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Ein letztes Geheimnis

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo alle zusammen,

Sooo, endlich, nach einem Monat betritt auch Hauptakteur Numer zwei endlich die Bühne. Ich glaube, ich habe ihn noch nie so lange außen vor gelassen und danken wird der übelgelaunte Herr es wohl auch nicht...
Also lasset das Drama beginnen ;-)
Ich wünsche euch ganz viel Spaß und wir sehen uns dann wie gewohnt nächste Woche^^

LG
Sharry Komplett anzeigen

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Kapitel 4 - Bedenken

Kapitel 4 – Bedenken

 

-Mihawk-

„Du könntest die Zeit auch für etwas Sinnvolles nutzen. Ich werde mit Sicherheit noch etwas brauchen und dein stechender Blick lässt mich nicht schneller arbeiten, gegebenenfalls aber nicht so gründlich.“

„Dann konzentriere dich und arbeite gründlich“, murrte er nur, ohne den Blick abzuwenden, „ich will so schnell wie möglich aufbrechen.“

„Wie du meinst“, seufzte der alte Mann nur und fuhr mit seiner Arbeit fort.

Verstimmt senkte Dulacre seinen Blick wieder auf das kleine Stück Papier in seiner Hand, das stetig gegen seine Handfläche drückte und ihn drängte weiterzureisen. Nicht, dass er dieses Appells bedurfte.

Wenn Dulacre könnte, würde er sofort aufbrechen, aber das war nun mal nicht möglich. Sein Sargboot mochte schneller sein als die meisten Schiffe und Dinge wie der Calm Belt waren für ihn keine Herausforderung, aber selbst er musste die Red Line überwinden, um die neue Welt zu erreichen.

Als Samurai stand Dulacre grundsätzlich die Möglichkeit zu über den Red Port der Marine zu reisen. Sein Schiff war auch klein und leicht genug, um von den verstärkten Seifenblasen des Sabaody Archipels über die Red Line hinweg getragen zu werden. Er würde vielleicht drei Stunden dafür brauchen; vier, wenn er auf der anderen Seite nicht sofort auslaufen könnte.

Das Problem war jedoch, dass seit der Schlacht von Marine Ford und der Verlegung des Marinehauptquartiers der Prozess für die Überführung verkompliziert worden war.

Früher hätte Dulacre einfach nur zum Red Port auf dieser Seite der Red Line reisen müssen und die Überführung verlangen müssen, kein Soldat hätte seine Forderung verweigert, nicht einmal der jeweilige befehlshabende Vizeadmiral.

Nun jedoch würde er zuerst einen Antrag stellen müssen, schriftlich, mindestens 24 Stunden im Voraus und mit Begründung. Für so einen Unsinn fehlte Dulacre sowohl die Zeit als auch die Geduld; als würde er sich irgendeinem dahergelaufenem Soldaten erklären, warum er auf die andere Seite der Red Line wollte.

Außerdem hatte Dulacre am vergangenen Tag die Aufforderung der fünf Weisen erhalten sich für die bevorstehende Reverie auf Kuraigana in Bereitschaft zu halten. Dies bedeutete natürlich, dass jegliche Reisen tabu waren. Bereits seine derzeitige Anwesenheit auf dem Sabaody Archipel stellte einen Verstoß gegen den Befehl seiner Lehnsherren da, nicht, dass es Dulacre interessierte. Ihm war das einerlei, alles was er gerade wollte, war seinen Weg fortzusetzen.

Aus diesem Grund befand er sich gerade an einem abgelegenen Groove und wartete darauf, dass Rayleigh mit der Beschichtung des Sargbootes fertig sein würde. Große Schiffe konnten mehrere Tage in Anspruch nehmen, aber ein kleines, wie das seine, brauchte nur wenige Stunden.

Aufgrund der Form des Sargbootes würde Dulacre relativ zügig hinabsteigen und er beabsichtige nicht einen Zwischenstopp auf der Fischmenscheninsel einzulegen, sondern direkt unter der Red Line hindurch zu tauchen und auf der anderen Seite wieder aufzusteigen.

Eine direkte Durchreise unter der Red Line war sehr riskant, kaum jedes fünfte Schiff überstand bereits eine normale Überfahrt – oder vielleicht eher Unterfahrt – mit Neubeschichtung unten auf der Fischmenscheninsel, und jeder vernünftige Beschichter würde es einem abraten.

