Zum Inhalt der Seite

Dunkelheit

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Eindringling

Herzlich Willkommen zu meinem neuen Kapitel! XD

So, jetzt geht es mal richtig zur Sache ^^ Wie der Titel des Kapitels bereits verrät, kommt jemand vorbei, der eigentlich nicht eingeladen war. Lasst euch überraschen ^^

___________________________________________
 

Claire wanderte unruhig in ihrem Zimmer hin und her, immer wieder warf sie verstohlene Blicke aus dem Fenster. Fahles Mondlicht ließ die Hauptstadt, die weit ausgebereitet vor ihr lag, in einem seltsamen mystischen Licht erscheinen. Alles wirkte vollkommen normal, dennoch wusste Claire, dass dem nicht so war.

Sie fuhr sich durch das Haar und schlang den Morgenmantel enger um ihren Körper. Die Temperatur in ihrem Zimmer war bei Einbruch der Dunkelheit rasch gefallen, der anrückende Winter zeigte sich wieder mal von seiner ungemütlichen Seite. Trotzdem tapperte sie mit ihren nackten Füßen über den kalten Steinboden, ihren eigenen Gedanken nachhängend.

Noch vor gut zehn Minuten hatte sie seelenruhig geschlafen, nun aber war sie wacher als jemals zuvor in ihrem Leben. Nichts Bestimmtes hatte sie geweckt – kein Geräusch oder ein plötzlicher Windhauch – sondern vielmehr ein Gefühl.

Ein Gefühl der Beklommenheit und Angst.

Irgendetwas stimmte nicht.
 

Dort unten in Rashitar ging etwas vonstatten, das ihr Herz unwillkürlich schneller schlagen ließ. Es schien zwar alles in Ordnung zu sein, doch der Eindruck täuschte. Ihr empfindliches Gespür hatte sie noch nie im Stich gelassen.

Sie hatte sofort zu Jyliere eilen und ihm ihre Befürchtungen mitteilen wollen, doch schnell hatte sie erkannt, dass dies ein sinnloses Unterfangen gewesen wäre. Claire spürte seine Aura nicht in nächster Nähe, sodass zu vermuten war, dass er sich immer noch bei Te-Kem aufhielt. Es war zwar schon recht spät, aber vielleicht hatten sich die beiden nach Jylieres zweiwöchiger Abwesenheit eine Menge zu erzählen.

Zumindest tat Claire ihr Bestes, um daran zu glauben. Sie hoffte inständig, dass wirklich nicht mehr dahinter steckte.
 

Was mach ich nur?

Claire fühlte sich hilflos. Sie konnte ihre Angst nicht mal so recht beschreiben, es war mehr eine Art Ahnung. Sie wusste nicht, ob gerade in diesem Augenblick irgendetwas Schreckliches geschah oder ob dies möglicherweise noch passieren würde. In die Zukunft zu blicken war ihr bis jetzt noch nie gelungen, das hieß aber noch lange nicht, dass sie nicht dazu imstande war. Die meisten Kräfte eines Magiers entwickelten sich unbewusst und mussten erst geweckt werden.

Claires Blick fiel auf ihren mannshohen Spiegel. Trotz des spärlichen Lichts konnte sie ihre eigene Reflektion gut erkennen, besorgte Augen starrten ihr entgegen. Ihr Gesicht war blass – irgendwie erinnerte sie sich unweigerlich an Jyliere – und ihre Haare, normalerweise zu einem strengen Knoten zusammengebunden, hingen ihr wild und zerzaust über die Schultern. Ihr dünnes Nachtgewand konnte das Zittern ihres schmächtigen Körpers nicht verbergen.

Aber es war nicht unbedingt die Kälte, die sie beben ließ.
 

Hab keine Angst, du dummes Mädchen, schalt sie sich selbst. Du musst dich konzentrieren.

Zunächst einmal musste sie einen klaren Kopf bekommen. Diese unnütze Furcht brachte rein gar nichts, die trübte bloß das Fassungsvermögen. Mit aller Kraft zwang Claire sich selbst zur Ruhe, jegliche Unsicherheit sollte von ihr abfallen. Zwar gelang es ihr nicht völlig, ihre Angst zu unterdrücken, aber wenigstens hörte das Zittern auf. Zumindest etwas.

