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Inu no Game

von

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Gegen Mitternacht machte mir einer von Kaibas Pinguinen die Tür auf. Bis dahin hatte ich es geschafft, halbwegs runter zu fahren. Wütend war ich nur noch ein bisschen. Vor allem wegen Kaibas dreister Aktion, mich einfach in sein Gästezimmer einzusperren. Als würde bei mir Fluchtgefahr bestehen! Naja…er hatte wohl nicht ganz unrecht. Ganz sicher hätte ich nicht, auf Kaibas Befehl, brav die Füße still gehalten und wäre auf jeden Fall bei der nächsten Gelegenheit getürmt. Bestimmt hatter er gedacht, ich würde zurück nach Hause, zurück zu meinem Vater, gehen. Er wusste nicht, dass in solchen Fällen meine Freunde für mich da waren. Kaiba kannte all das nicht. Freundschaft, Zusammenhalt; Freunde, auf die man sich verlassen konnte, die einen zur Seite standen.

Sobald es Zuhause Zoff gab, war Honda meine erste Anlaufstelle. Er war mein ältester Kumpel, er wusste, wie mein Vater sein konnte und dass ich ab und an eine Auszeit von ihm brauchte. Wenn das nicht klappte, übernachtete ich bei Anzu oder fragte Yugi, ob er noch ein Plätzchen auf dem Boden für mich hätte.

Oft blieb ich nur ein paar Tage außer Haus, dann hatte sich mein Alter wieder eingekriegt und ich hatte für die nächsten Wochen erstmal meine Ruhe.
 

Statt also meine Sachen zu schnappen und abzuhauen, entschied ich mich zu bleiben. Nicht, weil Kaiba es mir befohlen hatte. Logisch betrachtet, war es die beste Entscheidung, und ja, manchmal dachte auch ich logisch.

Ich riss das Fenster auf, ließ die frische Abendluft in mein Zimmer und kühlte mich etwas ab. Der Bademantel war wohlig warm und wahnsinnig flauschig, aber für die Sommertage eindeutig zu viel. Trotzdem behielt ich ihn an. Vor allem weil er so kuschelig war und ich mich am liebsten darin vergraben hätte. An einem Tag wie diesem genau das Richtige - ich hatte meine beste Freundin ziehen lassen, war seit Langem wieder von meinem Vater verdroschen worden und wurde obendrein in Seto Kaibas Festung eingesperrt. Nachdem wir vor einem halben Jahr knapp dem Weltuntergang entkommen waren, kam dieser Tag unter die Top ten der >schlimmsten Tage meines Lebens<.
 

Ich setzte mich auf das Fensterbrett und blickte nach draußen. War der Ausblick schon am Tag ein Hingucker, war er in der Nacht der helle Wahnsinn. Hier draußen, am Rande Domino Citys, wo keine Laterne und kein Wolkenkratzer den Abendhimmel störten, funkelten die Sterne, dass ich nur staunend meinen Hals reckte und das Funkeln auf mich einwirken ließ. Ich hatte keine romantische Ader, aber das hier war definitiv zum Dahinschmelzen. Ich verstand, warum Kaiba diese Bude nicht aufgab - auch wenn sein Geschmack ziemlich altbacken war; und das von dem Technik-Heini schlechthin.
 

Irgendwann schloss ich die Augen und nickte ein. Ein Stechen im Nacken weckte mich unsanft aus meinem Schlaf, in dem ich von flauschigen Wolkenkissen und Zuckerwatte geträumt hatte. Ich verzog das Gesicht und bewegte meinen Hals, bis es knackte. Dann streckte ich die restlichen Glieder, sprang vom Fensterbrett und schaute als erstes auf den Digitalwecker. Der stand auf einem Nachtschränkchen neben dem Bett und ließ die Uhrzeit wir eine Drohung aufflackern. Ich rieb mir die Augen. Erst halb sechs!? Was machte man mit so viel Tag?

Ich hatte jetzt zwei Optionen: entweder ich schlief weiter und tat so, als hätte ich Kaibas Bedingungen von neulich vergessen, oder ich nutzte die Zeit und würde mir erst einmal eine kalte Dusche gönnen. Den riesigen, fünffach verstellbaren Duschkopf wollte ich unbedingt mal ausprobieren. Gesagt, getan. Danach fühlte ich mich frisch und ungewohnt erholt, geradezu ausgeglichen. Kein Wunder, dass Kaiba immer wie aus dem Ei gepellt aussah.
 

