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Der Untergang der Isekai

von

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Panik

Nur langsam öffnete ich meine schweren Lider und versuchte sie an die Helligkeit zu gewöhnen. Meine Muskeln schmerzten und ich fühlte mich wie gerädert. Ich griff neben mich und sah überrascht zur Seite. Das zerknitterte Laken war kalt, überall im Bett lagen getrocknete Wachsstücke und die Spuren unserer gemeinsamen Nacht waren nicht zu verbergen. Er musste vor mir wach geworden sein und war in seine eigenen Gemächer verschwunden. Ich seufzte und drehte der Szenerie den Rücken zu. Ich mochte es wirklich nie, wenn ich das Bett mit jemandem teilen musste und ich war Jesse dankbar, dass er mich allein aufwachen ließ. Nur einmal empfand ich es als angenehm, neben jemandem aufzuwachen. Wir lagen gemeinsam in einem viel zu kleinen Zelt und ich hatte ihn fest umschlungen. Genoss die Wärme und den Duft. Zumindest bis mich die Stimme Yubels aus dem Halbschlaf riss und ich wieder in der kalten Realität landete. Bis heute war ich mir nicht ganz sicher, ob ich das nur geträumt hatte. Da waren sie wieder. Diese tiefblauen Augen aus dem geröteten Gesicht.
 

~*~
 

Zur Mittagszeit begleitete mich Yubel in die Arena, in der die Schwertprüfung stattfinden würde. Ich war schon gespannt darauf, wie Yusei sich schlagen würde. Und vor allem, ob Zero seine Lektion gelernt hatte und Yusei nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit behindern würde. Wir liefen an den wartenden Mengen vorbei in einen verborgenen Seiteneingang und von da aus die wenigen Treppen bis zum Balkon. Von hier oben hatte man eine ausgezeichnete Sicht auf das Feld. Die Tribünen waren fast vollständig gefüllt, in der Menge herrschte eine fröhliche Stimmung. Nicht verwunderlich, denn die Prüfung war immer schon ein Highlight in dieser Stadt. „Hast du schon etwas herausgefunden?“ fragte ich und sah zu Yubel.

„Nicht das kleinste Gerücht. Aber ich muss Euch Recht geben, ich habe auch ein seltsames Gefühl bei der Sache. Der Rat scheint irgendetwas vor zu haben.“

„Wie kommst du darauf?“

Sie verschränkte die Arme, sah stur auf das Feld. „Ihr Benehmen ist merkwürdig. Das trifft nicht auf alle Ratsmitglieder zu, aber einige scheinen mir vorsichtiger zu sein.“

Ich stutzte, sah zu, wie sich auch die letzten Zuschauer auf ihre Plätze begaben. „Wer genau?“

„Reiji, Ares, Gozaburo, Nate und Crowler. Wobei letzterer auf mich immer einen nervösen Eindruck macht.“

„Er ist ein feiger Arschkriecher“ seufzte ich. „Ich bezweifle, dass wir uns um ihn sorgen müssen, aber behalte ihn lieber trotzdem im Auge. Die anderen machen mir mehr Sorgen.“

„Vor allem einer“ stellte sie fest.

Ich nickte.
 

Die Plätze waren komplett gefüllt. Die Stimme des Ansagers begrüßte das Publikum und stellte die Teilnehmer vor. Den Gegner des ersten Teilnehmers kannte ich nicht, dabei hatte auch er einen Meisterrang. Aber vermutlich lag es nur daran, weil er sich im Krieg keinen Namen gemacht hatte. Trotzdem war der erste Kampf zur Unzufriedenheit aller in der Arena recht schnell vorbei. Nach nicht einmal drei Minuten lag der sogenannte Meisterschüler entwaffnet am Boden. Enttäuschend. Der zweite Kampf war durchaus vielversprechender, doch auch hier hatte es keine zehn Minuten gedauert, bis Zero den Kampf unterbrach. Jim war allerdings ein beeindruckender Gegner, hatte mit seiner Truppe im Krieg einige Portale zerstört und etliche Gegner besiegt. Als Tina im dritten Kampf auf das Feld trat, musste ich schmunzeln. Sie war Yubel im Schwertkampf ebenbürtig, auch wenn meine Beschützerin das Schwert seit ihrer Transmutation nicht mehr genutzt hatte. Ein wenig Mitleid hatte ich mit dieser Mai. „Ist das nicht das Mädchen, das Yusei auf dem Nebelberg geholfen hatte?“ überlegte Yubel laut. Ich musste zwei Mal hinsehen, aber sie hatte Recht.