Entschlossen schritt sie zur Tür und schlüpfte in den dunklen Flur. Eine gähnende Finsternis umfing sie, schien sie zu verschlucken. Nur mit großer Anstrengung konnte sie ihren Körper daran hindern, wieder kehrtzumachen. Stattdessen nahm sie all ihren Mut zusammen und marschierte durch den menschenleeren Flur.

Von überall drangen Laute an ihr Ohr – hier ein Kratzen, dort ein undefinierbares Schaben –, doch sie ignorierte sie. Die Geräusche der Nacht durften sie nicht von ihrem Vorhaben abbringen.

Selbst ihre über alles geliebte Bibliothek wirkte um Mitternacht bei weitem nicht mehr so einladend wie bei Tag. Hastig eilte sie zum nächstbesten Kerzenleuchter und sorgte für etwas Licht. Die tanzende Flamme ließ Claire sogleich aufatmen.

Suchend schritt sie die endlosen Regalreihen ab, ihren Blick auf die Bücherrücken gerichtet. Irgendwo musste es doch sein! Irgendwo ...

„Suchst du was Bestimmtes?“
 

Claire stieß einen überraschten Schrei aus und wirbelte herum. Beinahe wäre ihr der Kerzenleuchter aus der Hand gefallen, doch glücklicherweise konnte sie Schlimmeres verhindern.

Mit wild pochendem Herzen musterte sie die Gestalt, die an der Türschwelle stand. Es war viel zu dunkel, um irgendetwas zu sehen, aber die Stimme hatte sie trotz ihres Schocks durchaus erkannt. „Neyo ...“, stieß sie hervor.

Der junge Mann trat näher, sodass der Schein der Kerze auch ihn erfasste. Ein verschmitztes Lächeln lag auf seinen Lippen. „Du wirst wohl nie müde, was? Immer nur lernen und lernen ...“

Claires Puls normalisierte sich wieder, stattdessen spürte sie die altbekannte Wut, die sie beim Anblick dieses Straßenjungen jedesmal überkam. „Kümmer dich um deine eigenen Sachen. Was suchst du überhaupt hier?“

Neyo zuckte mit den Schultern. „Ich streife ein bisschen durch die Gegend“, meinte er. „Nachts ist das Haus so friedlich.“

Claire hob argwöhnisch eine Augenbraue. „Heißt das, du tust das öfters?“

Neyo nickte. „Und du bist mir bisher noch nicht begegnet. Zu meinem Glück, muss ich gestehen.“
 

Die Magierin verkrampfte ihre freie rechte Hand zu einer Faust. Er konnte es einfach nicht lassen, er musste sie ständig beleidigen. Nicht mal ein Fünkchen Anstand war in ihm zu entdecken, er war durch und durch verkorkst. Irgendwie bereute Claire es plötzlich, ihm nicht ein paar Peitschenhiebe verpasst zu haben. Dann wäre er wahrscheinlich nicht mehr so unhöflich.

„Bereitest du dich auf irgendeine Prüfung vor oder warum stromerst du um diese unwürdige Zeit durchs Haus?“ Neugierig schaute er zu den Büchern.

Claire knirschte mit den Zähnen. „Das braucht dich nicht zu interesieren. Verschwinde bloß.“

Neyo machte nicht den Anschein, als wollte er ihrem Befehl in irgendeiner Form Folge leisten. Unbeeindruckt erwiderte er ihren funkelnden Blick. „Du hast Angst, oder?“
 

Claire schrak unwillkürlich zusammen. Woher wusste er das? Sie benötigte einen Augenblick, um sich wieder zu sammeln. Sie hoffte bloß, dass Neyo ihren kleinen Ausrutscher nicht bemerkt hatte. „Wie kommst du darauf?“, fuhr sie ihn an.

„Du hast ziemlich erschrocken auf mein plötzliches Auftauchen reagiert. Normalerweise bringt dich nichts aus der Fassung, aber eben hab ich dich ganz schön überraschen können. Anscheinend bist du mit deinen Gedanken ganz woanders ... an einem Ort, der dir nicht sonderlich gefällt.“

Claire verzog missmutig das Gesicht. Neyo mochte vielleicht ein Idiot sein, aber sie musste zugeben, dass er trotz alledem ein guter Menschenkenner war. Es war ihm bis jetzt immer gelungen, sein Gegenüber zu durchschauen, man konnte nichts vor ihm verbergen.

Äußerst lästig, wie Claire fand.
 

„Was geht dich das an?“, fauchte sie leicht ungehalten. Sie wollte nur noch, dass er verschwand. Ihr gefiel es gar nicht, dass er sie in diesem Zustand sah.

