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Das Blut der Lasair

von

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Sinnvolle Beschäftigung

Sinnvolle Beschäftigung
 


 

„Ist das dein Ernst?“ fragte er tonlos, folgte ihr aber durch die Halle in die Bibliothek. „Was willst du recherchieren?“

„Margaret Barcley natürlich.“ entgegnete sie und wartete, bis er neben ihr war, sodass sie ihn noch einmal küssen konnte.

Lestat brummte etwas unwillig über ihr Vorhaben und erwiderte ihren Kuss leidenschaftlich. Er wollte jetzt nicht irgendetwas recherchieren, da er nur noch wenige Stunden in dieser Nacht zu Verfügung hatte. Einseits wollte er mit Catherine nun ganz etwas anderes tun, doch andererseits wollte sie auch nicht, dass sie am morgigen Tag alles alleine machen musste.

„Ich denke, es geht schneller, wenn du mir hilfst.“ murmelte sie, als ihre Lippen sich wieder etwas trennten.

„Zwei Stunden, Catherine.“ mahnte er, nickte schließlich aber.

Catherine nickte, schlang ihren Arm um seine Taille und spürte, wie sich sein Arm um ihre Schultern legte, um sie mit sich in die Bibliothek zu führen.
 

Lestat betrachtete Catherine, die eine Weile unschlüssig die Gänge entlang ging, um sich wieder ein Bild vom Bestand der Bibliothek zu machen. Bei ihren ersten Recherchen, die sie wieder in Paris unternommen hatte, hatte sie keine Bücher gebraucht.

„Es ist alles so weit weg.“ murmelte sie, ging aber zielstrebig erneut in eine der vorderen Reihen, und zog ein Buch heraus.

Lestat streckte die Hand nach ihm aus und nahm es ihr ab. Catherine ging weiter und zog noch drei weitere Bücher aus dem Regal, die Lestat ihr ebenfalls aus der Hand nahm.

„Meinst du nicht, dass die erst einmal reichen?“ fragte Lestat und Catherine nickte langsam. „Gut, komm’ mit!“

„Wohin?“ fragte sie, doch er klemmte die Bücher unter einen Arm und legte den anderen um Catherines Taille.

„In den Salon. Ich lese und du ruhst dich aus.“

„Ich bin aber nicht müde…“ beschwerte sich Catherine, doch Lestat blickte sie zweifelnd an.

„Gestern bist du erst im Morgengrauen ins Bett und morgens bist du früh aufgestanden. Und heute wird es auch wieder weit nach Mitternacht werden, bis du schläfst. Sag’ mir also nicht, dass du nicht müde bist.“

„Und wenn es stimmt?“ fragte sie, doch sie musste ihm Recht geben: sie müsste eigentlich müde sein.

„Dann erkläre ich dich für nicht ganz normal.“ entgegnete er und schob sie sanft zur Tür hinaus, um mit ihr die Halle zum Salon zu durchschreiten.

„Das ist wirklich eine Überraschung! Ich und nicht ganz normal!“ lachte sie und lehnte sich kurz gegen seine Schulter.

„Ich meine, noch abnormaler…“ murmelte er und sah, wie sie belustigt den Kopf schüttelte.

„Wieso liest du? Abgesehen davon, dass ich müde bin.“

„Ich lese schneller. Und ich mag es.“

„Lesen?“ fragte Catherine nach und Lestat nickte.

„Ich konnte es nicht - früher, als ich noch sterblich war.“ erzählte er und begegnete ihrem Blick.

Ihre Augen ruhten auf ihm und ihr Blick verriet ihm, dass sie ihn nicht verurteilte und sich nicht über ihn lustig machte. Catherine zeigte ihm nur, dass er ihr mehr erzählen konnte, wenn er wollte. Und er wollte ihr mehr erzählen – viel mehr. Alles, wie er feststellte.

„Später, Catherine. Ich habe dir nur zwei Stunden für die Recherche gegeben. Es wäre unfair, wenn ich uns nun davon abhalten würde.“ meinte er und beugte sie etwas zu ihr hinter, dass er sie küssen konnte.

„In Ordnung.“ seufzte Catherine und setzte sich auf das Sofa.