Aber Dulacre war niemand, dem eine solche Reise abgeraten werden musste und er war niemand, für den eine solche Reise riskant war, und dass wusste sowohl er als auch Rayleigh, daher tat der alte Mann das, was er zu tun hatte.

„Du kannst noch so böse auf die Vivre Card starren, das macht dich auch nicht schneller.“

„Hör auf zu reden, Rayleigh, und beende deine Arbeit.“

„Du bist noch unhöflicher als sonst, Mihawk. Wenn man bedenkt, dass dein Leben von meiner Arbeit hier abhängt, sollte man meinen, dass du etwas respektvoller mit mir umgehen würdest.“

„Arbeite einfach weiter.“

„Wie du meinst.“

Endlich schwieg der dunkle König. Dulacre fehlte die Geduld sich mit dem alten Mann zu befassen. Er wusste, dass Rayleigh tausende kluge Gedanken für ihn hatte, gut gemeinte Ratschläge und vielleicht auch seltene Ehrlichkeit.

Aber davon wollte Dulacre nichts hören. Er wollte nicht hören, dass sein Handeln ihn seinen Titel kosten konnte. Er wollte nicht hören, wie unvernünftig sein Handeln für den alten Mann aussehen musste.

Für einen Außenstehenden musste Dulacre wie der verrückte, besessene Mann wirken, der dem anderen nach nur einen Tag hinterhereilte, weil er Gespenster sah, wo nur Vorhänge wehten. Es musste erbärmlich und bemitleidenswert aussehen.

Aber auch das war ihm gleich. Es scherrte ihn nicht, was Rayleigh oder Shakuyak dachten. Es interessierte ihn nicht, was für eine Strafe ihn erwarten würde, sollten die fünf Weisen von seinem Ungehorsam erfahren, und natürlich wusste Dulacre, dass es nur der Wind war. Doch das änderte nichts daran, dass ein Sturm herbeieilte, und anscheinend stand Lorenor im Mittelpunkt jener Naturgewalt.

Deshalb wartete Dulacre nun darauf, dass Rayleigh sein Schiff fertig beschichten würde, sodass er Lorenor nachreisen konnte. Dieser war erst am vergangenen Tag mit seiner Crew zur Fischmenscheninsel aufgebrochen und die Vivre Card in Dulacres Hand sagte ihm, dass die Strohhüte zumindest noch nicht wieder aufgetaucht waren.

Da das Sargboot schneller war als die meisten Schiffe würde Dulacre die Piratencrew voller Chaoten bald einholen, vielleicht schon am nächsten Tag, je nachdem, wie viele Überraschungen die andere Seite der Red Line für ihn oder die Strohhüte bereithalten würde.

Natürlich wusste Dulacre, dass er gerade seine Absprache mit Lorenor brach, aber auch das war ihm gleich. Nein, viel eher noch sah er sich nicht mehr durch sie gebunden, nicht nachdem, was er am vergangenen Tag erfahren hatte.

Vor kaum 24 Stunden hatte Lorenor ihn angerufen und ihm begeistert von seiner Wiedervereinigung mit seinen Freunden erzählt. Nachdem Dulacre tagelang nichts von ihm gehört hatte, sondern nur von seinem besten Freund und Vizeadmiral der Marine Cho Jiroushin über Lorenors Verbleib informiert worden war, hatte er bereits angefangen sich ernsthafte Sorgen zu machen, doch dann hatte Lorenor endlich angerufen.

Einige Minuten lang hatte Dulacre den Erzählungen des anderen über die Zusammenkunft seiner Crew und die Reise zur Fischmenscheninsel gelauscht. Lorenor hatte sich glücklich angehört, wirklich glücklich und zufrieden, und Dulacre hatte gewusst, dass er in nur sieben kurzen Tagen den nächsten Anruf hätte erwarten dürfen.

Aber er hatte kaum das Gespräch mit seinem Wildfang beendet als er Post bekommen hatte. Der Brief der fünf Weisen, die ihn in seiner Funktion als Samurais eingefordert hatten, hatte ihn nicht weiter interessiert. Ganz anders jedoch der Brief von Eizen.

