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Das Ende, der Anfang und die Zeit dazwischen

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Wir glauben es ja selbst kaum, aber sieben Jahre, nachdem wir das letzte Kapitel unserer „kyoosha“-Reihe veröffentlicht haben, gibt es was Neues von uns! Nicht zu kyoosha. Mit der Hauptstory „Happy Birthday to myself“ und seinen sieben Spin offs sowie ein paar Oneshots ist die Reihe abgeschlossen. (Zumindest glauben wir das ;D) Aber wir können es nicht lassen, uns nochmal an etwas anderem zu versuchen.
Mit „Das Ende, der Anfang und die Zeit dazwischen“ gibt es eine neue Fanfiction, an der wir uns ein bisschen ausprobieren.
Die erste Hälfte des Kapitels ist aus Rukis Sicht geschrieben und spielt 2013 auf ihrer Welttour, die zweite Hälfte ist aus Uruhas Sicht geschrieben und spielt 2016 auf ihrer Welttour im gleichen Land wie die erste Hälfte.

Wir freuen uns sehr, dass ihr hierher gefunden habt - egal, ob ihr schon damals unsere Reihe gelesen habt oder jetzt durch diese neue Fanfic ganz neu dazugestoßen seid - und wünschen euch ganz viel Spaß beim Lesen!!

Keia und Korai Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Guten Abend! Heute gibt es endlich das nächste Kapitel, das uns in die "Stadt der Liebe" mitnimmt. Was das für Ruha und Ruki bedeutet, werdet ihr gleich erfahren ^^

Nochmal zur Erinnerung:
Die erste Hälfte des Kapitels ist aus Rukis Sicht geschrieben und spielt 2016 auf ihrer Welttour, die zweite Hälfte ist aus Uruhas Sicht geschrieben und spielt 2013 auf ihrer Welttour im gleichen Land wie die erste Hälfte.

Wir freuen uns über Kommentare und wünschen euch viel Spaß!
Keia und Korai Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen ^^ Jetzt geht es weiter mit der Reise!

Nochmal zur Erinnerung:
Die erste Hälfte des Kapitels ist aus Rukis Sicht geschrieben und spielt 2016 auf ihrer Welttour, die zweite Hälfte ist aus Uruhas Sicht geschrieben und spielt 2013 auf ihrer Welttour im gleichen Land wie die erste Hälfte.

Wir werden die Story auf jeden Fall posten - mit oder ohne Kommentaren. Trotzdem würden wir uns sehr über ein kleines Lebenzeichen freuen, ob die Geschichte denn überhaupt gelesen wird.

Wir wünschen viel Spaß!
Keia und Korai Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Es ist lange her, dass wir ein "letztes" Kapitel veröffentlicht haben. Wir hoffen sehr, die Fanfic hat euch gefallen, bedanken uns für eure Kommentare und verabschieden uns mit diesem Kapitel - in Uruhas Wohnung ^^ Komplett anzeigen

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Mexiko

*********************** 2016 ***********************
 

„Komm schon, Kai!“

„Ruki, ich sag dir jetzt zum zehnten Mal, dass ich nicht mitgehen kann. Ich bin mit den Vorbereitungen für das Konzert noch nicht fertig.“ Mit diesen Worten drückte sich der Größere am Sänger vorbei, um ein Notizbuch aus seiner Reisetasche zu ziehen. Wenn Ruki richtig zählte, dann war es das fünfte. Die restlichen lagen, zusammen mit unzähligen losen Blättern, verstreut auf dem Boden von Kais Hotelzimmer. Na gut, vielleicht hatte Kai wirklich zu arbeiten. Oder er hatte wieder eine seiner Chaosattacken. Vermutlich eine Mischung aus beidem.
 

„Was musste du denn vorbereiten?!“, hakte Ruki trotzdem nach. „Das ist jetzt unsere zweite Welttour. Sag einfach allen, sie sollen alles genau so machen wie 2013. Das klappt dann schon irgendwie.“

Die einzige Antwort von Kai war ein Todesblick. Nicht gerade Angst einflößend, wenn man bedachte, dass er auf dem Boden eines Hotelzimmers saß, in dem die Papierapokalypse tobte.
 

Ruki seufzte: „Geh einfach mit mir zu den Pyramiden und ich lass dich in Ruhe. Vor zwei Jahren haben sie dir auch gefallen.“

„Ja! Und da wollte keiner von euch freiwillig mit! Aber dann habe ich sie doch mit Uruha gesehen und muss deshalb dieses Mal nicht noch einmal dahin fahren. Und schon gar nicht, wenn ich arbeiten muss“, entgegnete der Drummer genervt.

„Aber das ist kulturell wertvoll!“

„Das ist mir egal!“

„Du willst doch nur, dass ich dumm sterbe!!“ Ruki verschränkte die Arme und sah trotzig zu Kai herunter, der sich scheinbar zusammenreißen musste, um nichts nach dem Sänger zu werfen.
 

Großartig. Sie waren schließlich erst in Mexiko, der ersten Station ihrer Welttournee, und waren schon kurz vor einem Gewaltverbrechen. Dabei waren Ruki die Pyramiden gar nicht so wichtig. Eigentlich wollte er nur ein bisschen raus. Einen klaren Kopf bekommen und sich etwas ablenken von …
 

„Ruha“, rief Kai plötzlich laut in die Richtung seiner offenen Hotelzimmertür. Nicht gerade die dezente Art, aber inzwischen hatte wahrscheinlich bereits das gesamte Stockwerk ihr Gespräch gehört. Für Ruki war auch nicht unbedingt die Lautstärke das Problem.

„Wieso rufst du denn jetzt Uruha?“, wollte er nervös wissen.

„Er war vor zwei Jahren auch dabei. Er soll dich begleiten. Dann habe ich euch beide für eine Weile von der Backe.“
 

„Was?“, kam es gleichzeitig überrascht von Sänger und Gitarrist, der in der Tür stehen geblieben war.

Die Haare des Größeren waren nicht gestylt und hingen ihm bis auf die Schultern. Seine schlabbrige Kleidung und die Hotelslipper an den Füßen ließen nicht gerade darauf schließen, dass er in den nächsten fünf Minuten das Hotel verlassen wollte. „Ich wollte eigentlich nur-“, fing er auch tatsächlich an, während er den Flur hinunter deutete, und wurde von Kai barsch unterbrochen: „Das kannst du später auch noch. Ruki braucht einen Babysitter.“

„Was??“ Überraschung wich Empörung, als Ruki das Wort nun zum zweiten Mal innerhalb einer Minute aussprach.
 

Kai hatte sich aber wieder seinem Papierkram zugewandt und zuckte nur mit den Schultern, während er irgendwelche Notizen machte. „Ruha fand es das letzte Mal auch gar nicht so schlecht.“

Ja, das hatte Ruki mitbekommen. Uruha und Kai hatten immer wieder davon erzählt, sodass der Sänger irgendwann bereute, nicht mitgegangen zu sein. Bevor sich Ruki aber ernsthaft über Kais Äußerung aufregen konnte, machte der Gitarrist einen Schritt ins Hotelzimmer. „Worum geht’s hier überhaupt?“ Und damit besiegelte er sein Schicksal.
 

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„Ich wollte nur zum Getränkeautomat“, meinte Uruha leise vom Beifahrersitz aus. Den hatte Ruki ihm überlassen im Austausch, dass er mitkam und sich der Sänger nicht allein weiterbilden musste. Obwohl es für Uruha wahrscheinlich keine wirkliche Weiterbildung war, schließlich kannte er die Pyramiden nahe Mexiko-Stadt bereits. Trotzdem hatte er sich umgezogen, die Sonnenbrille aufgesetzt und war ein paar Minuten später mit Ruki zum Staff gegangen, um den Schlüssel für ihr Auto zu holen. Zwar herrschte in den USA Rechtsverkehr, aber das hätten sie schon irgendwie hinbekommen. Es kam nur ein klein wenig anders und Ruki wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte oder nicht.
 

Anders als 2013 dauerte die Fahrt nicht sehr lang. Von ihrem Hotel aus etwa eine dreiviertel Stunde. Einer ihrer Staffmember fuhr den Wagen, ein anderer saß neben Ruki auf der Rückbank. Und beide waren aufgeregt und konnten es kaum erwarten, die Kulturdenkmäler mit eigenen Augen zu sehen. Ihre Stimmung konnte Ruki aber nicht so ganz mitreißen. Obwohl er es gewesen war, der unbedingt hatte gehen wollen – und hätte er gewusst, dass die Staffmember doch mitkommen wollten, obwohl sie vorher abgesagt hatten, dann hätte er bei Kai doch gar nicht so gebettelt!

Nicht, dass er Uruha nicht mochte. Wäre das der Fall würde es die Zusammenarbeit sehr viel schwerer machen. Nein, das war nicht das Problem. Aber es war merkwürdig mit ihm. Nicht er war merkwürdig! Nur… es eben. Dabei hatte sich die Stimmung zwischen den beiden vollkommen entspannt gehabt. Alles war normal gewesen. Zumindest redete sich Ruki das ein. Aber wieder zusammen auf Welttour zu sein, ließ einfach viele verdrängte Erinnerungen hochkommen. Und dabei hatte die Reise erst begonnen.
 

Ein paar Minuten später rollte das Auto auf den Parkplatz. Ruki wollte sich eigentlich an die Staffmember halten, in der Hoffnung einem peinlichen Schweigen mit Uruha somit aus dem Weg gehen zu können. Allerdings hatten die beiden Kerle sofort ihr Gespräch wieder aufgenommen und waren losgelaufen. Der Sänger seufzte, konnte aber nicht wirklich verärgert sein. Wahrscheinlich freuten sich beide darüber, dass sie etwas anderes sehen durften als Konzerthallen und Hotelräume. „Und damit sind wir wohl zu zweit“, murmelte der Gitarrist, der auch den beiden Staffmembern nachsah. „Ja, schein so“, lachte Ruki gekünstelt. Einen Moment sahen sich beide Musiker nur mit einem aufgesetzten Lächeln an, bis sich Uruha irgendwann räusperte.

„Vielleicht sollten wir…“

„Ja, natürlich! Du hast Recht!“ Ohne auf eine weitere Antwort zu warten, ging der Sänger los.
 

Die eigenartige Stimmung legte sich schnell, als die ersten Pyramiden in Sicht kamen. Ruki war viel zu sehr damit beschäftigt, die alten Ruinen zu bestaunen.

„Ziemlich beeindruckend, oder?“, fragte er den Gitarristen.

Uruha nickte. „Stimmt, allerdings bin ich schon ein alter Hase. Anders als gewisse andere Leute habe ich mich bereits vor drei Jahren für die Geschichte dieses Landes interessiert.“

„Du hast bei Jan-Ken-Pon verloren und musstest deshalb Kai hierher begleiten, du Idiot!“, lachte Ruki und boxte seinem Bandkollegen in die Schulter. Uruha grinste ihn an. Es war ein ehrliches Grinsen. Womöglich das erste, seit sie die Reise angetreten hatten. Auch der Sänger konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Er mochte diese Neckereien. Sie waren unbeschwert, witzig, leicht … und vollkommen freundschaftlich. Nichts weiter. Ruki wandte sich wieder der Pyramide zu, da der „freundschaftliche“ Blickkontakt schon lange genug gedauert hatte.
 

„Willst du nach oben?“, brach der Gitarrist das Schweigen und zeigte die Stufen zur Pyramide hoch.

„Unbedingt“, meinte Ruki, woraufhin er nur ein Seufzen neben sich hörte. Sofort riss er weit die Augen auf. „Aber du musst nicht mit! Ich zwing dich nicht…“

„Oh nein, nein!“ Uruha wedelte abwehrend mit den Armen. „Das war nur ein Spaß! So war das nicht… also… ich komm gerne mit, wenn du magst?“

Ruki verkniff sich den stichelnden Kommentar, dass er dem Gitarristen wohl schlecht verbieten konnte, eine Pyramide zu besteigen. Bei ihren derzeitigen Kommunikationsfähigkeiten würden sie sonst noch die nächsten Stunden stotternd voreinander stehen. Es war doch echt fast schon zum Lachen, wie sie sich seit ihrem Abflug nach Amerika verhielten. Oder verhielt nur er sich so und verunsicherte Uruha deshalb gleich mit? Nein, Schwachsinn! Wenn, dann war es doch eher andersrum!
 

Ruki deutete dem anderen an, vorzugehen. „Du kennst den Weg“, meinte er kurz und nickte in Richtung Spitze der Pyramide. Unerwartet lachte Uruha kurz ehrlich auf und schüttelte den Kopf, bevor er die Stufen nach oben ging. Ruki blieb einen Augenblick verwirrt stehen und zuckte unwillkürlich zusammen, als ihn etwas in die Seite stieß. „Weil man sich auf dem Weg nach oben ja so verlaufen kann.“ Einer der beiden Staffmember fuhr seinen Ellbogen gerade wieder ein. Ruki sah nur noch ein Grinsen auf dessen Gesicht, bevor sich der Schwarzhaarige daran machte, Uruha zu folgen und vor dem Sänger die Stufen erklomm. Ruki spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg – und die kam nicht von der Sonne, die auf sie herunterbrannte. Jetzt machte er sich auch noch vor ihrem Staff lächerlich! Hoffentlich hatte er ihre merkwürdige Konversation davor nicht mitbekommen.

Er schob seine Sonnenbrille zurecht, zog seinen Hut tiefer ins Gesicht und stieg ebenfalls die Stufen zur Spitze der Pyramide nach oben. Er hätte einfach vorgehen sollen. Dann wär dieser dumme Kommentar überhaupt nicht entstanden.
 

Er ärgerte sich noch den ganzen Weg nach oben und als er ankam, sah er schon, wie Uruha sein Handy gezückt Fotos schoss. Es lenkte ihn ein wenig von seinem Ärger über sich selbst ab und erinnerte ihn daran, was ihn für ein Ausblick erwarten würde. Etwas außer Puste drehte er sich um und hob erstaunt die Augenbrauen. Die Pyramide war höher als er erwartet hatte. Oder eher: Von oben sah immer alles viel höher aus als es eigentlich war. Oder sah es von unten nur niedriger aus? Gute Frage.

„Sieht viel höher aus als letztes Mal!“, hörte er neben sich und sah, wie Uruha gerade sein Handy wegpackte.

„Vielleicht haben ja die Außerirdischen in deiner Abwesenheit noch ein paar Stockwerke dazu gebaut“, konterte Ruki und bereute seine Worte danach sofort.

„Da hat aber jemand ganz genau aufgepasst, was auf der letzten Welttour-DVD gesagt wurde“, meinte der Staffmember grinsend. Der Sänger schwieg.
 

Ja, er wusste, dass Uruha auf der DVD Kai etwas von Aliens erzählt hatte, die mit Sicherheit die Pyramiden gebaut hatten, aber er hatte eine andere Unterhaltung im Kopf. Besser gesagt einen kleinen Fetzen einer Unterhaltung, der Teil von etwas Großem war. Einer Verbindung. Zumindest hatte Ruki das damals gedacht. Und sich getäuscht.
 

Mit einem flüchtigen Blick zu Seite wollte er überprüfen, ob Uruha der Ausrutscher aufgefallen war, aber der Gitarrist hatte sich von ihm weggedreht und sah mit verschränkten Armen in eine andere Richtung.
 

*********************** 2013 ***********************
 

Uruha: Pyramiden sind so riesig. Die müssen von Aliens gebaut worden sein!

Ruki: Du spinnst. Wieso sollten sich Aliens die Mühe machen und Pyramiden bauen?

Uruha: Wieso sollten sich Menschen die Mühe machen?!

Ruki: Kein schlechter Einwand… Du spinnst aber trotzdem.

Uruha: Du hast nur so eine große Klappe, weil ich zu weit weg bin, um mich an dir zu rächen. Ich kann‘s immer noch nicht glauben, dass mich Kai mitschleppt!!

Ruki: Und ich kann‘s nicht glauben, dass du bei Jan-Ken-Pon gegen Reita verloren hast! Und jetzt müssen wir das beide ausbaden. Shoppen mit dir wär echt cooler…
 

Uruha lächelte auf sein Handy. Er tippte ein nicht wirklich sarkastisch gemeintes „Aww, ich vermisse dich auch“ ein, aber löschte es dann wieder. Er wollte den Bogen nicht überspannen.

Es war fast unbemerkt geschehen, aber im Laufe der letzten Wochen hatte sich etwas in der Dynamik zwischen ihm und dem Sänger verändert. Alles war… angespannter. Nicht die schlechte Art von angespannt. Eher so, als würden sich beide auf ein Rennen vorbereiten. Das alles war die Trainingsphase und sie warteten nur auf den Startschuss, um zusammen loszurennen. Oder aufeinander zu? Wow, Uruha war echt schlecht in Metaphern…
 

Uruha: Kauf mir was Schönes!
 

Er nickte. Ganz unverfänglich. Das mit dem Sarkasmus sollte er in Zukunft besser lassen, wenn es mit Ruki zu tun hatte. Aber wie lang war „in Zukunft“? Solange, bis sie am Ziel angekommen waren? Aber was war denn das Ziel, auf das sie zurennen wollten? War der jeweils andere das Ziel?

Uruha seufzte frustriert. Kai und er saßen auf ein paar Steinen mit Blick auf die antiken Bauwerke und ruhten sich von dem Auf- und Abstieg aus. Ihr Leader hatte leider Gefühlssensoren, die über die von normalen Menschen weit hinausreichte. Zwar mischte er sich nicht immer in ihre Privatangelegenheiten ein, doch wenn er das Gefühl hatte, einer seiner Freunde hätte ein Problem, bei dem er helfen konnte, dann gab es kein Entkommen. Zum Glück fragte er nicht nach, was das Seufzen zu bedeuten hatte, denn er war mit seinem eigenen Handy beschäftigt. Und wenn, dann hätte es Uruha wahrscheinlich sowieso nur auf den anstrengenden Tag geschoben.
 

Ruki: Mit dem größten Vergnügen!

Uruha: Wenns mir nicht gefällt, musst du es tragen!

Ruki: Auf deine Kosten!
 

Uruha lachte leise – was ihm einen Blick von Kai einbrachte. Der Gitarrist schüttelte aber nur schnell den Kopf und widmete sich wieder seinem Handy. Ruki etwas zu schenken war ein schwieriges Unterfangen. Entweder er wollte es nicht annehmen oder es gefiel ihm nicht. Uruha klopfte sich innerlich auf die Schulter. Es war zwar nicht so, dass Rukis Geburtstag vor der Tür stand, aber irgendwie… wollte er dem anderen eine Freude machen.
 

Uruha: Wenn ich jetzt „ja“ sage, dann kaufst du dir eh nur irgendwas, was dir gefällt und von dem du weißt, dass ich es nie tragen würde!
 

Die Antwort kam fast in dem Moment, in dem er auf „senden“ gedrückt hatte.
 

Ruki: Möglich!
 

Er unterdrückte ein Lachen, um einer möglichen Fragerei von Kai zu entgehen. Der meldete sich schließlich aber doch zu Wort: „Dafür dass du heute Morgen so ein langes Gesicht gezogen hast, als wir los sind, ist deine Laune jetzt aber erstaunlich gut!“ Er hob sofort abwehrend die Hände. „Nicht, dass mich das stören würde…“

Auch wenn Kai die Aussage so locker und unschuldig klingen ließ, läuteten bei Uruha die Alarmglocken. „Naja, vielleicht beeindruckt mich dieser Ort doch mehr als ich gedacht hatte und ich habe eine Epiphanie“, antwortete der Gitarrist mit dem besten Pokerface, zu dem er imstande war.

„Epiphanie?“, fragte Kai schmunzelnd nach.

„Jap.“

„Aha. Und ist Epiphanie nur der Künstlername deines Lovers oder waren seine Eltern bei der Namensgebung besonders kreativ?“
 

Uruha starrte nur auf dem Boden. Er glaubte auch nicht, dass er in dem Moment sehr viel mehr machen konnte. Sein ganzer Körper kribbelte. Und er fühlte etwas Warmes in sich aufsteigen. Eine verwirrende Kombination aus Furcht und Glück, die ihn gleichzeitig lächeln und rot werden ließ.
 

„Huh?“, brachte er nur heraus, was den Anderen auflachen ließ.

„Komm schon Ruha, wir wissen beide, dass du mir am Ende alles erzählen wirst, was ich wissen will.“

Der Drummer hatte natürlich Recht. Niemand konnte sich mit größerer Freude und einem entwaffneten Lächeln an einem Thema festbeißen als Kai. Ein vollständiges Geständnis war meistens die beste Taktik.
 

Allerdings wusste Uruha nicht, was er genau gestehen sollte. Kai hatte mit seiner Frage ja nicht einmal in Schwarze getroffen. Er versuchte auch nicht darüber nachzudenken, wieso es sich trotzdem wie ein Volltreffer anfühlte. Oder wenigstens wie ein starker Streifschuss.

Uruha war bewusst, dass er einfach mit der Wahrheit antworten konnte. Er konnte Kai sagen, dass er nur mit Ruki Schwachsinn geschrieben hatte und sie konnten beide zusammen über Kais Fehlinterpretation lachen.
 

Allerdings entschied sich Uruha für die andere Wahrheit.
 

„Es ist… Wir sind nicht zusammen.“

„Verstehe. Ist es kompliziert?“

Uruha dachte kurz nach. „Nicht kompliziert. Nur… noch nicht da.“

Der Gitarrist glaubte nicht, dass seine Erklärung viel Sinn ergab, aber als er zu seinem Freund blickte, sah er ihn verständnisvoll lächeln. „Manche Dinge brauchen ihre Zeit. Ich hoffe sehr, dass sich alles gut entwickelt. Du wirkst fröhlich.“

„Danke“, antwortete Uruha schüchtern, aber aufrichtig.
 