Jetzt, wo ich mich nicht nur wach und ausgeschlafen fühlte, war meine Neugier geweckt worden. Aus dem Badezimmer schlich ich weiter durch den Flur. Keine Menschenseele weit und breit. Ich fand mich in einem Horrorfilm wieder - verlassenes, altes Anwesen, der Boden knackte und quietschte mit jedem Schritt (wobei ich mir die letzten beiden Dinge nur zusammensponn). Ich schüttelte mich, dachte nicht weiter an Porzellanpuppen, die am Fenstersims standen und mich aufschlitzen wollten, und begab mich auf Entdeckungstour.
 

Dass dieses Anwesen gewaltig war, hatte ich schon beim ersten Mal begriffen. Aber dass es soooooo riesig war, merkte ich erst, als ich mich von Stockwerk zu Stockwerk hocharbeitete.

Es war sicher nicht dir klügste Entscheidung, aber meine Neugier war stärker als meine Vernunft. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass man so viele Zimmer wirklich brauchte. Wofür sollten die denn alle gut sein? Für jeden Wochentag ein Zimmer? Oder ein Raum pro Monsterkarte aus Kaibas Mördersammlung?
 

Es passierte, ohne dass ich wirklich darüber nachdachte. Ich griff willkürlich nach dem erstbesten Knauf und öffnete die Tür. Wo sie schon mal offenstand, da konnte ich auch kurz hineingucken.

Zuerst fielen mir diese großen, weißen Vorhänge auf. Die Fenster waren auf Kipp und ließen die Stoffe ganz vorsichtig hin und her schwingen. Dieser Anblick war unheimlich beruhigend. Danach wurde ich mutiger, ich öffnete die Tür noch ein weiteres Stück, dass ich auch den Rest des Raumes sehen konnte.

Wenn das nicht ein Schlafzimmer war. Das frisch bezogene Bett, der Schreibtisch gleich daneben und wenig Schnickschnack - wenn ich raten müsste, würde ich auf Seto Kaibas Schlafzimmer tippen. Hauptsächlich hatte ihn der Schreibtisch verraten. Aus der Ferne sah ich einen Laptop und etwas, das wie eine entstellte DuelDisc aussah. Es juckte mir in den Fingern, ein wenig Mäuschen zu spielen. Noch stand ich bloß am Türrahmen. Hatte also im Grunde genommen noch nichts Verbotenes gemacht. Ich schaute mich um. Niemand zu sehen, niemand, der mich verpfeifen könnte.

"Du bist verrückt, Kazuha", flüsterte ich und tapste ins Zimmer. Und Bingo! "Wenn das nicht Seto Kaibas Schlafzimmer ist, dann fresse ich einen Besen!" Es war, als würde ich direkt vor ihm stehen. Sein Duft war so präsent, dass ich selbst darüber erschrocken war, wie vertraut mir dieser Geruch vorkam.

"Ich sollte lieber abhauen, bevor mich noch einer sieht." Ich hatte ganz sicher nicht vor, in irgendwelche Schubladen oder Kleiderschränke zu wühlen. Allein in Kaibas Zimmer zu stehen, verletzte seine Privatsphäre. Das war ein ganz neues Level für mich. Gar nicht auszumalen, was passierte, wenn er mich bei meiner morgendliche Aktion erwischte.

Gerade wollte ich den Rückweg antreten, als mir zwei Bilderrahmen ins Auge stachen. Sie standen auf der Kommode, direkt neben dem Bett. Wie die Elster zu allem, was glänzte, flog, zogen mich die Bilder magisch an. Auf dem ersten Foto waren Kaiba und sein jüngerer Bruder zu sehen. Das Bild kannte ich. Es war das Foto, das die Kaiba-Brüder immer bei sich trugen. Die jungen Geschwister lächelten in die Kamera. So von Nahem sah der junge Seto Kaiba richtig niedlich aus, geradezu unschuldig.

