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So many more Feelings

von

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Trennungsschmerz

April, London
 

Was sind schon zwei Jahre?
 

Diese Frage hatte sich Ryou Bakura das letzte Mal gestellt, nachdem er im Flugzeug nach London Platz genommen hatte und mit Wehmut aus dem kleinen ovalen Fenster sah. Wissentlich, er würde Otogi nicht erblicken können, aber er lenkte seinen Blick ein letztes Mal in die Richtung, wo der Früherwachsene gerade noch einen Coffee-to-go geholt hatte und neben der Flugtafel stand, mit dem Gesicht zu den großen Fensterscheiben, nicht wissend, welche der Maschinen die war, in der Bakura saß.
 

Angespannt wartete der junge Geschichtsstudent auf den Moment, wo es dann sogar zu spät gewesen wäre, aufzuspringen und aus dem Flieger zu laufen, zurück in Otogis Arme und all diese Pläne über den Haufen zu werfen. Er wollte bleiben, so dringend bleiben, auch wenn sie das besprochen hatten. Immer und immer wieder. Es waren jetzt nur ein paar Monate, dann hätten sie einander wieder für etwas länger als ein halbes Jahr und dann würde Bakura sein Auslandsjahr in Ägypten machen und dann, ja dann hätten sie das überstanden.
 

Was waren schon zwei Jahre, wenn sie danach ihr gesamtes Leben miteinander genießen könnten? Nun ja, da war vorausgesetzt, dass sie diese schwere und fordernde Zeit gemeinsam überstehen würden. Bis zu diesem Moment hatte Bakura auch nicht daran gezweifelt, dass sie das irgendwie schaffen würden, aber jetzt gerade, wo dieses Ding in dem er über den Ozean fliegen sollte, einen Ruck machte, machte auch sein Herz einen und fühlte sich dabei an, als wäre es ihm direkt in die Hose gerutscht. Bakuras Hände schnellten auf die Armlehnen, seine Finger krallten sich in das spröde Leder.

Verdammt! Er ließ den hübschesten, schönsten und anziehendsten Kerl, den er je gesehen und erlebt hatte, gerade alleine in einer Stadt voll mit dessen Fangirls. Seine Gedanken machten sich sofort selbstständig und zeigten ihm eine schreckliche Szene nach der anderen. Otogi erst alleine am Flughafen, wie er mit einer hübschen Stewardess kollidiert und sich der Kaffee über sein T-Shirt gießt, das er daraufhin ausziehen muss – „Nein“, sagte er zu seinen Gedanken, kniff die Augen zu und schüttelte den Kopf.

Die nächste Szene drängte sich auf. Otogi saß an einer Bar, alleine, aber nicht lange. Eine Blondine setzt sich zu ihm und spielt mit ihren flinken Fingern an seinen Armen herum.

Wieder schüttelte Bakura den Kopf. Das sollte aufhören. Aufhören, bevor er den verschwitzten Körper seines Freundes neben einer dieser Gören sah.
 

„Ist Ihnen nicht gut?“, wurde er zum Glück aus seiner Spirale der schlimmen Fantasien gerissen. Bakura hob den Kopf und sah der Flugbegleiterinnen ins Gesicht.
 

„Wir sind gleich auf Flughöhe, dann ist es nicht mehr so schlimm“, sagte sie beruhigend. Bakura sah sie etwas verdutzt an und wandte den Kopf sofort zurück zum Fenster. Tatsächlich. Sie waren schon gestartet und ließen Domino hinter sich. Es war auch schon ganz klein und die erste Wolkenschicht wurde durchbrochen, da sah Bakura wieder zu der besorgten Dame auf und lächelte sie freundlich an.
 

„Danke, mir geht es gut, ich werde nur jetzt eine Weile nicht mehr zuhause sein“, erklärte er mit brüchiger Stimme. Ja, das setzte ihm mehr zu, als er erwartet hätte. Die junge Frau nickte ihm wohlwollend zu, sagte ihm und seinen Sitznachbarn noch, dass jeden Moment, sobald eben die Flughöhe erreich war, die Gurte geöffnet werden konnten und dass sie dann auch bereits Getränke bekommen würden und, dass wenn es Probleme gab, sie jederzeit den Service-Knopf betätigen konnten. Bakura nickte und richtete seinen Blick wieder nach draußen.

Es war schon faszinierend, wie schnell man sein ganzes Leben hinter sich lassen konnte, nun gut, er pausierte es in gewisser Weise nur, aber dennoch, gerade blieb alles zurück, das ihm etwas bedeutete. Außer seinem Vater, der wartete in London auf ihn, denn wie es der Zufall so wollte, war dieser noch ein paar Tage geschäftlich im vereinigten Königreich und hatte dafür gesorgt, dass Ryou eine Bleibe hatte, die ihn, so introvertiert der Junge war, nicht zwang, sich mit anderen Leuten eine Wohngemeinschaft zu führen.
 

Etliche Stunden später, Bakura hatte sich die lange Zeit des Fluges mit der Tribute von Panem Reihe vertrieben – Horrofilme gab es in Flugzeugen nicht – und hatte danach eigentlich keine bessere Laune. Es gefiel ihm nicht, dass Katniss schlussendlich mit Peeta zusammengekommen war, wo er doch die Beziehung zwischen ihr und Gale so toll fand. Die beiden hatten viel mehr gemein und außerdem war Gale doch viel hübscher… ja klar, das war oberflächlich, das wusste Bakura, aber er teilte diese Meinung ja auch niemandem mit.

