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„Sollen wir in die drei-Uhr, oder die sechs-Uhr Vorstellung gehen?“, fragte Hotaru beim Mittagessen, kurz nachdem Uruhas Eltern das Haus verlassen hatten.
„Hm.“
„Was denn?“
„Dann nehmen wir die um drei Uhr.“ Uruha fischte eine Alge aus seiner Suppe und drehte sie lustlos um sein Stäbchen.
„Okay. Dann können wir ja gleich schon losgehen. Lange halte ich es mit dir in deiner momentanen Stimmung hier nicht mehr aus.“, murmelte Hotaru mit einem leichten Anflug von Ironie.
Als hätte er Uruha damit das Stichwort gegeben, sprang dieser auf und entfernte seine noch fast volle Suppenschale vom Tisch.
„Hast du keinen Hunger?“, fragte Hotaru, der inzwischen seine zweite Portion verspeist hatte.
Uruha schüttelte wortlos den Kopf.
„Du hast mir immer noch nicht gesagt, wer dieser Ruki ist.“
„Wie kommst du darauf, dass das hier irgendwas mit Ruki zu tun hat?“, widersprach Uruha halbherzig.
„Ach, Uruha. Für wie dumm hältst du mich?“ Hotaru lehte sich abwartend neben Uruha an den Kühlschrank.
Uruha kniff die Augen zusammen. „Er tut mir nur so leid. Und was, wenn er jetzt denkt, ich hätte ihn vergessen?“, sagte er zusammenhangslos.
Hotaru öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch Uruha drückte sich an ihm vorbei aus der Küche. „Komm, wir gehen.“, rief er aus dem Flur und Hotaru hörte, wie er seine Jacke anzog.
„Wenn du meinst. Aber dann haben wir noch jede Menge Zeit.“
Der Gang zum Kino verlief schweigend. Hotaru berichtete zunächst, was über den Film in der Zeitschrift stand, aber da Uruha immer nur einsilbige Antworten zum Besten gab, verging auch ihm die Lust zu reden.
Uruha sah sich ununterbrochen nach Ruki um, jedoch bisweilen ohne Erfolg.
Sie erreichten das mittelgroße Kino eine Viertelstunde vor Filmbeginn. Das Gebäude war ein architektonisches Meisterwerk. Durch seine abstrakten Anbauten und sorgfältig durchdachten Türmchen war es jedes Mal aufs Neue ein großartiger Anblick.
„Sollen wir schon reingehen?“, fragte Hotaru.
Doch Uruha hörte ihm nicht zu.
Er hatte in etwa hundert Meter Entfernung eine Gestalt wahrgenommen, die sich auf einen dekorativ geformten Steinblock vor dem Eingang des Kinos niedergelassen hatte. Der blone Haarschopf kam Uruha seltsam bekannt vor...
„RUKI!“
Die Gestalt blickte auf. Sie erkannte Uruha, der sich im Laufschritt näherte.
„Uruha?“, fragte Ruki ungläubig und stand auf.
Und schon warf sich ihm ein überglücklicher Uruha unter den verblüfften Blicken der Umstehenden um den Hals. Hotaru folgte mit einigem Abstand.
„Ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe. Was machst du hier?“, fragte Uruha.
„Eigentlich nichts.“ Ruki grinste.
Endlich ließ Uruha von ihm ab. „Tut mir wirklich leid wegen gestern. Aber mein alter Freund Hotaru hier,“, er deutete auf Hotaru, der sie nun fast erreicht hatte, „kam gestern an, und ich habe es erst zu spät zu unserem Treffpunkt geschafft.“
„Ach so. Und ich dachte schon...“ Ruki ließ den Satz unvollendet, da Hotaru sich nun leicht verbeugte. „Hi.“
„Hallo.“ Ruki lächelte scheu.
„Äh...Ja.“ Uruha kratzte sich am Kopf. „Also...Ruki, das ist Hotaru, Hotaru, das hier ist Ruki.“
„Ah, du bist also Ruki.“, platzte es aus Hotaru heraus. „Na dann ist es ja gut, dass Uru dich endlich gefunden hat, mit ihm war seit gestern nichts mehr anzufangen.“
„Ach, hör doch auf.“ Uruhas Gesicht färbte sich hellrosa.
Ruki grinste.
„Sag mal, willst du nicht mit ins Kino kommen? Ich lad dich ein.“, sagte Uruha schnell.
„Oh, danke. Wenn ich euch nicht störe.“
„Ach was. Oder, Hotaru?“
„Natürlich nicht.“ Hotaru war allem Anschein nach heilfroh, dass Uruha wieder ansprechbar war, um allzu lange über Ruki nachzudenken.
„Okay. Gehen wir dann? Der Film fängt gleich an.“ Uruha zog die beiden anderen sanft aber bestimmt in Richtung Eingang.
„Hotaru wohnt diese Woche bei mir. Meine Eltern sind für drei Wochen verreist.“, erklärte er für Ruki.