Daneben stand ein weiteres Bild. Viele Jahre später geschossen, zeigte es Mokuba und seinen großen Bruder vor einem Helikopter der Kaiba Corporation. Seto Kaibas Outfit verriet, dass es kurz nach Duelist Kingdom geschossen worden sein musste. Der Braunhaarige trug nicht seinen berühmten weißen Mantel. Den Trenchcoat kannte ich nur aus der Zeit, als wir alle auf Pegasus' Insel waren. Das Bild zeigte einen glücklichen Seto Kaiba. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn jemals so gesehen zu haben. In seinem Lächeln steckte nichts Böses. Keine versteckte Verachtung. Nur die Liebe zu seinem Bruder. Das Bild löste etwas in mir aus. Mir war immer klar, dass Mokuba ihm viel bedeutete. Dass er ihn so sehr liebe, dass er überhaupt zu solchen Gefühlen fähig war, hatte ich mir nie richtig vorstellen können…bis jetzt. Ich nahm das Bild zur Hand, betrachtete diesen lächelnden Seto Kaiba, diesen fremden Kerl, bevor ich es zurück an seinen Platz stellte und aus dem Zimmer flitzte. Leise die Tür zugezogen, lief ich weiter durch den Flur, zurück ins Erdgeschoss.
 

Der Duft von frischem Gebäck zog mich automatisch in Richtung Speisesaal.

Bei all der Neugierde hatte ich doch glatt das Frühstück vergessen! Entgegen aller Warnungen, die mir mein Gehirn zu senden versuchte, pirschte ich mich heran. Es war noch nicht meine Zeit, aber mein Magen hatte die Fährte aufgenommen, ich konnte gar nicht anders als auf mein Bauchgefühl zu hören. Leise öffnete ich die Tür und linste durch einen winzigen Spalt in den Speisesaal.

"Riecht das gut", murmelte ich und hatte ein breites Grinsen auf den Lippen. Fehlte nur noch, dass mir ein Sabberfaden aus dem Mund floss.
 

"Na, ausgeschlafen?" Wie hatte Kaiba mich denn bemerkt?! Oder hatten ihm seine Bediensteten ein Zeichen gegeben?

So wie ich war - nämlich noch im Bademantel, ohne irgendwas darunter - kam ich in den Speisesaal. Ich kratzte mich an den Kopf und lächelte. "Irgendwie schon."

"Dann setz dich."

Das hatte ich nun nicht erwartet.

"Aber hast du nicht-"

"Setz' dich, Jonouchi. Wenn du hungrig bist, redest du wie ein Straßenköter. Das vertragen meine Nerven um die Zeit noch nicht."

"Als Gott Nettigkeit verteilt hatte, hast du den anderen Kindern die Süßigkeiten geklaut, oder?"

"Jonouchi", seine mahnende Stimme triggerte mich.

"Ja, ja. Ich setz mich schon." Kaum Platz genommen, kamen zwei Bedienstete und deckten vor mir ein. Mein Gott, dieser Duft von frischen Brötchen…und dann noch das Hörnchen und die Croissants - vielleicht war ich ja doch im Himmel! Die Zunge über die Lippen gefahren, rieb ich mir die Hände, überlegte, wo ich zuerst zulangen sollte. Prüfend wanderte mein Blick zu Seto Kaiba. Der hatte sich von mir abgewandt und tippte auf seinem Laptop herum.

"Arbeitest du etwa schon?!" Ich konnte einfach nicht still sitzen bleiben.

"Eine Firma leitet sich schließlich nicht von selbst, Jonouchi", sagte er, ohne von seinem Bildschirm aufzusehen.

"So spricht nur ein Workaholic. Fällt dir denn nichts besseres ein, womit du den Tag starten könntest?"

"Vielleicht." Jetzt sah er mich an. Sein eiskalter Blick bohrte sich durch meinen Bademantel. Gerade fühlte ich mich nackter, als am ersten Tag, und da war ich tatsächlich nackt gewesen.

"Ähm", ich räusperte mich, "willst du denn nichts essen?"

Warum war ich verlegen?! Es war ja nicht so, als hätte mir Kaiba ein zweideutiges Angebot gemacht. Schnell schnappte ich mir ein Hörnchen, die Butter schob ich auch zu mir heran. Bloß nicht in seine Augen sehen. Das konnte nicht gut für mich enden.

"Übrigens", sagte ich, nachdem ich brav mein Hörnchen heruntergeschluckt hatte. "Kaiba…dono", ach, das war mir einfach zu blöd!, "Ich wollte noch…also…", ich seufzte. "Danke, dass ich hier übernachten durfte. Nicht, dass ich dir verziehen habe, dass du mich einfach eingesperrt hast, aber…vielleicht hab' ich das gebraucht."