„Stimmt, in ihrer Rüstung hätte ich sie beinahe nicht erkannt.“
 

Nach Mais bestandener Prüfung betrat endlich Yusei das Kampffeld. Einige Zuschauer klatschten verhalten, andere buhten ihn aus. Ich schnaubte, verschränkte meine Arme. Irgendwann wird auch das Volk ihn anerkennen. Darauf hoffte ich. Doch dann fiel mir etwas auf, ich sah zu Yubel. „Ist das nicht dein Schwert?“

Sie zuckte mit den Schultern, betrachtete aber weiter das Kampffeld. „Seines war nur noch Altmetall und ich hatte keine Verwendung mehr dafür.“

Unwillkürlich wanderte meine Hand zum Knauf meins Schwertes. Dem Zwilling der Klinge, die Yusei führte. „Und darum gibst du ihm die Zwillingsklinge, die nur der Königsfamilie und dir zugedacht war?“

Sie schnaufte belustigt. „Nicht nur mir, sondern allen persönlichen Beschützern der königlichen Familie. Das ist es doch, was Ihr aus ihm machen wollt.“

„Woher?“ platzte es erschrocken aus mir heraus. Ich hatte mit Yubel noch nicht über mein Vorhaben gesprochen.

„Sagen wir einfach, ich habe es geahnt“ sagte sie mit einem kleinen Lächeln.

Ich wollte das Thema vertiefen, doch eine bekannte Gestalt erschien im Augenwinkel. Erschrocken sah ich zu meinem engsten Vertrauten, der eben das Kampffeld betreten hatte. Warum hatte Zero ausgerechnet Jesse als Gegner ausgewählt? Er kannte das Kampfmuster von Yusei viel zu gut und hatte selbst einen ähnlichen Stil, war Yusei aber weit überlegen. Die anderen Gegner waren zumindest an die Kampfstile der Schüler angepasst, sodass diese eine Chance gegen ihre erfahreneren Gegner hatten. „Das gibt’s nicht“ murmelte ich.

„Das dürfte spannend werden“ kommentierte Yubel, doch ich konnte meinen Blick nicht vom Kampffeld lösen. Ich wünschte Yusei den Sieg, hatte aber wenig Hoffnung, dass er die vollen zehn Minuten gegen Jesse bestehen konnte. Als sie ihre Schwerter zogen, war Yuseis Blick fest entschlossen.
 

„Kämpft!“
 

Jesse schnellte voran. Seine schnellen Hiebe saßen zielgenau und drängten Yusei, der sich wegen der schieren Flut an Attacken nur verteidigen konnte, immer weiter zurück. Als Yusei endlich zum Gegenschlag ansetzen konnte, entwaffnete Jesse ihn und schleuderte die pechschwarze Klinge über den Platz. Verdammt! Ich stand auf, klammerte mich an die Brüstung des Balkons. Yusei versuchte Jesses schnellen Angriffen zu entkommen, wurde aber mehrmals getroffen. Zum Glück trug er die Mythrilrüstung, so wurde er zumindest von der Klinge verschont. Plötzlich sprang er zur Seite, rollte sich ab und warf Jesse dabei trockene Erde ins Gesicht. Unkonventionell, doch Jesse war zumindest einen Moment lang abgelenkt. Erleichtert atmete ich auf, als Yusei endlich sein Schwert wieder hatte. Ich sah zur Sanduhr. Nicht einmal die Hälfte des Sandes war durchgeflossen und Yusei wurde schon mehrmals getroffen und einmal entwaffnet, während Jesse, der wieder eine Flut von Angriffen ausführte, keinen Kratzer abbekommen hatte und nicht einmal ermüdet schien. „Komm schon“ murmelte ich an Yusei gewandt.
 

„Was ist das denn?“ entkam es Yubel überrascht und auch ich starrte entgeistert auf das Kampffeld. Das gesamte Stadion schien den Atem anzuhalten. Mitten in Jesses Angriff, leuchtete das Drachenmal auf, umgab Yusei mit einer seltsamen Aura. Seine Klinge schien die Kraft des Mals anzuziehen und reflektierte das Licht sanft in allen Farben. Es war, als würde es selbst leuchten. Dieser Anblick kam mir bekannt vor. Yuseis Angriffe wurden schneller, verloren jedoch nicht an Präzision. Ich hatte Mühe, seinen Hieben zu folgen, bis seine Waffe schließlich verharrte und in Jesses Bauch stecken blieb. Über dem Stadion lag eine geisterhafte Stille, selbst die Kämpfer bewegten sich nicht mehr. Yuseis seltsame Aura verschwand, auch das Glühen seines Drachenmals ebbte ab. „Und der Gewinner ist… Yusei“ sagte die Stimme des Ansagers verwirrt, während die Heiler auf Jesse zu rannten.
 

