdrängt, den Schmerz der Wunden, das Unwohlsein in diesem Dreck. Doch jetzt störte es sie. Es brannte ihr auf der Haut, sie wollte dieses ganze Gesöff, diesen widerlich vergilbten Stoff, das eingetrocknete Blut loswerden. Sie rieb sich über die ihren Arm, erst langsam, dann immer schneller, bis sich ihre Haut rot färbte. Sie zog sich an den Haaren, riss sich die kleinen, süßen, roten Schleifchen aus den blonden Locken. Es schmerzte, doch das Gefühl der Befreiung war überwältigend. Ihr Gesicht verzog sich zu einer wutigen Grimasse, sie biss sich auf die Zähne, bis sie weh taten. Mit ihren zerkratzen Händen zerriss sie den Stoff ihres Kleidchens, bis er in rosa Fetzen auf dem Boden lag. Die Knöpfe an ihrem Oberteil platzen ab und regneten auf die Fließen.
 

Sie zog und rüttelte so lange an sich bis sie halbnackt im Badezimmer stand. Sie zog ihre weiße Spitzenunterwäsche aus und warf sie unachtsam in die Ecke. Ihre Haare umschlungen wild ihren dünnen Körper, sie mussten gewachsen sein, die Spitzen kitzelten sie in der Taille. Sie schaute nochmals in den Spiegel und sah mit voller Freude, dass sie nun wirklich gestorben war. Das Püppchen war tot, es lag in Fetzen zerrissen auf dem Boden.

Nun sah sie eine junge Frau, nicht unbedingt schöner, nicht unbedingt reifer, doch schlauer, um einiges. Sie würde nie wieder in die Rolle eines jemanden schlüpfen, der nicht existierte. Sie verlor das Gesicht, was nie bestand, sie bekam ein neues, welches gesehen wurde, nicht übersehen. Sie fuhr sich über die Haut, trotz der Narben, die dünn ihre zarten Wangen zierten, war sie dennoch weich. Eine neue Stärke überkam sie, unbekannt, doch schon die ganze Zeit da gewesen. Und nun würde sie geboren. Ein neuer Mensch. Ein Niemand war gestorben.
 

Sie drehte sich um und ging in die Dusche. Seit Ewigkeiten hatte sie kein Wasser mehr auf ihrer Haut gespürt. Sie drehte auf kalt und versuchte damit den Dreck von sich zu waschen. Den Schmutz der auf ihr lastete, schwer wie Backsteine. Die schweren Klauen, die sie auf ihren Schultern spürte, den Rauch, den Schein, diese surreale, paradoxe Welt. Alles sollte im Abfluss verschwinden. Sie rieb sich über Arme und Beine, hielt ihr Gesicht mitten den die Brause und ließ es von eiskaltem Wasser überströmen, dass wie kleine Eiskristalle auf ihre glühende Haut regnete. Der Schmerz verschwand, Sekunde für Sekunde. Das Wasser durchspülte ihre Haare und ließ sie in neuem Glanz erscheinen.

Das Gefühl war fast schön, wie das, was sie spürte als sie von dem Appartementhaus gesprungen ist.
 

Nach der Dusche schnappte sie sich ein Handtusch und ohne sich abzutrocknen lief sie pitschnass mit dem Tusch um Ihren Körper gewickelt durch ihr Zimmer zu dem massiven Kleiderschrank, der schon seit Tagen darauf wartete, geöffnet zu werden. Sie machte ihn vorsichtig auf und lugte neugierig hinein. Im allerersten Moment entdeckte sie gar nichts, bei genauerem Hinschauen, sah sie eine Reihe von schwarzen Kleidern auf Kleiderbügeln aufgehängt. Nun öffnete sie beide Schranktüren, in der Hoffnung, vielleicht etwas zu finden, was etwas mehr ihrem Geschmack entsprach, sie hatte ja nicht vor auf eine Beerdigung zu gehen.
 

Doch die andere Schrankhälfte offenbarte ihr nur einen Blick auf Unterwäsche...in schwarz und einige Schuhe. Die eine Hand hielt ihr Handtuch am Körper, die andere wühlte sich durch Schichtweise dunkle Klamotten. Doch ganz hinten, kaum erkennbar, flackerte etwas Gelbes auf. Sie griff danach und zog ein leichtes Sommerkleid in einem leuchtenden Gelb hervor. Na, wenn das nicht der Inbegriff der aufgehenden Sonne war.

Fröhlich ließ sie das Handtuch fallen und hüllte sich sogleich in den gelben Stoff, immer noch so nass, wie sie aus der Dusche kam, doch das störte sie nicht. Sie lief wieder in das Bad, nahm die Bürste, die auf der Ablage lag, in die Hand und kämmte sich ihr langes, blondes Haar. Massenweise Wassertropfen überschwemmten den einst so sauberen, hermetisch perfekt gesäuberten Boden und umspülten Jazmins nackte Füße. Sie drehte ihre nassen Haare über dem Waschbecken und rang ihnen den letzten Tropfen Feuchtigkeit aus.
 

Plötzlich klopfte es, was Jazmin anfangs gar nicht vernahm, doch als sich das Klopfen in eine Art Hämmern umwandelte, trat sie verwundert aus dem Bad und rief mit ihrem süßen Stimmchen:

„Herein?“, was tatsächlich eher wie eine Frage klang, als wie eine Aufforderung Einzutreten. Die Tür ging auf und Alfred kam hinein. Er suchte das Mädchen auf den Bett, doch als er tropfendes Wasser zu seiner rechten vernahm, blickte er die geduschte und umgezogene Jazmin aus ungläubigen Augen an. Er schien kurz vergessen zu haben, warum er eigentlich gekommen ist, doch dies fiel ihm schnell wieder ein.

„Master Wayne wünscht mit Ihnen zu Abend zu essen, in einer halben Stunde“

Jazmin nickte, etwas peinlich berührt, so in der Euphorie ihrer optischen Metamorphose ertappt worden zu sein. Alfred erwiderte das Nicken und verließ, fast ein wenig in Eile, das Zimmer.



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