Hotaru sah Ruki neugierig an. „Und woher kennst du Uruha?“, fragte er freundlich.
„Äh...Eigentlich nur durch den Unfall.“ Es schien, als hätte Ruki diesen schon fast wieder vergessen.
Bevor Hotaru weiterfragen konnte, erreichten sie die Kasse und Uruha bestellte ihre Karten.
Der Film war tatsächlich sehr gut, und Uruhas Laune wurde von Minute zu Minute besser.
In der Pause, die wegen Überlänge eingerichtet worden war, verschwand Ruki auf die Toilette, und Uruha wandte sich unsicher an Hotaru.
„Du...?“
„Ja?“ Hotaru warf sich eine Hand voll Popcorn in den Mund und sah Uruha erwartungsvoll an.
„Ich weiß, dass es nicht besonders höflich dir gegenüber wäre, aber...“ Unsicher wich Uruha seinem Blick aus.
„Worum geht es denn?“, schmatzte Hotaru.
„Hättest du etwas dagegen, wenn Ruki in dieser Woche ebenfalls bei uns wohnen würde?“
Hotaru würgte den Mund voll Popcorn hinunter und sah Uruha überrascht an. „Ich...also...warum...? Ich meine...Nein, ich hätte nichts dagegen. Aber wieso..?“
„Hör zu.“, begann Uruha und sah schnell zur Tür des Kinosaals, um sich zu vergewissern, dass Ruki noch nicht zurück war.
„Ruki hat kein Zuhause, weil sein Vater nicht mehr lebt und er mit seiner Mutter...nicht klargekommen ist.“
„Er lebt also auf der Straße?“, unterbrach ihn Hotaru erstaunt.
„Ja. Und er hat es sicher nicht einfach.“
„Oh...Na dann...“ Hotaru war sichtlich erstaunt von der plötzlichen Information über Ruki. „Also an mir soll‘s nicht liegen. Ich hab nichts gegen ihn, also wenn du willst...Weiß Ruki denn schon was davon?“ Er lachte nervös.
„Nein, ich wollte zuerst dich fragen. Aber wenn du einverstanden bist...“ Uruha unterbrach sich, da Ruki in diesem Moment zu ihnen trat und sich wieder in seinen Sitz fallen ließ.
Hotaru nickte Uruha kurz zu, bevor die Fortsetzung des Films begann.
„Ruki? Also ich dachte mir, du könntest die nächsten drei Wochen bei mir wohnen, weil meine Eltern ja nicht da sind. Und Hotaru hat auch nichts dagegen.“
Ruki erstarrte in der Kaubewegung und ließ die leere Popcorntüte in einen Mülleimer fallen. „Ist das dein Ernst? Aber wenn deine Eltern das erfahren!“
„Tun sie ja nicht.“
„Und du meinst das wirklich ernst?“, fragte Ruki erneut und sah Uruha an, als sähe er ihn zum ersten Mal.
„Natürlich.“
„Und ich bin euch beiden auch nicht im Weg?“
„Nein, bist du nicht.“, antwortete Hotaru an Uruhas Stelle und zog seinen Schal fester um den Hals. „Kommt ihr beiden jetzt? Mir ist kalt.“
Sie setzten sich in Bewegung. Ruki sah mit aufgerissenen Augen vor sich hin, so als könne er nicht glauben, dass Uruha ihn wirklich für die nächsten drei Wochen eingeladen hatte.
„So, hier wohne ich.“, sagte Uruha an Ruki gewandt, als sie die Wohnung erreichten und eintraten.
Ruki sah sich beeindruckt um.
„Mein Zimmer ist da hinten, Ruki. Da kannst du deine Tasche abstellen.“
Ruki nickte und ging voraus.
„Nur, wo soll Ruki schlafen?“, fragte Hotaru und legte die Stirn in Falten.
„Ihr habt doch nur dieses Gästebett, oder?“ Er nickte zu dem Klappbett hinüber, welches sie neben Uruhas Bett stationiert hatten.
„Ruki schläft bei mir.“, sagte Uruha prompt.
Hotarus Stirn kräuselte sich noch mehr. „Bei dir? Passt ihr denn beide in dein Bett?“
„Natürlich. Das heißt, wenn Ruki möchte, kann ich auch stattdessen auf dem Sofa schlafen, alles kein Problem.“
„Nicht nötig.“, sagte Ruki hastig.
Hotaru sah verwirrt zwischen den beiden hin und her. „Ah ja. Na dann.“
„Könnte ich vielleicht duschen, Uruha?“, fragte Ruki.
„Natürlich. Von hier aus gesehen die zweite Tür links im Flur ist das Bad. Moment.“ Uruha durchwühlte seinen Kleiderschrank und drückte Ruki ein Handtuch und frische Kleidung in die Hand.
„Oh, danke.“ Ruki lächelte noch einmal und verschwand im Bad.
