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Zeit zu sterben, Zeit zu leben

Zwei Hundebrüder, ein Vater und eine Reise
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Für nicoleherbster :) Komplett anzeigen

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In der Unterwelt


 

D

er verstorbene Inu no Taishou schritt durch die Einöde. Nun ja, dachte er ein wenig zynisch, er glitt wohl eher, immerhin war er hier nur eine Seele. Wie lange schon streifte er durch die staubigen Ebenen und Hügel in diesem Zwielicht? Jahrhunderte? Gleich. Er würde hier bleiben müssen bis die Welt unterging.

Und, das gab er zu, er langweilte sich. Es kam ihm endlos vor, dass er mit jemandem hatte reden können. Momentan hätte er selbst Sayas oder Myougas plappernde Reden nur zu gern gehört. Natürlich gab es auch hier andere Seelen, aber wenn er je eine entdeckte, so wurden sowohl er als auch der oder die Andere in andere Richtungen förmlich geschoben. Treffen waren hier unerwünscht.

Die letzten Worte, die er an jemanden hatte richten können, war das Lob gewesen, dass er seinen beiden Jungs nach dem Sieg gegen So´unga hatte aussprechen dürfen. Und natürlich das Gespräch mit Emna Daio zuvor. Leider hatte er keine Antwort seiner zwei Söhne mehr erhalten können, aber verständlicherweise waren sie wohl doch geschockt darüber gewesen ihn zu sehen. Nun, Sesshoumaru, denn Inu Yasha hatte ihn ja nie zu Gesicht bekommen. Immerhin wusste er nun, dass sie alle Zwei erwachsen geworden waren, stark und fähig genug mit einer Höllenklinge umgehen zu können. In den langen, einsamen, Wanderungen jetzt dachte er oft an sie.

 

Zu schade, dass nur Menschen wiedergeboren werden konnten. Er hätte sich früher nie ausgemalt wie langweilig der Tod eines Youkai sei. Izayoi war sicher inzwischen tot, vielleicht auch schon wieder geboren? Wer das wohl wusste. Immerhin glaubte er sicher sein zu dürfen, dass er Sesshoumaru hier noch nicht entdeckt hatte, aber, was sagte das schon. Er wusste nicht, wie viel Zeit in der Welt der Lebenden vergangen war oder wie groß der so unendlich scheinende Raum hier.

Er warf einen Blick zum Himmel, der wie stets ohne Unterbrechung in rot und schwarz leuchtete, alles hier in dieses Zwielicht tauchte. Knochenvögel zogen ab und an vorbei, die einzige Unterhaltung.

Nun, Selbstmitleid würde kaum etwas helfen. Es war, wie es war – und ewig sein würde. Er warf einen Blick herum. Buchstäblich keine Seele zu sehen. Oder?

Dort war jemand, ja, auf einem entfernten Hügel, der sich nun erhob.

Nein, das war keine Seele. Das war ein Shinigami, vermutlich im Auftrag des Obersten Richters. Was wollte Emna Daio denn? Aber es war wohl höflich dorthin abzudrehen, zumal die letzte Einladung dieser Art ihn hatte zusehen lassen, wie seine beiden Söhne den Kampf gegen einen wahrlich höllischen Gegner meisterten. Auch, wenn es eine Weile gebraucht hatte, dass sie hinter den Trick mit der Zusammenarbeit gekommen waren.

Unwillkürlich hoffte der Inu no Taishou, dass nicht auch dieser einzig mögliche Gesprächspartner verschwinden würde.

 

Aber als er näher kam, faltete der schwarz gekleidete Totengott nur seine Flügel zusammen. In seiner Rechten trug er eine Sense, nicht ungewöhnlich. Hm, dachte der Hundeyoukai, irrte er sich, oder wirkte der Shinigami ungewohnt aufgeregt? Die letzten dieser Art, die er gesehen hatte, hatten ihn wieder hierher begleitet.

