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Fremde in der Nacht

Where the streets have no name ...
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Der Kapitel-Name ist wörtlich zu nehmen!
Wer das eher fluffige Ende im letzten Kapitel mochte, sollte die Finger von diesem lassen und das so stehen lassen wie es war. Komplett anzeigen

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Warten

Der Lärm wird nicht weniger, nicht wirklich. Die letzte Rushhour ist inzwischen durch, aber der Geräuschpegel ebbt nicht ab. Eine Großstadt ist immer laut, egal um welche Uhrzeit. Diese Stadt hier bildet da keine Ausnahme, sie entspricht eher der Regel.

Die Nacht ist inzwischen all gegenwärtig und die winterliche Kälte erobert sich mehr und mehr Raum zwischen den Wolkenkratzern. Dunstwolken bilden sich vor den Mündern der vorbeilaufenden Menschen und über den Gullydeckeln. Die Masse an Heimkehrenden nimmt allmählich ab, doch wirklich Enden wird der Strom erst in ein, zwei Stunden. Die Bürogebäude strahlen zu ihren Fensterfronten hinaus und spiegeln sich auf den feuchten Straßen. Schnee liegt bereits in der Luft und Weihnachten rückt langsam näher.

Vor einem der unzähligen Hochhäusern steht eine schwarze Limousine. Sie steht immer hier, wenn der Eigentümer der Firma im Gebäude ist. Es ist seine Limousine und der Mann, der gegen die Tür gelehnt steht und raucht, ist sein Fahrer.

Ein dicker schwarzer Mantel hüllt den Chauffeur ein und schirmt ihn gegen die Dezemberkälte ab. Seine dunklen Haare wirken ein wenig zerzaust und wild. Die braunen Augen sind auf die Passanten gerichtet die vorüber laufen und die Gesichtszüge wirken entspannt. Er wartet, wie so oft. Ein Löwenanteil seines Berufs verbringt er damit zu warten, und zu beobachten. Jedem im Unternehmen dürfte klar sein, dass der Mann hier kein einfacher Fahrer ist. Er ist ebenso einer der Leibwächter des Geschäftsführers.

Eine weitere Limousine nährt sich. Eine herkömmliche Oberklassen Straßenlimousine. Mit einem gleichmäßigen, tiefen Brummen fährt sie vor und parkt hinter dem bereits stehenden Wagen.

Der Mann richtet seine Aufmerksamkeit auf den Neuankömmling. Kennzeichen, Marke, Modell, Farbe; alles wird sofort im Gedächtnis gespeichert. Mit einer entspannten, fast schon gelangweilt anmutenden Bewegung lässt er seine Zigarette fallen und tritt sie aus.

Die Tür des anderen Autos öffnet sich und eine junge Frau steigt aus. Sie ist in eine dicke Jacke gepackt und trägt eine Wollmütze. In der einen Hand hat sie einen To-Go-Becher der vor sich hin dampft, in der anderen den Autoschlüssel.

Der Leibwächter mustert sie. Sie wirkt nicht wie ein Fahrer, ein Chauffeur. Ihre Kleidung und ihre Haltung sprechen für sich. Eine Zivilistin, notiert er sich gedanklich, lässt sie aber weiterhin nicht aus den Augen. Man kann nie wissen.

Mit einem Klack verriegelt sich der Wagen und die junge Frau steckt den Schlüssel ein. Gleichzeitig kramt sie ihr Handy aus der Tasche, während sie um den Wagen herum läuft. Ihr Blick geht hoch, das erste Mal seit sie ausgestiegen ist und kreuzt den des Leibwächters. Einen Moment sieht sie ihn ein wenig überrascht an, dann lächelt sie wortlos und dreht sich seitlich. Sie setzt sich auf den Kotflügel des Autos und zieht die Beine an. Ihre Füße, die in dicke Boots gepackt sind, stellt sie auf das Rad. Die Unbekannte nimmt den Deckel des Bechers ab und führt ihn zum Mund. Doch statt zu trinken kaut sie gedankenverloren auf dem Papprand herum während sie auf ihrem Smartphone herumwischt.

Ein wenig argwöhnisch beobachtet der Mann das Ganze. Diese kleine Frau wird wohl eher keine Bedrohung sein, aber ihr plötzliches Auftauchen und die Selbstverständlichkeit mit der sie den Wagen hier parkt findet er eigenartig. Da sie wohl eher kein Chauffeur ist, zumindest würde es ihn extrem wundern, wenn dem so wäre, bedeutet, dass sie privat jemanden abholt. Doch dafür verhält sie sich ihm gegenüber ein wenig zu abgeklärt.

Der Leibwächter ist sich seiner Präsenz und Außenwirkung bewusst. Die meisten Leute machen eher einen Bogen um ihn, oder tun ihr Möglichstes ihn zu ignorieren. Die meisten fühlen sich unwohl in seiner Gegenwart. Er selbst ignoriert seinerseits ebenfalls den Großteil der Menschen um ihn herum. Er beobachtet sie, ordnet sie ein; mehr nicht. Er ist groß, kräftig und wirkt mit der Narbe auf der Wange und seinem schwer zu bändigenden Haaren auch alles andere als harmlos. Ein Pluspunkt für seinen Job.

Und auch für sein Privatleben hin und wieder. Zumindest das weibliche Geschlecht schien sich davon manchmal mehr angezogen wie abgeschreckt zu fühlen. Das erleichterte die Kontaktaufnahme, weil sie meist von den Frauen ausging. Nein, er war nicht schüchtern, aber es minimierte den Zeitaufwand, wenn die Dame den Anfang machte. Außerdem konnte man bei Frauen die Männer ansprachen, innerhalb der ersten Minuten meist sehr gut unterscheiden was sie wollten. Er ist Chauffeur und Leibwächter; ein Job bei dem er immer auf Abruf ist. Immer. Er will keine Frau die zu Hause auf ihn wartet und ihm Vorhaltungen macht. Was nicht heißt, dass er nicht doch ab und zu eine Frau will, zumindest auf rein körperlichen Ebene.