Danach verfielen beide Musiker in zufriedenes Schweigen und sahen sich noch ein paar Minuten lang die Umgebung an. Und auch wenn sich Uruha in dem Moment fast keinen besseren Freund als Kai vorstellen konnte, wünschte er sich doch, er könnte diesen Anblick der Pyramiden mit einer anderen Person teilen.

Brasilien

*********************** 2016 ***********************
 

Es war April. Und es war genauso heiß wie beim letzten Mal. Ruki hatte keine Ahnung, wie die Temperaturen in Brasilien im Winter waren – gab es überhaupt einen Winter? – aber jetzt fühlte es sich jedenfalls genauso heiß an wie damals, als sie vor drei Jahren im September hier gewesen waren. Vielleicht würde es ihm auch gar nichts ausmachen, wenn er nicht sowieso schon angenervt wäre. Sie mussten aufgrund schlechten Wetters und eines gecancelten Flugs das Konzert in Argentinien absagen und ihre Fans dort enttäuschen. Ihr Staff hatte wirklich getan, was sie konnten, aber es war schlicht und ergreifend unmöglich, ohne die ganze Tour umplanen zu müssen. Also waren sie direkt nach Sao Paulo in Brasilien geflogen und hatten Argentinien ausgelassen.
 

Ruki seufzte, als kaltes Wasser seinen Körper gut eine halbe Stunde nach Ankunft im Hotel herunterlief. Sie hatten zum Glück kurzfristig einen Tag früher noch Zimmer in dem Hotel bekommen, in dem sie sowieso in Sao Paulo übernachtet hätten. Dafür hatten sie auch in Kauf genommen, dass sie nur drei Zimmer hatten – zwei Doppelzimmer und ein Einzelzimmer. Kai, der sich mit dem Staff um den Check in gekümmert hatte, hatte sich natürlich auch gleich das Einzelzimmer unter den Nagel gerissen.
 

Im Badezimmer war außer dem Plätschern der Dusche kein Ton zu hören, aber Ruki wusste, dass Uruha im Zimmer war. Als sich der Sänger ins Badezimmer verzogen hatte, hatte sich der Größere gerade auf eines der Betten geworfen. Er seufzte erneut. Es war schon Jahre her, dass er sich mit Uruha ein Zimmer geteilt hatte. Das letzte Mal auf ihrer letzten Welttour. Seit einigen Jahren schliefen sie jetzt schon in Einzelzimmern, wenn sie auf Tour gingen. Warum auch nicht? Die Jahre, in denen sie jeden Yen umdrehen mussten, waren vorbei und auf Tour zu sein war sowieso schon anstrengend genug – trotz der absolut genialen Momente und Erinnerungen, die sie dabei schon gesammelt hatten.
 

Ruki drehte das Wasser ab, stieg aus der Dusche und trocknete sich ab. Es war merkwürdig, Uruha nur ein paar Meter von sich entfernt zu wissen. Und er selbst stand hier nackt. Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, schnappte er sich seine Klamotten. Er hatte etwas Bequemes aus dem Koffer gezogen, da sie nicht vorhatten, heute noch wegzugehen. Aber wo war sein Shirt? Und wieso hatte er zwei Shorts mitgebracht? Die Erkenntnis kam langsam, aber sicher. Er hatte sich vergriffen und gar kein Shirt mit ins Bad genommen. Was bedeutete, dass er jetzt halbnackt in das Zimmer gehen musste, in dem Uruha war! Uruha, der mit dem makellosen Körper! Was würde er wohl denken, wenn er Ruki so sah? „Stell dich nicht so an!“, zischte sich Ruki selbst leise zu. Er mochte es zwar allgemein nicht sonderlich, halbnackt durch die Gegend zu laufen, aber es war schließlich nicht das erste Mal, dass Uruha ihn so sehen würde.
 

Schwungvoll öffnete der Sänger die Badezimmertür und stürmte auf seinen Koffer zu.
 

„Oh… ähm. Hey?“, stotterte ihm Uruha entgegen. Ob der eingeschränkte Sprachgebrauch und die weit aufgerissenen Augen durch Rukis energischen Auftritt oder durch seine halbnackte Erscheinung ausgelöst wurden, konnte dieser nicht beurteilen. Wollte er auch gar nicht. Er merkte schon so, wie er rot anlief.
 

„Ich hab mein Shirt vergessen“, murmelte Ruki und wühlte hektisch durch seinen Kleiderberg. Hatte er denn nur Hosen eingepackt?!
 

„Nein, das ist doch… du musst ja nicht.“ Toll. Noch mehr Gestotter vom Gitarristen. Das machte die ganze Situation noch unangenehmer. Der Sänger fühlte sich schon, als würde er Uruha sexuell belästigen. Kleiner, halbnackter Perversling versucht unschuldigen Sexgott zu verführen. Wäre sicher eine schöne Schlagzeile.
 

Endlich bekam Ruki ein Oberteil in die Hände und warf es sich über den Kopf. Weil die Welt ihn scheinbar hasste, hatte er aber natürlich sein kompliziertestes Shirt erwischt. Es sah angezogen verdammt gut aus, aber selbst an einem guten Tag brauchte Ruki fünf Minuten, um zu verstehen, für welchen Körperteil, welches Loch gedacht war. Und jetzt durfte er erleben, wieso diese fünf Minuten unverzichtbar waren. Er steckte fest.
 

„Alles klar bei dir?“, hörte er Ruhas Stimme.
 

Sehen konnte er ihn nicht, da sich sein Kopf noch im Oberteil befand, zusammen mit seinem rechten Arm, während der linke, dank einer unnatürlichen Schulterverrenkung, im Freien hing.
 

„Alles bestens! Ich muss nur…“ Ruki versuchte es mit Gewalt, was leider nur dazu führte, dass sich einer seiner Ohrstecker im Stoff verfing. Das war ein Albtraum.
 

Um sich wenigstens ein letztes Stück Würde zu sichern, wollte er ins Bad fliehen. Und lief bei dem Versuch gegen einen Bettpfosten. Manchmal hasste er sein Leben.
 

Hinter sich hörte er jetzt ein leises Glucksen.
 

„Lachst du mich etwa aus?!“
 

„Nein“, kam es kichernd zurück. „Okay, ein bisschen. Aber das sieht auch zu lustig aus!“
 

„Ja, haha. Du hast nichts mehr zu lachen, wenn ich hier drin sterbe.“
 

Ruki hörte ein leises Seufzen und dann Schritte. Eine Hand legte sich federleicht auf seine entblößte Seite. „Komm her, Dramaqueen.“
 

„Selber“, entgegnete der Kleinere und ließ sich ohne Gegenwehr ein wenig näher an den Gitarristen ziehen. Natürlich nur um diesem einen besseren Zugriff zu gewähren. Das hatte nichts damit zu tun, dass Uruha so viel Wärme ausstrahlte und so unwiderstehlich gut roch. Nein, kein bisschen.
 

Genauso wenig hatte Uruhas flüchtige Berührung auf seiner Haut, als er versuchte ihn aus dem Shirt-Chaos zu befreien, damit zu tun, dass Ruki leichte Gänsehaut bekam. Er konnte einfach nichts daran ändern und war sich absolut bewusst, dass Uruha das sehen musste. Er wäre blind, wenn nicht.
 

Als der Sänger endlich wieder das Tageslicht erblickte, wusste er gar nicht richtig, wo er zuerst hinsehen sollte. Er starrte direkt auf Uruhas Brust, die sich nämlich auf seiner Augenhöhe befand. Da erst fiel ihm auf, dass er den anderen gar nicht angesehen hatte als er aus dem Bad gestürmt war – in seinem Panikanflug von „Ich muss ganz dringend ein Shirt finden und dann darin halb sterben“.
 

„Du hast ja gar nichts an!“, rutschte es Ruki über die Lippen und er wollte gleich darauf am liebsten wieder das Shirt packen und es sich über den Kopf ziehen. Noch peinlicher gings ja gar nicht. Was war nur los mit ihm?
 

„Naja, nicht mehr oder weniger als du.“
 

Sie standen immer noch so nahe beieinander. Ruki Shirt hatte den Abflug auf eines der Betten gemacht, direkt neben Uruhas, das er wohl schon zuvor ausgezogen hatte. Aus den Augenwinkeln sah der Sänger, dass noch weitere Klamotten auf dem Bett des anderen lagen. Vielleicht wollte er sich gerade umziehen? Er hatte mal wieder den perfekten Moment erwischt…
 

„Ja dann, ähm… zieh ich mir mal was an. Werd sonst krank“, nuschelte Ruki leise und trat einen Schritt zurück. Oh Gott, warum musste er denn jede Aktion kommentieren? Das machte es echt nicht besser. Ein bisschen widerwillig wandte er sich von Uruhas halbnackten, so wahnsinnig gut gebauten Körper ab und wandte sich ein weiteres Mal seinem Koffer zu, um ihn anzustarren. Diesmal würde er etwas Einfacheres zum Anziehen finden. Gleich nachdem sich sein Puls beruhigt hatte. Gleich nachdem er das Bild von dem nackten Oberkörper aus seinem Kopf verdrängt hatte. Konnte sich nur noch um Stunden handeln.

Er atmete noch einmal tief durch und warf sich dann ein Black-Moral-Shirt über. Eigentlich war Ruki ein zu großer Fashion-Fan, um ständig seine eigenen Merchandising-Artikel zu tragen, aber hier wusste er wenigstens, wo alle Löchern waren. Nachdem er das Oberteil übertrieben lange gerade gezogen hatte, sortiere er den Inhalt seiner Tasche neu.

Er traute sich erst sich umzudrehen, als sich die Badezimmertür schloss. Scheinbar duschte jetzt der Gitarrist. Ruki nutzte die Zeit, um sich auf sein Bett fallen zu lassen. Er überlegte kurz, ob er die Zimmer der anderen Mitglieder suchen sollte, um Uruha zu entkommen, aber eigentlich fühlte er sich nur gerädert. Vielleicht konnte er ja einfach einschlafen…
 

Ruki schaffte es tatsächlich ein wenig zu dösen, aber wurde dann von einem Schnauben geweckt. Er stütze sich auf seine Seite und sah verschlafen zum Gitarristen hoch. Uruha stand noch in der Badezimmer Tür und sah ihn merkwürdig an.
 

„Heute also im Partner-Look“, meinte Uruha mit einem Gesichtsausdruck als ob er nicht wissen würde, ob er weinen oder lachen soll. Ruki ging es genauso. Mit einem Stöhnen vergrub er sein Gesicht im Kissen. Wie groß war bitte die Wahrscheinlichkeit, dass er und Uruha zufällig dasselbe Oberteil trugen? Na gut, es war schließlich aus ihrer eigenen Kollektion. Aber trotzdem! Mussten gerade er und Uruha aussehen wie ein Rentner-Ehepaar mit abgestimmten Jogginganzügen? Und natürlich lieferte seine Fantasie ihm direkt das Bild von den beiden in Paar-Jogginganzügen. Die Vorstellung war leider so süß, dass er ein weiteres gequältes Stöhnen von sich gab.
 

„Keine Sorge. Ich werde niemanden erzählen, dass der große Fashion-Meister Ruki meine Outfit-Ideen klaut.“
 

Ruki setzte sich empört auf: „Gar nichts hab ich geklaut!“
 

„Du hast doch gesehen, welches Oberteil auf meinem Bett lag“, kam es grinsend zurück. Ruki guckte nur böse. Er konnte ja schlecht sagen, dass er vom Oberkörper der Gitarristen so abgelenkt war, dass ihm nicht einmal aufgefallen wäre, wenn Uruhas Bühnenoutfit dagelegen hätte. Aber es wär ihm garantiert aufgefallen, wenn der Größere das Bad verlassen hätte. Uruha in Lack und Leder war immer einen Anblick wert…
 

„Ich… ich habs schließlich selbst entworfen! Dann kann ich das wohl auch tragen, wann ich will!“, murmelte er noch immer in Gedanken versunken vor sich hin. Wie sollte er diese Gedanken denn auch so leicht wieder abschalten können? Uruha lachte daraufhin nur leise und begann seine restlichen Sachen von seinem Bett zu räumen. „Für die Antwort hast du viel zu lange gebraucht, als dass sie glaubwürdig sein könnte.“
 

„Du hast mich gerade aufgeweckt! Ich bin noch vollkommen benebelt!“ Von der Lack und Leder-Vorstellung.
 

„Sei mir lieber dankbar. Du hättest dir nur wieder eine Erkältung geholt, weil du dich nicht anständig zugedeckt hast“, hörte es Ruki leise von Uruha, der sich gerade die Haare mit seinem Handtuch trockenrubbelte. Dabei saß er auf seinem mittlerweile aufgeräumten Bett im Schneidersitz und guckte zu ihm rüber.
 

„Ich brauch keine Decke“, antwortete der Sänger und fügte etwas leiser hinzu: „Es ist viel zu heiß…“ Ruki wusste genau, dass er damit nicht nur die Lufttemperatur, sondern auch den Anblick meinte, der sich ihm bot. Verdammt, wieso war Uruha denn sogar heiß, wenn er sich die Haare trockenrubbelte??
 

„Gut Nacht“, seufzte er frustriert, drehte sich in die andere Richtung und warf sich dann doch das dünne Laken über, das als Decke diente. Am liebsten hätte er es aber sofort wieder von sich geworfen. War es 2013 auch so heiß gewesen? Es fühlte sich an als würde er glühen. Oder zumindest sein Gesicht. Oder seine Wangen. Oh Gott, er wollte einfach nur schlafen, aber der Gedanke an Uruha direkt hinter ihm im Zimmer auf dem anderen Bett nur leichtbekleidet machte ihn verrückt. Was war denn nur plötzlich los? Diese Welttour war Schuld, dass er ständig daran erinnert wurde, wie es vor ein paar Jahren noch gewesen war!
 


 

*********************** 2013 ***********************
 


 

„Das Management könnte sich mit der Hotelauswahl wirklich etwas mehr Mühe geben“, meinte Ruki naserümpfend, als er nach Uruha das gemeinsame Zimmer betrat. Der Gitarrist konnte ihm leider nur Recht geben. Der Raum war für ein Zweibettzimmer etwas klein und die Einrichtung wirkte veraltet. „Aber wenigstens hast du gute Gesellschaft“, scherzte Uruha.
 

„Die beste.“
 

Uruha sah bei der Antwort überrascht den Sänger an, der ihm ein schüchternes Lächeln schenkte. Das war neu. Die Schüchternheit und das Flirten. Und Uruha war sich ziemlich sicher, dass es Flirten war. Er hoffte es zumindest. Denn allein die Vorstellung machte es unmöglich, ein eigenes Lächeln zu unterdrücken. Außerdem hatte er Kai eine Lüge darüber aufgetischt, dass er mit Ruki noch Lieder durchgehen musste, um sich diese Zimmerkombination zu sichern. Natürlich ohne dass der Sänger etwas davon mitbekommen hatte.
 

Allerding konnte Uruha auch nicht genau sagen, was er mit dem gemeinsamen Zimmer bezwecken wollte. Er wollte heute Nacht schließlich nicht über Ruki herfallen. Also… vielleicht schon irgendwie. Aber an dem Punkt waren sie nicht. Schließlich waren sogar leichte Flirtereien noch eine Besonderheit, die beide in ein leicht nervöses Schweigen versetzte. Der Gitarrist versuchte die Stille zu überspielen, indem er das Zimmer ein wenig inspizierte. Tatsächlich entpuppte sich einer der hässlichen Einrichtungsgegenstände als kleiner Kühlschrank.
 

„Hah! Minibar“, verkündete er freudestrahlend, was ihm ein Augenrollen einbrachte.
 

„Ein kleiner Kühlschrank mit einer lauwarmen Flasche Billigsekt ist noch keine Minibar.“
 

„Heißt das, du willst nichts von dem Sekt?“
 

Ruki verschränkte etwas trotzig die Arme vor der Brust. „Du weißt genau, wie das Management dazu steht. Kai hat uns gesagt, dass wir die Finger von den Minibars lassen sollen.“
 

„Und DU hast gerade so treffend festgestellt, dass ein kleiner Kühlschrank mit lauwarmen Sekt noch keine Minibar ausmacht“, antwortete Uruha und setzte sein charmantestes Lächeln ein. Eigentlich ging es ihm gar nicht unbedingt um den Alkohol. Die Flasche war tatsächlich nicht richtig kalt und der Inhalt schmeckte wahrscheinlich widerlich. Er wollte einfach nur eine lustige Zeit mit dem Sänger verbringen. Und zusammen die Minibar zu plündern, klang ganz nach einer lustigen Zeit. Genauso wie den Mund des anderen zu plündern.
 

Okay stopp, er sollte es langsam angehen lassen. Wobei sie es ja schon recht langsam angingen. Die Band war schon so viele Jahre zusammen und sie kannten sich schon seit so vielen Jahren. Zwar war Ruki schon immer faszinierend gewesen, aber Liebe auf den ersten Blick war es nicht. Nicht mal auf den zweiten. Eher auf den zweihundertsten.
 

„Okay.“ Ruki stellte sein Koffer mitten in den Gang und ließ sich auf eins der beiden Betten im Zimmer fallen. „Ich nehm das hier.“ Uruha wollte sich schon beschweren, dass das eigentlich seine Bettwahl gewesen wäre, aber warum sich unnötig streiten? Sie würden ja sowieso nicht lange bleiben. Das Konzert in Brasilien war das letzte auf ihrer Amerikatour und vor ihrem Europatourstart nächste Woche mussten sie zurück nach Japan. Außerdem wollte er ja auch gar nicht mit Ruki streiten. Im Gegenteil.
 

„Okay, ich geh kurz duschen und dann feiern wir ne Party!“ Er hob nochmal den Sekt hoch, bevor er ihn wieder in den Minikühlschrank stellte. Ruki brummte nur irgendwas vor sich hin. Er lag mit dem Rücken so auf dem Bett wie er sich darauf geworfen hatte, die Augen aber mittlerweile geschlossen.
 

Uruha konnte ein kleines Grinsen nicht unterdrücken, während er seinen Koffer auf den Boden legte und frische Klamotten raussuchte. Es war heiß und das schaffte sie doch alle schon irgendwie, aber es war erst Nachmittag und er wollte ja auch nicht den ganzen Tag verpennen.
 

„Schlaf nicht ein!“, lachte er noch leise und hörte nur ein leicht angenervtes „Die Party mit dem lauwarmen Gesöff lass ich mir sicher nicht entgehen“, bevor er Rukis Koffer aus dem Weg schob und ins Bad verschwand. Vielleicht hätte der Sänger zuerst duschen sollen. Das hätte ihn sicher aufgeweckt.
 

Die kalte Dusche fühlte sich gut an. Am liebsten wäre er gar nicht mehr darunter hervorgekommen, aber schließlich wartete eine Zimmerparty mit seinem Lieblingssänger auf ihn. Tatsächlich hatte sich Ruki inzwischen bewegt. Allerdings lief das Szenario anders ab, als Uruha erhofft hatte.
 

„Du kannst ja schon einschenken, während ich auch kurz dusche.“
 

Mit den Worten war der Kleinere im Bad verschwunden. Der Gitarrist seufze. Er wusste, wie lange Ruki im Bad brauchen konnte.
 

Zu Uruhas Überraschung stand der Sänger 10 Minuten später mit nassen Haaren und Jogginghose vor ihm.
 

„Guck nicht so. Ich kann mich auch beeilen, wenn ich will“, meinte Ruki schmollend, was Uruha zum Grinsen brachte. „Wolltest du mich etwas nicht zu lange auf unser Sekt-Date warten lassen?“
 

„Haha“, antwortete der Sänger, aber wurde leicht rot. „Wo ist denn jetzt mein Glas?“
 

„Es gibt keine Gläser. Wir müssen direkt aus der Flasche trinken.“
 

Ruki ließ sich theatralisch auf sein Bett fallen. „Schlechtestes Sekt-Date aller Zeiten.“
 

Trotz der Worte breitete sich in Uruha ein Hochgefühl aus. Der Sänger hatte es auch ein „Date“ genannt. Außerdem konnte er den blitzenden Augen des Kleineren ansehen, dass ihn eine gemeinsame Flasche nicht wirklich störte.
 

Wortlos ließ sich auch Uruha auf Rukis Bett nieder. Dieser hatte sich zufälligerweise so im Schneidersitz positioniert, dass sich sein Bein gegen Uruhas Seite drückte. Mit einem Lächeln nahm er dem Gitarristen die Flasche aus der Hand und trank einen großen Schluck, ohne den Augenkontakt zu brechen. Uruha wusste gar nicht, auf was er sich konzentrieren sollte: den intensiven Blick, die Lippen oder die Tatsache, dass Ruki so unverschämt gut roch. Wie benebelt nahm er die Flasche entgegen und setzte sie ebenfalls an seine Lippen an. Er spürte Rukis Blick auf sich. Der Sänger blickte ihn fast schon hungrig an. Die Spannung im Raum schien jede Sekunde zuzunehmen bis… Uruha sich verschluckte.
 

Der Sänger verfiel in ein lautstarkes Lachen. Zwischenzeitlich versuchte Uruha mit aller Kraft, den Sekt in seinem Mund nicht über das ganze Hotelzimmer zu verteilen. Nach einigen Minuten hatten sich beide wieder beruhigt und verfielen in ein lockeres Gespräch, während die Sektflasche zwischen ihnen hin und her wanderte. Uruha trauerte ein wenig dem Moment hinterher. Wer wusste schon, was passiert wäre, wenn er nicht die Nerven verloren und sich verschluckt hätte. Allerdings beschwerte er sich auch sicher nicht über Rukis ausgelassene Stimmung und sein neckisches Grinsen die darauffolgenden Stunden.
 

