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Der Weg des Lichts

von

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Sondieren

Mit dem charakteristischen Zischen öffnete sich die Tür des Frühbusses. Wie zu dieser Zeit üblich, hatte der Fahrer außer zur Kontrolle des Ausweises keinen weiteren Blick für seinen neuen Fahrgast übrig, erst recht nicht für den jungen Mann, der nun zustieg.

Fast nahtlos fügte sich der mit seinem mehr als unauffälligem Aussehen in die für den Lenker gesichtslose Masse ein.
 

Mit einem weiteren unterdrückten Gähnen lehnte sich Chris gegen die Stange. Er würde wohl nie ein Frühaufsteher werden, soviel war sicher.

Beiläufig ließ er seinen Blick über die Sitzreihen schweifen. Heute schien es nicht viel zu sehen zu geben. Fast alle Doppelplätze waren nur einfach besetzt...und beim Rest wetteiferten die Sitznachbarn darum, wer sich am Meisten vom Anderen distanzieren konnte, ohne den Abstand zu vergrößern. Langweilig. Als er schon mit dem Gedanken spielte, den unbequemen aber zentralen Stehplatz zugunsten eines Sitzes aufzugeben fielen Chris’ Augen endlich auf etwas Interessantes. Zwei Mädchen- etwas jünger als er und relativ gutaussehend wie ihm seine Instinkte verrieten. Was ihn jedoch momentan mehr interessierte war, das sie offenbar befreundet waren und freudig miteinander diskutierten.

„Heute schaffe ich es...“, sagte er leise zu sich selbst und kniff die Augen zusammen.
 

Langsam kroch die Dunkelheit in die Welt. Chris verglich das gerne mit dem Aufsetzen einer Sonnenbrille.

Das Gute daran, nur ins „Zwielicht“ in diese Parallelwelt hineinzusehen war, das man so zumindest die Kälte und Kraftlosigkeit die sich beim vollständigen Betreten einstellte nicht fühlte. Dafür musste Chris aber nun jede Sekunde die Konzentration halten und daran denken den dunklen Schleier über seine Pupillen gelegt zu lassen...was er inzwischen relativ gut konnte.

Nachdem er noch einmal tief durchgeatmet hatte fixierte er wieder die Mädchen. Ein kurzer Adrenalinstoß schoss durch seinen Körper, als er bemerkte das eines von ihnen ihn ansah. Was sie wohl über ihn dachte? Diesen Durchschnittstypen der sie mit geweiteten Pupillen anstarrte, war er...ein Spanner...ein Freak? Sie würde es wohl nie erfahren, denn sobald er sie mit seiner Zwielichtsicht erfasste drehte sie sich praktisch sofort weg.

„Magie hat keinen Platz in der Welt der meisten Menschen...“, hatte sein Lehrer damals erkärt- und es stimmte. Sie wollten sie einfach nicht sehen...und so taten sie es auch nicht.
 

Chris dagegen sah jetzt mit einem Lächeln die Auren der beiden Mädchen. Zwei Kugeln- ein Gemisch aus allen Regenbogenfarben, schön...und gleichzeitig verwirrend. Mit einem kurzen Zusammenkneifen der Augen legte er etwas mehr Kraft in seine Sondierung. Sofort schoss Wärme in seinen Körper. Die beiden Auren jedoch beruhigten sich nun zusehends und änderten nun nur noch langsam ihre Farben. Chris nannte das „die oberste Schicht“- wie diese Stufe einer Aura wirklich hieß wusste er noch nicht, jedoch hatte er herausgefunden, das sie die momentanen Gefühle zeigte. Die Mädchen schienen sich wirklich gut zu amüsieren. helle, freundliche Farben prägten das Bild... aber damit wollte sich Chris ausnahmsweise nicht zufrieden geben.

Es musste noch eine tiefere „Schicht“ geben, diejenige die es ermöglichte das Wesen eines Menschen zu erkennen.

Von dieser Stufe aus schließlich war es nur mehr ein Schritt- und er könnte in ihnen lesen wie in einem Buch...ein großes Ziel- der Traum eines jeden Mannes...oder zumindest von jedem der so dachte wie Chris.
 

Wieder atmete er vor dem nächsten Versuch tief ein...und spannte seine Kräfte an.

Ein seltsames Bild entstand in seinen Gedanken: Ein lächelnder, vor Energie strotzender Mann der auf eine Wand zulief, immer schneller wurde. Überzeugung stand ihm ins Gesicht geschrieben...er würde es schaffen er würde...

Mit einem Knall rannte er gegen die unnachgiebige Wand und fiel zu Boden.

Chris fasste sich an den Kopf.

Inzwischen rann ihm Schweiß von der Stirn und er schnaufte wie ein untrainierter Jogger. Zum Glück bemerkte das niemand außer er selbst.

Schon wieder gescheitert...ob es an der eingesetzten Kraft lag? Ob er einfach MEHR nehmen musste? Nein, er war zu weit gekommen um jetzt aufzugeben. Wie er es für einige einfachere Zauber bereits gelernt hatte, sammelte er soviel Energie wie er konnte- und versuchte es nochmals.
 

Eine Woge ungeschickt abgegebener Magie pflügte durch den Buss und erzielte die verschiedensten Effekte. Ein in ein Telefongespräch vertiefter Fahrgast verkrampfte plötzlich seine Finger derartig, das die billige Plastikhülle seines Handys verdächtig ächzte, eine schlafende Frau schlug ruckartig die Augen auf und sah sich erschreckt um, ein Junge, der Chris sehr ähnlich war betrachtete fassungslos das Display seines plötzlich stillen Ipods...

