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Geliebte Großeltern

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Geliebte Großeltern

„Oma! Oma!“ Die Kinderstimmen wurden immer lauter. „Oma! Oma!“ Noch lauter.

Jodie – mittlerweile eine alte Frau – setzte sich in ihrem Bett auf. Vor Wochen war sie noch eine agile ältere Dame gewesen, die vor nichts zurückschreckte. Doch sie hatte abgebaut. Sie lag den Großteil des Tages in ihrem Bett oder auf dem Sofa. Wenn sie aufstand, dauerte es nicht lange bis sie sich wieder setzen musste. Spaziergänge, Einkäufe oder kleine Unternehmungen waren nicht mehr ohne Weiteres möglich. Zwar hatte Jodie die Unterstützung ihrer Familie, aber sie wollte ihnen nicht andauernd Arbeit machen.

Die Tür wurde aufgerissen und zwei Kinder im Alter von zehn und acht Jahren starrten sie an. Sofort musste Jodie lächeln. Dass sie überhaupt dieses Alter erreicht hatte, grenzte schon nahezu an ein Wunder. Ihre Arbeit war gefährlich und für private Zusammenkünfte blieb kaum Zeit, doch irgendwie hatten sie es trotzdem geschafft und sich ein Privatleben aufgebaut. Dennoch war Jodie – wenn man sich die Statistiken ansah – relativ spät Mutter geworden. Die Schwangerschaft war nicht geplant und ein Schock für die werdenden Eltern, doch sie hatten sich sehr schnell mit der neuen Situation arrangiert. Jodie wollte sogar relativ schnell nach der Geburt wieder an die Arbeit zurückkehren. Erst ihr erster Blick auf das Gesicht ihres neugeborenen Babys zeigte ihr, was im Leben wirklich wichtig war und zählte. Sofort wurde ihr klar, dass sie das kleine Bündel nicht so schnell einer anderen Person anvertrauen würde. Und sie sollte recht behalten. Das erste Mal umdrehen, das erste Mal krabbeln, das erste Mal aufstehen, reden, lachen und und und… Es waren erste Male die Jodie nicht verpassen wollte, egal wann sie auftraten.

Kurz vor ihrem anschließenden Wiedereinstieg beim FBI wurde sie ein weiteres Mal schwanger, wieder ungeplant. Dennoch freute sie sich wahnsinnig über das neue Leben. Und ihr kleiner Sohn würde zum großen Bruder gemacht werden. Ihr Familienglück war einfach perfekt.

Für die Kollegen vom FBI war es nicht verwunderlich, als Jodie verkündete, nicht mehr in den aktiven Dienst zurückzukehren, sondern nur noch vom Schreibtisch aus zu unterstützen. Selbst Shuichi trat ein wenig zurück, doch eine pure Arbeit vom Schreibtisch reichte ihm nicht aus. Und es war für Jodie in Ordnung gewesen, auch wenn sie sich häufig Sorgen um ihn machte. Nie wollte sie ihren Kindern erklären müssen, warum ihr Vater nicht mehr nach Hause kam. Glücklicherweise war ihnen Beiden nichts passiert.

„Hallo meine zwei Süßen“, begrüßte sie ihre Enkelkinder. Ein Mädchen und ein Junge. Und Jodie liebte die Beiden heiß und innig.

„Oma!“, begann das Mädchen aufgeregt und lief auf das Bett zu.

„Ich wollte Oma doch fragen“, kam es schmollend von dem Jungen. Auch er sauste auf das Bett zu und kletterte nach oben.

Jodie lächelte. „Ihr könnt mich doch zusammen fragen.“

„Au ja“, sagte der Junge und sah zu seiner Cousine. „Auf drei?“

Das Mädchen nickte. „3.“

„2.“

„1“, beendete Jodie die Zählweise.

„Wir wollen eine Geschichte von dir hören“, gaben dann Beide von sich. Es war nicht synchron und sie versuchten einander in der Lautstärke zu übertrumpfen.

Jodie hatte ihren Kindern und ihren Enkelkindern immer gern die Geschichten aus der Vergangenheit erzählt. Die Hauptrollen spielten dabei sie und Shu. Aber es gab auch die Geschichten in denen Opa James und Onkel Camel eine große Rolle spielten. „Und habt ihr auch einen bestimmten Wunsch?“, wollte Jodie wissen.

Die Kinder überlegten nicht lange. „Eine von dir und Opa.“

Wieder lächelte Jodie. Sie und Shu. Die Agentin hatte es schon immer gewusst. Sie und Shu gehörten einfach zusammen und letzten Endes waren sie ein Paar geworden. Jodie hatte ihm immer die Zeit gelassen die er brauchte, um sich über seine wahren Gefühle bewusst zu werden. Es war schon fast wie in einem Märchen. Sie hatte sich in Shuichi verliebt, nachdem sie in New York beim FBI anfing und mit ihm zusammenarbeiten musste. Danach waren sie für kurze Zeit ein Paar und trennten sich. Doch ihre Gefühle ließen nie nach und Jahre später kamen sie wieder zusammen.

Nachdem auch Shuichi nicht mehr Arbeiten konnte, hatten sie sich zur Ruhe gesetzt und ihr restliches Leben in vollen Zügen genossen.