Und als Uruha nachts glücklich und angetrunken in seinem Bett lag und ihm Ruki noch ein „Du hast gewonnen. Bestes Sekt-Date aller Zeiten“ zumurmelte, musste er sich eingestehen, dass der Abend trotzdem ein Erfolg war.

Paris

*********************** 2016 ***********************
 

„Wir könnten da reingehen.“ Uruha zeigte auf ein typisch französisch anmutendes kleines Restaurant, was Ruki mit einem „Ist mir egal, Hauptsache was zu essen“ kommentierte. Sie waren jetzt schon bestimmt drei Stunden – okay, vielleicht doch eher drei Minuten – unterwegs und suchten etwas zu essen und Ruki war es tatsächlich egal, womit er sich den Bauch vollschlagen konnte. Als er aber Uruhas Finger folgte und einen zweiten Blick auf das kleine Restaurant warf, hatte er eine Art Déjà-vu. Er kannte das Lokal. Sie waren auf ihrer letzten Tour schon dort gewesen. Und eigentlich hatte er keine allzu große Lust, noch einmal dort reinzugehen, denn seine Erinnerungen waren nicht überwiegend positiv gewesen.
 

Reita fackelte aber nicht lange, warum sollte er auch?, und setzte sich in Bewegung. „Sieht süß aus. Und wenns nicht schmeckt, ist es eure Schuld“, kommentierte Aoi, zwinkerte Uruha und Ruki zu und folgte dem Bassisten ohne auf die beiden zu warten. Die Chancen auf einen Rückzug standen schlecht.
 

Ein französischer Kellner begrüßte sie und empfahl ihnen mit ausreichend Gesten einen Tisch im Hinterhof. Es war warm und nach all der Zeit in Bus, Hotel und Konzerthalle hatten die vier nichts dagegen, es sich draußen gemütlich zu machen. Kai hatte sich – mal wieder – für Sightseeing entschieden. Es gab noch zu viel, was er beim letzten Mal in Paris nicht hatte sehen können, hatte er gesagt.
 

Die Dekoration und Anordnung der Tische war anders und beim letzten Mal hatten sie nicht im Hinterhof gesessen, aber Ruki war sich sicher, dass es das gleiche Restaurant war, in dem er 2013 zusammen mit Uruha gegessen hatte. Nur mit ihm. In Paris, der Stadt der Liebe.
 

Verstohlen warf er einen Blick zum Gitarristen, der sich gerade links von ihm an ihren Vierertisch setzte. Ob er sich auch erinnerte? Oder hatte er das Restaurant etwa aus purer Absicht ausgesucht? Ruki verspannte sich. Toll, eigentlich waren die Stunden zwischen ihren Konzerten ja als Entspannung gedacht und jetzt musste er sich mit alten Geschichten rumschlagen, von denen er dachte, dass er längst damit abgeschlossen hatte. Tja, scheinbar falsch gedacht.
 

Ruki atmete durch als der französische Kellner wieder an ihrem Tisch stand, um ihre Getränkebestellung aufzunehmen. Scheinbar sollte er Glück haben und…
 

„Oh! Japanese“, fragte der Franzose, woraufhin Aoi mit einem schrecklich betonten „Oui!“ antwortete. Daraufhin verschwand der Kellner mit einem breiten Grinsen.
 

„Sehr komisch. Glaubt ihr, die haben japanische Karten und er geht die holen?“, fragte Reita verwirrt.
 

„Vielleicht hat er dich auch erkannt und ruft die Polizei, weil du in der Realität so viel hässlicher bist als auf den Tour-Postern“, meinte Aoi grinsend und kassierte sich dafür einen Schlag ins Genick.
 

„Betrug gilt als Straftat, Rei. Das darfst du nicht unterschätzen“, stimmte auch Uruha lachend ein. Ruki war einfach nur still. Ihm war jetzt wirklich nicht zum Lachen zumute. Schließlich wusste er genau, was gleich passieren würde.
 

„Jemand hat einen Kellner bestellt?“, ertönte es plötzlich neben ihm und schon blickte er in ein bekanntes Gesicht. Der japanische Kellner sah leider noch genauso gut und sympathisch aus wie 2013, als er sie das letzte Mal bedient hatte. Ruki erinnerte sich nur zu gut an diese scheinbar charmante Art, die nur eine billige Masche war. Damals hatte sich der Kellner nämlich schamlos an Uruha rangeschmissen. Was für Nerven hatte der Mann bitte? Schließlich waren er und der Gitarrist damals zusammen gewesen! Also … zusammen im Restaurant gewesen. Und es hätte ein Date sein können… auch wenn es keins gewesen war und sich der Sänger das alles wahrscheinlich nur eingebildet hatte.
 

„Es ist aber schön, dass ihr beide wieder den Weg nach Paris gefunden habt. Ist bei euch alles gut?“, fragte der Kellner und schenkte Ruki ein strahlend weißes Lächeln.
 

„Könnte nicht besser sein“, zischte dieser nur zurück. Musste der Schleimer sie auch noch wiedererkennen?! Sicher erinnerte er sich vor allem an Uruha. Rukis war nur der Loser, dem er 2013 den Freund hatte ausspannen wollen. Nicht, dass Uruha damals sein Freund gewesen wäre… Verdammt!
 

„Toll! Das freut mich für euch! Es ist immer schön, wenn es passt und dann auch hält.“
 

„Ja, genau“, antwortete Uruha dem Kellner mit einem nervös klingenden Lachen. „Wir finden das auch ganz toll, dass unsere Band so passt und hält.“
 

Der Kellner sah von Uruha zu Ruki und wieder zurück. Okay, wenn Ruki ihm jetzt eine reinhauen würde, würde der Schleimer dann ruhig sein und sie nicht weiter in die Scheiße reiten? Aber dann würde er Reita im Gefängnis wohl Gesellschaft leisten und die Tour konnten sie sich so ziemlich abschminken. Was war also der Alternativplan? „Wir wollen was bestellen!“
 

Mister Strahlendes-Grinsen reagierte aber gar nicht groß darauf. Er nickte nur und Ruki wusste nicht, ob das ein Ausdruck dessen war, dass er gleich die Karte bringen würde, die er sowieso nicht lesen konnte, oder ob das Nicken zum Gedankengang des Kellners gehörte. Überlegend antwortete er: „Stimmt ja, ihr habt ja eine Band! Das hab ich komplett vergessen. Und die läuft auch gut?“
 

„Hat er doch gerade gesagt“, knurrte Ruki nur. Ihm war der Appetit zwar vergangen, aber je länger sie das Essen herauszögerten, desto länger saßen sie in diesem Restaurant bei diesem Kellner fest.
 

„Ich bin echt am Verhungern…“, warf jetzt auch Reita ein und Ruki wollte ihn fast schon knutschen für die Hilfe, die er ihm in diesem Moment war. Natürlich nicht so richtig. Beim Gedanken ans Knutschen wurde seine Laune nur noch schlechter. Damals waren sie wirklich nicht weit davon entfernt gewesen. Also, er und Uruha. Nicht er und Reita. Und heute…
 

„Ah, natürlich.“ Er legte ihnen die französische Speisekarte auf den Tisch. „Wir haben keine japanische Karte, aber ich kann euch was empfehlen.“
 

„Du kannst uns auch irgendwas bringen“, Aoi machte nur eine wegwerfende Geste mit der Hand. „Wir verstehen eure französischen Begriffe sowieso nicht.“
 

Mister Schleim ließ sich davon nicht beeindrucken und strahlte sein dämliches Grinsen weiter. „Euer Wunsch ist mir Befehl!“ Schnell griff er noch in seine Schürze und zog ein Feuerzeug aus einer der Taschen hervor, mit dem er die Kerze auf dem Tisch anzündete. Kerzen auf dem Tisch. Mittags. Im Sommer. Im Hinterhof. Alles klar, sehr romantisch. Frankreich hatte wohl ziemlich auf den japanischen Kellner abgefärbt.
 

„Der hat doch auch einen an der Klatsche“, lachte Aoi, nachdem der Schleimer gerade wieder durch die Tür nach drinnen verschwunden war.
 

„Eigentlich ist er ganz nett…“ Uruha starrte die Kerze auf dem Tisch an. „Zumindest versteht er uns!“
 

Ruki schnaubte nur und schüttelte den Kopf. Er wollte es dabei auch belassen, aber als Uruha ihm einen verwirrten Blick zuwarf, konnte er sich eine sarkastische Bemerkung einfach nicht verkneifen: „Dass du den Kellner „nett“ findest, war schon 2013 nicht zu übersehen.“
 

„Was soll denn das bedeuten?“
 

„Du weißt genau, was das bedeuten soll“, zischte der Sänger zurück. Er nahm die Speisekarte in die Hand und fing an, energisch durch die Seiten zu blättern. Er konnte zwar kein Wort lesen, aber wenigstens hielt es ihn davon ab, in Uruhas dummes Gesicht zu schauen und dumme Sachen über dumme alte Zeiten zu sagen, die er doch eigentlich schon längst überwunden hatte.
 

„Warum habt ihr denn nicht gesagt, dass ihr 2013 bereits hier wart?“, wollte Aoi jetzt wissen.
 

Stille.
 

Ruki starrte weiter auf die Karte, auch wenn er nichts lieber getan hätte, als Uruha zu einer Antwort zu zwingen.
 

Wieso hatten sie nichts gesagt? Was war diese unausgesprochene Vereinbarung zwischen ihnen, die verhinderte, dass sie über die Vergangenheit redeten? Und wieso hatte Uruha dann trotzdem dieses Restaurant vorgeschlagen? Hatte er tatsächlich vergessen, dass sie hier gewesen waren? Oder wollte er Ruki damit etwas mitteilen?
 

„Vielleicht steht Ruha ja wirklich auf den Kellner und er wollte ihn wiedersehen, aber es war ihm peinlich das zuzugeben“, gab Reita seinen Senf dazu. Ruki knirschte mit den Zähnen, was den Bassisten aber nicht weiter störte, der grinsend noch eine Schippe draufsetzte: „Uruha mag’s wohl französisch.“
 

Ruckartig stand der angesprochene Gitarrist von ihrem Tisch auf, murmelte etwas von der Toilette und war dann verschwunden.
 

Die restlichen Drei blieben verwirrt zurück. Schließlich waren solche Neckereien zwischen den Bandmen auch nicht unbedingt unüblich.
 

„Irgendwie benehmen sich in diesem Restaurant alle ein wenig verrückt“, bemerkte Reita, woraufhin Aoi nickend auf den Sänger zeigte. „Das würde auch erklären, weshalb Ruki die Speisekarte falschherum hält.“
 

Der Sänger schlug genervt die Karte zu und wollte zum Gegenschlag ausholen, als sein Blick auf den Restauranttresen fiel. Uruha war scheinbar nicht bis zur Toilette gekommen. Durch die offene Tür, die ins Restaurant führte, konnte Ruki ihn sehen. Er stand da am Tresen, viel zu nah neben diesem Kellner, den Ruki am Liebsten zur Hölle geschickt hätte, und unterhielt sich mit ihm. Nicht wirklich lange, aber lange genug, dass der Sänger die Zähne zusammenbeißen und sich abwenden musste, um nicht komplett aus der Haut zu fahren.
 

„Wenn du sie besser lesen kannst, dann ließ uns doch was vor!“, antwortete er Aoi viel zu spät und warf ihm zerknirscht die Karte auf den Tisch. Uruha war schon Richtung Toilette weitergezogen und der Kellner verschwunden, als Aoi tatsächlich begann, ein paar der französischen Begriffe begleitet von Reitas unterdrücktem Lachen übertrieben schmierig vorzulesen. Zum Glück saß niemand sonst im Hinterhof. Ruki konnte nicht einmal so tun als fände er es lustig. In ihm wütete ein Chaos von Gefühlen, das meiste davon Wut auf den Kellner, aber auch irgendwie auf Uruha, dass er so offensichtlich auf den schmierigen Franzosen einging. Konnte er sich denn nicht denken, wie sich Ruki fühlte? Der Sänger hatte einmal gedacht, sie würden die Gefühle des jeweils anderen blind lesen können, aber er hatte sich getäuscht.
 

Zum Glück dauerte es nicht lange, bis der Kellner mit dem Essen kam. Er schien so als hätte er versucht, alles auf großen Tellern anzurichten, von denen man sich nach japanischer Art so viel nehmen konnte, wie man wollte. Alles wurde so geteilt und sie konnten problemlos von allem probieren. „Ich wünsche guten Appetit!“, sagte er, als er den letzten Teller brachte. Ruki wünschte sich allerdings nur, dass er nie wieder mit dem Angestellten reden musste. Umso mehr überrumpelte ihn der letzte Satz des Kellners: „Alles ohne Paprika und Pilzen. Hat mir ein Vögelchen gezwitschert!“ Mit einem Augenzwinkern drehte er sich um und verschwand wieder ins Restaurant.
 

Ruki wusste nicht, was er sagen sollte. Paprika und Pilze konnte er absolut nicht leiden. Woher…? Die anderen begannen schon, sich von den Tellern zu nehmen, als er Uruha einen Seitenblick zuwarf. Aoi und Reita stritten sich gerade darum, was man zuerst essen sollte. Uruha erwiderte Rukis Blick flüchtig, während er sich ein Stück Kalbsfleisch nahm. Dann zuckte er vielleicht sogar etwas verlegen mit den Schultern. „Dachte, dass Paprika und Pilze im Essen deine Laune nur noch schlechter machen würden…“
 

„Danke“, antwortete Ruki leise, aber ehrlich. Es schlich sich sogar ein kleines Lächeln auf sein Gesicht, das von dem Gitarristen erwidert wurde.
 

„Und? Wie war der Flirt mit deinem Ex-Lover“, fragte Aoi schmatzend und zerstörte damit Rukis gute Laune sofort wieder. Aber auch Uruha schien seinem Tonfall nach zu urteilen nicht sehr belustigt zu sein: „Was soll denn die Scheiße? Ich hab jetzt nicht mit dem Kellner geflirtet und 2013 auch nicht. Ich war damals mit Ruki hier!“
 

„Was hat denn Ruki damit zu tun, ob du dich an den Kellner ranmachst?“, fragte Aoi verwirrt.
 

Uruha machte nur ein paar Mal wortlos den Mund auf und zu. Ruki wollte aufspringen und ihn schütteln. Er wollte, nein… er MUSSTE eine Antwort auf diese Frage haben.
 

Aber es gab keine.
 

Aoi stritt sich bereits wieder mit Reita und Ruki traute sich nicht, die Frage zu wiederholen.
 

Stattdessen starrte der Sänger auf das Essen, das extra für ihn ohne Paprika und Pilze zubereitet wurde. Und statt einer Antwort bekam er nur ein Gefühl im Bauch, das sich nach Hoffnung anfühlte und nach etwas warmem und kribbeligem, das er so gar nicht fühlen wollte.
 

Er warf Uruha noch einen verstohlenen Blick zu, den dieser genauso flüchtig erwiderte. Aber das reichte schon, um das Gefühl zu intensivieren und Rukis Befürchtung zu bestätigen. Er war so am Arsch…
 


 

*********************** 2013 ***********************
 

Uruha war nervös. Nicht die schlechte Art von nervös, sondern die Art, bei der man sich ein Grinsen kaum verkneifen kann und man irgendwie vergessen hat, wie sich normale Menschen benehmen. Die verliebte Art von nervös also.
 

Der Gitarrist versuchte den Gedanken zu verdrängen, weil er wusste, dass er gefährlich war. Allerdings schien das unmöglich zu sein, solange Rukis Augen im Kerzenschein so unwiderstehlich funkelten, während er ihn wissend anlächelte. Hier, in einem kleinen Restaurant in Paris.
 

Das Lokal hatte bereits auf den ersten Blick romantisch gewirkt und umso mehr hatte es Uruha gefreut, dass der Sänger sofort auf seinen Vorschlag eingegangen war. Tagsüber konnte man hier sicher einige Touristengruppen treffen, aber es war schon abends und an den anderen Tischen saßen nur Pärchen. An den anderen. An ihrem allerdings nicht.

An ihrem saß ein Sänger, der ein wenig gerädert vom Jetlag, aber dennoch scheinbar richtig guter Laune war. Sein Blick huschte über die französische Karte, die auf dem Tisch gelegen hatte, als sie angekommen waren. Der andere Teil des Zweiergespanns war er selbst. Ein Gitarrist, der es nicht lassen konnte, den unglaublich niedlich verwirrten Ausdruck des Sängers zu beobachten. Uruha konnte die Augen gar nicht von ihm wenden und beobachtete Ruki verstohlen über seinen eigenen Kartenrand. Keiner von ihnen verstand ein Wort auf der französischen Karte, aber das war ihm ziemlich egal. Bald würde Ruki die Geduld mit sich selbst verlieren und den Kellner rufen, der ihnen wahrscheinlich auch nicht weiterhelfen konnte. In keiner Situation, in der sich die beiden gerade befanden.
 

Aber Uruha sollte sich irren.
 

Der Gitarrist hob die Hand, um dem Kellner zu winken und ihn zu sich zu rufen, als Ruki erleichtert seufzte. „Das wollte ich auch gerade machen. Wer soll das denn lesen können?“ Er ließ die Karte wieder auf den Tisch sinken und sah den Kellner an, der jetzt neben ihm am Tisch stand. Uruha musste in Grinsen unterdrücken und wandte sich stattdessen dem Franzosen zu, um zu fragen, ob sie nicht auch eine Karte auf Japanisch hatten. Er wusste, dass es völlig utopisch war, aber was sollten sie groß machen? Wenn sie ein „nein“ bekamen, würden sie eben auf irgendwas auf der Karte deuten und beten.

„Veuillez patienter s'il vous plaît“ sagte der Ober aber nur, bevor Uruha irgendetwas fragen konnte, und verschwand in Richtung Küche.
 

Uruhas Blick wanderte zu Ruki, der ihn genauso entgeistert anstarrte. Entweder, weil er einfach so von diesem Franzosen ignoriert wurde oder weil er vielleicht doch eine japanische Karte für sie hatte?
 

Sie saßen noch eine Minute wartend da und als Ruki sich von seinem Platz erhob, befürchtete Uruha, dass der Kleinere gleich in die Küche stürmen und sich beschweren würde. Ein solches Verhalten war für den Sänger nicht ganz unüblich und auch wenn Uruha diese Anfälle sonst immer ehrfürchtig bestaunte, wollte er nicht, dass ihr Date so endete. Wobei das natürlich kein echtes Date war.
 

„Das braucht mir alles zu lange. Ich geh auf die Toilette“, informierte ihn der Sänger.
 

„Und was ist, wenn in der Zeit die Bedienung kommt?“, fragte Uruha, worauf Ruki belustigt schnaubte.
 

„Sollte tatsächlich wieder eine Bedienung auftauchen, dann hast du die Erlaubnis für mich zu bestellen.“
 

„Für dich zu bestellen, ist schrecklich! Du magst so viele Sachen nicht!“
 

„Ein Glück, dass du mich so gut kennst.“
 

Normalerweise hätte Uruha sich weiter beschwert, aber Ruki hatte ihm bei den letzten Worten ein Zwinkern und ein Lächeln zugeworfen, was man in Kombination einfach nur als Flirten interpretieren konnte, und war dann verschwunden.
 

Der Gitarrist seufzte verzweifelt und versuchte sich an alles zu erinnern, was er jemals über Rukis kulinarische Vorlieben gewusst hatte. Er konnte sich nichts Unromantischeres vorstellen, als dem Sänger eine Speise zu bestellen, die dieser abscheulich fand. Aber wenn er Glück hatte, dann kam in den nächsten Minuten einfach keine Bedienung…
 

„Jemand hat einen Kellner bestellt?“, fragte plötzlich eine Stimme und Uruha war kurz so über das Timing verärgert, das ihm gar nicht auffiel, dass er auf seiner Muttersprache angeredet wurde. Aber tatsächlich stand neben ihm ein freundlich lächelnder Japaner in Bistroschürze, der sich von Uruhas verwirrten Blick nicht beirren ließ. „Ihr habt Glück, dass ihr gerade in dieses Restaurant gekommen seid. Japanische Karten sind in Frankreich eine Seltenheit – und japanische Kellner auch“, lachte der Mann. „Darf ich denn eure Bestellung aufnehmen?“
 

„Ähm… Meine Begleitung sollte gleich wieder zurück sein…“
 

„Natürlich. Kann ich euch denn schon etwas zu Trinken bringen?“
 

Die Gitarrist fühlte sich von der Art des Kellners etwas überrumpelt und entschied sich deshalb für eine Gegenfrage: „Was könntest du denn empfehlen?“
 

„Das kommt darauf an. Ist das ein Date?“
 

„Was?!“, quäkte Uruha und sah panisch in Richtung der Toiletten.
 

„Wenn ihr nur Freunde seid, dann würde ich euch Bier empfehlen. Das wird hier zwar nicht so gerne zum Essen gesehen, aber das ganze Restaurant strahlt eine so romantische Atmosphäre aus, dass ein Wein euren Abend nur noch mehr wie eine Verabredung wirken lässt. Das sendet vielleicht die falsche Botschaft. Andererseits…“ Er schmunzelte und warf ebenfalls einen Blick Richtung Toilette. „Seid ihr in Frankreich. Nirgends gibt es so tollen Wein wie hier.“ Er nickte nochmal zur Bestätigung. „Ich empfehle den Wein.“
 

„Dann… nehmen wir den Wein…“ Uruha spürte, wie ihm ganz heiß wurde. Sein Gesicht musste Glühen. Hatte er gerade zugegeben, dass sie auf einem Date waren? Waren sie denn auf einem Date??
 