Während die junge Frau weiter auf ihr Smartphone sieht und doch hin und wieder am Inhalt des Bechers nippt und nicht nur den Rand zerknabbert, zündet er sich eine neue Zigarette an. Er würde sie auf Mitte Zwanzig schätzen, eher der Mittel- oder Nordeuropäischer Typ. Ihre Augen sind blau und das, was an Haaren unter der Wollmütze hervorschaut, sieht Richtung Hellbraun oder Dunkelblond aus. Keine Bedrohung ist sein Fazit und er wendet seinen Blick ab.

Er beobachtet die Passanten die immer weniger werden. Schließlich richtet er seine Augen Richtung Himmel. Die Sterne sind hier mitten in der Großstadt kaum zu erkennen, dafür strahlt der Mond heute umso mehr. Groß, rund und hell leuchtet er. Der Mann verliert sich in der Betrachtung des Gestirns und in seinen Erinnerungen.

Diverse Geheimagenten-Werwölfe

„Falls Sie ihn anheulen möchten wäre ich dabei.“

Der Leibwächter zwinkert einige Male um aus seinen Erinnerung zurück zu finden und dreht dann den Kopf. Die junge Frau sitzt immer noch auf dem Auto, hat immer noch To-Go-Becher und Handy in der Hand. Aber ihr Blick ist in den Himmel gerichtet zum Mond, dann dreht sie ebenfalls ihren Kopf und sieht den Chauffeur an.

Der Mann kann nicht anders und muss schmunzeln. Er zieht die Augenbraue hoch und lacht leise. „Ich denke, man kann ihm anders seine Begeisterung mitteilen, wie ihn anzuheulen“, antwortet er schließlich.

„Ja, aber man könnte fast in Versuchung geraten, so schön wie er heute Nacht aussieht“, erklärt sie nonchalant und grinst schelmisch.

Einen Moment fühlt sich der Leibwächter überrumpelt. Diese neckische, zweideutige Art hätte er nicht bei ihr vermutet. Nicht, dass er einen Anhaltspunkt gehabt hätte auf den er diese Annahme hätte stützen können. Sein Interesse ist jedenfalls geweckt. Er unterhält sich nicht oft mit Fremden, egal welchen Geschlechts. Und hier scheint sich die Möglichkeit auf ein leichtes und amüsantes zu bieten, was auch nicht alle Tage vorkommt. „Lassen Sie sich oft so leicht in Versuchung führen?“, fragt er neugierig.

Die Unbekannte zieht die Braue hoch und legt den Kopf schief. Sie mustert ihr Gegenüber und schient abzuschätzen, welche Antwort okay ist und welche schon zu weit gehen würde. „Ich habe mich doch nicht Versuchung führen lassen. Ich wollte Ihnen nur sagen, falls Sie sich verführen lassen möchten, wäre ich dabei.“ Ein breites Lächeln, absolut amüsiert und in keinsterweise anrüchig, bildet sich auf ihren Lippen.

Der Mann lacht leise und schüttelt den Kopf. „Ich muss Sie leider enttäuschen. Mir ist heute nicht nach heulen zu mute.“

„Was ja prinzipiell etwas Gutes ist“, stellt die junge Frau trocken fest. „Es sei denn Sie mögen Heulen, dann wäre es etwas Schlechtes.“ Fragend sieht sie ihn an und grinst.

„Es ist etwas Gutes. Heulen ist eher nichts, was ich ausgesprochen gern tue. Ich weiß heutzutage wird immer suggeriert, dass Männer ihre Gefühle mehr zeigen sollen; aber alles in Maßen, wenn Sie mich fragen. Ich würde das nur tun, wenn es wirklich nötig wäre und sich nicht mehr verhindern ließe“, erklärt der Leibwächter und tritt seine Zigarette aus. Auch wenn die Unterredung eher seicht ist und lediglich zu unterhaltungszwecken dient, baut sich eine leichte Spannung zwischen ihnen beiden auf. Er ist sich unsicher warum, aber er mag es. Und er mag die Zweideutigkeit des Heulens in diesem Gespräch.

„Schade“, stellt die Unbekannte übertrieben betroffen und mit Schmollmund fest. „Ihnen würde das bestimmt gutstehen; so mit dem wilden Haaren und dem finsteren Blick.“

Er spielt mit, verfinstert seinen Blick betont noch etwas mehr und sieht sie intensiv an. „So? Sie finden es würde gut aussehen, wenn ich den Mond anheule? Oder generell heule?“ Er senkt seine Stimme gewollt, damit sie tiefer und rauer klingt. Mit einer gewissen Genugtuung sieht er, wie sie versucht das Schaudern zu unterdrücken, welches ihren Rücken hinunter huscht. Er ist also nicht der einzige, der diese Stimmung zwischen ihnen bemerkt.

„Ich mag den obligatorischen Softie nicht so unbedingt, aber wie Sie ja schon selber gesagt haben, heutzutage muss ja jeder alles sein um alles zu sein“, spricht sie verdrossen vor sich hin und seufzt theatralisch. Die junge Frau nickt vor sich hin und erklärt grinsend: „Sie würden aber einen großartigen Werwolf abgeben. Ich wäre vorhin, als Sie so gedankenverloren in den Mond gestarrt habe, nicht überrascht gewesen, wenn sie sich die Klamotten vom Leib gerissen hätten. Und Ihnen dann ein dichter Pelz und spitze Ohren gewachsen wären. Und Sie dann aus voller Kehle dem Mond Ihre Aufwartung gemacht hätten.“ Sie streckt die Hand mit dem inzwischen leeren Pappbecher Richtung Himmel.