„Guten Morgen, werter Taishou,“ grüßte der Shinigami. „Ich bin der Bote von Emna Daio. Mein Name ist Hakai.“

„Nun, Hakai, was wünscht der Oberste Richter?“ Ein Gespräch. Und vermutlich gab es Ärger für ihn, auch, wenn er sich an keine Regelverletzung erinnern konnte.

„Äh, wie Ihr sicher wisst, werden Menschen wiedergeboren. Dabei ... nun, es gab eine kleine Panne.“

Der Taishou richtete sich unwillkürlich etwas auf. „Ich bin kaum für eure Fehler verantwortlich.“

„Äh, nein, natürlich nicht.“ Hakai dachte kurz nach. Die Warnung des Richters, man würde einen Fürsten der Youkai, einen Daiyoukai, heute noch erkennen, stimmte wohl. „Eher im Gegenteil. Wenn ich es Euch erklären dürfte? Und Ihr so freundlich wärt mich zu begleiten?“

„Ich denke, ich habe gerade nichts anderes vor,“ gab der Taishou zu, der sich insgeheim auf eine Unterhaltung freute.

„Danke. - Kommt. Wie Ihr sicher wisst, können Menschen wiedergeboren werden, sie verlieren dabei jedoch alle Erinnerungen an ihr früheres Leben. Eine Wiedergeburt ist allerdings nur möglich, wenn diese Seele nicht bestraft werden muss. - Und jetzt der Fehler. Es wurde eine Seele wiedergeboren, die eigentlich dies nicht hätte tun dürfen. Noch dazu mit, genau weiß es noch niemand, mit, äh, Erinnerungen. Drei dieser Erinnerungen sind inzwischen bekannt. Sein Name, ein gut Teil seiner Magie – und die Tatsache, dass Eure Söhne ihn getötet haben.“

„Meine Söhne?“ Der Taishou warf einen erfreuten Blick beiseite.

„Ja, Ihr habt zwei Söhne, wie Euch seit der Affäre mit So´unga natürlich bekannt ist. - Wenn ich weiter berichten darf? Danke. Wie erwähnt, das könnte es für Eure Söhne Ärger geben, falls sich dieser Onigumo an ihnen rächen will.“

Das war ja fast eine Beleidigung. „Ein Mensch? Oh, bitte.“

„Er war schon lange kein Mensch mehr, als sie ihn hierher geschickt haben, eher ein ….. Er hat sich mit Youkai und Oni aller Klassen eingelassen und wurde so zu Naraku, einer Art Hanyou. Natürlich nicht vergleichbar mit Inu Yasha,“ beteuerte der Shinigami eilig. Er brauchte diesen offenbar arroganten Youkaigeist.

„Und daran erinnerte sich jetzt diese Wiedergeburt und versucht es erneut?“

Man merkte doch den Strategen. „Ja, werter Taishou. Es gelang ihm auf der magischen Insel von Maruishima den dort lebenden Daiyoukai zu überwältigen und zu absorbieren. Wie auch immer. Bedauerlicherweise wird nun ein Wesen wie Naraku erneut entstehen, wie auch immer sich Onigumo jetzt nennt. Nur ein Daiyoukai kann einen Daiyoukai besiegen. Und auch, wenn Sesshoumaru inzwischen diese Schwelle überquert hat ...“

Dessen Vater blieb stehen und fuhr herum. „Sesshoumaru ist ein Daiyoukai?“

„In der Tat. Vielleicht sogar mächtiger als Ihr es je wart. Nun ja. Bedauerlicherweise geht ihm, natürlich nur durch seine Jugend und Eure nun fehlende Erziehung, ein wenig die …. Selbstbeherrschung ab.“

Sein Welpe? Da lag wohl ein Missverständnis vor. Hatten die Shinigami seine Jungs verwechselt? „Hakai, eines, was mein Sohn, mein älterer Sohn, bis zum Exzess beherrscht, ist Selbstbeherrschung. - Nicht mehr?“

„Mir wurde es so gesagt, werter Taishou. Und Inu Yasha ist zwar relativ erwachsen geworden, aber doch ein Jugendlicher. Darum hier das Angebot von Emna Daio an Euch: Ihr werdet wieder in die Welt der Lebenden gesandt, unter der Voraussetzung, dass Ihr gemeinsam mit Euren beiden Söhnen nach Maruishima geht und diesen, wie auch immer er sich jetzt nennt, wieder hierher befördert.“

Das war ein Angebot, das man sicher nicht ablehnen konnte. „Warum nicht ich allein?“ erkundigte sich der ehemalige Heerführer doch misstrauisch.