„Sehr gute Wahl! Wir haben-“
 

„Wir nehmen die Empfehlung des Hauses“, schnitt ihm der Gitarrist das Wort ab. Er hatte jetzt absolut keine Nerven, auch noch auszusuchen, welchen Wein sie denn auf ihrem… Date trinken wollten. Lieber hätte er noch ein oder zwei Minuten Zeit, um ein paar Mal tief Luft zu holen und seine Körpertemperatur wieder in ihren Normalzustand zurückzubringen.
 

Deshalb war er auch sehr froh, als der Kellner nach seinem „Kommt sofort!“ mit einem breiten Grinsen den Tisch verließ und zurück zum Tresen ging.
 

Einen Moment für sich hatte er aber trotzdem nicht, denn er sah Ruki bereits wieder auf ihren Tisch zukommen. „Ist irgendwas?“ Der Sänger setzte sich und warf ihm einen neugierigen Blick zu. „Du siehst aus als hättest du Fieber.“
 

„Nein, alles okay!“, beeilte sich Uruha zu sagen.
 

„Sicher? Wir können auch zurück ins Hotel gehen, wenn du dich nicht gut fühlst.“
 

Er zwang sich den Blick von der Tischdecke zu heben und Ruki anzusehen. „Nein, nur irgendwie war mir plötzlich so warm…“ Seit wann war der Sänger denn so fürsorglich? Ausgerechnet jetzt! Er konnte ihm schließlich kaum sagen, dass der Grund seines Verhaltens der Gedanke war, dass sie auf einem Date waren. Auf einem Vielleicht-Date!
 

„Okay…“ Ruki warf einen zweifelnden Blick Richtung Tresen. „Der Kellner war eben hier, oder?“
 

„Ähm, ja…“
 

„Und? Was hast du bestellt?“
 

„Nur was zu trinken… Er meinte, wir müssten uuuunbedingt den Wein probieren. Bier wollte er mir gar nicht bringen.“ Entschuldigend zuckte Uruha mit den Schultern und versuchte sich wieder zu beruhigen.
 

„Hm, okay. Wein ist gut. Wir sind ja eh in Frankreich. Und zu essen?“
 

„Können wir bestellen, sobald der Kellner wiederkommt? Er ist Japaner, also haben wir gute Chancen, dass wir nicht ausversehen Schnecken bekommen.“
 

Ruki nickte zufrieden: „Dann wird unser Date also doch kein Reinfall.“
 

„Date?“, fragte Uruha gleich aufgeschreckt und sah den Sänger mit großen Augen an.
 

„Naja, wenn das in Brasilien ein Sekt-Date war, dann ist das hier ein Wein-Date“, lachte der Kleinere verlegen.
 

Uruha biss sich auf die Unterlippe. Er sollte etwas sagen. Es konnte doch kein Versehen sein, dass Ruki ihm so offensichtliche Signale gab. Er sollte sagen, dass er wollte, dass sie hier auf einem Date waren. Kein halbernstes Geplänkel, sondern eine richtige, ernsthafte Verabredung, die hoffentlich zu weiteren ernsthaften Verabredungen führte und…
 

„Hier kommt der Wein!“, ertönte plötzlich die viel zu laute Stimme des Kellners, der schon dabei war, ihre Gläser zu füllen. Zu allem Überfluss zwinkerte er Uruha dabei noch zu, was diesen wieder rot anlaufen ließ. Wahrscheinlich hatte der Kellner ihr Gespräch gehört und gesehen, wie der Gitarrist dümmlich seinen Gegenüber angestarrt hatte, während er in Tagträumen versank.
 

Das war alles so peinlich! Ruki musste ihn für den letzten Trottel halten.
 

Uruha versuchte sich zusammenzureißen, aber nachdem er seine Essensbestellung auch nur stotternd hinter sich gebracht hatte und der Kellner wieder verschwunden war, herrschte peinliche Stille.
 

Ruki betrachtete ihn mit bohrenden Blick, bevor er dann doch das Wort ergriff: „Habe ich dir eigentlich schon von meiner neuesten Komposition erzählt?“
 

Uruha wusste nicht, ob er Lachen oder Weinen sollte. Er schüttelte nur stumm den Kopf und ließ den Sänger von aktuellen Ideen erzählen. Die Stimmung lockerte sich wieder, aber dem Gitarristen war auch bewusst, dass er seine Chance an diesem Abend verpasst hatte.
 

Vielleicht auch besser so.
 

Ein erstes echtes Date in Paris war wahrscheinlich auch zu viel des Guten.

München

*********************** 2016 ***********************
 

Ruki schloss die Tür hinter sich und stellte erleichtert fest, dass außer ihm niemand im Backstage-Raum war. Die Band war seine Familie, aber manchmal war es doch anstrengend, wenn man Tag und Nacht aufeinandersaß. Am anstrengendsten waren aber seine eigenen Gefühle und der verzweifelte Versuch, sie zu unterdrücken. Das war nichts, von dem man einfach abschalten konnte. Vor allem nicht, wenn die betreffende Person den ganzen Tag über um ihn war. Und auch wenn es Nacht wurde und er alleine in seinem eigenen oder im Hotelzimmer war, konnte er nicht richtig abschalten. Immer wieder wanderten seine Gedanken zu Uruha.
 

Wahrscheinlich vertrieben sich die anderen Member entweder in der Halle mit der Soundtechnik die Zeit oder waren mit dem Auto und den Staff-Membern in die Stadt gefahren. Ruki erinnerte sich dunkel, wie sie ihn gefragt hatten, ob er mitkommen wollte. Aber er wollte sich lieber noch ein wenig Ruhe gönnen. Schließlich waren sie gerade erst von Paris nach München gefahren.
 

Nein, da stimmte was nicht. Er zog sein Handy aus der Hosentasche und öffnete den Kalender. Sie waren gerade von Köln nach München gefahren! Seufzend schüttelte er den Kopf. Er sollte wirklich mehr auf seine Umgebung Acht geben, aber das ganze Reisen und noch dazu das Chaos mit Uruha machten ihn echt fertig. Er durfte sich heute Abend keinen Patzer leisten und ausversehen den falschen Stadtnamen rufen.
 

Seufzend ging er zu einem der kleine Sofas und ließ sich darauf fallen. Er hörte Stimmen auf der anderen Seite der Tür, die sich aber glücklicherweise wieder schnell entfernten.
 

Ruki wollte diese zweite Welttour wirklich genießen, aber in ihm herrschte einfach nur Chaos. Und bevor er es auch nur realisierte, strichen seine Finger schon über die Saiten der Gitarre, die neben ihm auf dem Sofa lag. Sie gehörte Uruha. Natürlich kannte er jede seiner Gitarren. Manchmal nahm er sich eine davon und spielte ein paar Takte – einfach nur, weil es sich gut anfühlte.
 

In letzter Zeit fühlte sich wenig wirklich gut an. Es gab die Stunden, in denen er auf der Bühne stand und sich einfach nur der Musik hingeben konnte ohne an irgendwelche komplizierten Gefühle zu denken. Und auch wenn er einfach nur Backstage oder bei sich zu Hause saß, fühlte es sich gut an, Musik zu machen und Gitarre zu spielen. Uruhas Gitarre zu spielen.
 

Etwas zögerlich nahm er das Instrument in die Hand und schlug einen Akkord an. Er hatte das früher mit einer größeren Selbstverständlichkeit getan. Damals hatte er ohne zu zögern oder zu fragen nach Uruhas Gitarre gegriffen und dieser hatte dabei nicht einmal mit der Wimper gezuckt. „Was mein ist, ist auch dein“, meinte der Gitarrist einmal zu ihm. Im Scherz. Natürlich. So etwas Kitschiges würde Uruha niemals ernsthaft sagen und es schon gar nicht so meinen. War das nicht sogar auch auf der letzten Tour gewesen…?
 

Ruki merkte, wie sich seine Gedanken wieder nur um seinen Bandkollegen drehten. Er schloss kurz die Augen, atmete tief durch und konzentrierte sich wieder auf das Instrument in seinen Händen. Tatsächlich schaffte er es, sich schnell in den Klängen zu verlieren. Er spielte einige ihrer eigenen Songs und dann noch ein paar andere Lieder, die ihm so einfielen. Eine Melodie wechselte in die nächste, bis er damit begann, eine eigene zu kreieren. Er war so tief seinen Gedanken und den Klängen versunken, dass er seine Umgebung völlig vergaß.
 

Umso größer war der Schreck, als dann plötzlich eine Person neben ihm stand. Ruki ließ bei dem Anblick einen kurzen Schrei los und hätte fast die Gitarre zu Boden geworfen. Was sehr ungünstig gewesen wäre, weil der Besitzer eben dieser jetzt vor ihm stand.
 

„Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken.“
 

„Ähm… nein, hast du nicht. Also… schon, aber. Ähm, schon okay“, stotterte der Sänger und wurde rot, während er sich krampfhaft an der Gitarre festklammerte. Uruhas Gitarre, auf der er ohne Erlaubnis gespielt hatte. Er wurde noch röter.
 

„Tut mir leid, dass ich einfach deine Gitarre genommen habe.“
 

„Ist kein Problem! Da musst du mich nicht fragen“, antwortete Uruha mit sanften Lächeln.
 

„Doch, das sollte ich schon.“
 

Das Lächeln auf dem Gesicht der Gitarristen verschwand und er nickte als Antwort nur kurz. Er wirkte etwas resigniert, was für Ruki keinen Sinn ergab. „Jetzt hab ich dir jedenfalls die Erlaubnis gegeben, also spiel ruhig weiter“, meinte Uruha dann aber doch noch beiläufig und nahm eine Wasserflasche vom Tisch, der neben dem Sofa stand.
 

Ruki wusste nicht, wie er reagieren sollte. Das hatte er nicht erwartet! Wie zur Hölle sollte er Gitarre spielen, wenn der Meister höchstpersönlich im Raum war!? Er spürte, wie seine Hände schwitzig wurden und glaubte, wenn er jetzt zu spielen anfangen würde, würde ihm das Plektrum wahrscheinlich in nur wenigen Sekunden aus den Fingern rutschen. Also saß er weiter wie dumm auf dem Sofa, bis er endlich ein „Was denn?“ rausbekam.
 

„Was du gerade gespielt hast?“, wurde die Gegenfrage gestellt. „Oder irgendwas anderes. Tu einfach so als hätte ich dich nicht unterbrochen und wär gar nicht da!“ Er schraubte die Wasserflasche auf und trank einen Schluck. Ruki konnte nicht anders als ihn dabei zu beobachten. Wieso konnte ihn dieser Kerl sogar beim Trinken aus einer dummen Plastikflasche aus dem Konzept bringen? Er musste sich endlich wieder unter Kontrolle bekommen!
 

Bevor Uruha die Flasche absetzte, schaffte es der Sänger tatsächlich, die Saiten anzuschlagen. Es war keine Melodie. Es war eigentlich nur ein einziges Chaos. Ruki verfluchte seine plötzliche Nervosität so sehr. Vorhin hatte er Phrasen zustande gebracht, die ihr neues Lied hätten werden können! Und das jetzt klang wie Kindergartengeklimper. Vielleicht sollte er es doch mit einem ihrer eigenen Songs probieren.
 

Ohne groß nachzudenken, fanden seine Finger die richtige Stelle und er schlug die Saiten einzeln an. Ehe er sichs versah, klangen bereits die ersten Töne von „Cassis“ durch den Raum.
 

Uruha hatte sich auf das andere kleine Sofa gesetzt, das im rechten Winkel zu seinem stand, und sah ihm scheinbar zu. Oder spielte er mit seinem Handy? Ruki konnte es nicht genau sagen und aufschauen wollte er auch nicht, weil er sich sonst sicher verspielen würde. Also müsste er aufhören zu spielen, um Uruha anzusehen. Er konnte sich das Gespräch, das dann folgte, schon lebhaft vorstellen.

„Wieso spielst du nicht weiter?“ – „Ach, ich wollt nur mal schauen, ob du mir zuguckst.“ – „Warum?“ – „Weil ich immer noch verrückt nach dir bin und es irgendwie schön wäre, wenn ich deine volle Aufmerksamkeit hätte.“
 

Ja, ganz genau so würde es ablaufen.
 

„Wieso spielst du nicht weiter?“
 

„Was?“
 

„Du hast aufgehört zu spielen, falls dir das nicht aufgefallen ist!“
 

Ruki sah auf die Gitarre runter. Tatsächlich. Die Saiten standen längst still und die Töne waren schon seit Sekunden verklungen – jetzt, wo er so darüber nachdachte.
 

„Vielleicht solltest du spielen und ich höre zu. Schließlich bist du der Meister an der Gitarre“, meinte der Sänger und lachte verlegen. Er fühlte sich dumm und wollte das Instrument zur Seite legen, als Uruha ihn stoppte: „Nein bitte, ich mag es, wenn du auf meiner Gitarre spielst.“
 

Ruki sah den Anderen überrascht an, der jetzt zu stottern begann: „Also, ich mag es wenn du spielst. Auf einer Gitarre. Oder eben auf meiner. Aber dann vor allem… irgendwie.“
 

Einen Moment herrschte Stille.
 

„Ok, das war eine komische Aussage. Tut mir Leid“, meinte Uruha mit gesenkten Blick, woraufhin Ruki den Kopf schüttelte.
 

„Nein, alles gut. Ich weiß ja, wie du es gemeint hast.“
 

Das war eine Lüge. Der Sänger hatte keine Ahnung, wie sein Gegenüber es gemeint hatte.

Alles was er wusste war, dass sein Herz viel zu schnell schlug.

Sein Gefühl sagte ihm, dass Uruha ein Geständnis gemacht hatte.

Dass er etwas, was ihm wichtig war, nicht nur mit Ruki teilen, sondern sogar glücklich komplett in seine Hände geben würde.

Aber Ruki wusste auch, dass seine Gefühle für Uruha ihn schon früher katastrophal verblendet hatten. Und das sollte auf keinen Fall wieder passieren.
 

Trotzdem konnte er die Gitarre nicht einfach zu Seite legen und gehen, obwohl das wahrscheinlich die logische Entscheidung gewesen wäre.
 

Stattdessen entschied er sich zur folgenden Aussage: „Wie wäre es, wenn ich dir ein paar meiner neuen Kompositionsideen vorspiele?“
 

Es war der perfekte Plan. Er konnte sich so sicher sein, dass er Uruhas volle Aufmerksamkeit hatte. Gleichzeitig geschah alles aus rein professionellen Gründen. Sie waren nur zwei Musiker, die zusammen an neuen Stücken arbeiteten. Alles rein produktiv und geschäftlich …
 

„Klar! Ich setz mich am besten zu dir rüber. So hör ich besser!“
 

Kaum waren die Worte ausgesprochen, saß schon ein enthusiastischer Gitarrist neben ihm auf dem Sofa. Ruki verkniff sich den Kommentar, dass Uruha ihn von seinem vorherigen Sitzplatz genauso gut hätte hören können. Vielleicht sogar besser.
 

Als der Sänger die Saiten wieder anschlug, um ihm eine seiner Kompositionen vorzuspielen, klappte das überraschend gut. Vielleicht gewann ja jetzt seine Professionalität doch endlich noch die Oberhand. Uruha konnte er nicht wirklich beobachten, weil er rechts neben ihm saß, er seinen Blick aber hauptsächlich auf den Gitarrenhals und die linke Hand fixiert hatte. Als er aber einen kurzen Blick auf den anderen warf, konnte er ganz deutlich sehen, wie er ihn anstarrte. Ihn. Nicht die Gitarre. Ihre Blicke kreuzten sich nämlich für eine Sekunde, bevor Ruki seine Aufmerksamkeit wieder auf die Saiten lenken musste.
 

Und ihm wurde warm. Ob das von der Aufregung oder der Körperwärme des anderen kam – der saß nämlich ganz schön nah neben ihm – konnte er nicht sagen. Alles was er sagen konnte war, dass Uruha weiter starren sollte. Er wollte von ihm angesehen werden. Er wollte noch viel länger allein mit ihm sein. Er wollte-
 

„Tiefer.“
 

„Was?“ Ruki ließ das Plektrum fast fallen.
 

„Da könntest du tiefer ansetzen. Die Melodie ist super, aber wenn du da ein paar Töne tiefer spielst, gibst du der ganzen Phrase einen einmaligeren Klang.“
 

Ruki wischte das Plektrum unauffällig an seiner Hose ab. Es war mittlerweile ganz verschwitzt. Das war bei den anderen doch nicht ständig so! „Okay.“ Er versuchte den gleichen Part nochmal, ein wenig variiert, wurde dafür aber langsamer.
 

„Perfekt!“
 

Als Ruki aufsah, strahlte ihn Uruha an und einen Augenblick später strahlte er ebenso breit zurück. Er fühlte sich wie ein Kindergartenkind, das etwas richtig aufgeräumt hatte und dann dafür gelobt wurde. Aber es war ihm egal. Er liebte es, wenn der andere ihn so ansah. Und in diesem Moment war es ihm auch egal, dass er gerade dabei war, sich in eine Sache zu verrennen, in die er sich auf genau die gleiche Weise schon einmal verrannt hatte und die ihn fast alles gekostet hatte.
 

„Wir sollten das wieder öfter machen“, meinte Uruha leise.
 

„Was?“
 

„Zusammen komponieren.“
 

„Wir komponieren ständig zusammen“, erwiderte Ruki, auch wenn er wusste, dass der Gitarrist etwas anderes meinte.
 

Natürlich saß die Band ab und zu nach einer Probe zusammen und grübelte gemeinsam, wie man einem neuen Stück noch den letzten Schliff geben könnte. Es waren schöne Momente. Anstrengend, aber freundschaftlich. Unverfänglich.
 

Anders als die Stunden, die Ruki und Uruha früher miteinander verbracht hatten. Meistens eng zusammengepresst und im intensiven Austausch. Die Gitarre wurde hin und her gereicht, der Handgriff des anderen wurde ohne zu zögern geändert, wenn man eine andere Tonlage wollte. Oft hatten sie so die Nächte durchgemacht.
 

Manchmal war nur Schrott entstanden. Aber manchmal hielten sie am nächsten Morgen völlig erschöpft aber stolz eine neue Komposition in den Händen, bei der niemand mehr sagen konnte, wer von ihnen tatsächlich welche Idee gehabt hatte.
 

Es fühlte sich persönlich an. Ein Verschmelzen an Visionen, Wünschen und Gefühlen, die zusammen eine Melodie ergaben.
 

Das alles hatte aufgehört, seitdem sie von ihrer ersten Welttour zurückgekehrt waren. Und das war besser so. Der rational denkende Teil seines Gehirns wusste, dass es besser war. Doch trotzdem konnte Ruki nicht damit aufhören, den Gitarristen vor sich mit einer Mischung aus Hoffnung und Nervosität anzustarren.
 

„Ich meine nicht die Art von Komponieren.“ Uruhas Stimme war noch immer leise, aber entschlossen. „Ich meine, so wie jetzt. So wie wir es früher gemacht haben.“ Der Gitarrist holte vor seinen nächsten Worten Luft. „Nur du und ich.“
 

Ruki starrte den Gitarristen weiterhin an. Und er konnte einfach nicht anders. Er wusste, es war dumm und falsch und selbstzerstörerisch. Aber er konnte nicht anders als zu antworten: „Ja, das sollten wir wieder öfter machen.“
 


 

*********************** 2013 ***********************
 

Uruha grinste, als er vor dem Backstage-Raum stand und die Klänge seiner Gitarre hörte. Das war nicht seine normale Reaktion. Wie jeder Vollblutmusiker reagierte er sehr empfindlich, wenn sich jemand ohne zu Fragen an sein Heiligtum wagte.
 

Allerdings hörte er alleine vom Spiel heraus, dass es sich bei dem Dieb um Ruki handelte und das gab ihm die Gelegenheit, den Sänger deshalb ein wenig aufzuziehen. Auch wenn er es überhaupt nicht ernst meinen würde. Im Gegenteil. Eigentlich sah er Ruki sehr gerne dabei zu, wie dieser auf seinem Instrument musizierte. Auch wenn Ruki kein Gitarrist wie er oder Aoi war, sah es trotzdem so aus, als würde er das Instrument beherrschen. Nein, es sah nicht nur so aus, es war so! Und gerade jetzt konnte er sich sehr gut vorstellen, wie der andere da völlig in die Musik versunken auf einem der Sofas saß.
 

Uruha ging ein paar Schritte zurück, um seinen Auftritt authentischer zu gestalten und stürmte dann zur Tür, drückte die Klinke runter und platzte in den Raum. „Schon wieder!“
 

Ruki hörte sofort auf zu spielen und reichte Uruha ohne zu zögern die Gitarre. Den Kopf hatte er eingezogen und es sah so unglaublich niedlich aus! Der Gitarrist boxte dem Sitzenden leicht in die Schulter. „Du hast mal wieder die Gunst der Stunde genutzt, während ich weg war.“ Dabei machte er aber keine Anstalten, die Gitarre wieder an sich zu nehmen, sondern ließ sich stattdessen neben Ruki auf das Sofa fallen und seufzte tief. Sie waren alleine im Raum.
 