Er weiß nicht warum, aber ihn überrascht diese Aussage für einen Augenblick so sehr, dass er sie verdutzt ansieht. Ihr amüsiertes, herzliches Lachen ruft ihn wieder zur Ordnung und er muss lächeln. „Sie scheinen eigenartige Vorlieben zu haben, Miss …?“ Ja, er wagte es einfach mal. Mit etwas Glück verrät sie ihm ihren Namen.

Nun ist es an der Unbekannten verdutzt das Gesicht zu verziehen. „Miss? Ernsthaft? Wirke ich wie eine Miss?“ Sie kokettiert und klimpert mit den Wippern und muss dann herzlich loslachen.

Der Leibwächter stimmt mit ein. „Wenn Sie keine Miss sind, was sind Sie dann?“, fragt er schließlich nachdem sie beide sich wieder beruhigt haben. „Wenn Sie mir jetzt sagen, dass sie alles sind um alles zu sein, beende ich das Gespräch. So hochmodern bin ich dann leider nicht.“

„Ah, Sie sind eher so der Typ Heugabel und Fackel, was?“, amüsiert sie. „Mia, einfach Mia“, antwortet sie schließlich. „Und Sie? Darf ich raten?“ Mit großen Augen sieht sie ihn an und man sieht deutlich den Schalk heraus. „James?“, fragt sie übertrieben verführerisch.

„Wirklich?“, fragt er enttäuscht zurück. James-Bond-Vergleiche ist er inzwischen bereits gewöhnt. Obwohl er bis heute nicht so recht verstanden hat warum immer alle auf diese Idee kommen. „Das ist äußerst unkreativ.“

„Gar nicht!“, protestiert die junge Frau gekränkt. „Ein Werwolf-Geheimagent wäre doch der Hammer. Der Leser, Zuschauer, was auch immer, wird bis zum Schluss im Unklaren darüber gelassen und dann am Ende: Boom, der ultimative Plottwist. Er hat bei Vollmond die Verbrechen selbst begangen die er versucht hat aufzuklären.“ Zur Verdeutlichung streckt sie die Arme in die Luft und imitiert eine Explosion; immer noch Handy und Pappbecher in der Hand.

Amüsiert schüttelt der Leibwächter den Kopf. „Ich lag wohl richtig mit meiner Einschätzung: Sie haben eigenartige Vorliebe, Miss Mia.“ Er mag so spontane, etwas verrückt anmutende Menschen. Wahrscheinlich weil er nie so war, nie die Möglichkeit dazu hatte so zu sein, obwohl er es gern gewesen wäre. Und auch heute gern manchmal wäre. Aber so ist das im Leben, manchmal verstreichen die Chancen und kommen nicht wieder. Er weiß das inzwischen zu gut und dieses Wissen bringt ihn gerade in eine kleine Zwickmühle. Er mag Miss Mia und hätte nichts gegen ein kleines Treffen abseits der Arbeit. Vielleicht auf dem Weihnachtsmarkt der morgen eröffnet. Ungezwungen, einfach zum plauschen und vielleicht sogar mit einem schicken Happy End. Das hat er schon ewig nicht mehr gemacht … Plötzlich fällt ihm auch wieder ein warum und seine Stimmung trübt sich ein.

„Pff. Es gibt schlimmeres wie eigenartige Vorlieben“, echauffiert sie die junge Frau und reißt ihn somit aus seinen Gedanken. „Warten in der Kälte zum Beispiel.“ Sie sieht auf ihr Smartphone und seufzt. „Ob die noch lange brauchen?“, fragt sie und sieht ihren Gesprächspartner an.

Gerade als der Leibwächter antworten will, öffnet sich die Tür des Firmensitzes. Der Chef tritt dickeingepackt ins Freie, gefolgt von einem weiteren, deutlich jüngeren Mann. Die beiden unterhalten sich auf dem Weg zu den Autos und scheinen immer noch in Geschäftliches vertieft zu sein.

Wie üblich öffnet der Chauffeur die hintere Tür der Limousine, und erntet ein anerkennendes Pfeifen von der jungen Frau, gefolgt von einem „Nicht schlecht“ Er schenkt Mia ein spielerisch, reißerisches Schmunzeln, bevor er sich zusammennimmt. Er ist immerhin im Dienst jetzt und vor seinem Chef erlaubt er sich solches Verhalten niemals. Das wäre äußerst unprofessionell.

Der Mann, der den Firmeneigentümer begleitet, strahlt über das ganze Gesicht als er die junge Frau sieht. „Tut mir leid“, stellt er mitfühlend fest.

„Ach Quatsch“, winkt sie ab und lächelt ebenfalls warm und herzlich. „Ich hatte super Gesellschaft. Auch, wenn er nicht mit mir den Mond anheulen wollte“, lacht sie und steht auf um sich zu strecken. Ihr Blick geht zu dem entsprechenden Mann, der plötzlich geniert wirkt.

Der Leibwächter spürt, wie ihn die Nähe der beiden einen leichten Schlag versetzt. Er hat sich keine wirklichen Hoffnungen gemacht, aber manchmal ist es schön, sich etwas vorstellen zu können. Einem kleinen Wunschtraum nachzuhängen, egal wie unrealistisch er sein mag. Diese kleinen Ausflüchte aus der Realität sind manchmal mehr Wert, als tatsächliche Geschehnisse. Dass seine kleine Wunschblase gerade zerplatzt ist, geht im irgendwie an die Nieren.

„Haben wir also gestört?“, fragt Mister Brown seinen Leibwächter hörbar amüsiert.