Lestat legte die Bücher auf den Tisch, setzte sich neben Catherine und griff nach ihren Füßen, um sie auf seinen Schoß zu ziehen und sie mit einer Decke zuzudecken. Sie lachte leise und er erklärte:

„Sie sind kalt.“

„Das ist mir nicht aufgefallen.“

„Langsam frage ich mich wirklich, was du ohne mich machen würdest.“

„Erfrieren und vor Erschöpfung über den Büchern einschlafen.“ grinste Catherine, lehnte sich mit der Schulter gegen die Lehne und machte es sich bequem.

Lestat nickte leicht, nahm sich das erste Buch und las erst einmal still, während Catherine die Augen geschlossen hielt.
 

„Bist du noch wach?“ fragte er nach einer Weile.

„Natürlich.“ lächelte sie und öffnete die Augen. „Wie weit bist du?“

„Ich kann dir zusammenfassen, was ich gelesen habe.“

„Du bist schon durch?“ fragte sie ungläubig und richtete sich etwas auf.

„Hörst du zu?“ fragte er und legte seine eine Hand auf ihre zugedeckten Füße.

„Immer doch.“ versprach sie lächelnd und lehnte sich wieder zurück, um ihn erzählen zu lassen.

„Eine Geschichte für meine geliebte Catherine also.“ flüsterte er.

„Was hast du vor? Willst du die Informationen in eine Gute-Nacht-Geschichte umdichten?“ lachte sie leise und blickte ihn an.

„Das ist unmöglich. Es wird wohl eher eine Gruselgeschichte.“

„Hm, ich bin hart im Nehmen.“ versicherte Catherine, doch sie spürte wie Aufregung sich in ihrem gesamten Körper ausbreitete.

„Margaret Barcley wurde 1587 geboren – genau vierhundet Jahre vor dir.“ begann Lestat nach einem kurzen Nicken und fuhr gleich darauf fort: „Ihr Vater war unbekannt. Ihre Mutter starb im Kindbett, Margaret wuchs zu ihrem Glück in der Gunst einer schottischen Adelsfamilie auf, wurde erzogen und erhielt Bildung auf dem Schloss. Kannst du dir denken, von welchem Schloss ich rede?“

„Seit wann stellt der Geschichtenerzähler Fragen, Lestat?“ wollte Catherine wissen und lächelte, als er die Schultern zuckte.

„Manchmal soll das vorkommen.“ grinste er, fuhr aber dann fort: „Gut, du denkst es dir schon: Thirlestane Castle. Als Margaret zwölf Jahre alt war, heiratete sie den Duke of Irvine und wurde somit Duchess of Irvine.“

„Oh, mein Gott! Mit zwölf Jahren?“

„Ja, das waren andere Zeiten, Catherine. Es war bestimmt ihr Glück.“

„Schön. Wenn sie zwölf Jahre alt war, dann war das… 1599, ja?“ fragte Catherine nach und legte den Kopf schief.

„Ja, richtig. Der jüngere Bruder des Herzogs – John Dein und immerhin zu dieser Zeit auch bereits 28 Jahre alt – war nicht sehr angetan von Margaret, hielt seinen älteren Bruder für unzurechnungsfähig und stritt sehr oft mit ihm.“

„Warum? Was passte ihm nicht an ihr?“ wollte Catherine wissen, doch Lestat schüttelte den Kopf.

„Darüber ist sehr wenig bekannt. Vielleicht wollte er sie für sich haben, obwohl er selbst auch schon verheiratet war. Allerdings scheint mir diese Möglichkeit nicht gerade überzeugend zu sein. Wahrscheinlich war sie ihm zu jung, zu mittellos und unter seinem Stand.“

„Wahrscheinlich. Bis wir einen anderen Grund für seine Abneigung kennen, müssen wir davon ausgehen.“ meinte Catherine und fuhr fort: „John Dein. Damit haben wir endlich einen weiteren Namen. John Dein war der Bruder des Herzogs, also muss des Herzog selbst auch diesen Namen geführt haben.“

„Diesen Namen – John Dein - haben wir auch nur aus einem sehr speziellen Buch mit sehr vielen Randnotizen, aber nun hör’ einfach zu, ma cherie.“ bat er und Catherine nickte einverstanden.