Dulacre mochte den alten Politiker nicht, hatte ihn nie gemocht, empfand seine schleimige und hinterlistige Art als peinlich und armselig. Gleichzeitig war ihm natürlich sehr wohl bewusst, dass Eizen einer der gefährlichsten Menschen im Bereich der Weltpolitik war, da er Machthunger und Kontrollgier mit Intelligenz und Strebsamkeit verfolgte, und wenn selbst Cipherpol nichts gegen ihn unternahm - dahingestellt ob freiwillig oder unfreiwillig - dann musste Dulacre seine Existenz wohl oder übel hinnehmen, zumindest noch.

Eigentlich könnte jener Mann Dulacre gleich sein, früher hatten sie nie viel Kontakt miteinander gehabt, waren sich alle paar Jahre mal mehr mal weniger zufällig über den Weg gelaufen, wobei sie einander immer gleichgesinnt ignoriert hatten, während Dulacre einen vielsagenden Blick mit dessen Sekretärin Rihaku ausgetauscht hatte. Aber das hatte sich mit Lorenor – oder eher Lady Loreen - geändert. Entgegen aller Versuche hatte Dulacre nicht verhindern können, dass der Politiker einen Vertrag mit Lorenor – Lady Loreen – eingegangen war.

Es war Dulacre unmöglich gewesen die Beweggründe des Politikers nachzuvollziehen. Er konnte einfach nicht erkennen, warum eine berufliche Liaison mit Lady Loreen für den Politiker interessant sein könnte. Es gab nichts, was Lorenor dem alten Mann hatte bieten können.

Viel mehr jedoch hatte es Dulacre verwirrt, warum Lorenor diesen Vertrag überhaupt eingegangen war, sich vertraglich an jemanden hatte binden lassen. Erst recht, wenn man bedachte, dass Lorenor sich für Dinge wie Politik, Macht, Geld und Ruhm nicht wirklich interessierte. Lorenors Ausrede, dass es nicht zu Lady Loreen gepasst hätte, die Möglichkeiten, die ein Vertrag mit Eizen hätte bieten können, zu ignorieren, hatte ihn kaum überzeugt. Auf der anderen Seite passte ein solch naiver Gedankengang nur zu gut zu Lorenor, zumindest zu dem Lorenor von vor zwei Jahren. Also hatte Dulacre seine Zweifel ignoriert und so getan, als würde er Lorenors Ausrede glauben.

Der Brief vom vergangenen Tag hatte Dulacre nun die fehlenden Puzzleteile geliefert, hatte ihm nun den Fehler seiner Subsumtion offengelegt und nun musste er handeln, schnell.

In diesem Brief, verfasst nur wenige Stunden bevor Dulacre ihn erhalten und gelesen hatte, hatte Eizen sich bei ihm dafür gedankt, dass Dulacre so geduldig hinnehmen würde – sie beide wussten, dass dies eine höfliche Lüge war – dass Lady Loreen so viel Zeit im Dienste Eizens verbrachte.

Der Politiker hatte Dulacre versichert, dass er sich gut um Lady Loreen’s Wohlergehen kümmern würde und dass er die werte Dame für die kommenden Tage aufgrund der bevorstehenden Weltkonferenz noch beanspruchen müsste. Eizen hatte Dulacre erklärt, dass Lady Loreen die kommenden Tage ihm bei den Vorbereitungen helfen würde, nur wenige Minuten nachdem Lorenor ihn vom Grund des Meeres angerufen hatte.

Dies ließ nur einen möglichen Schluss zu.

Eizen wusste, wer Lady Loreen in Wirklichkeit war. Eizen wusste, dass Lady Loreen und Lorenor Zorro ein und dieselbe Person waren. Er hatte diesen Brief entweder geschrieben, um Dulacre wissen zu lassen, dass er die Wahrheit herausgefunden hatte, oder – und das war deutlich wahrscheinlicher – um Lorenor ein Alibi zu schaffen, warum er die kommenden Tage nicht nach Kuraigana zurückkehren würde.

So wie sich der Brief lesen ließ ging Dulacre davon aus, dass Eizen nicht wusste, dass auch Dulacre die wahre Identität der hochwohlgeborenen Lady Loreen kannte. Es würde zu Eizen passen, dass er Dulacre diesbezüglich falsch einschätzen würde, schließlich hatte Eizen ihn nie als ebenbürtig angesehen und hielt Dulacre für alles andere als gefährlich. Vermutlich dachte Eizen, dass Dulacre so wie viele andere auch Lady Loreens liebreizendem Charme erlegen war, schließlich war sein Verhalten äußerst ungewöhnlich in Bezug auf die junge Frau.