Er sah aus den Augenwinkeln, wie der Sänger das Instrument auf seinen Schoß legte und ein leises „Sorry“ nuschelte. „Ich weiß, dass ich dein Eigentum nicht einfach so nehmen sollte. Deine Gitarre ist dir doch am wichtigsten…“
 

Uruha wandte ihm den Blick zu und sah ihn einen Moment an. Die Gitarre lag sicher auf seinen Beinen und der Blick war darauf gesenkt. Rukis Make-up war komplett aufgetragen und in knapp einer halben Stunde würden sie ihr erstes Konzert in München geben. Ruki sah perfekt aus. Und das lag nicht nur am Make-up. „Meine Gitarre ist nicht das, was mir am wichtigsten ist.“
 

Ruki sah kurz auf. Ehrlich überrascht, wandte den Blick dann aber schnell wieder auf das Instrument. „Nein?“
 

„Naja“, lachte Uruha dann aber doch und versuchte seine Nervosität damit zu überspielen. Sah er da etwa einen Rotschimmer auf Rukis Wangen? Oder bildete er sich das nur ein, weil ihm selbst plötzlich ganz warm wurde? „Sie ist mir schon sehr sehr wichtig. Aber das heißt nicht, dass du nicht darauf spielen darfst!“
 

Innerlich verfluchte er sich. Er hätte es sagen können. Jetzt! Dass das für ihn wichtigste auf der Welt viel lebendiger war als eine Gitarre und gerade neben ihm saß. Aber es ging viel zu schnell. Das war viel zu plötzlich! Er musste sich auf einen solchen Moment doch anständig vorbereiten! Und hier konnte außerdem jeden Moment ein Staff-Member oder gar Bandmember reinplatzen. Und dann?
 

Er war also kein Feigling, nur weil er jetzt nicht die Initiative ergriffen hatte. Es war ein ungünstiger Zeitpunkt. Er musste einfach bis zum richtigen Moment warten und dann würde er genau die passenden Worte finden und alles würde perfekt sein. So würde das ablaufen.
 

Bis dahin musste er aber versuchen, sich nicht zum größten Idioten zu machen.
 

„Selbst wenn es in Ordnung ist, sollte ich dich wenigstens fragen, bevor ich deine Gitarre nehme“, meinte der Sänger kleinlaut.
 

„Unsinn! Was mein ist, ist auch dein!“ Kaum hatten die Worte Uruhas Lippen verlassen, wollte er schon im Erdboden versinken. So viel zum Vorsatz, sich nicht zum Idioten zu machen. Gab es denn eine Aussage, die noch mehr so klang, als würden sie heute ihre Silberhochzeit feiern?
 

Das einzige, was ihn jetzt noch retten konnte, war sein bestes falsches Grinsen. Vielleicht würde es Ruki dann nur für einen dummen Spruch halten.
 

Der Sänger sah ihn einen Moment perplex an und kicherte dann nervös. Oh nein, sein schmalziger Kommentar hatte dazu geführt, das sich Ruki in seiner Gegenwart komplett unwohl fühlte.
 

„Klingt ein bisschen so, als hättest du schon unser Eheversprechen geschrieben“, nuschelte der Sänger, der zwar etwas verlegen klang, aber sicher nicht so, als würde er sich in der Situation unwohl fühlen. Uruha fühlte sich allerding immer unsicherer. Das fühlte sich alles doch sehr nach einem Spiel mit dem Feuer an. Trotzdem konnte er sich, die nächsten Worte nicht verkneifen. „Naja, wir hatten bereits ein Sekt-Date in Brasilien und dann noch eins in Paris…“
 

„Also planst du schon mal unsere Hochzeit?“, hakte Ruki nach. Uruha zuckte nur mit den Schultern und versuchte sich dabei möglichst cool zu geben.
 

Es war schließlich alles nur ein Scherz.
 

Und er überlegte sich gerade auch nur völlig im Scherz, welche Art von Ehering sie wohl haben würden. Ganz sicher würde Ruki darauf bestehen, dass sie die Ringe selbst designen. Aber das war in Ordnung. Er liebte Rukis Designerstücke – auch wenn sie manchmal schon sehr ausgefallen waren. Und auch wenn sie oft eigentlich gar nicht sein Stil waren. Nein, er liebte sie trotzdem. Und nicht nur, weil Ruki sie designte!!
 

„In den Flitterwochen sind wir ja schon – eine Weltreise! Sowas kann auch nicht jeder behaupten“, gab Uruha gespielt cool von sich und deutete um sich.
 

Ruki hob eine Augenbraue und sah sich genauso in dem engen Backstageraum um. „Naja, das stell ich mir dann doch ein bisschen luxuriöser und mit weniger Arbeit verbunden vor.“
 

„Ich überlass dir das Auswählen unserer Traumreise.“ Der Sänger war perfekt in sowas. So wie er in fast allem perfekt war – auch wenn er seine kleinen Fehler hatte und Uruha auch schon mal auf die Palme treiben konnte. Aber allein wie er da so saß und sich ganz auf diesen Scherz einließ… Oder, war es überhaupt noch ein Scherz? Je mehr der Gitarrist darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm der Gedanke. Mit Ruki irgendwo ganz weit weg. Keine nervenden Bandkollegen, keine im Nacken sitzende Deadline, sondern traute Zweisamkeit mit der Person, die gerade neben ihm auf dem Sofa saß.
 

„Alles klar, abgemacht. Wie besiegeln wir das Ganze? Ich will am Ende nicht in nem kleinen Kabuff in Timbuktu hocken, weil du einfach irgendwas gebucht hast.“
 

Der Gitarrist sah Ruki an und fragte sich, seit wann sie so unbeschwert miteinander reden konnten. Seit wann sie über solche Dinge scherzen (oder auch nicht scherzen) konnten. Uruha liebte das Funkeln in seinen Augen. Herausfordernd.
 

Er wusste nicht, was in dem Moment mit ihm los war, aber er konnte einfach nicht anders. Wie selbstverständlich überbrückte er den halben Meter zwischen sich und Ruki und drückte ihm einen schnellen Kuss auf die linke Wange. Als er sich wieder von ihm entfernte, schlug ihm das Herz bis zum Hals. Er hörte nur noch ein Rauschen in seinen Ohren und starrte seinen Gegenüber an, der ebenfalls perplex zurückstarrte. Was zur Hölle war das!? Welche Pferde waren da gerade mit ihm durchgegangen?! „… Mit nem Handschlag besiegeln kann ja jeder.“
 

Das war vielleicht nicht die beste Erklärung, aber etwas anderes fiel Uruha nicht ein. Naja, außer der Wahrheit. Aber er konnte Ruki nicht einfach so sagen, dass er es nicht mehr aushalten konnte, den Sänger nicht zu küssen und zu berühren. Das wäre völlig unangebracht.
 

Ungefähr genauso unangebracht, wie der kleine Kuss es auch gewesen war …
 

Ruki hielt sich mit einer Hand die linke Wange und schien in einer Art Starre zu sein. Der Gitarrist hätte gern die Hand in seine genommen und auch diese geküsst. Es wäre eine unschuldige Geste und wäre doch intim genug, um Ruki klarzumachen, was das alles bedeutete. Was Ruki ihm bedeutete.
 

Doch das wäre falsch. Er sollte sich stattdessen entschuldigen. Rukis Reaktion bestärkte ihn nur in der Überzeugung.
 

Der Kleinere räusperte sich, während er nach Worten suchte. Er schien richtig überfordert.
 

„Also, naja“, setzte der Sänger verlegen an. „Ein flüchtiger Kuss auf die Wange zeugt jetzt auch nicht von sehr viel mehr Mut und Initiative als ein Handschlag.“
 

Uruha traute seinen Ohren nicht. Überfordert und verlegen war da wohl eine ziemliche Fehleinschätzung gewesen.
 

„Hier geht es schließlich um die Planung unserer Flitterwochen. Da könntest du dich schon ein wenig mehr ins Zeug legen“, setzte Ruki mit einem Schulterzucken nach.
 

„Und wie sollte ich mich deiner Meinung nach mehr ins Zeug legen?“ Uruhas Herz begann wieder zu rasen. Passierte das gerade wirklich?
 

„Du bist kreativ. Da fällt dir sicher etwas ein.“ Der Sänger grinste und biss sich dabei leicht auf die Lippe.
 

Vielleicht um seine Nervosität zu überspielen.
 

Vielleicht um Uruhas Blick auf seine Lippen zu lenken.
 

Vielleicht war es ein Hinweis. Eine Aufforderung. Ein Vorgeschmack darauf, wie Rukis Lippen aussehen könnten, wenn sie leicht gebissen und danach sanft mit einer Zunge verwöhnt wurden.
 

Uruha fasste einen Entschluss. Es war unmöglich, dass er diese Zeichen falsch deutete. Und es war absolut unmöglich, dass er diese Situation jetzt nicht nutzen würde. Vorhin hatte er noch auf den richtigen Zeitpunkt warten wollen und genau dieser schien jetzt gekommen zu sein! Wenn er jetzt den Schwanz einzog, dann würde sich so ein Moment wahrscheinlich erst wieder in 100 Jahren ergeben. Wenn überhaupt! Es war nicht einfach den richtigen Zeitpunkt zu finden, wenn man ständig entweder in Begleitung anderer Bandmember oder Staffmitglieder war – oder der Gefahr ausgesetzt war, von Fans beobachtet zu werden, und das war eigentlich ständig der Fall. Eine Situation, auf die keines dieser Dinge zutraf, gab es nur sehr selten. Außer natürlich, wenn sie alleine in ihrem Hotelzimmer-
 

Rukis Lippen auf seinen warfen ihn völlig aus der Bahn. Er hatte ja gerade selbst fest vorgehabt, seine Lippen auf Rukis zu legen, aber dass es wirklich passierte – so schnell und einfach so! Uruha konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, als er die weiche Haut auf seiner spürte. Am Rande bemerkte er, wie sich eine Hand auf seine Schulter legte und dass er ganz automatisch die Augen geschlossen hatte, um das Gefühl noch intensiver wahrzunehmen.
 

Er bewegte seine Lippen langsam gegen Rukis, passte sich seinen Bewegungen an. Mit der Hand suchte er nach Halt, legte sie auf den Oberschenkel des Anderen und drehte sich ihm noch ein wenig mehr zu, um ihm noch näher zu sein.
 

Ruki war so warm. Oder war ihm selbst nur so warm? Er konnte es nicht sagen und es war ihm auch egal. Alles war ihm egal bis auf die Lippen, die sich so sanft gegen seine bewegten, dass er glaubte, bald verrückt zu werden. Er wollte den Kuss intensivieren und gleichzeitig alles so belassen, wie er war, denn er war perfekt. Nein, er war mehr als perfekt. Mehr als er erwartet hatte und sich wünschen konnte.
 

Der Atem des Sängers strich sanft über sein Gesicht, als sie sich ein paar Millimeter voneinander entfernten. Uruha hielt die Augen noch immer geschlossen. Er lauschte Rukis Atmen und dem Rauschen in seinen eigenen Ohren. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen und auch wenn seine Augen geschlossen waren, war er sich sicher, dass Ruki auch lächelte. Er spürte es garantiert auch. Das war der Beginn eines neuen Kapitels im Leben. Ihres gemeinsamen Kapitels.

Helsinki

*********************** 2016 ***********************
 

„Warum konnten wir Uruhas Geburtstag nicht in Deutschland feiern? Das wär viel günstiger gewesen“, grummelte Kai und sah dabei zu, wie Aoi eine weitere Runde bestellte. Sie alle wussten nicht, was es genau war… Aber es war teuer.

Ruki lächelte den Drummer mitfühlend an. „Weil wir gestern den ganzen Tag mit Packen und Warten am Flughafen verbracht haben. Also wird jetzt nachgefeiert. Und hör auf so zu tun, als würde es dir keinen Spaß machen.“
 

Kai verdrehte die Augen, aber Ruki konnte trotzdem ein Schmunzeln auf den Lippen des Drummers sehen. Es war auch wirklich schwer, sich an diesem Ort nicht wohlzufühlen. Es war der 10. Juni und sie hatten sich nach dem Konzert in Helsinki dazu entschlossen, Uruhas Geburtstag vom Vortag nachzufeiern. Nach kurzer Suche hatten sie tatsächlich eine kleine Kneipe mit freundlichen Kellnern und gemütlicher Atmosphäre gefunden. Außerdem schienen die Preise für finnische Verhältnisse in Ordnung zu sein. Das würde er aber Kai nicht sagen, da dieser schon wieder skeptisch auf sein Glas starrte.
 

„Mach dich mal locker, Kai!“, meldete sich Reita zu Wort. „Wir machen das doch nur, weil wir Uruha so lieb haben. Stimmt doch, Ruki?“

Der Blonde hatte bei den Worten seinen Arm um den besagten Gitarristen geworfen und grinste Ruki an. Scheinbar wartete er auf Zustimmung.

Ruki fühlte sich wie erstarrt. Er konnte keine Worte finden. Und dabei war es doch so leicht! Nur ein dummer Kommentar unter Freunden und ohne tiefere Bedeutung! Wieso konnte er nicht einfach sagen, dass…

„Jetzt tu nicht so scheinheilig, Reita! Du willst dich doch nur betrinken und dich darüber lustig machen, dass ich für den Abend die Spesenabrechnung schreiben muss.“

„Stimmt. Und weil ich Ruha lieb hab!“ Reita zog den Gitarristen enger an sich, während dieser versuchte, sich lachend aus dem Oktopusgriff zu winden.
 

Ruki musste bei dem Bild ebenfalls lachen und entspannte sich wieder. Gut, dass sich die Situation selbst geklärt hatte. Das hätte noch peinlich werden können. Ob Uruha sein Zögern bemerkt hatte?

Er konnte es nicht verstehen. Uruha war derjenige gewesen, der bei ihrer kleinen Gitarren-Session-Kompositionsstunde gesagt hatte, sie sollten das wieder öfter machen. Er war auf ihn zugekommen. Es war nicht das erste Mal, dass sich Ruki fragte, was das sollte. Er freute sich, dass Uruha und er auf dieser Tour wieder näher zusammengefunden hatten, aber gleichzeitig war es auch beängstigend. Er wollte das nicht nochmal durchmachen. Aber zurückrudern konnte er auch nicht. So stark sein Willen in anderen Dingen auch war, diesbezüglich war er gebrochen. Auch wenn er wusste, was gut und was nicht gut für ihn war. Tief in seinem Innern wollte er Uruha wieder näher kommen und es hatte keinen Zweck, das zu leugnen. Aber er konnte einfach überhaupt nicht vorhersehen, wie das ganze weitergehen sollte. Und wenn er ehrlich mit sich war, würde er auch am liebsten die Augen davor verschließen.
 

Uruha wusste, warum er gezögert hatte. Und eigentlich war das auch gut so. Er wollte zwar, dass sie sich wieder näher kamen, aber er wollte auch nicht denselben Fehler begehen wie damals. Uruha sollte wissen, dass er nicht mehr so dumm war wie vor drei Jahren. Und wie dumm er gewesen war.
 

Ruki griff nach seinem Glas und stürzte die restlichen Schlucke auf einmal herunter, um die sich leise anschleichende Wut in seinem Magen direkt zu ertränken. Die Wut auf sich und auch auf Uruha. Die konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen, schließlich war das hier die nachträgliche Geburtstagsfeier für den Gitarristen und auch die Abschlussfeier für eine erfolgreiche Europatour. Wenn sie zu Hause waren, konnte er wieder wütend auf die Welt und seine eigene Dummheit sein, aber heute wollte er Spaß haben und einen er letzten Abende in Europa mit seinen Freunden und Kollegen feiern.
 

Natürlich war bei dieser Party auch ihr Staff dabei, der sich zwischen die Member gestohlen hatte – sowohl Europäer als auch die Japaner, mit denen sie zusammen geflogen waren. Zusammen nahmen sie gut die Hälfte der kleinen Kneipe für sich in Anspruch, was den Lokalbesitzer nicht zu stören schien. Natürlich nicht. Wahrscheinlich machte er gerade mehr Umsatz als sonst in einer ganzen Woche. Für Ruki war das außerdem eine gute Gelegenheit, um sich einen Gesprächspartner zu suchen, der nicht Uruha war, und ein Gesprächsthema zu wählen, das nichts mit dem Gitarristen zu tun hatte.
 

Und so entschied der Sänger, sich nach einem Gang auf die Toilette auf einen freien Platz zwischen zwei Staff-Membern zu setzen und diese in eine Unterhaltung zu verwickeln. Er ignorierte einfach, dass die Beiden anfangs von seinem Verhalten irritiert waren und ein paar Minuten brauchten, um aufzutauen. Man konnte es ihnen nicht wirklich verdenken.

Ruki war überzeugt, dass er ein netter und sympathischer Kerl war und das würden seine Freunde auch bestätigen! Nur Small Talk war einfach nicht seine Stärke. Und so kam es, dass er mit vielen der Staff-Member noch nie mehr als ein höfliches Lächeln und professionelle Worte ausgetauscht hatte.
 

Es war unfair, dass er deshalb oft als unfreundlich abgestempelt wurde. Vor allem weil Uruha viel schlimmer als er sein konnte! Der Gitarrist meinte es nicht böse, aber wenn er schlechte Laune hatte, dann bekam das auch jeder im Raum deutlich zu spüren. Und trotzdem schienen es ihm alle immer zu verzeihen. Die Mitarbeiter wirkten oft geradezu dankbar, wenn Uruha ihnen ab und an ein kleines Lächeln schenkte.
 

Auch jetzt hatte sich eine Traube an Staff-Membern um den Gitarristen gebildet. Sie waren zwar teilweise in andere Gespräche verwickelt, aber jedes Mal, wenn Uruha auflachte oder das Wort ergriff, huschten alle Augenpaare zu ihm. Er zog die Menschen an, wie das Licht die Motten.

Ruki würde es ja auf die Tatsache schieben, dass sie Uruhas Geburtstag feierten und er deshalb der Mittelpunkt war. Aber irgendwie war er immer der Mittelpunkt – stach aus jeder Menge sofort heraus. Und außerdem sah er heute, selbst für seine Verhältnisse, verdammt gut aus. Wer würde da nicht gern neben ihm sitzen wollen? Sich von dem Lachen anstecken lassen wollen?

Verdammt, wieso saß er nicht neben Uruha und ließ sich von seinem Lachen anstecken??
 

Nein, er würde jetzt nicht missmutig hier sitzen und den Abend nicht genießen! Er würde Spaß haben! Deshalb lachte er auch ein bisschen zu laut auf einen Kommentar des Staff, der neben ihm saß. Die einzige Person, die übrigens zwischen ihm und Uruha saß. Vielleicht konnte er ihn ja irgendwie loswerden? Dann könnte er rüberrutschen und…
 

Warum sahen ihn denn jetzt alle so erwartungsvoll an? Oder zumindest die, die um Uruha herumsaßen? „Was?“ Hatte jemand mit ihm gesprochen? Er war doch gerade dabei, einen Plan auszuhecken! Den er natürlich sowieso nicht umsetzen würde, weil sein Verstand sich vorher hoffentlich einzuschalten wusste.

„Du sollst die Geschichte erzählen, als du fast von der Bühne geflogen wärst!“ Der Gitarrist lehnte sich über den Staff-Member und boxte Ruki lachend in die Schulter.

„ICH? Du bist doch der, den es ständig auf der Bühne hinbrettert! Oder davon runter!“, schrie er zurück. Teilweise war wohl die Musik Schuld, die im Hintergrund spielte. Teilweise aber wohl auch, weil es diese Anschuldigung nicht auf sich sitzen lassen wollte.

„Gar nicht wahr! Das ist vielleicht… einmal passiert. Oder eineinhalbmal.“

„Eineinhalbmal allein auf dieser Europatour!“

„Ähm, wir können auch gerne Plätze tauschen…“, warf der Staff, der zwischen ihnen saß, leise ein.

„Ah, dann würde ich dich auch mal besser verstehen! Hab das Gefühl, wir haben heut noch gar nicht miteinander geredet.“ Bevor Ruki es überhaupt realisierte, stand Uruha schon auf und schob sich über den Kerl, der stattdessen auf der Bank zu Uruhas ehemaligem Platz rüberrutschte. Was der Gitarrist dabei nicht bemerkte, war das Bierglas, das auf dem Tisch stand und zwei Sekunden später seinen Inhalt auf seine und Rukis Hose schüttete.

Die Reaktionsgeschwindigkeit von allen hatte wohl schon drastisch abgenommen, denn Ruki bemerkte das Malheur erst, als er die Nässe langsam durch seine Hose sickern spürte. Aber da waren sie wohl nicht die einzigen, denn statt dass irgendjemand nach dem umgefallenen Glas griff, lachten alle nur schallend. Sogar Uruha, der, wie Ruki jetzt bemerkte, eine ebenfalls große Menge auf seiner Hose verteilt hatte.

Ruki versuchte ruhig zu bleiben und über den Vorfall zu lachen. Er wusste, dass sie alle angetrunken waren und dass Uruha das Bier nicht mit Absicht verschüttet hatte. Er konnte es nur nicht leiden, wenn seine Sachen dreckig wurden. Und der Alkohol würde sicher einen netten Fleck hinterlassen. Vom Geruch ganz zu Schweigen…
 

Scheinbar war sein aufgesetztes Lachen nicht sehr überzeugend, denn Uruha bedachte ihn mit einem entschuldigenden Blick, bevor er ihn sanft am Arm nahm und Richtung Männertoilette zog.

„Tut mir Leid“, meinte der Gitarrist, als sie den Raum betreten hatten.

Ruki zuckte mit den Schultern und ließ sich von Uruha ein paar Papierhandtücher aus dem Spender über dem Waschbecken reichen. „War ja keine Absicht.“

„Nein, aber es ärgert dich“, antwortete der Gitarrist.

„Ist das so offensichtlich?“ Mist. Ruki hatte wirklich gedacht, dass sein Poker-Face besser wäre.