Das Mädchen hingegen, das die volle Wucht des Schlages abbekam wurde still- und das nicht nur äußerlich, auch ihre Aura verfärbte sich, grau und farblos...
 

„Tagwache, stell sofort die magischen Handlungen ein Lichter!“, riss ihn ein Ruf aus seiner erschreckten Erstarrung.

Hektisch drehte sich Chris um und blickte in das angespannte Gesicht eines alten Mannes- zumindest wirkte der Typ äußerlich so. Doch schon allein an der Kampfhaltung konnte selbst Chris erkennen, das er mit ihm lieber keinen Streit anfing.

Das Gesicht des Dunklen verkrampfte sich noch mehr. „Ich sagte aufhören! Schluss mit der Sondierung!“

Chris zuckte zurück- ängstlich versuchte er den Schleier von seinen Augen zu lösen, es gelang ihm erst beim dritten Versuch.

„Ent...Entschuldigung, es war nicht meine Absicht...“, stotterte er ängstlich. Der Dunkle entspannte sich etwas, seine Hände waren jedoch immer noch erhoben.

„Name und Klassifizierung!“, verlangte er, den Blick nicht auflösend. „Christopher Ray, ich...ich habe noch keinen Grad erhalten“ Der Buss hatte inzwischen gestoppt, einige Fahrgäste drängten sich an dem erleichtert lächelnden alten Mann vorbei, anscheinend ohne ihn zu bemerken.
 

„Soso ein Frischling also...“, begann er, „Wolltest wohl etwas Spaß haben was? Achja das Licht ist auch nicht mehr das was es mal war...“ Chris wusste nicht was er sagen sollte. Im Grunde hatte er keine Ahnung was er jetzt nun eigentlich gemacht hatte. Sein Gegenüber kicherte leise. „Du wolltest also eine Remoralisierung an ihr durchführen?“ Energisch schüttelte Chris den Kopf. „Nein ich wollte nur...“ „Schon klar.“, unterbrach ihn der Alte- ob er wohl seine Gedanken gelesen hatte? Vermutlich., „Das nächste Mal setz dann aber nicht so viel Kraft ein, das es der Armen fast den Kopf wegsprengt.“ Ängstlich richtete Chris nochmals den Blick auf das Mädchen...sie wirkte bereits wieder normal. Zum Glück. „Werde...werde ich jetzt bestraft?“, wollte er dennoch wissen.

Nochmals kicherte der Dunkle. „Wofür? Im Grunde hast du nur ihr Kurzzeitgedächtnis gelöscht...mit viel zu viel Kraft zwar aber...“ Nachdenklich sah der Wächter Chris an.
 

„Sagen wir du schuldest mir einen Gefallen- dann kannst du gehen.“ Man durfte einem Dunklen nie vertrauen, erst recht nicht, wenn er einem nette Versprechungen machte. Chris jedoch war im Moment viel zu aufgeregt um sich an diesen Leitsatz der Lichten zu erinnern. „Ei...einfach so?“, fragte er perplex. „Einfach so.“, wiederholte der Dunkle. „Schlag ein!“, forderte er und streckte die Hand aus. Chris zögerte. „Alternativ könnte ich dich natürlich auch begleiten und deinen Lehrern...“ Die Hand des alten Mannes fühlte sich ganz normal an. Aus irgend einem Grund hatte Chris immer geglaubt, Dunkle wären kalt, oder zumindest irgendwie... „Ich bin doch kein Vampir!“, meinte der Wächter lächelnd, „Damit wäre also alles geklärt.“ Der Dunkle ließ seine Hand los und sah aus dem Fenster, das erleichterte Ausatmen des Jungen ignorierend. „Du musst doch hier raus, oder?“

Ohne ein weiteres Wort verließ Chris den Buss. Der Alte sah ihn noch einige Zeit lang an...

Ein Dunkler. Er hatte einen Dunklen getroffen. Seltsam, irgendwie hatte er sich „die“ anders vorgestellt, bedrohlicher, angsteinflößend...aber es gab eben noch viel das er nicht wusste.

Vor ihm lag groß und pompös das Universitätsgebäude. Ein neuer Unterrichtstag in seinem erst kurzen Leben als Anderer begann...hoffentlich ohne weitere Zwischenfälle.
 

Lächelnd blickte der äußerlich alte Mann in die Morgensonne, der Rauch seiner Zigarette kräuselte sich kunstvoll in der Luft und er inhalierte das betörende Aroma.

„Sag mal...was ist denn heute mit dir los Michail? Hast du im Lotto gewonnen oder was?“, wollte der junge Vampir am Eingang wissen. Die hatte Michail noch nie gemocht, erst recht wenn sie noch so naiv waren. Geld war leicht zu beschaffen, bei weitem kein Grund zur Freude... „Mehr, viel mehr als das“, antwortete er seinem Kollegen verworren. Anscheinend beleidigt über diese ausweichende Antwort kontrollierte dieser nur Michails Aura und ließ ihn dann hinein. Er hätte es ohnehin nie erraten.

Ein Versprechen eines angehenden Lichten Magiers das ihn zu praktisch allem berechtigte war schon enormes Glück...wenn dieser unerfahrene Junge in der Ausbildung dann auch noch ein angehender Hoher war- konnte man den Tag in der Tat als sehr erfolgreich bezeichnen...



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