Der Politiker hatte verhindern wollen, dass Dulacre misstrauisch werden würde, wenn Lady Loreen nach ihren Terminen auf dem Sabaody Archipel nicht zurückkommen würde, unwissend, dass Dulacre natürlich wusste wo Lorenor sich derzeit aufhielt.

All dies war mehr als offensichtlich für Dulacre, nun, da er den Brief gelesen hatte. Die wahre Frage war doch, ob Lorenor wusste, dass Eizen sein Geheimnis herausgefunden hatte, welches noch nicht mal Lorenors eigene Crew wissen durfte. Nein, eher, hatte Lorenor diesen Vertrag nur unterschrieben, weil Eizen ihn mit diesem Wissen erpresst hatte?

Alle Anzeichen, alle Logik und alle Indizien sprachen dafür. Es gab nur einen einzigen Grund, warum Dulacre seine Deduktion anzweifelte.

Natürlich, warum sollte ich dich anlügen?

Lorenor hatte damals etwas anderes gesagt.

Selbstredend wusste Dulacre, dass eine Lüge – ein Herausreden oder ein Umgehen – viel wahrscheinlicher war, aber Lorenor hatte ihm damals versprochen ihn nicht anzulügen und generell würde es wohl sehr Lorenors Wesen widersprechen Geheimnisse zu haben und Dinge zu verschweigen.

Nichts sprach wirklich dafür, dass Lorenor völlig blauäugig in Eizens Falle gelaufen war, nichts außer Lorenors Charakter und Dulacres Vertrauen in den anderen, dieses unlogische Vertrauen, welches er aller Ratio zum Trotz nicht aufgeben wollte.

Aber die Vernunft wollte Dulacre anderes erklären. Er wusste, dass selbst Lorenor sich verändert hatte. Lorenor war schon lange nicht mehr der schlichte Einfaltspinsel, wie er sich vor zwei Jahren gerne dargestellt hatte. Auch Lorenor wusste, dass die Wahrheit nicht immer der beste Weg war, selbst wenn es ihm missfallen sollte. Außerdem hatte er sich sogar entgegen Dulacres Rat dafür entschieden seinen Freunden die Wahrheit vorzuenthalten. Es war also nicht so als hätte Lorenor sich noch nie der Lüge hingegeben. 

Natürlich konnte Dulacre in gewisser Form nachvollziehen, warum Lorenor seine Crew außen vor lassen wollte, aber es missfiel ihm doch sehr, dass Lorenor seinen Freunden – für die er immerhin bereit gewesen war zu sterben – noch nicht mal sein Geheimnis anvertrauen wollte; ein Grund mehr für Dulacre den Strohhüten zu misstrauen.

Nein, die Indizien sprachen für sich. Die Indizien sprachen alle dafür, dass Lorenor sich sehr wohl bewusst war, dass Eizen sein Geheimnis kannte. Die Indizien sprachen dafür, dass Lorenor Dulacre angelogen hatte, aus welchen Gründen auch immer. Die Indizien sprachen dafür, dass Eizen willentlich für Lady Loreen ein Alibi bereitgestellt hatte, um deren wahren Identität vor Dulacre zu wahren.

Dulacre war nicht dumm – oh nein, er war wohl alles andere als das – er war sich bewusst, dass dies wahrscheinlich der Wahrheit entsprach. Aber dennoch…

Warum sollte ich dich anlügen?

Im Zweifel für den Angeklagten.

Aber ganz gleich, ob Dulacres Zweifel oder seine Hoffnung nun der Wahrheit entsprachen, er musste sich beeilen und zu Lorenor reisen.

Vor einem guten Jahr hatte Lady Loreen offiziell erklärt, die Moderation der Reverie zu übernehmen, aber nach Dulacres Wissensstand hatte Lorenor nie vorgehabt, dieser Aufgabe letztendlich nachzukommen. Lorenor hatte gewusst, dass er vorher zu seiner Crew zurückkehren würde und der Plan war gewesen, dass Lady Loreen verschwinden würde, bis Lorenor sein Geheimnis vor der Welt nicht mehr würde verstecken können.