„Es ist nicht wirklich offensichtlich. Außer man kennt dich.“
 

Ruki sah Uruha überrascht an, aber konnte dann ein Lächeln nicht unterdrücken. Ihm gefielen die Worte des Gitarristen. Die Vorstellung, dass Uruha ihn so gut lesen konnte, war beruhigend und aufregend zugleich. Er fragte sich ernsthaft, wie viel er getrunken hatte, dass er jetzt dümmlich grinsend in einer Männertoilette in Helsinki stand, während seine Hose und Boxershorts mit Bier durchtränkt waren. Aber auch Uruha machte keinen besseren Eindruck. Sein Blick hatte schon fast etwas Verträumtes. Ruki versuchte sich nichts darauf einzubilden. Es war nur der Alkohol. Nichts weiter.

Er räusperte sich etwas verlegen. „Vielleicht sollten wir wieder zu den Anderen. Trockener bekommen wir unsere Hosen eh nicht“, meinte der Sänger, aber bekam keine Antwort.

„Uruha?“, hakte er nach und weckte den Anderen somit aus seinen Tagträumen. Der sanfte Blick verschwand. Stattdessen legte der Gitarrist die Stirn in Falten als würde er schwer nachdenken. Okay. Scheinbar hatte er echt zu viel Alkohol gehabt.
 

Ruki verließ etwas verunsichert die Toilette. Der Gitarrist würde ihm schon folgen. Tatsächlich kam dieser hinterher und schnappte nach Rukis Arm.

„Wollen wir uns vielleicht kurz an die Theke setzen? Ich geb dir Einen aus.“

„Wir bekommen doch heute eh alles umsonst“, erwiderte der Sänger scherzhaft.

„Den zahl ich selbst.“

Ruki zögerte. Es war keine gute Idee. Und das wusste er. Die Stimmung war umgeschlagen. Er war zwar noch genauso angetrunken wie vor zwei Minuten als Uruha seine Hose ruiniert hatte, aber er war nicht blöd. Trotzdem konnte er einfach keine Ausreden mehr finden, als er in das bittende Gesicht des anderen sah. Ruki wusste, wenn er nochmal verneinte, würde der Größere nicht mehr nachfragen und sie würden zurück zum Tisch mit den anderen gehen. Dort würden sie weiter trinken und weiter lachen, aber etwas wäre trotzdem anders, denn beide wussten, dass Uruha mit ihm reden wollte. Worüber, konnte sich Ruki nur zusammenreimen, trotzdem war er sich nicht sicher, was der andere wirklich sagen wollte. Eines wusste er aber: Er sollte es sich anhören. Er würde es sicher bereuen und es wahrscheinlich nie erfahren, wenn er sich jetzt wieder zu den anderen setzte.
 

Natürlich trug der Alkohol zu solchen Entscheidungen und Gesprächen bei, aber wahrscheinlich würden sie die nächste Ewigkeit über nicht mehr den Mut haben, sich so zusammenzusetzen und über etwas zu sprechen, das die Band zwar direkt, aber nicht in erster Linie betraf. Was auch immer Uruha sagen wollte, es ging um ihn und Ruki. Es ging nicht um die Band.
 

„Okay. Für ein Glas. Die anderen werden es sowieso schon komisch genug finden, dass wir uns nicht mehr zu ihnen setzen. Das ist nicht gut fürs Bandklima, wenn sich zwei bei der Geburtstagsparty und der Fast-Abschlussfeier der Tour wo anders hinsetzen.“

„Du klingst wie Kai“, grinste ihn Uruha müde an und warf die restlichen benutzten Papiertücher in den Mülleimer. „Aber auch Kai hat manchmal Recht.“

In Ruki zog sich etwas plötzlich schmerzhaft zusammen. Ja, Kai hatte manchmal Recht. Aber manchmal wünschte er sich auch, dass Kai nicht immer alles wusste und manchmal auch einfach die Klappe hielt. Andererseits hatte ihm die Ehrlichkeit ihres Leaders schon noch größeres Leid erspart. Ruki fiel da besonders ein Tag vor nicht allzu vielen Jahren ein. „Klar, er wär sonst nicht unser Leader.“ Ruki zuckte mit den Schultern und folgte Uruha dann nach draußen, wo sie sich zwei Hocker an der Theke nahmen.
 

Kurz warf er einen Blick in die große Runde von Band und Staff, aber die schien ihre Abwesenheit gar nicht zu stören und es schien auch niemand bemerkt zu haben, dass sie sich ein bisschen Zweisamkeit gönnten.

Uruha winkte dem Kellner zu, der kurz danach zwei Biergläser vor ihnen abstellte. Ruki nahm einen Schluck, aber tat nichts, um die Stille zu brechen. Schließlich hatte der Gitarrist mit ihm reden wollen.
 

„Ich vermisse das hier“, meinte dieser dann nach einer Weile.

„Was? Das verlegene Schweigen?“, schnaubte Ruki, woraufhin Uruha auflachte.

„Nein, aber ich vermisse es, wie du mich mit deinen zynischen Kommentaren immer zum Lachen bringst. Und ich vermisse es, Zeit mit dir zu verbringen. Ich vermisse dich.“

Ruki wollte das nicht hören. „Du kannst mich gar nicht vermissen. Wir sind ständig zusammen.“

Uruha erwiderte nichts, sondern sah den Sänger einfach nur an. Und der Blick sagte alles. Ruki wusste, was der Andere meinte. Seit dem Vorfall damals hatte sich ihre Beziehung verändert. Ja, sie waren noch Freunde, aber sie standen sich nicht mehr so nahe wie sie es damals getan hatten.

„Die letzten paar Wochen haben mir erst richtig gezeigt, wie sehr ich den „alten Ruki“ zurück brauche. Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät?“, fragte Uruha zaghaft.

Ruki deutete ein Nicken an. Zu mehr war er nicht in der Lage. Er hatte sich nie eingestanden, wie sehr er das wollte. Vielleicht hatten sie trotz all dem Schmerz die Chance, die Scherben gemeinsam aufzusammeln. Vielleicht konnten sie doch zusammen sein.
 

Uruha lächelte ihn hoffnungsvoll an und räusperte sich, bevor er weitersprach.

Was würde er jetzt sagen? Würde er nach Rukis Hand greifen und ihn fragen, ob sie zusammen zurück zum Hotel gehen wollen? Würde er ihn küssen und gestehen, dass er Gefühle für Ruki hatte? Und Ruki damit endlich bestätigen, dass all die Fliterei von damals nicht nur ein unbedeutendes Spiel gewesen war.
 

„Das, was du damals getan hast, hat mich schwer verletzt. Aber ich kann deshalb nicht alles andere zwischen uns vergessen. Dafür bist du mir einfach zu wichtig. Ruki, ich verzeihe dir.“
 

Stille.
 

Das waren seine Sätze gewesen. Oder eher, hätten sie sein sollen. Das war genau das, was Ruki eigentlich zu Uruha hatte sagen wollen! Haargenau das gleiche. Uruha war es gewesen, der ihn verletzt hatte. Aber Ruki war mittlerweile so weit, ihm das zu verzeihen. Vor allem diese Tour hatte ihm das gezeigt.

„Was zur… Du verzeihst mir?“, fragte Ruki leise, nur um sicher zu gehen, dass er das auch wirklich richtig verstanden hatte. Er wollte Uruha verzeihen – ihm selbst musste nicht verziehen werden! Er hatte nichts falsch gemacht!

„Ja, ich meine, ich will nicht, dass es zwischen uns so weiterläuft wie die letzten… äh… Jahre. Deshalb…“

„Du verzeihst mir??“, schnitt ihm der Sänger das Wort ab, jetzt eine Spur lauter.

„Ja, das hab ich do-“

„Lass dir mal eins gesagt sein: Ich verzeihe DIR!“

Uruha zog seine Augenbrauen hoch. Er schien völlig verwirrt zu sein.

„Oder zumindest wollte ich das sagen! Aber du hast mir die Worte ja aus dem Mund genommen und ich hab keine Ahnung warum, weil ich keine Ahnung habe, was du mir eigentlich so großzügig zu verzeihen hättest! Du bist doch der, der Scheiße gebaut hat!“ Ruki redete sich in Rage und wusste gar nicht, wo und wie er aufhören sollte. Scheinbar war Uruha anderer Meinung gewesen, was ihren Grund anging, dass sie nicht mehr so gut miteinander auskamen wie früher. Scheinbar hatte Uruha Ruki die ganze Schuld an dem Schlamassel gegeben. Dabei war es doch genau andersrum gewesen! Uruha hatte schließlich die ganze Zeit-

„Ihr könntet ruhig mal wieder zurück an den Tisch kommen. Scheint nicht so als hättet ihr hier super viel Spaß zu zweit“, riss eine Stimme Ruki aus den wild durcheinander fliegenden Gedanken.

Und so störend er diese Person, die sich als Staff-Member herausstellt, auch fand, eigentlich kam sie ihm gerade gelegen. Er hatte keine Lust mit Uruha darüber zu diskutieren, warum dieser der Ansicht war, dass Ruki Schuld an allem hatte. Er musste sich keine Vorwürfe machen lassen. Vielleicht war es gut, wenn sie das Gespräch hier beendeten. Er war viel zu aufgebracht, um ein anständiges Gespräch hinzubekommen, ohne Uruha Vorwürfe zu machen, die er später vielleicht bereuen würde. Zumindest sagte ihm das eine kleine, aber ziemlich penetrante Stimme in seinem Hinterkopf.

Mit einem vernichtenden Blick auf den Gitarristen, der irgendwie ziemlich ratlos schien, schnappte er sich sein Bier und setzte sich zu den anderen zurück an den Tisch. Die anderen Member und der Staff schienen zwar noch immer guter Laune zu sein, für ihn war die Stimmung allerdings ruiniert.
 

*********************** 2013 ***********************
 

Uruha atmete tief durch. Es gab keinen Grund, nervös zu sein. Er würde Ruki einfach fragen, ob sie abends zusammen essen gehen wollen. In Tokyo hatte er das gefühlt schon tausend Mal getan. Nur sollte es dieses Mal mehr sein als ein Essen zwischen zwei Freunden. Und Ruki würde das wissen.
 

Er war sich zu 99 Prozent sicher, dass Ruki zusagen würde. Sie hatten zwar noch nicht über den Kuss in München geredet, aber Uruha hatte Augen im Kopf. Jedes Mal, wenn sie sich ansahen, war da ein Feuer in Rukis Blick und ein fast schüchternes Lächeln auf seinen Lippen. Fast so, als wäre es ihm peinlich, dass er Uruha wie ein hungriges Raubtier anstarrte. Und als würde es ihm gleichzeitig auch gefallen.

Es machte Uruha fast wahnsinnig. Auf eine gute Weise.
 

Trotzdem war da noch dieses eine Prozent, das alles zerstören konnte. Was war, wenn er sich nur einbildete, dass es zwischen Ruki und ihm eine feurige Spannung gab und am Ende war es nur betretene Funkstille? Schließlich hatte der Sänger seit dem Kuss am Vortag nicht das Gespräch mit ihm gesucht. Vielleicht dachte er also, der Kuss sei ein Fehler gewesen und versuchte die Erinnerung zu verdrängen, um ihre Freundschaft zu schützen. Und Uruha würde alles nur noch schlimmer machen, wenn er nach einem Date fragte.
 

Und selbst wenn Ruki der Verabredung zustimmte, wie würde es weitergehen? Würden sie sich wieder küssen oder sogar die Nacht zusammen verbringen? Wäre das klug, oder sollten sie es lieber langsam angehen, wenn sie eine ernste Beziehung haben wollten? Wollte Ruki überhaupt eine ernste Beziehung oder nur eine harmlose Flirterei und ein wenig Spaß?
 

Uruha merkte, dass von seinen tiefen Atemzügen nichts mehr geblieben war und er beinahe hyperventilierte. Ruki um ein Date zu bitten, war eine dumme Idee gewesen. Er sollte zurück auf sein Hotelzimmer gehen. Vielleicht fand er dort etwas um seine Nerven zu beruhigen. Tee. Oder Alkohol.
 

Vor einer Stunde waren sie im Hotel in Helsinki angekommen und morgen hatten sie ihr letztes Konzert der Tour. Es war sehr wahrscheinlich, dass sie nach dem letzten Konzert alle zusammen einen Trinken gehen und auf die gelungene Tour anstoßen würden, deshalb war der heutige Abend der einzige, an dem er Ruki um ein Date bitten konnte. Außer er würde warten bis sie zurück in Japan waren, aber dort gab es wieder so viel Stress und irgendwie war es doch etwas anderes, im Ausland um ein Date zu bitten. Wenn sie nicht in vertrauter Umgebung waren und nicht alles seinen alltäglichen Trott ging.
 

Uruhas Gedankengang trug nicht gerade dazu bei, sein Hyperventilieren zu bekämpfen. Dafür stellte es sich ein paar Sekunden später aber mit einem Schlag ein. Genau genommen atmete Uruha für ein paar Sekunden gar nicht mehr als sich die Tür öffnete, vor der er stand, und Ruki fast gegen ihn rannte.

„Ruha, was machst du denn vor meiner Tür!?“ Der Sänger trug noch immer – oder wieder? – seine große Sonnenbrille. Außerdem hatte er andere Klamotten an. Die keine Klamotten waren, um im Hotelzimmer zu gammeln, so stylisch Ruki auch selbst zu Hause rumlief.

Viel zu überrascht beziehungsweise schockiert über den plötzlichen Überfall sagte Uruha erstmal gar nichts. Musste er auch nicht, denn der andere sprach gleich weiter, senkte den Blick allerdings ein wenig als wüsste er selbst nicht genau, wie er die Sache angehen sollte – zumindest sah es so aus. Uruha konnte das wegen der Sonnenbrille des anderen nicht ganz sicher sagen. „Ich wollte eigentlich gerade rüberkommen und fragen, ob du Lust hast was zu essen. Ich meine… morgen sind wir ja wieder mit der ganzen Truppe unterwegs und ich dachte, dass vielleicht ein wenig weniger Trubel ganz gut wäre?“
 

Ausatmen. Langsam und nicht allzu panisch ausatmen. Das waren die einzigen Gedanken, die Uruha hatte, bevor er ein leises „Klar. In einer Stunde dann?“ stotterte und sich ohne auf Rukis Antwort zu warten auf dem Absatz umdrehte und zurück zu seinem Zimmer marschierte. Mechanisch öffnete er die Tür mit der Karte, die er noch in der Hand hielt, und schloss sie ohne sich noch einmal umzudrehen.
 

Oh Gott, er war ja sowas von am Arsch.
 

Uruha ließ sich auf sein Bett fallen und überlegte kurz, ob er in sein Kissen schreien sollte. Aber das war wahrscheinlich nicht klug. Soweit er wusste, war Aois Zimmer genau neben seinem und die Wände schienen dünn zu sein.
 

Was bedeutete, dass sie heute Nacht auf Rukis Zimmer gehen mussten, wenn das Date gut lief.
 

Ok, jetzt wollte er nur noch mehr schreien und außerdem wurde ihm ganz heiß. War er sich überhaupt sicher, dass es ein Date war? Uruha versuchte die Szene zu rekonstruieren, was ihm leider nicht leicht fiel. Er war noch immer benebelt.

Ruki hatte ihn gefragt, ob sie zusammen essen gehen wollten.

Nein.

Er hatte gefragt, ob sie ALLEINE essen gehen wollen.

Und es schien so als hätte sich Ruki dafür extra umgezogen.

Das deutete alles ganz eindeutig auf ein Date hin!
 

Obwohl Ruki eigentlich jede Chance nutze, um sich stylisch anzuziehen. Seine Arztbesuche wirkten wie die Pariser Fashion-Show. Und es war auch nicht ungewöhnlich, dass sie nur zu zweit essen gingen. Vielleicht hatte der Sänger einfach genug von den vielen Menschen.

Vielleicht würde der Verabredungsort den fehlenden Hinweis bringen…
 

Uruha saß plötzlich kerzengerade im Bett.

„Nein, nein, nein“, murmelte er und schlug sich gegen die Stirn. Er hatte mit Ruki nicht ausgemacht, wo sie sich treffen würden. Sollte er in einer Stunde einfach bei dem Sänger klopfen? Oder holte Ruki ihn ab? Allerdings hatte Ruki so ausgehen, als wolle er das Hotel verlassen…

Es half alles nichts. Uruha musste nachfragen, wo das Vielleicht-Date stattfinden würde.
 

Er griff fluchend zu seinem Handy und sah, dass er eine Nachricht bekommen hatte.

Von Ruki.

„Hier ist der Standort. Wir sehen uns in 45 Minuten. Freu mich (^.-)“
 

Uruha googelte sofort das Restaurant und klickte auf die Galerie-Bilder.

Kleines Restaurant.

Gedämpftes Licht.

Kerzenschein.
 

Definitiv kein Lokal, das man mit einem Kumpel besucht. Und dazu das zwinkernde Emoji!

Uruha führte einen kleinen Freudentanz auf.

Das war mit Sicherheit ein Date! Ruki hatte ihn um ein Date gebeten,

in einem intimen, kleinen Restaurant,

das laut seinem Handy 15 Minuten vom Hotel entfernt war,

und er hatte nur noch 40 Minuten Zeit.
 

Nach 30 Minuten sah sein Zimmer aus wie ein Schlachtfeld.

Der Inhalt seines kompletten Koffers lag auf dem Bett und sogar in dem kleinen Bad verteilt. Er warf zum hundertsten Mal einen prüfenden Blick in den Spiegel, der zwischen Klo und Mini-Wanne über dem Waschbecken befestigt war. Und zum hundertsten Mal fluchte er darüber, dass er darin nicht sein ganzes Outfit betrachten konnte, weil der Spiegel schlichtweg zu klein war.

Sein Handywecker meldete sich schon zum vierten Mal. Er hatte sich selbst einen Timer gesetzt, um den Zeitpunkt nicht zu verpassen, zu dem er das Hotel in Richtung Restaurant verlassen sollte, damit er nicht zu spät kam. Leider hatte er schon dreimal auf den Schlummer-Modus gedrückt und sich eingeredet, dass er schon noch genug Zeit hatte.

Mit einem leisen „Fuck“ machte er die paar Schritte zu seinem Bett, wo sein Handy lag, und schaltete den Wecker letztendlich doch ganz aus. Er musste los. Da führte kein Weg dran vorbei. Wahrscheinlich musste er jetzt schon halb rennen und wenn er noch später losging würde er sprinten müssen und dann schweißüberströmt ankommen – kein toller Gedanke für ein offizielles erstes Date.
 

Uruha schnappte sich sein Handy und warf es in die kleine Männerhandtasche, in der sich schon das Nötigste befand – Geldbeutel, Ausweis, Deo – und warf nochmal einen prüfenden Blick in Richtung Badspiegel, bevor er die Schlüsselkarte aus dem vorgesehenen Schlitz neben der Tür zog. Das Licht und die Klimaanlage schalteten sich automatisch aus und Uruha nickte kurz. Es war Zeit. Wenn er sich jetzt beeilte, würde er sogar noch rechtzeitig im Restaurant ankommen!
 

Tatsächlich war er letztendlich zwei Minuten zu spät. Absolut in Ordnung, wie er fand! Schließlich musste man ja nicht schon total gelangweilt und wartend am Tisch sitzen. Das sah ja aus als könnte er es gar nicht mehr erwarten! Nicht, dass das nicht der Wahrheit entsprach, aber er musste es Ruki ja nicht direkt gleich auf die Nase binden. Er sah sich einmal im Restaurant um, aber konnte den Sänger nirgends sehen. Eigenartig. Gab es vielleicht einen Außenbereich oder einen Nebenraum? Oder einen Privatbereich, wo sie ganz alleine sein konnten …

„Entschuldigung, kann ich Ihnen helfen?“, wurde Uruha von einem Kellner auf Englisch angesprochen.

„Ja, ich bin auf der Suche nach meinem … also … Ich bin hier verabredet“, versuchte es der Gitarrist in gebrochenem Englisch.

Unter welchem Namen Ruki wohl reserviert hatte? Bevor Uruha sein Rate-Spiel beginnen konnte, zeigte der Kellner schon freudestrahlend auf einen der Plätze.

„Natürlich! Ihr Freund war vorhin hier und hat sich den Tisch dort hinten am Fenster ausgesucht. Da ist man ein wenig ungestört. Ein sehr schöner Platz.“

Der Gitarrist sah den Mann verwirrt an und sein Lächeln verschwand.

„Oh… es war ein asiatischer Mann vor ein paar Stunden hier, deshalb dachte ich, es handele sich um Ihre Verabredung, was etwas voreilig war. Entschuldigen Sie bitte, ich …“

„Nein, nein!“, unterbrach Uruha lachend. „Das war er sicher! Vielen Dank.“
 

Er ließ sich von dem Kellner an ihren Platz führen und setzte sich zufrieden hin. Der Tisch stand tatsächlich etwas weiter abseits von den anderen, so dass man seine Zweisamkeit genießen konnte. Gleichzeitige gewährte die Fensterfront einen Ausblick auf einen wunderschönen kleinen Garten. Uruha konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Der Platz war perfekt und was anderes hätte er von Ruki bei einem ersten Date auch nicht erwartet.
 

Allerdings hätte er aber auch erwartet, dass der Sänger überpünktlich sein würde.

Vielleicht hatte er sich wie Uruha selbst zu sehr in Gedanken verloren.

Das gab dem Gitarristen wenigstens noch Zeit, um einen ersten Blick in die Karte zu werfen …

… und um auf seinem Handy nach den japanischen Übersetzungen für die Gerichte zu suchen.

… und um sich für ein Gericht zu entscheiden.

… und um sich lieber für ein anderes Gericht zu entscheiden.

… und um sich doch wieder für das erste Gericht zu entscheiden.
 

Seufzend legte Uruha die Karte zur Seite und griff nach seinem Handy. Inzwischen war Ruki 15 Minuten zu spät.