Der Chauffeur wirkt noch genierter und ein leichter Rotschimmer bildet sich auf seinen Wangen. Ihm ist die Situation nicht direkt peinlich, aber durchaus unangenehm. Er möchte nicht so von seinem Vorgesetzten wahrgenommen werden. Noch dazu, hat er ein gewisses Image, dass er auch gewollt pflegt, und das durch derlei Spielereien ins Wanken geraten könnte.

„Für Halloween ist es eh viel zu spät. Du kannst ja dein Glück nächstes Jahr wieder versuchen“, stichelt der Geschäftspartner und grinst die junge Frau an. Ohne ein weiteres Wort öffnet er die Beifahrertür und setzt sich in den Wagen.

Mia lacht amüsiert und läuft um die Front des Autos um zur Fahrerseite zu gelangen. Ihre blauen Augen richten sich auf den Firmenchef, der sich mit einem Kopfnicken verabschiedet und in seine Limousine steigt. Als die Tür geschlossen ist, sieht sie den Leibwächter an. Sie lächelt warm und mustert ihn. „Bis zum nächstes Halloween würde es mir ein bisschen zu lang dauern“, gibt sie offen zu.

„Wie süß“, tönt es laut und belustigt aus dem Innenraum des Wagens, worauf hin der jungen Frau die Gesichtszüge genervt entgleiten. „Aber keine Sorge“, fährt der Geschäftspartner fort, „Wir müssen noch ein paar Dinge besprechen, also bin ich morgen wieder hier.“ Eine kurze Pause folgt. „Du kannst also morgen nochmal versuchen ihn zum Heulen zu bringen. In welcher Form auch immer …“

Der Leibwächter kann nicht verhindern, dass er kurz erleichtert durchatmet. Die Nähe zwischen den beiden scheint zumindest nicht romantischer Natur zu sein. Und, viel wichtiger, man sieht sich morgen wahrscheinlich wieder.

Die junge Frau schließt kurz die Augen und scheint zwischen betreten und belustigt zu schwanken. Schließlich schenkt sie dem Chauffeur ein Lächeln und bemüht sich um einen neutralen Gesichtsausdruck. „Offenbar bis morgen, James.“

„John“, korrigiert er und lächelt leicht. „John Cooper“, fügt er in Geheimagentenmanier an und lächelt verschmitzt.

„Ich bin gerührt, nicht geschüttelt“, witzelt Mia.

Die beiden steigen in die jeweiligen Autos und fahren in die bereits weihnachtlich geschmückte Stadt davon.

Naschkatzen und schlechte Frisuren

Der Geruch von Bratapfel und Alkohol liegt in der Luft. Zucker- und Schokoladenduft mischen sich darunter, genau wie Holzkohle und Gegrilltes. Die Sonne ist bereits untergegangen und die klassische, hübsche und sogleich übertriebene Beleuchtung und Beschallung unterstreicht das Ambiente perfekt.

„Sie haben Glück, John“, erklärt Mia und lässt ihren Blick über den Markt schweifen. Und die Masse an Menschen die sich gegenseitig hin und her und von Stand zu Stand schiebt. Ein typischer Eröffnungstag auf einem Weihnachtsmarkt eben.

„Das heute kein Vollmond ist und Sie sich nicht wieder vorstellen wie ich mich in eine Bestie verwandle?“, hakt der Leibwächter trocken nach und muss schmunzeln.

„Soll ich darauf wirklich antworten?“, fragt die junge Frau herausfordernd zurück. Sie zieht die Augenbraue hoch und mustert ihren Begleiter. „Vielleicht bringe ich Sie ja auch ohne Vollmond dazu, wie eine wilde Bestie über jemanden herzufallen“, stichelt sie und grinst verschmitzt.

Okay, damit hat John nicht gerechnet. Allerdings haben sie das Antasten bereits gestern hinter sich gebracht, daher hätte er davon ausgehen können, dass es heute gleich in die Offensive geht. Seine Begleiterin hat offenbar den Schalk im Nacken und eine Vorliebe für zweideutigen Schabernack. Und zumindest verbal keine Berührungsängste. Eine spontane, schlagfertige Frohnatur, wie er es sich gedacht hat. „Viel Glück bei dem Versuch. Da haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen“, kontert er verdrossen.

„Lange und spitze zufällig? Ich dachte Werwolfblut ist giftig für Vampire …“, philosophiert die junge Frau amüsiert vor sich hin.

„Will ich wissen, warum Sie sich damit offensichtlich so gut auskennen?“, hakt der Leibwächter nach. Er kann es immer noch nicht so recht fassen. Tatsächlich ist Mia vor etwa einer Stunde mit dem Geschäftspartner von Mister Brown aufgetaucht. Der ließ es sich nicht nehmen noch ein belustigtes Grinsen und ein „Viel Spaß“ von sich zu geben bevor im Gebäude verschwand.

Ein drückendes Schweigen legte sich über sie beide. Mia sah ihn auffordernd an und er war sich nicht sicher, ob das wirklich in Ordnung gehen würden. Er war immerhin im Dienst, egal ob er nun wartete oder nicht. Einige Minuten später bekam er eine Nachricht von seinem Chef. Das Gespräch würde mehrere Stunden dauern, er hätte so lange frei. John wurde den Verdacht nicht los, dass der Geschäftspartner da seine Finger zusätzlich im Spiel hatte. Und sein Chef sowieso. Der Firmeneigentümer hatte eine eigenartige Vorliebe dafür seinen Leibwächter hin und wieder in Situationen zu bringen von denen er wusste, dass sie diesem unangenehm waren. Er hasste es, würde es aber nie wagen sich zu beschweren.

„Sie sind der Agent“, flötete die junge Frau amüsiert, „Finden Sie es doch heraus.“ Sie zwinkert ihm zu und setzt sich in Bewegung, hinein in das Getümmel aus Menschen und Weihnachten.