"Du kannst ja doch einsichtig sein." Kaiba klappte den Rechner zu. Er stützte sich mit dem Ellenbogen am Tisch ab und legte das Kinn auf seine Fäuste. In seinem abschätzigen Blick lag auch ein kleines bisschen Zufriedenheit. "Das könntest du ruhig öfter versuchen."

"Das würde dir so passen", entgegnete ich mit zugekniffenen Augen. "Aber dann hättest du kein Hündchen mehr, das du abrichten musst und das wäre doch langweilig, oder?!" Was sagte ich denn da?! Stachelte ich ihn jetzt schon an?! Ich sollte wirklich öfter die Klappe halten.

"Keine Sorge, Jonouchi. Ich werde mir schon etwas einfallen lassen, damit es nicht langweilig wird." Das konnte ich mir denken. Innerlich leierte ich mit den Augen.
 

Kaiba erhob sich. Griff sich seinen weißen Mantel, der von einem seiner Pinguine gehalten wurde. "Iss' dein Frühstück zuende."

"Erwarte jetzt bloß nicht, dass ich dir deshalb zu Kreuze kriechen werde."

"Doch, das wirst du, Jonouchi."

Bevor ich noch etwas sagte, was ich bereuen würde (wäre ja nicht das erste Mal), stopfte ich mir das Croissant in den Mund und wäre beinahe daran erstickt. Bloß nichts anmerken lassen!

"Wenn du was zum Anziehen suchst", sagte Kaiba und warf sich den Mantel über, "ich habe ein paar Sachen von dir herbringen lassen. Sie sollten bereits in dein Zimmer gebracht worden sein "

"Ja gut, okay…. Moment….bitte was?! Deine Männer waren in unserer Wohnung?! Wieso…was-"

"Willst du die nächsten Wochen in diesem Bademantel herumlaufen?"

"Die nächsten…?" Ich sprang vom Stuhl. "Das ist wirklich nicht nötig. Ich hab ein Zuhause, wie du weißt und dorthin sollte ich wieder zurück."

"Das sehe ich anders. Ich muss dich doch im Auge behalten, mein unbeholfenes Hündchen."

"Nein, das ist…Moment! Wenn deine Männer bei mir zu Hause waren, was…", ich riss die Augen auf, "was haben sie mit ihm gemacht?"

"Spielt das eine Rolle?"

"Kaiba!", schrie ich. Mein Puls beschleunigte sich, ich ballte die Hände zur Faust. "Die Sache mit meinem Vater geht nur mich was an! Misch' dich gefälligst nicht in Angelegenheiten ein, die du nicht verstehst."

"Du denkst, ich verstehe nicht?" Sein Ton hatte sich geändert. Dunkel blickte er zu mir herüber. Nicht einmal als wir Duellgegner waren, hatte er mich dermaßen finster angesehen. "Du und deine Freunde - ihr seid viel zu verweichlicht", schleuderte er mir ohne Vorwarnung ins Gesicht. "Ihr glaubt, durch euer Gesülze von Liebe, Güte und Vergebung alle Probleme lösen zu können, oder? Kommt mal in der Realität an!"

Mir klappte der Unterkiefer nach unten. "Als würdest du etwas davon verstehen! Für dich sind wir vielleicht die größten Volldeppen. Aber immer noch besser als wie du mit Geld und Macht um sich zu schmeißen und dann meinen, dass man seine Probleme lösen könnte, in dem man sich wie ein Vollarsch verhält. Damit hilfst du keinem - auch nicht dir selbst. Du kannst es leugnen, aber ich weiß, dass du dich danach nicht besser fühlst." Das hatte gesessen! Kaiba fiel nichts anderes ein, als sich umzudrehen und davon zu stolzieren. Pinguin Nummer eins öffnete die Tür, Kaiba blieb stehen und sagte: "Dass du hier bleibst, war keine Bitte." Nach diesem >bedeutsamen< Satz war Kaiba aus meinem Sichtfeld verschwunden. Und ich? Ich ballerte mir ein Brötchen nach dem nächsten rein. Obwohl diese Runde an mich ging, fühlte ich überhaupt keine Befriedigung. Dafür war ich einfach nur frustriert - wie jedes Mal, wenn Kaiba einfach so abdampfte. Langsam verstand ich mich selbst nicht. Was wollte ich denn eigentlich?



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