„Jyliere ist immer noch weg, nicht wahr?“ Neyo machte nicht den Anschein, als wollte er sich in nächster Zeit zurückziehen. Ganz im Gegenteil, er kam noch etwas näher und inspizierte interessiert die Regalreihen. „Was suchst du eigentlich?“

„Nichts von Bedeutung“, zischelte sie. Der Drang, Neyo mit irgendeinem gemeinen Fluch zu belegen, wurde mit jeder Sekunde stärker. Vielleicht, so kam ihr der Gedanke, sollte sie es auch wirklich tun. Immerhin hatte Jyliere im Grunde nichts dagegen gehabt, dass sie ihn für ihre Frechheiten einmal ordentlich bestrafte ... Der Magier hatte zwar sein Missfallen darüber zum Ausdruck gebracht, es seiner Ziehtochter aber nicht ausdrücklich verboten.

„Ich könnte dir helfen“ schlug er vor. „Ich habe doch zusammen mit Pierre vor gar nicht allzu langer Zeit die Bibliothek auf Vordermann gebracht, wie du vielleicht weißt. Nenn mir den Titel eines Buches und ich kann dir sagen, wo es steht.“

Verdammt, dachte sie wütend. Der kann mir ja wirklich nützlich sein.
 

„Warum willst du mir denn helfen?“, hakte sie misstrauisch nach. Irgendwas war faul an der Sache, Neyo war sonst nie so selbstlos.

Er grinste spitzbübisch. „Du bist meine Herrin, schon vergessen?“ Er sprach dieses Wort mit soviel Spott aus, dass Claire nicht übel Lust gehabt hätte, ihn in Flammen aufgehen zu lassen. Wie immer hatte er nichts anderes in Sinn gehabt, als sie zu verhöhnen. Typisch.

Empört stieß sie ihn weg. „Ich komme auch sehr gut alleine klar“, meinte sie zornig. „Ich brauche deine Hilfe wirklich nicht. Geh lieber, bevor ich richtig sauer werde.“

„Aber du bist doch schon sauer.“ Er schien die Situation richtiggehend zu genießen, Claires Wut stachelte ihn nur noch mehr an. „Vielleicht solltest du einfach –“

Er hielt plötzlich inne und lauschte angestrengt. Sein amüsiertes Lächeln verschwand umgehend, es blieb nur noch eine konzentrierte Miene zurück. Sein Blick wandte Richtung Tür.
 

„Was ist denn los?“, fragte Claire. Fiel ihm kein passender Spruch mehr ein, wollte er etwa schon aufgeben? Unmöglich.

Unvermittelt spürte sie, wie sich ihr Innerstes zusammenzog. Die drückende Angst, die sie zuvor aus dem Bett geholt hatte, erfüllte ihren ganzen Körper. Ein eisiger Lufthauch strich über ihren Arm, lockte eine Gänsehaut hervor. Automatisch umklammerte sie ihren Oberkörper.

Etwas war falsch.

Da war etwas ... im Haus.
 

„Laufen noch andere nachts durch die Gänge?“, erkundigte sich Claire mit zittriger Stimme.

„Nicht, dass ich wüsste“, meinte Neyo. „Bleib du hier, ich schau mal nach.“

Claire wollte schon zum Protest ansetzen, doch Neyo verschwand so schnell in der Dunkelheit, dass sie keine Gelegenheit dazu erhielt. Sie blieb alleine zurück, mit nichts anderem als einer kleinen Kerze und ihren Befürchtungen.

Bildete sie sich das vielleicht alles nur ein? Konnte es nicht sein, dass die Nacht ihr nur einen Streich spielte? Das tat sie schließlich des öfteren, warum nicht auch jetzt?

Doch Claire kannte die Antwort, sosehr es ihr auch missfiel. Es war keine Einbildung, auch wenn sie sich nichts sehnlicher wünschte.

Irgendwer – oder auch irgendwas – war ins Haus eingedrungen. Und es war ganz bestimmt nicht Jyliere.
 

* * * * *
 

Es war totenstill in den Gängen der alten Villa. Nirgends war auch nur das kleinste Geräusch zu hören.

Neyo schlich leise durch die Flure, sehr darauf bedacht, bloß nichts anzustoßen. Er durfte keinerlei Lärm verursachen, musste so flink und grazil wie eine Katze sein. Mit bereits an die Dunkelheit gewöhnten Augen schritt er sicher voran, ohne auf ein Hindernis zu treffen.