Der Mann folgt ihr und lächelt in sich hinein. „Ich finde nicht, dass ich einem der Bond-Darsteller ähnlich sehe“, stellt er fest. Er holt auf und drängt sich neben sie, so gut es bei den Menschenmassen geht. Als er merkt, dass sich seine Begleitung bei ihm einhakt, meldet sich ein seichtes Kribbeln in seinem Magen.

Mia kräuselt nachdenklich die Lippen. „Stimmt. Eher ein bisschen wie Ethan Hunt; nur größer, stattlicher und besser frisiert.“ Sie drückt sich leicht gegen die Seite des Mannes um den entgegenkommenden Strom ein wenig aus dem Weg zu gehen.

Ein wenig geniert räuspert er sich, wegen der körperlichen Nähe und dem was sie gesagt hat. So richtig sicher ist er sich nicht, ob das nun tatsächlich ein Kompliment war. Seine Frisur, wenn man es denn so nennen wollte, war schon immer eher der Grund für Spot statt Lob. Seine dunklen Haare sind 10, 15 Zentimeter lang und leicht gewellt; und kaum zu bändigen. Selbst frisch gekämmt sieht er eher aus wie frisch aus dem Bett gefallen, oder frisch aus dem Dschungel gekrochen. Zu seiner Jugendzeit waren sie erheblich kürzer, aber deswegen nicht wirklich ansehnlicher. „Finden Sie wirklich, dass Ethan Hunts Frisur schlecht ist?“ Eine Marotte, die er sich angewöhnt hat. Er beantwortet Fragen fast immer mit Gegenfragen.

„Nein, nicht wirklich“, antwortet Mia schlicht und bleibt stehen. Sie stellt sich auf die Zehenspitzen und reckt den Kopf in die Höhe wodurch sie ihrem Begleiter geradeso bis an die Schulter reicht. „Aber ich mag gutfrisierte Männer nicht so wirklich“, schiebt sie noch trocken hinterher, während sie etwas in der Ferne zu suchen scheint.

„Wo wir wieder bei den eigenartigen Vorlieben wären“, stellt John nonchalant fest und muss aber in sich hinein lächeln. Er versucht dem Blick der jungen Frau zu folgen und legt den Kopf zur Seite. Ein offenbar sehr gut besuchter Stand liegt in der Richtung. Leider kann er die Auslage und die Waren nicht sehen, weil zu viele Menschen davorstehen. Gerade als er fragen will, was es denn Interessantes dahinten gibt, spürt er ihren warmen Atem direkt an seinem Ohr und ein Schauer jagt seinen Rücken hinunter.

„Das klingt, als würden Sie das Thema mit den Vorlieben gern weiter vertiefen“, flüstert die junge Frau. Flüchtig berühren ihre Lippen seine stoppelige Wange durch die Bewegung beim Sprechen. Im nächsten Augenblick steht sie wieder normal neben ihm, als wäre nichts gewesen. Nur das leichte Schmunzeln verrät sie. „Nun? Wohin soll es gehen?“, fragt sie spielerisch nach ohne ihn anzusehen.

Der Leibwächter ist sich der erneuten Zweideutigkeit durchaus bewusst. Und die Frage ist mehr als berechtigt. Wohin soll es gehen? Er weiß es nicht; und er möchte auch nicht darüber nachdenken. Es ist lange her das er so etwas wie das hier hatte. Er würde nicht so weit gehen und es ein Date zu nennen, aber es kommt dem schon recht nahe. „Essen oder Trinken?“, fragt er in üblicher Manier zurück.

„Ich würde lieber naschen“, witzelt sie, strahlt verführerisch und zieht ihren Begleiter nach rechts. Es geht zwischen den Massen hindurch in einen weniger überfüllten Seitengang des Weihnachtsmarktes hinein. Zielsicher läuft sie zwischen den Menschen hindurch.

Er fühlt sich gut mit der Situation, leicht und angenehm. Es ist nett, frei von den üblichen Sondierungsgesprächen und dem obligatorischen „Zu dir oder zu mir?“ Denn das wird es hier nicht geben, dass wissen sie beide. Es wird also ein Tanz, an dessen Ende sie getrennte Wege gehen werden und das macht es irgendwie natürlicher. Kein anbiedern, kein ins rechte Licht rücken um das Finale nicht zu gefährden. „Scheinbar weiß Miss Nachkatze genau wohin es gehen soll“, gibt er trocken von sich; und sieht die junge Frau neckisch an.

Miss Naschkatze“, Mia zieht angesäuert die Augenbraue hoch, „Wird dem Geheimagenten-Werwolf gleich etwas erzählen.“

„Etwas über Vampire, eigenartige Vorlieben und schlechte Frisuren?“, witzelt John und muss lachen, als er ihr genervtes Brummen hört.

Tatsächlich kommen sie vor einem Süßigkeitenstand zum Halten. Er ist etwas abseits und das, so merkt John recht schnell, nicht ganz grundlos. Neben den üblichen Zuckerstangen, Rumkugeln und Co., gibt es sixpackbepackte, halbnackte oder auch ganznackte Schokoweihnachtsmänner und erotisch posierenden Weihnachtsfrauen, ebenfalls leicht oder gar nicht bekleidet. Er fühlt sich leicht geniert bei dem Anblick der sich unter der Glasscheibe auftut und spürt deutlich eine gewisse Wärme die sich auf seinen Wangen ausbreitet. Ein wenig verunsichert sieht er zu der jungen Frau, die breit und amüsiert grinst.

„Keine Sorge, dass sollen keine amourösen Anspielungen sein, werter Herr Cooper“, neckt sie ihn und zwinkert. „Hier gibt es lediglich die beste heiße Schokolade auf dem ganzen Markt.“

Die Steilvorlage nutzt der Verkäufer natürlich sofort und gibt überschwänglich alles an Informationen zu der nachhaltigen und fairtradegehandelten Schokolade preis, die die Basis für alle Produkte der kleinen Manufaktur ist zu der der Stand gehört.