„Mh...Wie lange kennst du ihn schon?“, fragte Hotaru, doch es klang eher wie eine Feststellung, als wie eine Frage.
„Noch nicht so lange. Wie gesagt, mein Vater hat ihn neulich Abend angefahren, und dadurch haben wir uns dann kennengelernt.“
„Achso.“ Hotaru nickte.
„Warum?“
„Interessiert mich nur.“
„Und du hast echt nichts dagegen, dass er auch hier bleibt?“, fragte Uruha misstrauisch.
„Wirklich nicht.“ Hotaru drehte sich zur Tür. „Ich mach Tee, okay?“
„Na klar.“ Uruha nickte und wandte sich wieder seinem Klaiderschrank zu, um nach einem zweiten Kissen für Ruki zu suchen.
Er war mehr als froh, Ruki gefunden zu haben. Es gab so viele Möglichkeiten, wo er hätte sein können, und dann trafen sie ich ausgerechnet an diesem Kino?
Er hätte sich nie träumen lassen, dass er Ruki überhaupt wiedersehen würde, geschweige denn schon einen Tag nach ihrer geplatzten Verabredung.
Uruha zerrte ein großes Kissen aus dem Kleiderschrank und schmunzelte. Das Schicksal schien es im Moment gut mit ihm zu meinen.
„Seid ihr auch so müde?“, fragte Uruha, als sie am Abend zu dritt auf dem Sofa im Wohnzimmer saßen und ihren Blick auf den Fernseher gerichtet hatten.
Synchrones Nicken von Ruki und Hotaru folgte seiner Frage.
„Können wir gleich ins Bett gehen?“, fragte Uruha weiter, als keiner der beiden ein Wort sagte.
„Warum gehst du nicht einfach ins Bett, wenn du müde bist?“, lachte Hotaru. „Aber du hast recht. Ich hab auch keine Lust mehr auf den Film. Was ist mit dir, Ruki?“
Ruki nickte und stand auf.
Hotaru war schon eingeschlafen, als Uruha und Ruki sich noch im Bad unterhielten.
„Dann haben wir uns ja gestern nur knapp verpasst.“, murrte Uruha, nachdem sie sich über die Geschehnisse des vorherigen Tages ausgetauscht hatten.
Ruki nickte. „Ärgerlich. Ich hätte nur fünf Minuten länger warten müssen. Aber ich dachte, du würdest nicht mehr kommen. Tut mir leid.“
„Du bist immer so bescheiden.“, grinste Uruha. „Deine Schuld war das bestimmt nicht.“ Er machte eine kurze Pause und legte seine Zahnbürste beiseite. „Aber jetzt ist es ja auch egal.“
„Genau.“, stimmte Ruki zu. „Ich bin jedenfalls froh, dass ihr mich heute gefunden habt. Ich hab schon befürchtet, ich würde dich nie wiedersehen.“
„Ging mir ganau so. Gehen wir?“ Uruha nickte zur Tür und Ruki folgte ihm.
Gähnend ließ sich Uruha neben Ruki aufs Bett fallen und lauschte Hotarus gleichmäßigem Atem.
Ruki drehte sich auf die Seite und schloss die Augen. Er war zwar müde, aber würde bestimmt nicht schnell einschlafen können. Der Tag hatte zu viele Überraschungen gebracht.
Er überlegte. Bestimmt war es schon ein ganzes Jahr her, dass er das letzte Mal in einem richtigen Bett geschlafen hatte.
Ruki lächelte in die Dunkelheit hinein.
Vielleicht hätte er Uruha ohne den Unfall nie getroffen.
„Kannst du nicht schlafen?“, fragte Uruha nach einiger Zeit mit leiser Stimme.
„Ich weiß nicht. Es ist nur so ungewohnt für mich.“, flüsterte Ruki zurück.
Einen Moment später registrierte er, wie Uruha ihn zu sich heranzog.
„Schlaf gut, Uruha.“, murmelte er, während er sich an den warmen Körper neben sich schmiegte.
„Du auch.“
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Als erstes: Mir ist schon klar, dass man sich nicht die Haare blond färbt, wenn man aufer Straße lebt und eh kein Geld hat, aber trotzdem...Ruki is hier blond und damit basta ><
Mir ist außerdem klar, dass manche jetzt wieder ein Adult-Kapi aus der Situation zaubern würden, aber irgendwie fänd ich das ziemlich albern...
Ich hab auch einfach keine Lust, irgendeinen niveaulosen Kram zu schreiben, wo die Leute direkt am f***en sind und wo es eigentlich auch nur daraus hinausläuft...
Okay, manche werden das anders sehen, und ich will damit auch keineswegs andeuten, dass ich Adult-Kapis oder Sachen, die in die Richtung gehen, grundsätzlich nicht gut fände.
Ich wollte damit eigentlich nur sagen, dass ichs hier einfach unpassend finde^^