„Na gut“, kam es von Jodie und sie begann eine Geschichte zu erzählten. Die Geschichte ihres ersten Kennenlernens. Währenddessen begann Jodie selbst in Erinnerungen zu schwelgen. Wärme umspielte ihre Worte. Selbst jetzt liebte sie ihren Shuichi noch.

„Und jetzt die Geschichte, wie Opa und du in Japan die Welt gerettet habt.“

Die ehemalige Agentin schmunzelte. Selbstverständlich hatte sie einige Geschichten etwas ausgeschmückt, aber sie hatte nie von der Rettung der Welt erzählt. Dass es die beiden Kinder so auffassten, machte sie irgendwie glücklich. Sehr glücklich sogar. Shuichi als Retter der Welt, hörte sich in ihren Ohren so gut an. Doch irgendwann war die Zeit vorbei.

Vor einigen Wochen war Shuichi mitten in der Nacht wach geworden und zum Kühlschrank gegangen. Dort stellte er sich die Reste vom Abendessen auf einem Teller zusammen und kam zurück ins Schlafzimmer. Normalerweise aßen sie immer in der Küche, denn gerade in ihrem Alter mochten sie keine Krümel im Bett. Jodie war von den Geräuschen wach geworden und hatte Shuichi getadelt. Doch als sie seinen Blick sah, wurde ihr komisch ums Herz. Ohne zu Zögern hatte er ihr eine zweite Gabel gereicht und sie teilten sich den Teller.

Das Leben hat uns ein schönes Geschenk gemacht, hörte sie noch immer seine Worte. Shuichi hatte sich verändert, er war weicher geworden und zeigte mehr Gefühle. Und wann immer es ging, sagte er ihr, dass er sie liebte. Shuichi hatte durch seine Arbeit gewusst, dass das Leben schnell zu Ende gehen konnte und es immer eine Sache gab, die man bereute. Doch er hatte sich dagegen entschieden, etwas zu bereuen.

Jodie hatte sich in seine Arme gekuschelt und die Augen geschlossen. Noch ein letztes Mal hatten sie sich ihre Liebe gestanden, ehe Shuichi seine Augen für immer schloss.

„Oma? Was hast du?“

Jodie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Entschuldigt. Ich hab an euren Opa gedacht.“

Die beiden Kinder schauten traurig.

„Hey…jetzt guckt doch nicht so. Es ist in Ordnung“, entgegnete sie ruhig. „Euer Opa wird euch immer lieb haben…“

Jodies Enkelkinder nickten und umarmten sie. „Wir haben dich lieb, Oma.“

„Ich hab euch auch lieb.“ Jodie schloss die Augen. Sie wusste, dass sie seit Shuichis Tod abgebaut hatte. Der Arzt hatte es ebenfalls bestätigt und gab Jodie nicht mehr viel Zeit. Es war auch normal, dass lange Lebensgefährten einander in den Tod folgten. Und Jodie war bereit gewesen. Ihre Kinder hatten selbst eine Familie gegründet und ihre Enkel waren glücklich. Sie durfte gehen. „Eure Eltern werden euch später sicher auch viele Geschichten erzählen. Sie haben auch so viel von mir und von eurem Opa gehört…“

„Aber die können das nicht so gut, wie du, Oma.“

„Das stimmt.“

Jodie sah zu ihrem Sohn. „Reiji…“

„Hallo Mama“, sagte er und sah zu seiner Tochter und zu seinem Neffen. „Na los ihr zwei, geht in der Küche helfen.“

„Och menno…“

Hanako kam zu ihrem Bruder. „Hallo Mama.“

Jodies Enkelkinder gaben ihr einen Kuss auf die Wange und kletterten aus dem Bett. Dann liefen sie in die Küche und halfen beim Auspacken der Einkäufe.

„Sie sind so groß geworden.“

Jodies Kinder nickten. „Tut mir leid, dass dich die Beiden so auf Trab halten“, kam es von Hanako.

„Das tun sie doch nicht. Ich bin froh, dass ich meine Enkel sehen konnte…und euch auch nochmal…“

„Mama…“, wisperte Reiji. „Sag doch so was nicht.“

„Es ist in Ordnung“, sprach Jodie. „Wir kennen unser Ende nicht, aber unser Ende kennt uns. Ich werde schon bald…euren Vater wiedersehen.“

Hanako kamen die Tränen. „Mama…“

„Na kommt zu mir“, sprach Jodie und streckte ihre Arme aus. Ihre beiden Kinder kamen zum Bett, setzten sich und nahmen Jodie in den Arm.

„Wir möchten noch so viel mehr Geschichten von dir hören…wir und die Kinder. Und du wirst…doch bald wieder Oma.“ Reijis Frau erwartete ihr zweites Kind.

„Das ist schön“, wisperte Jodie. „Das Leben hat uns ein schönes Geschenk gemacht“, wiederholte sie Shuichis Worte und schloss die Augen.

„Mama“, murmelten Hanako und Reiji schluchzend.

Jodie lächelte. Dann war sie Shuichi gefolgt und friedlich eingeschlafen.



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