Eizens Brief jedoch sprach von etwas anderem. Der Politiker hatte sich dafür entschuldigt, dass er Lady Loreen so einfordern würde, aber dass dies nur bis zur kommenden Weltkonferenz anhalten würde, welcher sie alle freudig entgegensehen sollten. Eine höfliche Floskel mochte man meinen, aber Dulacre entging die Drohung nicht, die im letzten Halbsatz stand. Was auch immer Eizen mit Lorenor geplant hatte, Dreh- und Angelpunkt war die Weltkonferenz.

Schon lange hatte Dulacre die Vorzeichen gesehen, dass diese Reverie im Zeichen eines neuen Zeitalters stehen würde. Nach der Schlacht von Marine Ford hatten sich diese Vermutungen nur verstärkt. Aber all das hatte Dulacre nicht mehr als ein müdes Schmunzeln entlockt. Weder der Krieg noch die Reverie waren wirklich spannend genug, um Dulacre zu unterhalten, auch wenn er siegessicher erwartete seine Vermutungen bestätigt zu sehen.

Doch die Dinge hatten sich nun geändert, Eizen hatte aus ihm noch unerklärlichen Gründen Lorenor mit hineingezogen und daher musste nun auch Dulacre sich damit beschäftigen, ob er wollte oder nicht.

„Es ist schon seltsam“, unterbrach der alte Mann ungefragt seine Gedankengänge, „ich hätte nie vermutet, dass deine kalten Augen mal so lichterloh brennen würden. Wer hätte schon gedacht, dass ein dahergelaufener Junge aus dem East Blue dein unbeugsames Herz rühren würde.“

Er würdigte Rayleigh nicht einmal eines Blickes.

„Bist du des Lebens müde, alter Mann, oder warum riskierst du es?“

Nun lachte der dunkle König.

„Ich meinte es nicht böse, Mihawk, wirklich. Ich habe nur gehofft, dass ich einer der wenigen Menschen sei, deren Rat du annehmen würdest.“

„Überschätze dich nicht, Rayleigh. Ich lege keinen Wert auf deine Meinung.“

„Würdest du mir trotzdem einen Moment zuhören, bevor ich meine Arbeit abschließe?“

Nach einer Sekunde sah Dulacre von dem Papierschnipsel in seiner Hand auf und begegnete den klaren Augen des Älteren.

„Das deute ich mal als ein Ja“, bemerkte der andere mit einem Schmunzeln, ehe er sein Werkzeug sinken ließ und sich Dulacre zuwandte. „Vor einigen Jahren führte ich ein interessantes Gespräch mit Shanks und es ging um dich. Überrascht erfuhr ich, dass du nicht mehr gewillt warst dich mit ihm zu messen, nachdem er seinen Arm verloren hatte. Ich hätte nicht gedacht, dass so eine Kleinigkeit in Anbetracht deiner Kampffreude von Bedeutung sein würde. Denn ganz gleich seiner Verletzung, dir ist wohl auch bewusst, dass seine Kampffertigkeiten immer noch herausragend waren. Im Gegenteil, seit jenem Tag ist Shanks wohl nur noch stärker geworden und würde dir durchaus einen würdigen Trainingspartner bieten.“

„Worauf willst du hinaus, Rayleigh? Ich habe nicht ewig Zeit.“

Beschwichtigend hob der andere beide Hände.

„Shanks hatte sich damals sehr über deine kalte Schulter beschwert und ich fragte ihn, warum er sich überhaupt so gerne mit dir maß. Es ist ja gemeinhin bekannt, dass du ungerne Überlebende zurücklässt und jeder Kampf gegen dich musste für Shanks eine wahre Feuerprobe gewesen sein, kein freundlicher Schlagabtausch, und ich muss gestehen, dass ich nie verstanden habe, warum Shanks sich so bereitwillig dieser Gefahr immer wieder ausgesetzt hat, sie sogar eingefordert hat.“

Dulacre hob nur eine Augenbraue an. Er hatte kein Interesse daran über alte Geschichten zu reden, erst recht nicht jetzt.