„Wie damals“ murmelte Yubel.

Ich riss mich vom Anblick des Kampffeldes los und sah zu ihr. „Was meinst du?“

„Diese Aura… Die Waffen der Menschen hatten doch auch so seltsam geleuchtet.“

Ich erschrak, doch nur für einen Moment. „Aber die Menschen damals hatten nicht so eine strake Energie.“

„Das nicht, aber-“

Ein hölzerner Knall ertönte. „König Haou!“

Ich drehte mich um, sah den Boten ernst an, der die Tür aufgerissen hatte. „Was?“ knurrte ich.

„Meister Zero und die anderen sind sich wegen des Meisterranges nicht einig. Sie brauchen Eure Entscheidung!“

Ich seufzte lautlos, folgte dem Boten, der uns den Weg wies. Im Hintergrund hörte ich die Stimme des Ansagers. „Sehr verehrte Zuschauer. Was den Meisterrang betrifft, müssen wir uns zur Beratung zurückziehen. Bitte haben Sie einen Augenblick Geduld.“ Ich schüttelte verständnislos den Kopf. Die Regeln waren doch eindeutig. Yusei hatte den Kampf gewonnen, also gebührte ihm der Meisterrang. Wahrscheinlich stellte sich einfach nur Zero wieder quer. Ich knurrte in mich hinein. Dieser Idiot.
 

In dem kleinen Raum am Rande des Kampffeldes angekommen, verstummten die Stimmen. Drei Dämonen sahen zu mir. Der Ansager, Mester Zero, und Zeros rechte Hand Adam. „Na schön, was ist das Problem?“ fragte ich genervt, sah dabei vor allem Zero finster an.

Adam war es, der die Stimme zaghaft erhob. „Rein technisch gesehen, wurde keine Regel verletzt, aber Meister Zero hat Bedenken, was-“

„Sei still!“ zischte Zero, bedachte mich mit einem ernsten Blick. „Während des Kampfes ging offensichtlich einiges nicht mit rechten Dingen zu. Erst seine Ausrüstung und dann diese seltsame Magie. Ich kann ihm den Rang nicht guten Gewissens zugestehen.“

Ich atmete tief durch. Ihn jetzt anzuschreien bringt mich keinen Schritt weiter. Schließlich ist er es, der über die Prüfungen entscheidet. Da ich kein Altmeister bin, steht es mir nicht zu, Yusei den Meisterrang zu geben. „Es war keine Magie. Das Ganze scheint etwas mit seinem Schutzgeist zu tun zu haben, aber das muss noch untersucht werden. Und was habt Ihr an seiner Ausrüstung auszusetzen? Es steht den Prüflingen frei, mit welcher Ausrüstung sie antreten.“

Zero verschränkte die Arme vor der Brust, sein Blick verfinsterte sich. „Sein Gegner hat ihn oft genug getroffen, dass er eigentlich schwer verletzt sein sollte. Wenn alle Prüflinge mit solch einer Rüstung antreten würden, wäre das etwas anderes.“

Ich schnaufte. „Hättet Ihr bei einem anderen Prüfling ebensolche Bedenken? Und inwiefern verletzt das irgendeine Regel? Die Wucht des Schlages bekommt er trotzdem ab!“

„Bei allem Respekt, mein König, aber ich werde ihn nicht bevorteilen, nur weil er in Eurer Verantwortung steht.“

Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Nur mit Mühe gelang es mir, ihn nicht auf der Stelle anzubrüllen. „Ihr habt meine Frage nicht beantwortet“ sagte ich mit dunkler Stimme. „Welche Regel wurde genau verletzt? Zeigt sie mir, und flüchtet Euch nicht in billige Ausreden!“
 