Sie hatten sich alle mobiles Internet geliehen, um auch im Ausland nicht völlig hilflos in der nächsten Gasse zu enden. Also könnte Ruki ihn eigentlich jederzeit erreichen und sagen, dass er sich verlaufen hatte oder noch an seinem Styling saß oder beim Shopping die Zeit vergessen hatte, aber nichts. Uruhas Handy gab keinen Mucks von sich.

Sollte er Ruki einfach mal anschreiben und fragen, wo er blieb? Bei manchen Leuten war es normal, dass sie Verspätung hatten und auch bei Ruki kam es ab und zu vor, aber es verwirrte ihn schon sehr. Der andere war schließlich vorher schon dagewesen und hatte sich extra ein Tisch ausgesucht, damit auch alles perfekt wurde!
 

„Möchten Sie schon bestellen?“, riss ihn der Kellner von zuvor auf Englisch aus seinen Gedanken.

„Nein nein“, Uruha schüttelte schnell den Kopf und deutete auf sein Handy. „Ich warte noch.“ Er war froh, dass er zumindest irgendwelche englischen Worte herausbrachte, die der Kellner verstand. Der nickte ihm ein wenig mitleidig zu und verschwand dann zum nächsten Tisch, um dort die Bestellung aufzunehmen.
 

Weitere zehn Minuten später, in denen sich Uruha alle möglichen Szenarien ausgemalt hatte, griff er genervt und besorgt zugleich nach dem Handy auf dem Tisch, das er vor vier Sekunden erst dorthin gelegt hatte.

„Alles okay bei dir? Verspätest du dich?“ Er versuchte nicht genervt zu klingen, als er Ruki eine Nachricht schrieb. Vielleicht sollte er lieber anrufen, aber er war sich nicht sicher, wie anklagend seine Stimme klingen würde. Schließlich ließ ihn Ruki seit einer knappen halben Stunde wie bestellt und nicht abgeholt an diesem Tisch in einem fremden Land sitzen. Alle sahen ihn schon neugierig und mitleidig an und er wusste nicht, wie lange er hier noch so sitzen wollte. Andererseits wollte er auch nicht aufstehen und gehen. Wer wusste schon, warum Ruki noch nicht da war? Vielleicht würde er ja in dem Moment kommen, in dem Uruha außer Sichtweite des Restaurants war!

Also blieb Uruha weiter sitzen und starrte stur aus dem Fenster. Er sah aus dem Augenwinkel, wie der Kellner immer wieder in seine Richtung sah und irgendwann dann doch erneut vor ihm stand.
 

„Wie sah der Mann denn aus, der hier reserviert hat?“ fragte der Gitarrist direkt, bevor sein Gegenüber überhaupt den Mund aufmachen konnte. Nur allein bei dem mitleidigen Blick des Kellners wäre Uruha am liebsten im Boden versunken

„Es war ein etwas kleinerer asiatischer Mann in schwarzer Kleidung und blonden Haaren. Er…“

„Ja, in Ordnung“, schnitt Uruha dem Mann das Wort ab. Er wusste, wie unhöflich er sich gerade benahm, aber die ganze Situation war ihm nur noch schrecklich unangenehm.

Dem Kellner ging es scheinbar ähnlich, denn er schenkte dem Gitarristen ein gequältes Lächeln: „Aber möchten Sie denn nicht bereits etwas zu trinken bestellen, während Sie… warten?“

Uruha merkte, wie ihm der Kopf rot anlief. Er musste hier raus und zwar sofort.

„Nein, das ist schon ok. Ich gehe jetzt einfach und mach den Tisch für jemanden frei, der…“ nicht versetzt wurde.

Er sprach die Worte nicht aus, aber das musste er auch gar nicht. Er wusste, was er meinte. Der Kellner wusste, was er meinte. Das ganze Restaurant wusste wahrscheinlich, was er meinte.
 

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, schnappte er seine Jacke und verließ fluchtartig das Gebäude.

Uruha war froh, dass er sich im Ausland befand. Wäre ihm das in Tokyo passiert, hätte er sich die nächsten Jahre nicht mehr in dem Viertel blicken lassen.

Was war nur mit Ruki los? Uruha hatte über 45 Minuten gewartet. War etwas vorgefallen und etwas stimmte mit Rukis Handy nicht? Am besten war es, einfach zurück ins Hotel zu gehen und den Sänger zu suchen.
 

Kurze Zeit später stand Uruha bereits vor der Hoteltür des Sängers. Er wollte gerade klopfen, aber nahm dann doch die Faust wieder runter. Sein Puls war viel zu hoch. Das war nicht verwunderlich nach seinem peinlichen Abgang im Restaurant und dem Stechschritt mit dem er zurück ins Hotel gerast war. Er sollte kurz zur Ruhe kommen, bevor er bei Ruki klopfte. Es gab wahrscheinlich eine einfache und plausible Erklärung und sie würden ihr Treffen einfach umplanen.
 

„Das würde ich mir an deiner Stelle zweimal überlegen.“ Uruha drehte sich erschrocken herum und sah Kai vor sich stehen. „Ruki meinte zu mir, dass er heute nicht mehr gestört werden will.“

Uruha starrte ihn und die beiden Dosen Bier in dessen Hand an.

„Ich bin auf dem Weg zu Reita, um ein paar Rhythmen durchzugehen.“ Kai hob die Hände mit den Dosen leicht an und zuckte mit den Schultern. „Aber Ruki war vorhin ziemlich gereizt und meinte, er will nicht gestört werden.“

„Aber eigentlich wollten wir…“ heute schön romantisch gemeinsam essen gehen und sehen wohin uns der Abend noch bringen würde. „…das auch machen. Rhythmen durchgehen. Melodien und so.“ Und ihre Gefühle. Vielleicht. Aber Rukis Rückzug war scheinbar auch so schon deutlich genug.

„Also ich hab ihn vor Kurzem erst gesehen und da sah er nicht gerade umgänglich aus. Du kennst ihn doch. Lass es lieber. Oder schreib ihm kurz ne Nachricht, ob ers sich anders überlegt hat“, empfahl Kai.

Und um ein Haar hätte Uruha aufgelacht. Ruki hatte es sich bereits anders überlegt. Sie hatten sich zu einem Date verabredet – unmissverständlich! – und Ruki hatte es sich anders überlegt. Keine Nachricht. Keine Entschuldigung oder Erklärung. Nichts. Sein Handy hatte der Gitarrist schließlich alle paar Sekunden gecheckt.

„Okay, mach ich“, meinte er nur zu Kai, bevor er etwas ZU unbeschwert auf sein Zimmer im gleichen Stockwerk zuschlenderte. Wo hatte er eigentlich diese verdammte Schlüsselkarte hingesteckt? Und wieso fühlte er sich von Kai so beobachtet? Er spürte seinen Blick im Nacken.

Die Hitze stieg ihm ins Gesicht. Er wollte doch einfach nur in sein gottverdammtes Zimmer!
 

Endlich erinnerte er sich, dass er seine Schlüsselkarte sicher in seinem Geldbeutel in seiner kleinen Tasche verstaut hatte, steckte sie in den dafür vorgesehenen Schlitz und öffnete die Tür. Kurz drehte er sich noch zu Kai um, der ihn – sofern er das auf den kurzen Blick hin beurteilen konnte – ein wenig besorgt ansah, hob die Hand und ging gezwungen ruhig in sein Zimmer, bevor er die Tür ebenfalls gezwungen ruhig hinter sich schloss.

Tokyo

This is almost the end! After this one there is only one more chapter ;D

Thank you very much for your comments!!!
 

*********************** 2016 ***********************
 

Kai war aus der Puste. Er wusste, dass er einfach langsamer laufen sollte, aber das war nicht möglich. Schließlich war er an dem ganzen Unheil schuld. Naja, zumindest mitschuld.

Trotzdem machte es keinen Sinn im Stechschritt durch Tokyo zu rasen. Sie befanden sich bereits seit Helsinki in dieser Situation. Das war eine Woche her. Da machten diese paar Minuten wohl keinen Unterschied mehr. Abgesehen davon, dass der ganze Ursprung des Problems schon drei Jahre her war!
 

Trotzdem konnte Kai nicht anders als sogar noch ein bisschen schneller zu werden, als die Fußgänger-Ampel endlich auf grün sprang. Uruha und Ruki waren schließlich seine Freunde und er wollte, dass sie glücklich waren. Außerdem war es als Band-Leader seine Aufgabe für Harmonie zu sorgen. Und nach Harmonie sah das in der letzten Woche nicht aus…

Kai lief ein kalter Schauer über den Rücken, als er daran dachte, wie sich die beiden die letzten Tage verhalten hatten. Ihm war direkt an dem Abend in Helsinki aufgefallen, dass etwas nicht stimmte, aber hatte es auf den Alkohol und die Müdigkeit geschoben. Am nächsten Morgen dachte er, die beiden hätten einen Kater und wären deshalb so still und mürrisch.

Nur wurde ihr Verhalten nicht besser.
 

Ruki und Uruha hatten selbst beim Tourfinale in Moskau kein Wort miteinander gewechselt und auch den anderen Bandmembern meistens die kalte Schulter gezeigt. Wenn einer der beiden dann doch mal das Wort ergriffen hatte, dann kam von dem anderen oft ein Augenrollen oder ein abfälliges Schnauben.

Und die Todesblicke! Kai wusste nicht, ob er einen solchen Blick überleben könnte. Zu allem Überfluss hatte er das Gefühl, dass die ganze Situation nur noch schlimmer wurde. Auf dem Rückflug nach Japan hatte Uruha so ausgesehen als ob er gleich explodieren würde und Ruki hatte Aoi fast den Kopf abgerissen, als er ihn gefragt hatte, was eigentlich los sei.

Seitdem hatte niemand das Thema noch einmal aufgegriffen, aber Kai konnte es nicht ruhen lassen. Ständig hatte er sich Gedanken darüber gemacht. Und letztendlich war der Geistesblitz gekommen. Er hatte ihn regelrecht zu Boden geworfen und seine Augen geöffnet. Höchstwahrscheinlich. 100 % sicher war er sich nicht, aber er musste es einfach wissen. Und die Wahrscheinlichkeit, dass er richtig lag, war sehr groß.
 

Das Haus, in dem sich auch Rukis Apartment befand, kam in Sicht und nach ein paar weiteren endlos langen Minuten öffnete er endlich die Eingangstür zum Apartmentkomplex. Es dauerte ihm viel zu lange, bis der Aufzug kam, also stieg er die paar Treppen zu Rukis Wohnungstür nach oben. Er hörte dumpfe Musik durch die Wohnungstür. Harte, aggressive Musik. Na toll, wahrscheinlich nicht gerade der beste Moment, um mit Ruki zu reden, aber wann war denn schon ein guter Moment für sowas? Er hatte es echt verkackt und musste es jetzt wieder geradebiegen. Das war doch auch irgendwie seine Aufgabe als Leader. Und als Bandkollege. Und als Freund.

Er hatte keine Ahnung, ob er das wieder gradebiegen konnte oder ob es dafür nicht schon längst zu spät war, aber es konnte nicht so weitergehen, wie es die letzten paar Tage ging. Das war nicht auszuhalten! Und auch nicht fair den beiden gegenüber.
 

Kai holte nochmal Luft, versuchte seine Atmung zumindest etwas zu beruhigen und klingelte dann. Zuerst passierte gar nichts, also klingelte er nochmal. Jetzt hörte er, wie die Musik leiser gestellt wurde und sich die Tür öffnete. Ruki stand in seinen Hausklamotten, einem langen Shirt und einer lockeren Hose, in der Tür. „Hey“, sagte er nur kurz und sah ihn dann wartend an.

„Kann ich kurz reinkommen? Ich muss was mit dir besprechen.“ Kai nickte Richtung Wohnung, zu der Ruki ihm den Zugang versperrte.

„Wenn wieder um Uruha geht…“

„Ruki, bitte!“ Er wollte das jetzt nicht hier im Flur besprechen.

„Nee, dann kannst du gleich wieder gehen. Ihr müsst euch da echt nicht einmischen. Das klären wir alleine.“

„Tut ihr ja scheinbar nicht!“, rutschte es ihm ein wenig ungeduldiger raus als er sich geben wollte. Okay, das klang vorwurfsvoll. Dabei konnten die beiden das ja gar nicht richtig klären. Schließlich wussten sie ja gar nicht, was passiert war!

Ruki hatte scheinbar wirklich keine Lust auf ein solches Gespräch, denn als Antwort wollte er gerade wieder die Tür schließen. Da machte Kai einen Schritt nach vorne und schaffte es, sie aufzuhalten. „Ruki, ich hab Scheiße gebaut.“
 

*********************** 2013 ***********************
 

Kai seufzte und starrte völlig verzweifelt auf das Blatt. Er konnte die Worte einfach nicht entziffern. Er trank einen weiteren Schluck Kaffee in der Hoffnung, das Koffein würde seine Sehstärke unterstützen. Natürlich war das nicht der Fall. Außerdem war das Problem nicht seine Augen, sondern die Schrift.

Er stöhnte und führte die Tasse wieder an den Mund. Er hatte sich eigentlich geschworen, dass er so spät am Abend keinen Kaffee mehr trinken würde. Das Versprechen hatte er sich allerdings vor dieser Welttour gegeben. Kai war bewusst, dass sie mit dieser Tour eine wunderbare Zeit und eine unglaubliche Gelegenheit hatten. Trotzdem würde er drei Kreuze und zehn Luftsprünge machen, wenn am nächsten Tag das Helsinki-Konzert vorüber war und sie sich danach wieder auf den Weg nach Japan befanden.

Und er hatte für den heutigen Abend nur noch eine Aufgabe und das war, die schreckliche Handschrift dieses Sängers zu lesen und dann konnte er endlich …
 

Kai ließ den Gedanken sofort fallen, als die besagte Person plötzlich in seinem Blickfeld auftauchte.

„Ruki!!“, rief Kai laut und ignorierte die Gäste des Hotelrestaurants, die sich alle zu ihm umdrehten. Was für ein Glück, dass er auf der Terrasse saß und von hier aus einen perfekten Blick auf den Hotelausgang hatte! Er winkte dem Sänger euphorisch zu, der sehr zögerlich dreinblickte und dann doch tatsächlich weitergehen wollte.

Das könnte ihm so passen…

„Hey! Ruki!!“

Der Angesprochene blieb sofort stehen und machte sich dann seufzend auf den Weg zu Kais Tisch. Dieser lächelte in sich hinein. Die Leader-Stimme funktionierte am Ende immer.
 

„Kannst du vielleicht noch lauter brüllen?“, war dann die genervte Begrüßung mit welcher der Drummer allerdings schon gerechnet hatte.

„Ja, kann ich und das weißt du auch. Setz dich kurz.“

„Kai, ich hab jetzt eigentlich keine Zeit. Ich muss los.“

„Dann hör auf zu nörgeln und setz dich hin. Ich brauch deine Hilfe.“

Der Sänger seufzte theatralisch und ließ sich auf den Stuhl fallen. „Was is?“

„Ich kann beim besten Willen nicht entziffern, was du da als Setlist aufgeschrieben hast. Kannst du mir bitte das Encore vorlesen? Sind das überhaupt Songs von uns?“

Der Sänger nahm den Zettel entgegen und las vor: „Shiver, Ruder, Linda.“

Kai sah seinen Gegenüber verblüfft an. „Das hast du dir doch gerade ausgedacht.“

„Nein Kai, so heißen unsere Songs wirklich.“ Ruki verdrehte die Augen und gab dem Leader den Zettel wieder zurück. „Wie lange sind wir jetzt schon in einer Band? Mittlerweile müsstest du unsere Handschrift wirklich lesen können.“

„An deine werd ich mich nie gewöhnen. Und an Uruhas auch nicht. Besonders wenn er unter Epiphanie leidet.“

„Unter was?“

„Epiphanie. Das ist…“ Kai musste schmunzeln als er an sein und Uruhas Gespräch auf einer der Pyramiden in Mexiko zurückdachte. Er war sich immer noch nicht ganz sicher, was der andere eigentlich genau damit gemeint hatte, aber wirklich viel Zeit, um das rauszufinden, hatte er auch nicht gehabt. Außerdem war das Gespräch zu einem viel spannenderen Thema abgedriftet.

„Ach, vergiss es. Nur der Künstlername seines Lovers.“ Er nahm einen der anderen Zettel auf dem Tisch in die Hand, der den Zeitplan für ihr Konzert in Helsinki enthielt, nahm aber aus den Augenwinkeln wahr, dass Ruki sich nicht vom Fleck gerührt hatte. Im Gegenteil. Es schien als wäre der Sänger zu Eis erstarrt, so unbewegt sah er ihn an. „Was?“, brachte er schließlich raus.

„Nein, Epiphanie hat eigentlich was mit einer Gottheit zu tun oder so. Ich hab das nur kurz gegooglet, als Uruha das neulich erwähnt hat. Keine Ahnung, was er damit meinte. Vielleicht ist es ja doch der Name seines Lovers.“

„Wie kommst du drauf, dass er nen Lover hat?“

Kai legte den Zeitplan zur Seite. Ruki klang anders als sonst. Normalerweise interessierten ihn Gerüchte und Geschichten über die anderen Bandkollegen eher weniger. Er war der Meinung, jeder sollte tun, was er wollte, solange er die Band nicht offensichtlich in Gefahr brachte. Jetzt schien er aber tatsächlich Interesse an dem Thema zu haben. Vielleicht fielen für ihn „Beziehungen“ ja in die Kategorie „Gefahr für die Band“?

„Hats mir gesagt.“ Kai zuckte kurz mit den Schultern, aber Ruki starrte ihn nur an ohne einen Laut von sich zu geben. „Wärst du mit zu den Pyramiden gekommen, hättest dus aus erster Hand hören können! Aber ihr wart ja alle zu faul.“

„Er hat dir also gesagt, dass er eine Beziehung hat?“, fragte der Sänger erneut. Kai war kurz davor die Augen zu verdrehen. Er hatte wirklich andere Dinge zu tun, als Gerüchteküche zu spielen. „Nich Beziehung, aber schon… irgendetwas. Frag ihn doch… Hey!!“ Der Drummer schreckte zusammen, als Ruki plötzlich von seinem Stuhl aufsprang.

„Ich geh auf mein Zimmer“, teilte der Sänger mit kalter Stimme mit. „Und ich möchte nicht gestört werden.“

„Wolltest du nicht …“ Kai vergaß den Rest seines Satzes als Ruki ihm die Setlist aus der Hand riss.

„Die überarbeite ich auch nochmal.“

Der Drummer konnte gar nicht so schnell reagieren, wie Ruki dann plötzlich wieder im Hotel verschwunden war. Eigentlich sollte er nicht zulassen, dass der Sänger jetzt noch etwas an der Setlist änderte, doch bei diesem Stimmungsumschwung blieb Kai lieber aus der Schussbahn.

Außerdem war es nicht das erste Mal, dass der Sänger einen dramatischen Abgang hingelegt hatte. Am besten war es dann, ein paar Stunden abzuwarten bis alles vorbei war.

Und auch wenn die Situation nicht weiter ungewöhnlich gewesen war, beschlich Kai ein mulmiges Gefühl, dass er den ganzen Tag nicht mehr losbekam.

Irgendetwas war schiefgelaufen.

Tokyo - Uruhas Wohnung

*********************** 2016 ***********************
 

Ruki starrte Kai fassungslos an. Er konnte die Geschichte nicht glauben, die er gerade gehört hatte.

„Du verarscht mich doch, oder?“

„Es tut mir echt leid, auch wenn ich immer noch nicht genau weiß, was ich angerichtet habe. Fakt ist, dass Uruha 2013 bei dem Ausflug zu den Pyramiden mit einer Person geschrieben hat, in die er ganz offensichtlich verknallt war. Dann hab ich dir weiterzählt, dass er in einer Art Beziehung ist. Und seit dem Gespräch ist die Lage zwischen euch beiden angespannt.“

Rukis Gehirn hörte nicht auf zu arbeiten. ER hatte mit Uruha geschrieben, als dieser auf den Pyramiden war. Dann war er derjenige in den Uruha „offensichtlich verknallt“ war? Und all die schönen Erlebnisse auf der Welttour 2013 waren kein krankes Spiel des Gitarristen, sondern er hatte das alles wirklich ernst gemeint?

Oder hatte Uruha noch mit einer anderen Person geschrieben? Wenn ja, dann würde er sich in der nächsten Stunde komplett zum Affen machen. Denn eines stand fest: Ruki musste das klären. Ihm blieb gar keine andere Wahl, denn sonst würde dieses Thema niemals ruhen und er selbst würde auch keine Ruhe mehr finden.
 

Es würde die Band nicht zerstören, egal wie das ganze ausging. Höchstwahrscheinlich zumindest. Sie waren erwachsene Menschen und the GazettE viel zu wichtig für sie alle. Außerdem hatten sie die letzten drei Jahre so überstanden. Es war manchmal zwar nicht gerade einfach gewesen, aber er und Uruha hatten trotz der Spannungen ein paar gute Jahre verbracht. Sie hatten die Band und auch die Freundschaft der fünf aufrechterhalten, trotz der unausgesprochenen Probleme.
 

Ruki schluckte, als ihn die Erkenntnis traf. Wenn Uruha wirklich in ihn verliebt gewesen war, dann war er, Ruki, Schuld an dem ganzen Debakel. Er hatte durch Kais Erzählung angenommen, dass Uruha etwas mit jemand anderem hatte. Mit jemandem, den er vor der Tour sowie nach der Tour niemals zu Gesicht bekommen hatte. Von dem Uruha niemals erzählt hatte. Und von dem auch sonst niemand wusste. Wie bescheuert war er eigentlich?? Sie hingen ständig aufeinander, allein wegen der Arbeit. Ruki oder zumindest die anderen hätten doch irgendwann mal etwas über Uruhas „Lover“ aufschnappen müssen! Außer der Geschichte, die Kai in Umlauf gebracht hatte.