Erst recht nicht seinem Vater, dem er nachdem er seinen Koffer endlich vom Band fischen konnte und den Zoll passiert war, in die Arme fiel.
 

„Du musst müde sein“, vermutete sein alter Herr, worauf Bakura schwach nickte. Sein Vater lächelte mild, nahm ihm den Koffer ab und schob den Jungen vor sich her. Er wollte auch wissen, ob Bakura etwas essen wollte – nein – und ob er noch etwas brauchte, ehe sie gleich mit der U-Bahn zur Wohnung am Stadtrand von London fahren würden, auch hierzu bekam er ein deutliches „Nein.“
 

Die Mieten in London waren horrend und wenn etwas leistbar war, dann war es entweder in sehr schlechtem Zustand und dennoch an der Grenze zu Wucher oder eben am Rand der Stadt, immer noch sehr teuer, aber nicht mehr in die Armut treibend.

Bakuras Vater hatte Glück, dass das Appartement nahe der Piccadilly Station „South Ealing“ situiert war und somit direkt an das U-Bahn Netz angebunden war und zudem von der Fakultät, für die er arbeitete, vermittelt wurde, somit einen guten Preis hatte.

Davon hatte Bakura aber bereits am Telefon und in eMails zu Genüge erfahren, dass er jetzt wie neben sich vor seinem Vater navigiert und herumkommandiert wurde um die U-Bahn-Station am Flughafen London Heathrow zu erreichen. Ein Ticket wurde besorgt, die Sicherheitsschranken durchgangen und schließlich fand sich Bakura in einer vollen U-Bahn in der Nähe der Türen stehend wieder.
 

„Es sind nur ein paar Stationen“, wurde ihm versichert. Er nickte.

Der junge Student stand wie vom Regen erwischt an der Haltestange, sein Kopf war tief nach unten geneigt, beinahe mochte man meinen, selbst sein Haar hing schlaffer und traurig herab. Bakura hatte schon in der Nacht zuvor kaum geschlafen, weil er den Abschied nicht erleben wollte und jetzt wo dieser so viele Stunden zurück lag und er auch im Flugzeug kein Auge zumachen konnte, holte ihn die Müdigkeit ein. So sehr, dass er noch gar nicht daran gedacht hatte, sein Handy aus dem Flugmodus zu holen. Erst nachdem sie wenig später durch die Wohnungstür gingen und die kleine Führung hinter sich gebracht hatten. Viel gab es nicht zu sehen: Ein kleiner Vorraum, der sofort die Möglichkeit zu einem winzigen WC-Raum sowie dem Badzimmer, in dem neben der Duschkabine und dem Waschbecken gerade mal ein kleines Schränkchen Platz hatte. Die Möglichkeit für eine eigene Waschmaschine würde er hier also vergebens suchen. Danach mündete eine kleine Küchennische direkt in das kompakte Wohnzimmer, durch welches hindurch man in das kleine Schlafzimmer kam. Sehr geradlinig, einfach und vielleicht sogar ganz charmant, hätte Bakura die Energie dazu, sich das Alles genauer anzusehen.
 

Dass die Tapete schrecklich war, würde er auch erst am nächsten Morgen bemerken oder des Jetlags wegen wohl eher mitten in der Nacht, wenn er hungrig zum Kühlschrank tapste und dabei das Licht an machte.
 

„Ich lass dich mal eingewöhnen, morgen zeig ich dir die Umgebung“, sagte sein Vater zum Abschied und ließ Bakura dann alleine in der Wohnung zurück. Der wiederum wusste gar nicht, wie spät es war, ob es hier eher Morgen oder Abend war, geschweige denn, wie spät es in Japan war.

Oh. Japan. Da kam ihm dann doch der Gedanke an sein Handy und daran, den Flugmodus wieder aus zu machen.
 

Natürlich las er sofort eine Nachricht von Otogi, der wohl genau wusste, wie spät es war. Oder eben, dass Bakura bestimmt sehr müde war.
 

Hey mein Sonnenschein,

du bist hoffentlich gut angekommen

Ich denk die ganze Zeit an dich

Schlaf schön, du fehlst mir <3
 

Bakura war nicht bekannt dafür, dass er viel und überschwänglich sprach, geschweige denn, sich in Nachrichten länger hielt. Das wusste Otogi auch und Bakura wusste, dass er es wusste und somit schickte er ihm vorerst nur ein Herz-Emoji zurück. Wenn er das mit dem Schlaf hinter sich gebracht hatte, würde er sich auch einmal darum kümmern, dass das mit dem Internet hier eingerichtet war, dass sein Smartphone alles an Verbindungen hatte, die es brauchte und dann würde er seinem Freund auch eine brauchbarere Nachricht zukommen lassen.
 

Also. Was waren nun zwei Jahre? Das waren 730 Tage – eine schrecklich hohe Zahl. 104 Wochen – Irgendwie auch nicht viel besser. 24 Monate – Ja, damit konnte man doch arbeiten. Ein Tag hatte 24 Stunden, es war also wie ein langer Tag, dessen Stunden in Monaten vergingen.
 

24 Monate, bis Bakura und Otogi ihre Liebe uneingeschränkt ausleben konnten.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Tja, ihr ahnt schon, es schließt wirklich direkt an ATF an und es wird nicht einfach. Komplett anzeigen

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