Einige Minuten später halten die beiden endlich eine Tasse der hochgelobten heißen Getränks in der Hand.

John zahlt kommentarlos, immerhin hat er sie eingeladen. Als er sich wieder zu der jungen Frau umdreht, leckt sich diese gerade nach dem ersten Schluck genüsslich den Schokofilm von den Lippen. Ihn beutelt ein kurzes, heftiges Ziehen im Unterbauch bei der Szene. Als würde sich ein tiefsitzender Urinstinkt in ihm melden.

„Bereit für eine Tour durch den Massenauflauf?“, fragt sie und sieht ihn an. Ihre Augen funkeln mit der Beleuchtung um die Wette.

Zu dem Ziehen bauchnabelabwärts gesellt sich ein Klopfen hinter seinem Brustbein. Plötzlich wird dem Leibwächter richtig bewusst, dass das hier ein vorbestimmtes Ende hat. Natürlich wusste er das schon vorher, aber jetzt rammt ihn dieser Umstand die Faust in die Magengrube.

Er hat sich bereits gestern zu Hause einem kleinem Was-Wäre-Wenn-Szenario hingegeben. Unter der warmen Dusche, mit geschlossenen Augen und seiner Hand an seiner intimsten Stelle ist das ganze völlig ausgeartet.

Aber alles in ihm sträubt sich gegen den Gedanken eines One-Night-Stands mit Mia. Natürlich reizt sie ihn körperlich. Er findet sie attraktiv, anziehend und zu gern würde er herausfinden wie sich ihre Haut anfühlt und schmeckt. Seine gestrigen Fantasien kamen schließlich nicht von ungefähr. Doch sie spricht ihn auch emotional an. Man sollte nie eine heiße Nacht mit jemanden verbringen, der in einem auf zwischenmenschlicher Ebene so sehr anspricht, dass führt nur zu Problemen.

Dahingehend ist er irgendwie dankbar dafür, dass sie spätestens in einer Stunde zurück am Firmensitz sein müssen. Es ist also kein heißes Techtelmechtel möglich und das beruhigt ihn auf merkwürdige Art und Weise wieder; und nervt ihn gleichermaßen.

Wenn die Sondierungsgespräche heute beendet werden, werden sie sich so schnell nicht wiedersehen. Nummern tauschen wäre auch vergebene Liebesmüh, da er meistens nie weiter wie ein oder zwei Tage im Voraus planen kann. Herr Gott noch eins, er hat in den meisten Fällen nicht mal ein freies Wochenende!

„Alles okay?“, reißt die junge Frau ihn aus seinen Gedanken. Ihre blauen Augen sehen ihn besorgt an.

„Ja, das sind nur die Nachwehen des Vollmonds gestern“, witzelt er. Er schenkt Mia ein warmes Lächeln und schiebt alle Überlegungen beiseite. So schnell wird er eine solche Gelegenheit nicht wiederhaben, er sollte das hier also einfach genießen. Und zwar genauso wie es ist. Generell sollte man einfach die kleinen Geschenke des Lebens mehr schätzen und nicht zu viel darüber nachdenken. Er bietet ihr seinen Arm an und mustert sie wohlwollend. „Können wir jetzt, wo Madame den nötigen Zucker hat, unseren Weg fortsetzen?“

„Natürlich, James“, kokettiert sie mit überheblicher Miene und Stimme. Sie macht ein leichten Knicks, bevor sie sich bei ihm unterhakt und lachend losprustet.

Entspannt schlendern die beiden los, zurück in das Getümmel aus Menschen und Weihnachten.

Bad End - Frustrierte Raubkatzen

Genieß es einfach, sagt sich John immer wieder selbst und bemüht sich zu ignorieren, was sein Körper in der Zwischenzeit veranstaltet. Vor allem, wenn sie sich an ihn schmiegt um der Masse an Passanten zu entgehen, scheint sich unter seiner Haut ein Eigenleben zu entwickeln. Von auffordernden Ziehen in der Hüftgegend über ein warmes Kribbeln im Magen bis hin zu bizarren Herzrhythmusstörung ist alles vertreten. Im Normalfall würde ihn, dass alles massiv stören, aber das Wissen, das der Abend gleich zu Ende ist, lässt ihn eigenartig gelassen mit alle dem umgehen.

Inzwischen sind sie wieder am Eingang des Weihnachtsmarktes angekommen und bleiben stehen.

„Wir sollten langsam zurück“, stellt Mia fest und man kann deutlich eine leichte Traurigkeit aus ihrer Stimme heraushören.

Es sticht ihm kurz in die Magengrube, als er ihre Schwermut hört. „Nein“, antwortet der Leibwächter trocken und sieht die junge Frau nichtssagend an. Er lässt sie einen Moment zappeln und wartet bis er den leichten Abflug von Hoffnung in ihren Augen sieht und fügt dann hinzu, „Wir müssen.“

Genervt verdreht sie die Augen und boxt ihn in die Seite, muss aber dabei grinsen. Sie hakt sich wieder bei ihm ein und der letzte Gang kann starten.

In stiller Eintracht machen sie sich auf den Weg zurück zum Firmengebäude. Während die Rushhour der Heimkehrer abebbt, beginnen die ersten Nachtschwärmer sich auf den Weg zu machen.

„Es war schön“, flüstert Mia schließlich auf halber Strecke. Sie schmiegt sich an ihn und legt ihren Kopf kurz an seine Schulter.

„Ja, das war es“, antwortet der Leibwächter. Ein Hauch von Schwermut schwingt in seiner Stimme mit. Der Abend wird gleich zu Ende sein und so sehr ihn das ganze bis hierher beruhigt hat, so sehr schürt es jetzt Melancholie.