Er musste ganz nah sein. Aus dieser Richtung war das Geräusch gekommen, das ihn in der Bibliothek hatte aufhorchen lassen.

Das Geräusch von zersplitternden Glas.

Neyo wusste selbst nicht genau, warum er eigentlich so nervös war. Vielleicht hatte nur jemand etwas Wasser holen wollen und hatte aus Versehen das Glas fallen lassen. Möglicherweise hatte auch einer von Jylieres Hunden wieder irgendwelchen Unsinn angestellt oder aber Calvio torkelte mal wieder betrunken durchs Haus. Es konnte alles mögliche sein. Vollkommen harmlos und ungefährlich.

Warum also war er so beunruhigt? Wieso klopfte sein Herz dermaßen wild?
 

Es gab nur eine Antwort: Claire.

Er hatte diese Angst in ihren Augen gesehen. Es war mehr als untypisch, dass sie nachts durch die Gänge schlich, um nach einen Buch zu suchen. Irgendetwas musste sie geweckt und in Panik versetzt haben. Nachdem sie festgestellt hatte, dass Jyliere immer noch nicht zurück war, war sie in die Bibliothek geeilt. Vielleicht hatte sie nach einem Schutzzauber gesucht oder auch nach einer Möglichkeit, trotz der Distanz mit ihrem Ziehvater kommunizieren zu können. So oder so, es war Furcht gewesen, die ihr Handeln gelenkt hatte.

Und Neyo fand es mehr als beunruhigend, dass sich irgendwas Mysteriöses abspielte, das selbst eine Magierin in Schrecken versetzen konnte. Claire hatte schon immer über ein feines Gespür verfügt, sie würde nicht grundlos in Aufregung geraten. Es musste etwas dahinter stecken.

Neyo seufzte. Vielleicht hätte er besser bei ihr bleiben sollen, anstatt den Helden zu spielen. Sie war zwar ein unangenehmer Zeitgenosse, aber wenigstens besaß sie genügend Macht, um ein ganzes Batallion auszuschalten. Neyo hatte sie manchmal bei ihren Übungsstunden mit Jyliere beobachtet, sie hatte wirklich ein beachtliches Talent. Sie wäre bestimmt dazu imstande gewesen, das Haus und seine Bewohner angemessen zu beschützen.

Dennoch ... Claires angsterfüllte Augen wollten ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen.
 

Als ein Lufthauch seine Haut streifte, blieb er unvermittelt stehen. Er starrte auf die unzähligen Scherben zu seinen Füßen hinab, die einst ein Fenster gewesen waren.

Die Scheibe war von außen eingeschlagen worden!

Neyo nahm all seinen Mut zusammen und trat näher an das Fenster. Draußen konnte er keinerlei Fußspuren im Boden entdecken, doch das musste nichts heißen. Das Mondlicht reichte nicht wirklich aus, um Einzelheiten erkennen zu können.

Neyo versuchte mit aller Macht, seine durcheinanderwirbelnde Gedanken zu ordnen. Wer auch immer in die Villa eingedrungen war, er war entweder verrückt oder wagemutig. Niemand brach so ohne weiteres in das Haus eines hohen Magiers ein, selbst Neyo auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Dieb wäre niemals solch ein Risiko eingegangen. Es war einfach nur dumm und unverantwortlich. Der arme Kerl würde schneller gefasst werden, als ihm lieb war.

Neyo hätte noch Stunden damit zubringen können, in diesem riesigen Haus nach dem Eindringling zu suchen, doch er hielt es für klüger, zu Claire zurückzukehren. Mit ihren übernatürlichen Sinnen hätte sie den Idioten binnen weniger Sekunden lokalisiert.

Aber wieso war er immer noch so unruhig? Warum gefror sein Blut beim Anblick der Glasscherben? Neyo verstand es einfach nicht.
 

Seufzend drehte er sich um ... und starrte in ein leuchtendes Augenpaar!

Für einen kurzen Moment war er wie gelähmt, dann aber torkelte er zurück, bis er mit seinen Rücken gegen die Wand stieß. Er war versucht, eine Warnung hinauszuschreien, um die anderen zu alarmieren, doch kein Ton drang über seine Lippen. Er konnte bloß mit weitaufgerissenen Augen den Mann anstarren, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war.