„Mit Verlaub, werter Taishou, zu dritt dürftet Ihr auf weniger Probleme stoßen. Falls Ihr Euch zu entsinnen beliebt: es handelt sich um eine magische Insel.“

„Hm. Angenommen ich stoße, natürlich rein zufällig, auf jemanden namens Ryuukossusei?“

Der Shinigami blickte sich unwillkürlich um. „Nun ja, er müsste hier sein.“

Der Daiyoukai atmete ein wenig zu tief durch um unbeteiligt zu erscheinen. „Ah, habe ich ihn doch getötet.“

Hakai blieb sehr diplomatisch. Immerhin war er nicht ohne Grund Bote geworden. „Nein, werter Taishou. Aber wozu hat ein Mann Söhne.“

„Sesshoumaru, also. Ja, der Junge ist dann noch stärker geworden, in der Tat.“

Die Flügel des Totengottes zuckten instinktiv, als ob er sich in die Luft erheben wollte. „Nein, das war Inu Yasha.“

Jetzt blieb der Geist des Herrn der Hunde stehen und sah den Shinigami nur an.

Dieser dachte, dass einst so manchem Youkai unter diesem Blick seines Feldherrn wohl kalt geworden war, und fuhr fort: „Ich kann Euch versichern, dass es Inu Yasha war, mit Tessaiga. Mir wurde gesagt, er hätte gutes Blut.“

„Ja, wohl.“ Doch ein wenig stolz ging der Vater weiter. „Sesshoumaru tat nichts? Überdies, ich hatte, dachte ich, den Drachen versiegelt.“

„Ja, aber Naraku löste den Bann, um Inu Yasha umzubringen. Der wehrte sich.“

„Naraku.“ Der Inu no Taishou sah geradeaus, ehe er sich kühl erkundigte: „Erwähntest du nicht, Hakai, dass das aus diesem Onigumo geworden war?“

„Ja, genau.“ Oh, oh. Da war jemand wütend. Nun gut, es würde wohl helfen seinen eigenen Auftrag zu erledigen. Ärger mit Emna Daio oder gar der Etage darüber sollte man weiträumig vermeiden, selbst als Todesgott. „Übrigens, Euer Ältester bemerkte durchaus, dass der Bann gelöst worden war, aber als er eintraf war offenbar alles bereits erledigt.“

„Der Kleine. Weißt du, Hakai, ich habe ihn keine Minute gesehen und entsinne mich seiner oft als Neugeborenen. Ausgenommen natürlich der Kampf um So´unga.“ Und da war er erstaunt gewesen, dass auch der Jüngste praktisch erwachsen geworden war – und wie stark.

„Ja, auch er ist ein wenig impulsiv, entbehrte Eurer Erziehung.“

„Ich dachte, Izayoi ...“

„Sie starb. Hanyou altern anders als Menschen.“

„Natürlich.“ Dem Taishou dämmerte, was er erreichen sollte. „Emna Daio möchte meine Söhne gegen Onigumo oder dem, was nun wieder aus ihm geworden ist, schicken. Da sie offenbar recht schwer zu kontrollieren sind, benötigt er mich.“

Das war zwar die Wahrheit, aber das sollte man als harmloser Todesgott nicht aussprechen, beschloss Hakai. „Es handelt sich um eine magische Insel, wenn ich erinnern darf. Und Ihr beherrscht doch eine höhere Zauberkunst, wenn ich an das Meidou und ähnliches denke.“