„Die nächsten Jahre sind sehr unklar… 1600 wurde ihr erstes Kind geboren, doch einen Namen haben wir auch hier nicht. Im Januar 1601 kommt Mary zur Welt. Im selben Jahr stirbt das erstgeborene Kind.“

„Das ist furchtbar. Damals war sie erst vierzehn Jahre alt.“ bemerkte Catherine und Lestat nickte.

„Margaret wurde noch im selben Jahr schwer krank. Über die nächsten drei Jahre ist nichts bekannt, doch dann wird über die Geburt eines dritten Kindes berichtet, doch allerdings kommt dieses tot zur Welt. Margaret ist daraufhin wieder ans Bett gefesselt – nach den Beschreibungen litt sie die nächsten vier Jahre zusätzlich zu den schweren Depressionen unter Schwindsucht und immer wieder unter Lungenentzündungen.“

„Dass sie vier Jahre überlebt hat, ist schon beachtlich.“ warf Catherine ein.

Lestat nickte und schien zu überlegen. Catherine ging ebenfalls in Gedanken durch, was Lestat ihr gerade erzählt hatte. Sie hatte schon einmal eine Liste über das Leben der Madame X angefertigt, doch nun war es Margaret, von der sie sprachen. Eine namenlose Gestalt war sie einst gewesen und nun war sie das nicht mehr.

„Das Tagebuch überbrückt die Zeit vom April 1607 bis zum Dezember 1607. Danach fangen die Aufzeichnungen in den Büchern wieder an, etwas ausführlicher zu werden. 1608 war Margaret 21 Jahre alt und wird als junge, wunderschöne und geistreiche Frau beschrieben, doch noch immer verstand sie sich nicht mit ihrem Schwager John Dein und dessen Gemahlin. 1611 bringt sie endlich einen gesunden Sohn und somit Erben zu Welt.“

„George.“ vermutete Catherine, worauf Lestat nickte.

„Seinen Namen habe ich auch in den Büchern gefunden. Damit haben wir Margarets zwei Kinder, die überlebt haben. Mary und George.“

Vermutlich war Georges Geburt und offensichtliche Gesundheit auch ein erneuter Grund für die Abneigung von John Dein: nun hatte er praktisch keine Chance mehr, auf dem Schloss seines Vaters Fuß zu fassen.“

„Wieso das?“

„John Dein war nur der Zweitgeborene und somit waren schon beim Tod des eigenen Vaters der ganze Besitz und die Titel an den älteren Bruder gegangen. Nun war nicht einmal mehr die Möglichkeit gegeben, dass er den älteren Bruder beerben konnte. Er lebte völlig in der Gunst und Gnade seiner Familie und betätigte sich im Handel mit England als Kapitän eines der Schiffe seines Bruders.“

„Ein Handlanger seines Bruders.“

„So ungefähr.“ stimmte Lestat zu.

Catherine nickte und schwieg, um Lestat fortfahren zu lassen.

„Als John Deins Schiff ‚The Grace of God’ 1617 sank und alle an Bord ertranken, wurden diese allgemein bekannten Streitigkeiten zu Margarets Verhängnis. John Deins Witwe brachte eine Menge Gerüchte in Umlauf und beschwor damit ein großes Unheil herauf. Margaret wurde zusammen mit Isobel Insh und John Stewart angeklagt, sie hätte mit Zaubersprüchen und Verwünschungen das Schiff zum Sinken gebracht.“

„Wie bitte?!“ stieß Catherine aus, doch Lestat schüttelte nur ermahnend den Kopf.

„Margaret wies die Vorwürfe von Anfang bis Ende des Prozesses von sich, und auch Isobel schwor, sie habe diesen John Stewart niemals zuvor in ihrem Leben gesehen, doch John Stewart gestand die Verbrechen, die ihm zur Last gelegt wurden, und berichtete, er habe die beiden Frauen auf ihren eigenen Wunsch hin in der Zauberkunst unterrichtet. Einmal habe er sie auch gesehen, wie sie Modelle von Schiffen und Menschen aus Ton geformt hätten, um diese im Ritual zum Herausbeschwören des Unglücks zu benutzen.“

„Weiter!“ forderte Catherine Lestat auf, da er eine Pause gemacht hatte.

„Isobel gestand unter Folter ihre Schuld und starb fünf Tage später.“

Catherine schüttelte den Kopf und schloss für einen Moment die Augen.



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