„Das Interessante war, dass Shanks überhaupt nicht verstand von welcher Gefahr ich sprach. Er sagte es gäbe keinen Grund Angst oder auch nur Respekt zu haben. Er verglich dich mit einem Biest an der Kette, eingepfercht in einem Schlosshof, tödlich wenn man zu nah käme, aber ungefährlich auf Abstand.“

„Komm zum Punkt, Rayleigh, mir fehlt die Geduld mich von dir beleidigen zu lassen.“

„Nein, nein, das will ich doch gar nicht. Shanks meinte damit deinen Kampfstil, die Art wie du eigentlich nie unberechenbar bist, außer bei diesen seltenen Gegnern, die dein Blut in Wallung bringen können. Es gibt nur wenige, wie dich und das weißt du. Du weißt von der Gefahr, die du für deine Feinde darstellst, wenn du die Kontrolle verlierst.“ Der alte Mann sah ihn klar an, vielleicht sogar sanft. „Daher war es für mich noch unbegreiflicher, dass selbst du Shanks nicht das Fürchten lehren konntest.“

„Wer seinen Gegner fürchtet, hat bereits verloren.“

Er mochte dieses Gespräch nicht. Weder mochte er über den roten Shanks sprechen noch darüber was andere über Dulacre und seine Fähigkeiten in dunklen Spelunken spekulierten. Es überraschte ihn nicht, dass der dunkle König über seine Kräfte und Fähigkeiten Bescheid wusste. Shanks war wahrlich niemand, der Geheimnisse ausplauderte, aber bei dem ein oder anderen Vertrauten konnte er zu einem wahren Waschweib mutieren. Einer der Gründe warum Dulacre immer ihn aufsuchte, wenn er auf der Suche nach Informationen war, an die man sonst nur schwer herankommen konnte.

„Natürlich, natürlich“, stimmte Rayleigh ihm zu, „das sagte Shanks natürlich auch. Schließlich habe ich ihm diesen Spruch gelehrt.“

Nun funkelte der alte Mann Dulacre verschmitzt an, wollte ihn wohl daran erinnern, dass die Dinge einst anders gewesen waren.

„Sein Kommentar war – und darauf wollte ich hinaus, Mihawk – Solange das Biest noch an der Kette ist, gibt es nichts zu befürchten. Mihawks kühler Verstand und sein kaltes Herz hält sein Biest im Zaum. Aber Rayleigh, ich sage dir, wenn die Kette reißt und die Mauer einstürzt, dann weiß selbst ich nicht, was uns erwarten wird, dann könnte selbst ich es mit der Angst zu tun bekommen.

Diese Aussage überraschte Dulacre nun doch. Sowohl, dass Rayleigh es ihm so direkt sagte als auch, dass der Rote so denken konnte – er gehörte nicht zu den hellsten Sternen am Himmel – aber am meisten überraschte ihn, dass Shanks diese Worte wohl ernst gemeint hatte, dass anscheinend selbst Shanks wohl so von ihm dachte. Selbst Shanks also.

Der alte Mann zögerte einen Moment, doch dann sprach er weiter: „Ich habe mir um seine Worte eigentlich nie Sorgen gemacht. Du warst berühmt für dein Herz aus Stein, für deinen erbarmungslosen Verstand, rationaler Stratege, emotionsloser Kämpfer. Aber nun mache ich mir Sorgen, Mihawk. Ich habe vor zwei Jahren gesehen, wie du Zorro angesehen hast und ich sehe auch jetzt deinen Blick. Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich je so voller Emotionen erleben würde, ich hatte sogar meine Zweifel, dass du überhaupt zu Gefühlen abseits eines Kampfes fähig bist.“

„Ist es das, womit du meine Zeit vergeudest? Unbegründete Angst, dass meine Gefühle mich zu einem unkontrollierbaren Biest machen? Du begibst dich auf dünnes Eis, dunkler König.“

„Und noch einmal“, murrte der alte Mann nun nicht mehr ganz so sanftmütig, „ich sage dies nicht deiner Missbilligung willen, sondern weil ich dich schätze, Mihawk. Mir ist sehr wohl bewusst, dass du nicht einfach aus unbegründeten Gefühlen heraus Zorro folgst. Ich weiß sehr wohl, dass du guten Anlass hast, ihm nachzueilen und ich hoffe, dass du ihn erreichst, bevor es zu spät ist.“

„Was willst du dann?“

„Ich will dich warnen, ich will dich um Vorsicht bitten. Es ist wundervoll, was du für Zorro empfindest – wenn ich so frei sein darf in meinem Alter – und ich wünsche euch beiden alles Glück dieser Welt. Aber bitte halte im Hinterkopf, dass deine Gefühle nicht Maßstab für Zorros Entscheidungen sind.“

„Du wirst ganz schön anmaßend, alter Mann. Bildest du dir ein du wüsstest was ich fühle und denke.“

Er trat einen Schritt auf den anderen zu, aber natürlich wich Rayleigh nicht zurück.