Neyo vermochte sein Gesicht nicht wirklich zu erkennen. Obwohl er direkt vom Licht des Mondes beschienen wurde, blieb seine Gestalt dennoch im Dunkeln verborgen. Beinahe so, als hätte die Finsternis einen schützenden Mantel um ihn gehüllt. Einzig diese teuflisch funkelnden Augen stachen hervor. Die Augen eines Raubtiers.
 

„Sieh an, ein verirrtes Lämmchen.“ Seine Stimme klang seltsam melodiös und gleichzeitig abstoßend. Neyo jagte sie einen kalten Schauer über den Rücken. „Was treibt dich denn zu so später Stunde hierher?“

Neyo verfluchte sich selbst dafür, dass er kein einziges Wort zustande brachte, doch er war wie betäubt. Er konnte sich nicht regen, nicht mal richtig atmen.

Irgendwas an dem Kerl war abrundtief falsch. Sein Auftreten, seine Stimme und diese Augen – das alles wirkte nicht sonderlich ... menschlich.

Neyo schluckte schwer. Wer – oder auch was – war das nur?

„Hast wohl deine Zunge verschluckt, was?“ Der Fremde trat näher, aber merkwürdigerweise blieb sein Gesicht noch immer von der Dunkelheit verschluckt. „Aber es freut mich dennoch, dass du mich gleich hier begrüßt, wo ich doch erst vor ein paar Minuten angekommen bin.“ Er lachte kehlig. „Eigentlich sollte es ja eine Überraschung werden, aber du hast sie mir gründlich verdorben.“
 

Neyo wollte nur noch fort, weg von diesem ominösen Unbekannten. Er war eine große Gefahr, daran bestand kein Zweifel. Von ihm ging etwas aus, das Neyo unwillkürlich zittern ließ. Eine Bosheit schlug ihm entgegen, dass es fast schon schmerzte.

„Ich würde trotzdem gerne erfahren, woher du gewusst hast, dass ich vorbeischaue“, meinte der schwarze Mann. Seine leuchtenden Augen prüften Neyo gründlich. „Ich hatte eigentlich niemanden aufwecken wollen.“

Neyo nahm all seinen Mut zusammen. „Ich habe ... es gehört. Das Fenster.“

„Das Fenster?“ Der Fremde schien ehrlich überrascht. „Dabei war ich extra leise. Eigentlich hättest du gar nicht ...“ Er hielt kurz inne, schien zu überlegen. „Wie ist dein Name, Bürschchen?“
 

Ich habe nicht mal Jyliere sofort meinen Namen verraten, warum also dir?, dachte Neyo trotzig. Er drängte seine Furcht mit aller Gewalt zurück und schloss sie in den hintersten Winkel seines Verstandes ein. Es war nicht an der Zeit für Panik. Er musste den anderen Bescheid sagen, sie vor diesem Eindringling warnen. Dieser Kerl führte ganz bestimmt nichts Gutes in Schilde, vielleicht schreckte er nicht mal vor Mord zurück. Er würde auf jeden Fall eine Menge Ärger verursachen, wenn man ihm nicht Einhalt gebot.

Neyo spürte, wie er allmählich wieder Gefühl für seinen Körper bekam. Er gewann die Kontrolle zurück.

Doch gerade als er davonstoben wollte, packte ihm der Fremde unsanft am Hemdkragen und hielt ihn auf. Mit einer geradezu unglaublichen Kaft presste er Neyo an die Wand, sodass kein Entkommen möglich war. Neyo wand sich zwar wie ein Fisch an der Angel, doch es war sinnlos. Er konnte sich keinen Zentimeter von der Stelle bewegen.

„Wo wollen wir denn hin, mein kleiner Freund?“ Sein Kichern klang, als würde es aus der Unterwelt stammen. Mit seinen kalten Fingern umfasste er Neyos Hals, dazu bereit, jederzeit zuzudrücken. „Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Wirklich sehr unhöflich von dir. Von jemanden, der in einer so totschicken Villa wohnt, hätte ich eigentlich bessere Manieren erwartet.“
 

Neyo knurrte. Seine Situation war aussichtslos. Er hatte sich zwar immer für ziemlich stark gehalten, doch dieser Fremde übertraf alles, was ihm bis jetzt untergekommen war. Der Unbekannte hatte offenbar keinerlei Probleme damit, einen ausgewachsenen, kräftigen Mann an der Wand festzunageln. Es schien ihm nicht im geringsten anzustrengen. Neyos klägliche Befreiungsversuche nahm er mit einem matten Lächeln zur Kenntnis, seine weißen Zähne blitzten aus dem in der Finsternis gehüllten Gesicht hervor.