Ein vertrautes Brüllen ließ mich hochschrecken. Die panischen Schreie der Zuschauer gingen mir durch Mark und Bein. Ohne zu zögern rannte ich aus dem Raum, in den kurzen Gang, um zum Kampffeld zu gelangen. Ich riss die Augen auf, sah noch, wie Sternenstaubdrache seine mächtigen Schwingen ausbreitete und gen Himmel flog. „Yubel!“ rief ich und sah zu meiner Beschützerin. Ohne zu zögern nahm sie die Verfolgung auf. Schnell versuchte ich mir einen Überblick zu verschaffen. Die Zuschauer auf den oberen Rängen sahen schockiert aus, in der Mitte wirkten sie unruhig. Die Dämonen in den unteren Rängen waren allerdings panisch, rannten zu den Ausgängen und trampelten dabei einige Dämonen nieder. So ein Mist! Ich drehte mich um. Zero und Adam waren leichenblass, konnten sich nicht rühren. „Jetzt steht nicht da wie angewurzelt!“ schrie ich. „Wir müssen die Zuschauer beruhigen, sonst entsteht noch eine Massenpanik! Adam, lauf zum Ansager und sag ihm, er soll die Menge beruhigen. Das war Yuseis Schutzgeist, er wird ihnen nichts tun! Meister Zero, evakuiert die unteren Reihen, die Sternenstaubdrache am nächsten waren! Wir müssen die Panik, die sich dort ausgebreitet hat, irgendwie in den Griff bekommen!“ Augenblicklich lösten sie sich aus ihrer Starre und nickten. Im nächsten Moment befolgten sie meine Befehle.
 

~*~
 

Seufzend ließ ich mich in meinem Thron nieder. Massierte mir die Nasenwurzel, um die aufkommenden Kopfschmerzen zu unterdrücken. Was für ein Tag. Die Panik im Stadion hatten wir wieder unter Kontrolle bekommen, es gab einige Verletzte in den unteren Rängen, aber keine Todesopfer. Die ganze Sache stellte uns allerdings vor ein neues Problem. Niemand wusste, wie das Volk von jetzt an auf Sternenstaubdrache reagieren würde. Vor allem nicht, da er sich mit einem Menschen verbunden hatte. Ihre Angst könnte überhandnehmen, sodass sie sich offen gegen Yusei wenden würden. Ich musste mir etwas einfallen lassen, damit so etwas vermieden werden konnte. Zähneknirschend musste ich mir eingestehen, dass der sicherste Platz für Yusei im Moment wohl wirklich die Hochsicherheitszelle war. Dort konnte niemand ohne weiteres eindringen und ihm schaden. Was das angeht, hatte Jesse gut vorausgedacht. Ein Knall ließ mich hochschrecken, ich stand auf. Die schwere Holztür zum Thronsaal wurde schwungvoll geöffnet und gegen die Wand geworfen. Jesse rannte auf mich zu. Der Ausdruck in seinem Gesicht alarmierte mich. „Was ist passiert?“ fragte ich, ehe er bei mir angekommen war.

„Lyman!“ sagte er außer Atem, kam vor mir zum Stehen. „Er ist tot!“

„Was?!“

„Er wurde eben in seiner Kammer gefunden. Stichwunde im Rücken.“

Ohne zu zögern rannte ich los, Jesse folgte mir. „Wurde der Täter schon gefasst?“

„Nein“ antwortete er abgehetzt. „Aber weit kann er nicht sein. Lymans Körper ist noch nicht kalt.“

„Die Wachen wurden informiert?“

„Ja, der Palast und das Außengelände werden durchsucht.“

Ich rannte in den Nebengang, der zu den Unterkünften führte. So ein verdammter Mist! Warum jetzt? Und warum Lyman? Einen kurzen Blick warf ich über die Schulter zu Jesse. Er sah erschöpft aus, und das sicher nicht vom rennen. „Ist deine Behandlung bei den Heilern überhaupt schon abgeschlossen?“ fragte ich besorgt.

„Mir geht’s gut, wir haben jetzt Wichtigeres zu tun! Ist Yusei schon wieder aufgetaucht?“

Ich wandte den Blick ab, rannte in den nächsten Gang. Weit war es nicht mehr. „Yubel ist bei ihm“ antwortete ich schlicht. Mehr Informationen hatte ich leider noch nicht. Endlich angekommen, ging ich in die Kammer und verschaffte mir einen Überblick. Eine Wache durchsuchte das Zimmer, eine andere kniete neben Lyman. Das lange, schwarze Haar, das sonst stets zu einem Zopf gebunden war, bedeckte fast gänzlich seinen leblosen Körper. Sein weißes Gewand war durchtränkt mit seinem Blut. Es sah noch frisch aus. Auch die Blutlache unter ihm begann noch nicht zu gerinnen. Seine Augen waren weit geöffnet. „Wie furchtbar“ flüsterte eine bekannte Stimme und ließ mich zu ihr sehen. Madame Tredwell stand direkt neben mir, ihr Blick lag in der Ferne, als würde sie alles um sich herum nicht wahrnehmen.