Und wenn dieser Lover wirklich Ruki gewesen war, dann war es nicht er gewesen, der das ganze beendet hatte? Indem er nicht zu dem Date gegangen war, das sie beide in Helsinki gehabt hätten? Dieses Date, das eigentlich dazu geplant war, reinen Tisch zu machen und sie beide den nächsten Schritt machen zu lassen. Oh Gott, das war ihr Schlussstrich gewesen, oder?

Ruki dachte nach. Seit dem Tag hatte sich die Beziehung zwischen ihnen abgekühlt.
 

Okay, jetzt ging es nicht mehr nur darum, herauszufinden, ob Uruha in ihn verliebt gewesen war. Jetzt ging es darum, Schadensbegrenzung zu betreiben und Missverständnisse aufzuklären! Vielleicht war alles zu spät und vielleicht hatte er alles falsch verstanden und vielleicht wäre es besser, das Thema ruhen zu lassen, aber das war jetzt unmöglich geworden.
 

Er warf Kai einen vernichtenden Blick zu. „Du.“

Der Drummer hob abwehrend beide Hände: „Ich verspreche dir, ich halte mich ab jetzt aus der Geschichte komplett raus.“

Ruki schüttelte nur den Kopf. Er hatte eine andere Idee.
 

___
 

Ruki klopfte an die Tür. Einmal. Zweimal. Uruha musste einfach zu Hause sein. Der Sänger brauchte Antworten und er wusste nicht, was er tun sollte, wenn Uruha nicht... Dann hörte er von der anderen Seite der Tür Schritte und ein einrastendes Vorhängeschloss. Die Wohnungstür öffnete sich einen Spalt.

„Wer ist da?“

„Ich bin's“, kam Rukis unnötige Antwort, während er sich so im Flur platzierte, dass Uruha ihn sehen konnte.

„Und was willst du?“

„Kann ich reinkommen?“

„Wieso?“

„Lass mich doch einfach rein.“

„Ich hab nicht wirklich Lust dich zu sehen.“
 

Ruki seufzte. Er konnte die Feindseligkeit gut verstehen. Wäre Uruha vor einer Stunde vor seiner Wohnung erschienen, dann hätte er sicher auch so reagiert.

„Beantworte mir wenigstens eine Frage“, flehte der Sänger.

Es kam kein Laut von der anderen Seite also redete er weiter: „Hast du während der Welttour 2013 jemanden gedatet?“

„Was?!“ Scheinbar war Uruhua näher an die Tür getreten, denn jetzt konnte Ruki endlich sein Gesicht sehen. Und es sah nicht sehr glücklich aus.

„Bitte, antworte einfach auf die Frage.“ Ruki brauchte diese Antwort. Hatte sie schon vor drei Jahren gebraucht.

„Das geht dich zwar einen Scheiß an, aber nein. Ich war während der Tour single und bin auch als Single zurück nach Japan.“ Die letzten Worte klangen verbittert ¬– vielleicht sogar vorwurfsvoll.

Ruki schluckte. Damit wurde seine Vermutung bestätigt. Uruha hatte damals nicht mit Rukis Gefühlen gespielt. Alles war ein riesiges Missverständnis gewesen.
 

„Ok, wenn die Fragestunde jetzt rum ist, dann kannst du ja wieder gehen.“
 

„Warte!“ Ruki schob seinen Fuß in die Tür als Uruha sie gerade schließen wollte. Er unterdrückte einen kleinen Schmerzensschrei und verfluchte, dass er einmal keine Stiefel, sondern Stoffschuhe trug. In Filmen sah das einfacher aus.

„Ich versteh ja, wenn du nicht mit mir reden willst“, meinte Ruki und hoffte, dass sein Plan funktionierte, als er Uruha sein Handy durch die Türspalte reichte. „Aber Kai hat dir etwas zu sagen, das dich interessieren könnte.“

„Was hat denn Kai jetzt damit zu tun, ob ich vor drei Jahren single war?“

„Ruha, bitte!“ Ruki wurde jetzt selbst ein wenig ungeduldig und hatte auch einfach nur Angst, dass Uruha nicht mitmachte. Kai war am anderen Ende der Leitung und konnte alles aufklären und er glaubte, dass es wirklich sinnvoller wäre, wenn der Leader Uruha erzählte, was er angerichtet hatte. Erstens war er ihnen beides das sowas von schuldig und andererseits hörte Uruha Ruki ja sowieso nicht zu.

Er schob das Handy noch ein Stück weiter durch den Türspalt und unterdrückte ein erleichtertes Seufzen, als es ihm dann doch aus der Hand genommen wurde.
 

„Was ist?“, kam es von der anderen Seite der Tür. Dann folgte Stille.

Ruki merkte, wie der Druck auf seinen Fuß nachließ. Scheinbar versuchte Uruha nicht mehr, die Tür mit Gewalt zu schließen, also zog er Sänger seinen vor Schmerz leicht pochenden Fuß wieder aus dem Türspalt – und wartete.

Von der anderen Seite kamen nur ein paar kleine Zustimmungen. Scheinbar war es Kai gelungen, Uruha zumindest am Telefon zu behalten.

„Du hast was??“

Ruki zuckte kurz bei den lauten Worten zusammen, verstand aber schnell, dass sie nicht an ihn gerichtet waren.

„Bist du noch zu retten??“

Wieder kurze Stille.

„Ist dir eigentlich klar, was du-“

Die Worte brachen ab. Scheinbar wollte sich Kai erklären.

Plötzlich erschien Uruhas Gesicht im Türspalt, verschwand aber sofort wieder. „Ja, ist noch da.“

Ruki spürte wie sein Herz einen Takt schneller schlug.

„Wir sprechen uns noch.“

Er wusste, dass die Worte nicht an ihn, sondern höchstwahrscheinlich an Kai gerichtet waren, aber das klang sehr nach dem Ende des Telefonats und plötzlich wurde Ruki bewusst, dass, sobald Kai oder Uruha aufgelegt hatten, er selbst wieder in Aktion treten musste. Würde der Größere mit ihm reden oder knallte er ihm jetzt erst recht die Tür vor der Nase zu?
 

*********************** 2016 ***********************
 

Uruha legte das Handy auf seinen Couchtisch. Er konnte nicht fassen, was Kai ihm gerade erzählt hatte. Ruki hatte tatsächlich angenommen, dass er 2013 in einer Beziehung gewesen war. Deshalb hatte er ihn damals versetzt. Irgendwie auch verständlich. Uruha hätte wahrscheinlich auch so gehandelt. Und trotzdem fiel es ihm schwer einfach alles zu vergessen. Die letzten Wochen, Monate, JAHRE – es war eine emotionale Achterbahn gewesen und er hatte keine Ahnung, wie die Fahrt jetzt weiterging. Er brauchte Alkohol.
 

Der Gitarrist ging zu seiner Glasvitrine, in der er seinen Alkohol aufbewahrte. Seine Hand schwebte über dem Wein, aber er zögerte. Wein war zu schwach. Vielleicht lieber einen…

„Der Whiskey steht hinten rechts. Ich glaube, das wäre jetzt eher angebracht.”
 

Uruha musste sich nicht umdrehen, um zu verstehen, was passiert war. Ruki hatte die Wohnungstür leise geschlossen und stand jetzt in seinem Wohnzimmer. Der Gitarrist wusste nicht, was er davon halten sollte, also nahm er stumm die Whiskey-Flasche und schenkte zwei Gläser ein.

„Ich war mir nicht sicher, ob ich reinkommen sollte. Also... ich wollte reinkommen und mit dir reden. Aber ich wusste nicht, ob du mich hier haben willst”, meinte Ruki leise. Uruha drückte ihm das Glas in die Hand und hoffte, das würde die Frage beantworten.

„Dein Handy liegt auf dem Tisch.”

Ruki sah ihn verwirrt an, also zeigte Uruha auf das Gerät. „Du hast es mir gegeben, um mit Kai zu reden.”

„Achso! Ja... stimmt. Danke.” Der Sänger griff nach dem Smartphone und ließ es fast fallen, bevor er es umständlich in seine Tasche packte. Uruha wusste nicht, wann er Ruki das letzte Mal so nervös gesehen hatte. Es war ganz deutlich zu sehen, dass der Sänger gerade genauso verloren war wie Uruha selbst. Er wirkte angespannt und überfordert.
 

Und trotzdem war er hier. Ruki war extra zu ihm gekommen, um das Missverständnis zu klären und hatte sich in seine Wohnung getraut, obwohl er nicht vorhersehen konnte, wie der Gitarrist reagieren würde. Er wollte etwas aufklären, was so viele Jahre zurücklag und doch gar nicht mehr wichtig war.

Nein. Falsch. Es war sehr wichtig. Vielleicht sogar das wichtigste Missverständnis, das es je in seinem Leben gegeben hatte. Und die wichtigste Sache, die es aufzuklären gab.

Vielleicht würde es nichts ändern und vielleicht wollte er Rukis Erklärung dazu auch gar nicht wirklich hören, aber da war dieser winzige Funken, der seit dem Telefonat mit Kai irgendwo ganz versteckt aufzuleuchten begonnen hatte. Uruha wusste nicht, ob er diesen Funken nähren sollte oder nicht, aber ihm war klar, dass er Ruki die Chance geben musste, etwas zu dieser Sache zu sagen. Und vielleicht sollte er selbst auch etwas zu der Sache sagen. Schließlich hatte er ja nach dieser „Abfuhr“ damals im Restaurant auch keinen weiteren Schritt mehr unternommen. Er war gekränkt gewesen. Und hätte Ruki schon damals darauf ansprechen sollen.
 

Auf das Chaos im Leben, dachte Uruha und nahm einen großen Schluck vom Whiskey. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Ruki es ihm gleichtat. Es fühlte sich fast so an als würde purer Alkohol seine Kehle runterbrennen, aber es fühlte sich gut an. So, als würde er dadurch einen kühleren Kopf bekommen – was natürlich Quatsch war. Schließlich passierte eher das Gegenteil, aber irgendwie half es ihm runterzukommen.

Anschließend machte der Sänger einen Schritt auf das Sofa zu, blieb dann aber unschlüssig stehen. Auch Uruha fand es seltsam, sich zu setzen. Dafür war er zu ruhelos.
 

„Ich war wütend“, brachte er schließlich über die Lippen. „Du hast mich sitzenlassen.“ Es sollte eigentlich gar nicht so anklagend klingen, wie es aus seinem Mund kam. „Du warst danach so abweisend und ich dachte halt, du hast es dir anders überlegt.“ Eigentlich wollte er nur erklären, warum er nach diesem Restaurant-Debakel nicht mehr versucht hatte, auf Ruki zuzugehen. „Aber vielleicht hätte ich dich einfach darauf ansprechen sollen. Wieso du nicht zum Essen gekommen bist. Das hätte vieles direkt geklärt. Vielleicht wären wir dann…“

Nein. Er wollte zuerst Rukis Meinung hören. Um sich in seinem Redefluss zu stoppen, nahm er einen weiteren Schluck aus dem Glas.

“Ja.... ja, vielleicht.” Der Sänger sah den Gitarristen verzweifelt an. “Als Kai meinte, dass du in einer Beziehung wärst, da war ich so wütend und verletzt.” Ruki schluckte schwer und Uruha kam es fast so vor, als würde Ruki den Moment gerade wieder durchleben. „Ich dachte damals während der Welttour 2013, dass sich etwas zwischen uns entwickeln würde. Etwas Ernstes. Ich wollte das und ich dachte, du wolltest das auch. Und nach dem Gespräch mit Kai, kam ich mir wie der letzte Trottel vor. Ich war mir sicher, ich hätte mir alles eingebildet.”

„Das hast du nicht.“

Uruhas Worte waren leise, aber er konnte am Gesicht des Sängers ablesen, dass dieser ihn genau verstanden hatte. Ruki wirkte überrascht. Als ob er gerade etwas gehört hatte, von dem er nie geträumt hätte. Uruha fühlte sich ähnlich. Rukis ehrliche Worte hatten ihn tief bewegt. Er wollte ihm sagen, was er 2013 für den Sänger gefühlt hatte. Und auch, dass die Gefühle bei der jetzigen Tour wieder hochgekommen waren.

Aber war das jetzt der Moment? Uruha war sich nicht sicher. Kais Erklärung zusammen mit Rukis Geständnis war ziemlich viel zu verdauen und der Gitarrist hatte keine Ahnung, wie er mit der Situation umgehen sollte.

„Wahrscheinlich ist es besser, wenn ich dich ein bisschen alleine lasse“, durchbrach Rukis Stimme die Stille.

Uruha nickte. „Das ist jetzt wohl die vernünftige Entscheidung.“

Auch der Sänger nickte, aber Uruha glaubte in seinen Augen Bedauern zu sehen. Trotzdem sagte er nichts, als Ruki sein Handy einsteckte, das Glas abstellte und sich dann leise verabschiedete.

Das war die vernünftige Entscheidung! Es war in den letzten Jahren ein solches Chaos an Gefühlen, verletzten Egos und Missverständnissen gewesen, dass sie beide nun erst getrennt voneinander über alles nachdenken mussten.
 

Uruha war sich dessen ganz sicher …

… bis die Tür ins Schloss gefallen war.
 

Möglicherweise war zwischen den beiden nicht alles vergeben und vergessen, aber Uruha spürte ganz deutlich, dass er gerade einen Fehler begangen hatte. Es war ihm egal, dass es die vernünftige Entscheidung war. Er wollte Ruki bei sich haben.
 

Der Gitarristen schnappte sich seinen Schlüssel und eilte zur Tür. Vielleicht konnte er den Sänger noch erwischen. Er riss die Tür auf und knallte direkt mit einer anderen Person zusammen.

Ruki.

Der Sänger sah so aus, als hätte er gerade klopfen wollen.

Scheinbar hielt auch er nicht viel von vernünftigen Entscheidungen.
 

„Du bist aber nicht weit gekommen“, meinte Uruha schmunzelnd. Er fühlte Erleichterung. Und noch etwas. Der Funken war wieder da. Der Funken, der in vorhin bereits Hoffnung gegeben hatte.
 

„Ich weiß, dass ist eine sehr komplizierte Lage, aber ich konnte nicht einfach so gehen und ich verstehe völlig, wenn du nein sagst. Aber ich schulde dir noch ein Date.“

„Solange es kein französisches Restaurant ist…“ Ruki grinste ihn an.

Uruha lachte. Es tat gut zu lachen. Es tat gut, endlich etwas Klarheit zu haben. „Okay, dann lass uns gehen.“

„Jetzt?“ Der Sänger sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Ich bin für ein Date gar nicht richtig angezogen!“

„Ruki.“ Uruha schob ihn ein wenig von der Tür weg und zog sie hinter sich ins Schloss, bevor er die Hände in die Hüften stemmte. „Du bist immer richtig angezogen.“ Ruki ließ sich von dem anderen die Treppe runter richtig Haustür schieben. „Außerdem finde ich, es wird Zeit für Klarheit und ein wenig mehr Spontanität. Wir haben lange genug gewartet.“

Ruki murrte leise. Uruha konnte nur die Worte “Sneakers” und “Fashion-Todsünde” verstehen. Er war sich sicher, dass er den vollständigen Monolog dazu im Restaurant hören würde und er freute sich schon beinahe darauf. Vor allem weil er wusste, dass dieser Widerstand nicht ernst gemeint war. Ein Blick genügte und er sah das Grinsen auf Rukis Lippen, einen leichten Rotton auf seinen Wangen und ein Funkeln in seinen Augen.

Als sie gemeinsam um die erste Straßenecke bogen, fühlte Uruha, wie Rukis Hand zaghaft nach seiner griff. Uruha schloss seine Finger um die des Sängers.

Das Warten hatte ein Ende.



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Kommentare zu dieser Fanfic (6)

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Von:  QueenLuna
2022-02-20T20:17:25+00:00 20.02.2022 21:17
Oh Mann... Darf man Kai kurz kräftig schütteln? Da war sein Mundwerk doch zu lose und er denk ich drüber nach was er sagte, aber gut man kann ihm auch keinen wirklichen Vorwurf machen, schließlich konnte er ja nicht ahnen, zu was das Ganze führen würde. Also so richtig böse kann man ihm ja nicht sein und gut, dass er es 3 Jahre später wieder gerade biegen will. Gleichzeitig könnte ich auch Ruki schütteln dass er 2013 so überreagiert hat. Er hätte ja auch einfach mal Uruha danach fragen können, aber gut... Verletzter Stolz und so ^^ da kann man nur hoffen dass die beiden das jetzt endlich gebacken bekommen. Wiederum ist es gut zu wissen, dass beide auf ihre Art und Weise ein recht dazu haben dem jeweils anderen die Schuld zugeben.

Ich warte dann mal aufs letzte Kapitel ^^
Liebe Grüße
Luna
Von:  QueenLuna
2022-01-17T18:05:14+00:00 17.01.2022 19:05
Ein sehr schönes Kapitel. Ich mochte es, Uruha durch Rukis Augen und die der anderen zu betrachten. Die Beschreibung, wie sich immer alle um ihn schauen, wie die Motten ums Licht war sehr schön und gibt Uruha einfach einen besonderen Status. Und auch wie Uruha Ruki durchschaut, dass jenen das verschüttete Bier verärgert hat. Man freut sich bei den beiden über jedes Zeichen der Annäherung ^^

Und da denkt man grad, es läuft zwischen den beiden und dann haut Uruha das mit dem Verzeihen raus und es geht wieder den Bach runter... Ich muss gestehen, dass ich allerdings die ganze Zeit mehr Sympathien für Uruha hegt, so wie er mit Ruki umgeht, ihn kennt, sich um ihn kümmert... Da wirds echt spannend was Uruha aus Rukis Sicht verbrochen hat, dass Ruki eigentlich der ist der ihm verzeihen müsste.

Denn, nach dem Blick in die Vergangenheit, kann ich durchaus Uruhas Sicht verstehen und warum er Ruki verzeiht. Was würde mich natürlich tierisch interessieren, welche Entschuldigung Ruki für sein Nichterscheinen hat bzw wie er darauf kommt, dass er eigentlich Uruha verzeihen müsste. Es klingt schon wieder arg danach dass die beiden aneinander vorbeireden und eigentlich den Mund nicht auf bekommen... Oh mann... Ich bin sehr gespannt wie es weitergeht denn ich leide gerade sehr mit den beiden.
Übrigens mochte ich Uruhas aufgeregte Art vor dem Date. Man merkt er ist jünger und wie viel ihm daran lag. Umso mehr tut es mir für ihn leid. Grad ist Ruki für mich der böse *lach*

Viele Grüße
Luna
Von:  QueenLuna
2022-01-17T17:35:15+00:00 17.01.2022 18:35
Ich fang jetzt mal von hinten an. Aaaarg warum? Ruki küsst Uruha, das heißt, sie waren doch schon so weit, was ihre Beziehung angeht und nun das? Warum hat es nicht geklappt? Was ist passiert? Oh mann... Vermutlich hat wieder wer zu viel gedacht, Zeug reininterpretiert und sie reden aneinander vorbei... Hoffentlich erfährt man bald mehr. Schlussendlich haben sie sicher wieder den Mund nicht auf bekommen, wie ich die beiden einschätze... So schade, dass sie sich das Leben so schwer machen, obwohl doch ein Blinder sieht, dass da mehr zwischen ihnen ist. Besonders bei Rukis Eifersucht in Frankreich und Uruhas Fürsorge was Rukis Essgewohnheiten angeht. Das war schon schwer entzückend <3
Naja ich feuer sie weiter an. ^^
Von:  QueenLuna
2022-01-12T19:27:02+00:00 12.01.2022 20:27
Dieses Kapitel hat mir genauso gut gefallen wie das erste. Ich muss gestehen, ich fieber schon echt mit den beiden mit. Deshalb mag ich es auch sehr wie zwischen den Perspektiven durch die beiden Zeitlinien gewechselt wird ^^
Und mir kann keiner erzählen, dass es Uruha in der Gegenwart nicht ähnlich geht wie Ruki, bei dem spätpubertären Ausbrüchen *lach*
Ich musste übrigens sehr über die Schlagzeile "Kleiner, halbnackter Perversling versucht unschuldigen Sexgott zu verführen." lachen.

Also schön unterhaltsames Kapitel ^^ ich bleib weiter dran.

Liebe Grüße
Luna

Ps: mich würde ja schon sehr dieses sehr komplizierte Shirt von Ruki interessieren. Spannende Sache XD
Von:  QueenLuna
2022-01-12T08:37:05+00:00 12.01.2022 09:37
Hey ^^
Ich habe heute angefangen, deine Geschichte zu lesen und ich muss sagen, schon das erste Kapitel macht Lust auf mehr und klingt echt vielversprechend. Dein Schreibstil ist toll, schön lebendig und flüssig, so dass ich sofort in der Szene drin war und ich mit den Charakteren mitfühlen konnte. Auch die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist toll aufgebaut, ich hatte gleich die Szenen der vorherigen Welttour vor Augen, weshalb sich das Ganze noch realistischer anfühlt. Bin ja ein großer Fan von Bezügen zur Realität *lach* ich glaub, ich muss mir demnächst noch mal die entsprechende DVD anschauen.
Generell hatte ich beim Lesen dauerhaft ein Lächeln auf den Lippen ^^

Also ich bleibe echt gespannt und werde die nächsten Tage noch die anderen Kapitel lesen.

Liebe Grüße
Luna <3

Antwort von:  QueenLuna
12.01.2022 09:38
Ah hab grad erst gesehen, dass ihr zu zweit schreibt. Sorry ^^; also EUER Stil ist toll, deshalb weiter so *lach*


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