Eine schüchterne, unsichere Stille legt sich über die beiden und begleitet sie bis zum Hochhaus, vor dem die Autos stehen. Zeitgleich mit ihrem Eintreffen öffnet sich die Glastür und Mister Brown und sein Geschäftspartner kommen heraus.

John strafft sofort seine Haltung und kann sich im letzten Moment davon abhalten, seinen Arm aus dem von der jungen Frau zu ziehen. Es wäre ihr gegenüber alles andere als fair. Trotzdem versteift sich seine Haltung ungewollt und zeigt deutlich sein Unbehagen.

Ein tiefes Seufzen ist von Mia zu hören und sie zieht sich zurück. Ihr Arm verlässt seinen und sie bringt Abstand zwischen sie beide.

Kaum, dass sie weg ist fehlt ihm ihre Wärme und ihr Geruch. Unsicher und überfordert fährt sich der Leibwächter durch die Haare. Seine dunklen Augen suchen ihre und er brummt eine Entschuldigung.

Die junge Frau winkt zwar ab und will den Eindruck erwecken, dass es ihr egal ist, aber ihre Mimik spricht Bände. Sie ist gekränkt, ganz eindeutig. Sie ringt sich ein gequältes Lächeln ab und geht schnellen Schrittes zu ihrem Wagen.

Während John mit zu seiner Limousine läuft, geht er ganz automatisch wieder in den Dienst-Modus. Seine Augen sondieren die Straße, den Fußweg, die Passanten und bleiben direkt an ihrem Rücken kleben.

Wortlos und ohne sich umzudrehen steigt Mia in ihr Auto.

Der Leibwächter schluckt ungewollt. Er spürt einen gewissen Frust hochkommen wegen ihrem Verhalten. Es sollte ihr doch klar gewesen sein, dass das hier kein Date war. Nur ein kleiner Zeitvertreib um die Wartedauer zu überbrücken. Mehr nicht. Es kann nicht, darf nicht, mehr sein. Vielleicht hätte er mit ihr darüber reden sollen? Es klarstellen sollen? Aber ihr hätte doch selber bewusst sein müssen, dass das hier chancenlos ist. Genau wie ihm selbst, wenn er so darüber nachdenkt. Und trotzdem hat er das gute Gefühl zugelassen, die kleine Fantasieblase …

Er richtet seine Aufmerksamkeit auf seinen Chef um seine Gedanken zum Schweigen zu bringen. Dieser sieht ihn skeptisch mit hochgezogener Augenbraue an, wendet sich dann aber seinem Geschäftspartner zu. Die Männer schütteln sich die Hände und verabschieden sich. Der eine steigt in den Wagen der jungen Frau, welcher direkt startet und davonfährt; der andere bleibt neben der Limousine stehen und betrachtet seinen Chauffeur eingehend.

Ungerührt öffnet John die Tür. Er könnte sich selbst ohrfeigen, wegen dem was er heute Abend getan hat. Er hätte das von Anfang an nicht tun sollen. Wieder einmal hat ihn die Realität mit aller Härte gezeigt, dass es keinen Sinn hat, sich mehr zu erhoffen.

Nachdem sein Chef eingestiegen ist, schließt er die Tür und nimmt seinen angestammten Platz ein. Er startet den Wagen und bringt den Firmeneigentümer nach Hause. Inständig hofft er, dass die Fahrt ohne Konversation von statten geht, aber er kennt seinen Vorgesetzten und wird natürlich bestätigt.

„Haben Sie der jungen Dame etwa zu viel versprochen?“, fragt der Firmeneigentümer nüchtern.

Kurz zuckt ein amüsiertes Schmunzeln an Johns Mundwinkel. Junge Dame. Sie hätte dem Geschäftsführer sicher etwas gehustet, wenn sie das gehört hätte. Mia machte nicht den Eindruck, als würden ihr Hierarchien groß etwas bedeuten. „Sie kennen mich, Mister Brown, ich verspreche nie etwas, dass ich nicht auch halte“, antwortet er neutral.

„Bedeutet also, Sie haben nichts versprochen?“, hakt der Chef nach und klingt gedankenverloren. Sein Blick geht zur Seitenscheibe hinaus und verliert sich der Betrachtung der glitzernden Stadt.

Der Leibwächter nickt. „So ist es.“ Er konzentriert sich auf die Straße und den dichten Verkehr.

Die restliche Fahrt verläuft schweigend, nur sanfter Jazz dringt aus den Lautsprechern. Am Gebäude, in dem sich das Penthouse des Firmeneigentümers befindet, angekommen, steigt John aus und kommt seiner Pflicht nach. Er öffnet die hintere Tür und wünscht seinem Chef noch einen schönen Abend.

„Ihnen auch Cooper.“ Mister Brown läuft einige Schritte, bleibt dann aber stehen und dreht sich um. „Vielleicht hätten Sie diesmal etwas versprechen sollen“, gibt er mit einer leichten Enttäuschung in der Stimme von sich und verschwindet im Gebäude.

Vielleicht, stimmt der Leibwächter gedanklich zu. Vielleicht hätte er aber auch einfach von Anfang an deutlicher sein, oder es einfach ganz lassen sollen.

Er fährt die Limousine in die Tiefgarage die zum Hochhaus gehört und stellt sie dort ab. Auf dem Stellplatz daneben steht sein Motorrad, wie immer. John nimmt seine Jacke aus dem Kofferraum der Autos und legt dafür sein Jackett hinein. Die dicke Überziehhose betrachtet er einige Momente, entscheidet sich dann aber dagegen. Ja, es ist kalt, aber muss ja nicht weit fahren. Er tauscht nur noch die Schuhe und geht anschließend zu seinem Bike. Er nimmt den Helm von der Sitzbank und setzt ihn auf.