„Gib dir keine Mühe, du hast sowieso keine Chance“, meinte der Fremde genüsslich. „Ein gewöhnlicher Sterblicher wie du hat nicht die Kraft, sich mir entgegenzustellen.“ Er verengte den Griff um Neyos Kehle ein wenig. „Also, mein hübscher Bursche, wo waren wir stehengeblieben? ... Ahja – du warst unhöflich.“

Bevor Neyo auch nur irgendwie die Gelegenheit erhielt, sich zu verteidigen, spürte er, wie die Faust des Mannes in seinen Bauch gerammt wurde. Ein entsetzlicher Schmerz durchfuhr seinen Körper und ließ es ihm für kurze Zeit schwarz vor Augen werden. Leidvoll stöhnte er auf.

Am liebsten wäre er zu Boden gesackt, hätte seinen zittrigen Knien nachgegeben, doch der Fremde hielt ihn noch immer an die Wand gedrückt. Er gab seinem Opfer nicht mal die Möglichkeit, sich vor Schmerzen zu krümmen.
 

„Ich hasse es, wenn jemand unhöflich wird“, sagte der Unbekannte in einem völlig gelassenen Tonfall. „Das kann ich wirklich nicht ausstehen. Also, nochmal von vorn: Wie lautet dein Name?“

„N- .... Neyo“, presste er unter größter Mühe hervor. Seine Kräfte verließen ihn allmählich, der Würgegriff des Eindringlings war viel zu stark.

„Neyo.“ Er schien für einen kurzen Augenblick in seine eigenen Gedanken zu versinken. „Verstehe. Sag, Neyo, bist du der Sohn dieses Tattergreis von Magier?“

„N-nein ... nur sein Diener ...“, erwiderte der junge Mann.

„Hm, das muss ich dir wohl glauben“, sagte der Fremde. „Ansonsten hättest du mich wahrscheinlich auch schon längst mit Magie angegriffen, nicht wahr?“ Er seufzte theatralisch. „Weißt du, Neyo, du gefällst mir wirklich gut. Ganz ehrlich, du kannst mir glauben. Aber leider kann ich im Moment nicht mit dir spielen, ich habe einen Auftrag zu erledigen.“ Ein dämonisches Grinsen huschte über seine Lippen. „Doch vielleicht sehen wir uns wieder.“
 

Mit diesen Worten entließ er Neyo aus seiner Gewalt. Die Beine des jungen Mannes knickten daraufhin augenblicklich zusammen, erschöpft und auch ein wenig perplex sackte er auf den kalten Steinboden. Ein dumpfer Schmerz pulsierte durch seinen Körper, jeder Atemzug bereitete ihm unglaubliche Qualen. Ihm war, als würde er immer noch die Wucht des Schlages spüren.

„Ihr seid so jämmerlich.“ Die Augen des Fremden funkelten, als er verächtlich zu Neyo hinabblickte. „So zerbrechlich. Ihr fallt schon auseinander, wenn man euch nur schief anschaut. Ich verstehe wirklich nicht, wie ihr so derart dominant habt werden können.“ Er zuckte mit den Schultern, zumindest glaubte Neyo dies in der Finsternis erkennen zu können. „Wahrscheinlich nur pures Glück.“

Neyo keuchte. „Wovon ... redest du?“

„Von nichts Besonderem“, winkte er ab. „Nur von Nichtigkeiten. Braucht dich gar nicht zu interessieren.“

Er beugte sich etwas zu ihm herab und zum ersten Mal konnte Neyo sein Gesicht einigermaßen ausmachen. Er sah dieses falsche Lächeln, diese übernatürliche Augen und diese eigenartig anmutende Tätowierung, die sich über seinen Hals und seine rechte Wange zog.

„Es war wirklich amüsant mit dir, Kleiner“, sagte er. „Sei nicht traurig, dass ich sofort wieder verschwinde, ich bin nun mal so. Ständig auf Achse, nirgends kann ich mich lange aufhalten. Aber sei dir gewiss, du bist so ein leckeres, kleines Bürschchen, dass ich bestimmt bald wieder mal vorbeischaue. Doch im Augenblick hab ich's leider sehr eilig, ich muss noch ein Buch abholen, bevor die Bibliothek schließt. Also dann, Roth-nak, mein Freund. Mach's gut.“
 

Und plötzlich, so unvermittelt, wie er aufgetaucht war, verschwand er auch wieder, verschluckt von der Dunkelheit. Nichts blieb von ihm zurück, nur die Scherben auf dem Boden und die Erinnerung, die sich in Neyos Bewusstsein gebrannt hatte. Der Anblick dieses mysteriösen Mannes würde wahrscheinlich für immer in seinem Gedächtnis bewahrt bleiben.