„Ich will dich warnen, Mihawk. Shanks hat Recht. Du weißt was für ein Leben Zorro lebt, mit welchen Gefahren er tagtäglich konfrontiert sein wird. Dir ist auch bewusst, was in der Welt gerade geschieht, an welchem Abgrund wir stehen. Ich appelliere an dich, dass du ganz gleich deiner Gefühle nicht eine weitere unberechenbare Gefahr wirst.“

Kopfschüttelnd wandte Dulacre sich zum Gehen.

„Ich nehme an, du bist mit deinen Arbeiten bereits fertig. Ich werde jetzt aufbrechen.“

„Mihawk!“, rief der andere ihm nach. „Ich weiß von deinem Verhalten damals nach der G6. Welche Dummheit würdest du noch begehen, jetzt wo deine Gefühle so viel mehr sind als eine leichte Faszination für ein besonderes Talent?“

„Ich wüsste nicht, was es dich angeht.“

Der andere packte ihm am Handgelenk.

„Lass los.“

Rayleigh atmete tief auf.

„Hass und Trauer machen einen blind, Mihawk. Bitte stelle sicher, dass du nicht Vergeltung übst an denjenigen, die Zorro beschützen wollen würde.“

Er seufzte auf.

„Ich sage es dir nur ein einziges Mal, Rayleigh, du hast die Grenze überschritten und nächstes Mal werde ich nicht so gnädig sein und darüber hinwegsehen. Deine Sorge mag gut gemeint sein, aber sie ist unnötig und unerwünscht. Lorenor lebt und ich bin mir meiner Gefühle sehr wohl bewusst.“

Seinen Arm befreiend ging er an Bord.

„Und was Shanks angeht, soll er sich fürchten oder auch nicht, das ist mir einerlei. Ich bin weder ein Biest, gebändigt durch Kette und Mauer, noch ein Junge, der deiner Warnung und deines Appells bedarf.“ Das Sargboot setzte sich in Bewegung. „Nur weil du dem Strohhut geholfen hast, macht uns das nicht zu Verbündeten, Rayleigh, und wage es ja nicht, diese Linie noch einmal zu verwischen.“

Der alte Mann am Ufer schüttelte den Kopf und sah ihn wehmütig an, ein Gefühl welches Dulacre von ihm nicht brauchte.

„Es tut mir leid, dass du nicht verstehst, was ich dir sage, Mihawk. Ich hoffe, dass dein stoisches Wesen nicht deinen Untergang bedeutet, für dich, Zorro und auch für die Strohhüte.“

„Und selbst wenn, so würde es dich doch nichts angehen.“

Im nächsten Moment verschluckte ihn das Meer und er sank in die Tiefen hinab.

Aber die Worte des alten Mannes hallten in der Stille des Meeres nach, seine Warnung, sein Rat.

Wütend ließ Dulacre sich auf seinen Stuhl fallen. Er hatte gerade genug Dinge, um die er sich Sorgen machen musste, da brauchte Rayleigh nicht mit solch unheilvollen Vorahnungen um sich zu werfen.

Wäre Dulacre nicht so erzürnt würde es ihn wohl neugierig machen, warum der alte Mann glaubte so anmaßend mit ihm reden zu können. Es stimmte, dass Dulacre den dunklen König stets respektiert hatte, aber sie pflegten keinen Kontakt und waren mit Sicherheit nichts was einen solch offenen Umgang rechtfertigen würde.

Aber Dulacre war nun mal gerade sehr erzürnt, daher machte er sich darüber keine Gedanken, sondern fragte sich nur, wie Shanks sich erdreisten konnte, solch Dinge über ihn zu sagen. Vermutlich war es die Rache des Rothaarigen dafür gewesen, dass Dulacre sich geweigert hatte weiter gegen ihn zu kämpfen, nachdem er sich entschieden hatte ein Krüppel zu werden.