„Wisst Ihr, was passiert ist?“ versuchte ich sie aus ihren Gedanken zu holen, legte dabei meine Hand auf ihre Schulter.

Sie blinzelte mehrmals, sah mich irritiert an. „Ich… Ich weiß es nicht. Wir treffen uns eigentlich immer um dieselbe Zeit zum Tee. Als er nicht auftauchte, wollte ich nach ihm sehen, aber…“ Sie unterdrückte ein Schluchzen. Tränen kullerten unaufhaltsam über ihre Wangen. „Als ich… herkam, da… da lag er schon so da…“ Wimmernd schlug sie sich die Hände vors Gesicht und sank auf die Knie. Ich seufzte lautlos und verstärkte den Druck auf ihrer Schulter. Das brachte uns auch nicht weiter.
 

„Mein König.“ Ich sah auf. Die Wache, die eben noch das Zimmer durchsucht hatte, war zu mir gekommen. „Auf Bitten von Meister Ares habe ich die komplette Kammer nach dem Dolch von Meister Lyman abgesucht, aber keine Spur gefunden.“

„Ares?“ fragte ich verwirrt.

Jesse trat an meine Seite. „Ja, mein Onkel war in der Nähe, als Madame Tredwell Lyman gefunden hat. Er war es auch, der die Wachen alarmiert hat.“

„Und was wollte er hier?“

„Das müsst Ihr ihn selbst fragen. Aber die Idee mit dem Dolch ist gut. Lyman ist doch nirgendwo ohne das Ding hingegangen. Und wenn es nicht im Zimmer ist…“

„Muss sein Mörder ihn mitgenommen haben“ schlussfolgerte ich, richtete mich dabei an die Wache. „Informiere sämtliche Einheiten darüber.“ Er nickte, verschwand. „Aber eins verstehe ich nicht“ murmelte ich und sah Jesse an.

Er erwiderte meinen Blick ernst. „Der Dolch ist ziemlich einzigartig. Warum sollte er ihn mitnehmen, wenn es nur beweist, dass er Lyman getötet hat? So wertvoll ist der Dolch nicht, dass es wert wäre dafür zu morden. Noch dazu ein Ratsmitglied.“

Ich nickte zustimmend. „Irgendwas ist hier faul.“
 

„König Haou!“ hörte ich eine weitere Stimme aus den Gängen. Hoffentlich gute Nachrichten.

Ich trat aus dem Zimmer und sah eine Palastwache auf mich zustürmen. „Habt ihr ihn gefunden?“ Die Wache kam vor mir zum Stehen, sah mich unschlüssig an. „Was ist jetzt?“ fragte ich genervt.

Er schreckte zurück. „Eine Nachricht von den Spähern. Ein weißer Drache fliegt auf die Stadt zu. Yubel ist an seiner Seite.“

Ich atmete erleichtert auf. Zumindest dieses Problem wäre gelöst, wenn auch das Timing hätte besser sein können. „Danke, du kannst gehen.“

Er verbeugte sich knapp und verschwand, im nächsten Moment spürte ich eine sanfte Berührung auf meiner Schulter. Jesse sah mich ernst an. „Ich kümmere mich schnell darum. Koordiniere du lieber die Suche nach dem Mörder. Ich schicke auch Yubel zu dir.“

„Sie soll lieber aus der Luft suchen“ halte ich dagegen.

„Hier rennt ein Mörder frei herum, ich lasse dich ganz bestimmt nicht ohne Schutz im Palast herumwandern! Und ich gehe davon aus, Yubel stimmt mir in der Sache zu.“
 

Ich knurrte in mich hinein, doch ohne meine Antwort abzuwarten lief Jesse eilig zum Platz. Mein Blick wanderte zurück zur offenen Kammer. Aus ihr hörte ich immer noch Madame Tredwells Wimmern. Tausend Fragen schwirrten mir durch den Kopf, doch die Antworten waren nicht greifbar. Warum wurde Lyman mit seiner eigenen Waffe getötet? Warum hat der Mörder einen so auffälligen Dolch mitgenommen? Warum ist Lyman überhaupt Ziel eines Angriffs geworden? Und warum jetzt? Der Zeitpunkt ist mehr als ungünstig für ein solches Unterfangen. Die Grundausbildung der neuen Soldaten hatte vor wenigen Wochen begonnen und es schwirrte mehr Wachpersonal als üblich im Palast herum. Die Gefahr erwischt zu werden ist viel zu hoch. Das ergibt alles keinen Sinn.



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