Langsam aber sicher beruhigte sich Neyos Herzschlag wieder, auch der Schmerz klang ein wenig ab. Ächzend lehnte er sich an die Wand und schloss die Augen. Es war vorbei, den Göttern sei Dank. Er lebte sogar noch, was für ein Wunder. Eigentlich hatte er ja angenommen, dieser Kerl würde ihn eiskalt umbringen, aber offenbar hatte die Erfüllung seines Auftrags für ihn oberste Priorität gehabt.
 

Plötzlich durchfuhr es Neyo wie ein Blitzschlag. Ein Buch ...? Die Bibliothek ...?

Bereits im nächsten Moment war der Gang erfüllt von einem markerschütterndem Schrei.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (6)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2009-05-23T15:27:47+00:00 23.05.2009 17:27
so bin jetzt schon beim vierten kapi angelangt *sehr stolz auf sich ist*

also jetzt sind nicht nur die alten männer bei dir als, sonder auch junge frauen. alos sarah du musst irgendiwe jeden alt machen, oder?

so das war also die erste begegnung mit einem vampir, aber ich frag mich was mit neyo ist. wieso hat er das klirren gehört? ist er was besonderes?
und was wird mit claire? wird sie ausgesaugt oder noch etwas viel schlimmeres passieren?
das seht ihr alles in der nächsten folge von Dunkelheit ^^

HDL Tami
Von:  blacksun2
2008-05-21T11:06:37+00:00 21.05.2008 13:06
okay ich versuch jetzt mal ruhig zu bleiben und nicht völlig auszurasten, aber ich muss das loswerden "Ich LIEBE diese Fanfic", nach so wenig Kapitel bin ich schon ein absoluter Fan von dir, der Story und diesen wahnsinnig tollen Ausdruck *Fan-Shirt anhab*

"Es war vorbei, den Göttern sei Dank" - ich befürchte, das war erst der Anfang und vielleicht wär es sogar besser gewesen, wenn er hier und jetzt gestorben wäre (okay ich sollt das ganze nicht so düster betrachten, aber du vermittelst einfach so eine unheimliche Stimmung, da kann man gar nicht anders *versuch die Gänsehaut wieder loszuwerden*
der Eindringling war ja schon sehr furchterregend (nicht nur für Neyo)
und obwohl der Junge total Panik vor dem Fremden hat, trau ich ihm zu, dass er trotzdem Claire zu Hilfe eilt, er wird zwar nicht viel ausrichten können, aber vielleicht bringt es ihn wenigstens ein paar Pluspunkte (so sehr wie sie ihn hasst, ist er dann zwar immer noch im Minusbereich, aber ich bin fest überzeugt irgendwann kommt er bei ihr in den Plusbereich ^^)

glg
blacksun
Von:  Chrolo
2006-12-27T20:16:25+00:00 27.12.2006 21:16
So, heute lese ich mindestens zwei kaps, noch habe ich ferien und bei meinem überfüllten terminplan muss das heute sein!
Wieder mal großes Lob, Kapitel ist sehr gut!!
Dass dein Schreibstil konstant gut bleibt, habe ich erwartet, die Ansprüche wachsen natürlich bei solcher Brillanz nicht mehr sonderlich, also alles klar!^^

>Trotzdem tapperte sie<
Gibbes das Wort?? Tapste fände ich cooler! xD

>Verdammt, dachte sie wütend. Der kann mir ja wirklich nützlich sein.<
Tja, hättste nicht gedacht...!
Claire ist ja so ein Chara, den man als Leser nur hassen kan eigentlich!^^

>Niemand brach so ohne weiteres in ds Haus<
Siehste selbst, einer von mickrigen zwei Tippfehlern!^^

>„Ich würde trotzdem gerne erfahren, woher du gewusst hast, dass ich vorbeischaue“, meinte der schwarze Mann<
Tja, wer hat Angst vorm schwarzen Mann?? Gute Frage... ich hätte ja mehr Angst vor einem roten Mann!^^