Sowohl sein Urteil als auch Rayleighs Rat waren unangebracht und schlichtweg falsch. Natürlich wusste Dulacre, dass seine Emotionen für Lorenor ihn manchmal mehr beeinflussten als ihm lieb war, aber er war niemand, der gedankenlos handelte, der sich von seinem eigenen Monster überkommen ließ wie ein blutiger Anfänger. Wie konnte Rayleigh es wagen anzuzweifeln, dass Dulacre sich von seinen Gefühlen überwältigen lassen würde und zu dem Monster wurde, das andere in ihm sahen?

Es stimmte, dass Dulacres Kontrolle nicht perfekt war. In einem wahren Kampf war es ihm nahezu unmöglich sich zurückzuhalten. Aber er war sehr wohl in der Lage einen solchen Kampf nicht anzutreten oder so schnell zu beenden, dass die Blutgier ihn nicht übermannte. Außerdem war er selbst in jenem Zustand absolut in der Lage Freund von Feind zu unterscheiden und würde nie jemanden angreifen, der seinem Angriff nicht würdig war.

Warum glaubte Shanks also, dass so etwas Lächerliches wie ein paar Emotionen dies ändern würden? Warum glaubte Rayleigh also, dass Dulacre über seine Gefühle für Lorenor zu einem unberechenbaren Monster werden würde?

Leise schnaubte er über diesen Unsinn auf.

Er hatte Lorenor doch nicht zwei Jahre trainiert, damit dieser nun sang- und klanglos in der neuen Welt umkommen würde. Wieso also warnte der alte Mann ihn vor genau dieser Situation?

Außerdem war er sich wohl bewusst, was für ein gefährliches Leben Lorenor lebte und gewählt hatte. Dulacre wusste genau, welchen Rang er selbst in der Prioritätenliste des andere einnahm.

Nein, sowohl Shanks als auch Rayleigh irrten sich. Es stimmte zwar, dass Lorenor sein hartes Herz erweicht hatte, aber dies ließ ihn nicht zu einem emotionsgeladenen Dummkopf werden. Dulacre war sich genau bewusst was er tat und warum er es tat. Er wusste genau warum er…

Plötzlich sprang der kleine Papierfetzen regelrecht aus seiner Hand und drängte in eine andere Richtung.

Er sah auf zu dem immer dunkler werdenden Meer über ihm. Vor wenigen Minuten erst mussten die Strohhüte wieder aufgetaut sein, doch das rechtfertigte diesen plötzlichen Richtungswechsel nicht. Es musste ein Naturphänomen der neuen Welt sein, welche immer wieder unerwarteter Weise auftauchen und ganze Schiffe vom Kurs abbringen konnten.

Seufzend rieb er sich die Schläfen. Zumindest hoffte er, dass es nur die unberechenbare Wetterlage war und nicht etwas anderes.

Wenn er Pech hatte, würde es nun länger dauern Lorenor einzuholen. Aber die viel wichtigere Frage war doch, was passieren würde, wenn Lady Loreen nicht zur Weltkonferenz erscheinen würde.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: RuffysKreationen
2021-09-13T12:07:58+00:00 13.09.2021 14:07
Ich bin sehr gespannt auf die Reverie :o
Und ich mag das alte Weise an Rayleigh, das hast du sehr schön geschrieben :D
Endlich mal wieder Mihawk! Es scheint ihm ja wie üblich zu gehen *hust*
Antwort von:  Sharry
17.09.2021 22:31
Hi again^^
Ja, ich muss gestehen, dass ich unsere kleine Dramaqueen auch ein bisschen vermisst habe (ganz ehrlich, dein Kommentar ist herrlich! "Es scheint ihm ja wie üblich zu gehen" ich musste echt herzlich darüber lachen!), aber keine Sorge, später werden wir noch genug von ihm erleben (vermutlich mehr als uns allen lieb ist^^')
Und freut mich total, dass Rayleigh gut rüberkommt, ich muss gestehen, dass der alte Herr ein bisschen mein Hezr erobert hat. Je öfter ich ihn schreibe, desto mehr mag ich ihn und ich würde ihn am liebsten als Special Guest ein paar mal extra auftauchen lassen, aber das wird dann leider doch etwas zu kompliziert (außerdem wäre es ja langweilig, wenn wir plötzlich noch jemanden hätten, der Mihawk ganz gerne Paroli bietet, dafür haben wir ja bereits Zorro ;-))
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar^^


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