Bevor er die Maschine anlässt atmet er tief durch. Die Situation mit Mia heute geht im doch ziemlich nahe. Er hätte sich etwas mehr Verständnis von ihr gewünscht. Er war nun mal im Dienst und ein solches Verhalten gehörte sich nicht vor den Augen des Vorgesetzten. Es spielt für ihn auch keine Rolle, dass Mister Brown mit Sicherheit darauf spekuliert hat, dass er mit der jungen Frau die „zur freien Verfügung stehenden“ Stunden bei einem Kaffee oder ähnlichem verbringt. Ihn würde es nicht mal wundern, wenn er sogar damit gerechnet hat, dass er diese Zeit intim mit ihr nutzen würde.

Der Leibwächter seufzt und startet das Biest. Laut und fauchend springt die Ducati an, es klingt wie das Brüllen einer mechanischen Raubkatze. Gänsehaut huscht über Johns Haut und er lächelt. Er spielt kurz mit dem Gas und fährt schließlich los.

Sicher und geschmeidig bewegt John die V4 durch den Großstadtverkehr. Völlig unerwartet fällt sein Blick auf ein Auto das in einer Parktasche vor einem kleinen, unscheinbaren Pub steht. Abrupt bremst er ab und wechselt die Spur. Er lenkt sein Motorrad auf den Fußweg, bleibt vor dem Wagen stehen und betrachtet ihn. Marke, Modell, Kennzeichen; es besteht kein Zweifel. Seine dunklen Augen wandern zu dem Lokal. Unruhe überkommt ihn.

Sie ist bestimmt hier. Er könnte hineingehen und die Situation von vorhin erklären, bereinigen. Gleichzeitig würde er damit eine Tür öffnen, von der er sich nicht sicher ist, dass sie geöffnet werden sollte.

Dieser zweite Anlauf hätte ein offenes Ende und allerlei Möglichkeiten. Es könnte vielleicht noch viel schlimmer schiefgehen wie vorhin. Dennoch. Er hat er den dringenden Wunsch sich zu erklären. Die Idee, dass sie schlecht über ihn denken könnte, nagt gehörig an seinem Ego, auch wenn er nicht versteht warum.

Plötzlich geht die Tür des Pubs auf und die junge Frau kommt heraus.

In einem unerklärlichen Anflug von Ertappt sein fährt John los. Einige Meter weiter bleibt er erneut stehen. Er schüttelt den Kopf über sich selbst. Sein Verhalten ist kindisch und albern. Einerseits will er sich erklären, andererseits fährt er davon. Er blickt über seine Schulter und beobachtet was sich da an dem Wagen abspielt.

Mia ist an ihr Auto gelehnt und unterhält sich mit einem Mann. Der Unbekannte steht mit dem Rücken zu dem Leibwächter, wodurch er sein Gesicht nicht sehen kann.

Irgendetwas an dem Kerl beunruhigt John. Er kommt ihm irgendwie bekannt vor, ohne das er sagen könnte woher. Die Art wie er der jungen Frau gegenübersteht ist außerdem recht merkwürdig. Autoritär, territorial und kalt nach außen. Die Ausstrahlung des Typen sorgt dafür, dass die Passanten alle einen Bogen um die beiden machen. Gleichzeitig wirkt er Mia gegenüber sanft und wohlwollend. Und diese scheint ihm ähnlich gesonnen. Zumindest lächelt sie ihn warm an und ihre Körpersprache zeigt sogar deutlich, dass es bereits eine gewisse Nähe zwischen ihnen gibt.

Als sie den Unbekannten umarmt und sich an ihn schmiegt, dreht der Leibwächter den Kopf weg. Offenbar hat sie sich recht schnell getröstet. Und er Idiot hat sich Gedanken gemacht! Er reißt ruppig am Gashahn und lässt das Motorrad seinen eigenen Frust hinaus brüllen. Mit durchdrehendem Hinterrad brettert er in die Nacht davon.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Rums ... was anderes kann man zu dem Ende nicht sagen X'D

Ja, die beiden Charaktere harmonieren eigentlich sehr gut miteinander, aber dass reicht natürlich nicht immer aus; wie halt im echten Leben auch. Beide haben ihre Geheimnisse und ihre Probleme. Und ihre Egos, vor allem das von John ist nicht unproblematisch ^-^°

Die Story geht theoretisch noch erheblich länger, aber sie ist nicht abgetippt und ich weiß auch nicht, ob ich das je schaffe. Ich werkle daran, aber dazu gehört eben auch die andere Story um den namenlosen Protagonisten ...
Und da ich gern neues ausprobiere, hatte ich eine völlig wahnwitzige Idee dazu, bei der ich noch gar nicht weiß, ob die überhaupt so umsetzbar ist ... Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  _Delacroix_
2021-12-01T12:08:36+00:00 01.12.2021 13:08
Aww, was für ein schöner Kalender-Auftakt!
Die Chemie zwischen den Charas hast du richtig gut hinbekommen. Ein wirklich schönes Gespräch und das auf so vielen Ebenen. Find ich cool, gerade weil man solche Unterhaltungen doch eher selten findet. Und das Thema hast du echt gut unterbekommen.^^
Antwort von:  Charly89
01.12.2021 17:30
Dankeschön :3
Ich freue mich umso mehr, da das mein erster richtiger Azsflug in Richtung "eigene Serie" ist und mir gerade deswegen die Charaktere so extrem wichtig waren.
Wer sind sie? Wie sind sie? Wie interagieren sie?
Welche Geschichte verbirgt sich hinter ihnen?

Ich habe die beiden echt liebgewonnen und hoffe, dass ich sie in den 2 folgenden Kapiteln gut umgesetzt habe.
Die waren tatsächlich nicht ohne ^-^"

Danke für dein Feedback :)
LG
Charly ^-^/


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