>seine weißen Zähne blitzten aus dem in der Finsternis gehüllten Gesicht hervor.<
Wenigstens die Zähne hat er geputzt, sonst wäre Neyo bestimmt richtig übel geworden!^^
Das ist bei Bösewichten ja so üblich... und man stellt sich die personen beim lesen ja auch vor. Da hatte ich mich eher auf gelbliche Zähne mit leicht grauem, pelzigem Belag vorgestellt!^^

>„Von nichts Besonderem“, winkte er ab. „Nur von Nichtigkeiten. Braucht dich gar nicht zu interessieren.“<
Das ist genau mein Stil. Brabbel immer und viel zu viel und wenn wer nachfragt, kommt ein "Nichts! Uninteressant!", hehe, ich mag den Mann!^^

>Er sah dieses falsche Lächeln, diese übernatürliche Augen und diese eigenartig anmutende Tätowierung<
Zweiter Tippfehler... Bilanz natürlich unglaublich gut, hast du einen Beta-Leser? Und eine anmutende Tätowierung... was ist das? Kann ich mir nichts drunter vorstellen!^^

Also dann, Roth-nak, meine Freundin. Mach's gut!
*joke* Nächstes Kappi!

Greetz Danchou!^^
Von:  Hepho
2006-11-24T15:04:36+00:00 24.11.2006 16:04
Ein Cliffhänger ... O.O
Ein Cliffhänger ...... >.<**
E I N
C L I F F H Ä N G E R ! ? ! ? ! ?
Jaaa, schäm dich, wie kannst du nur!? XDDD

So, und jetzt zum Ernsthaften ^.~
Sehr schöner Aufbau des Kapitels, mit Claire anzufangen, die dann auf Neyo trifft, der wiederum dem Eindringling begegnet ... <.<
Und Claires feines Gespür, hat das auch mit Magie zu tun? ^.^
Der Vampir gefällt mir gar nicht – also rein von der Sympathie her, als Charakter ist er klasse! ^^ –, der kommt mir ziemlich verrückt vor, so wie er redet, von wegen Schwächlinge und Spielereien <.<
Er muss ja eine mächtige Aura haben, wenn sein Erscheinen Claire so beunruhigt ..... Seine Stimme stelle ich mir allerdings einfach nur genial vor, damit kann er bestimmt härtesten Psycho-Terror betreiben ... X)

>„Sieh an, ein verirrtes Lähmchen.“< Sollte es Lämmchen heißen? ^^

Und Neyo wird ja ziemlich hart rangenommen. Ó.Ò
Immer diese Sache mit seinem Namen: Kann es sein, dass er auch ein Vampir ist? Oder ein Halbvampir, immerhin konnte er dem Eindringling nichts entgegensetzen.

Muss ich dir zum x-ten Mal sagen, dass ich deine Ausdrucksweise liebe? ^^
Also zum x-ten Mal: Dein Schreibstil ist richtig mitreißend! ^______________^
So, und darum lese ich jetzt direkt weiter, ich hab ha das Glück, dass ich erst später auf deine Story gestoßen bin und die Fortsetzung direkt dabeihab *hehehe*

Liebe Grüße
Etsch
Von:  DoctorMcCoy
2006-09-25T16:09:43+00:00 25.09.2006 18:09
Ich muss berner-ib recht geben.
Es war wirklich spannend...und dann hörst du einfach auf.
Aber das bin ich ja langsam von dir gewöhnt. *auf Shira deut*
Es seh das ganz gelassen. Von mir aus kannst du dir alle Zeit der Welt lassen mit dem nächsten Kapitel. Das ist mir so egal...
Okay, du weißt ja selber, dass das nicht so ganz stimmt. Du kannst mich mit sowas immer aufregen.

Obwohl in dem Kapitel nicht besonders viel passiert ist, war es trotzdem total gut. Besonders das Ende hat mir gefallen.
Endlich zeigen sich die Vampire mal. Find ich toll...
Aber ich möchte dich jetzt nicht mit langen Reden aufhalten, sonst hast du ja nicht so viel Zeit für Schreiben.
Also beeil dich.
Hab dich lieb.
Kaguyashi
Von:  SamAzo
2006-09-17T20:14:56+00:00 17.09.2006 22:14
Spannend..und dann.. argh..
Dieses Ende - ich werde schlecht schlafen nur weil ich mir ausmale was da alles in der Bibliothek passiert...

Schreib schnell weiter..


Zurück