„Schön. Ich folge dem Wunsch Emna Daios – unter einer Bedingung. Nun, zwei.“

Der Richter hatte recht behalten. Der schlaue alte Hund würde nicht klein beigeben. „Nun? Ich darf Euch allerdings darauf aufmerksam machen, dass ich nur begrenzte Vollmacht habe.“

„Du bist Bote, Hakai.“

Die Spur Nachsicht in dem Satz machte daraus eine Beleidigung. Aber der Shinigami wollte, musste, seinen Auftrag erfüllen. Und dieser Daiyoukai würde nie erfahren, WIE weitgehend seine Befugnisse waren. Der Richter war in Bedrängnis. „Sagt Eure Bedingungen.“

„Ich benötige ein Schwert.“

„Nicht So´unga!“ entkam es dem Shinigami prompt entsetzt.

Erneut blieb der Taishou stehen, betrachtete allerdings seine Klauen. „Hakai, ich habe Jahrhunderte an Plänen verschwendet, um diese Klinge wieder in die Unterwelt zu befördern. Nein. Nicht So´unga.“

„Äh, ja, da gibt es eine zerbrochene Klinge, die aber neu geschmiedet werden konnte. Ihr früherer Name war Tokejin. Sesshoumaru, Euer ältester Sohn, ließ sie für sich herstellen. Als sie zerbrach, benötigte er sie nicht mehr, da Tenseiga für ihn umgeschmiedet wurde. Ihr kennt sicher den Pfad der Unterwelt.“

„Natürlich. - Tokejin. War es nicht einmal so, dass sich solche Klingen ihre Meister suchen?“ Und niemand anderer sie beherrschen konnte, solange der Herr lebte?

„Ja. Aber Ihr seid der Vater Sesshoumarus. Und magisch sicher in der Lage den bösen Geist darin zu zähmen. Das Schwert, das nun entstanden ist aus der Wiedervereinigung, wird Eure Macht, Euer Youki, manifestieren.“

„Hat es auch einen Namen?“

„Noch nicht.“

„Ich werde es nehmen.“

Hakai atmete auf. „Und Eure zweite Bedingung, werter Taishou?“

„Wenn ich wieder hier bin – und irgendwann meine Söhne auch - möchte ich mit ihnen reden können.“

„Das kann ich Euch zusichern.“ Hakai atmete erneut etwas auf, auch, wenn jetzt noch ein heikler Teil dieser Visite bevorstand. Sie wanderten gerade einen Hügel hinauf. Dahinter würde liegen was … nun ja, innerfamiliäre Schwierigkeiten bedeuten konnte. „Das Schwert wird Euch sofort gebracht. Es liegt nur – etwas entfernt.“

„Natürlich.“ Der Inu no Taishou stand auf dem Anhöhe und entdeckte, was dort unten im Tal lag, saß, oder wie immer man das nennen wollte. Er erkannte sein eigenes Skelett, seine Rüstung – aber, bei allen Sternen, wie sah er denn aus. Er drehte den Kopf. „Hakai, wie lange bin ich schon hier?“

„Äh, nicht so lange.“ Immerhin wurde er mit Namen angesprochen, das machten wichtige Leute selten. Nur Emna Daio, aber der Richter war ja eben auch gerecht.

„Die Knochen zerfallen, in meinem Skelett sind Löcher …. Jahrhunderte.“ Der Taishou war gerade erschüttert.

„Ich bin sicher, Ihr könnt das heilen, wenn Eure Seele und Euer Körper wieder eines sind.“ Der Shinigami betete, zu wem auch immer, dass die Frage nicht kommen würde, die prompt gefragt wurde:

„Bote: was ist hier passiert?“ Und das war nur mehr ein Knurren.

Jetzt noch die Entschuldigung mit den Jahrhunderten auspacken, wäre fatal. Hakai beschloss es mit der Wahrheit zu versuchen. Immerhin schien der hohe Herr ja zu berücksichtigen, dass er nur ein Überbringer von Nachrichten war und nicht den Boten mit der Botschaft zu verwechseln. „Wenn Ihr Euch zu erinnern beliebt, so gab es die Anweisung, dass Tessaiga in Eurem Körper versiegelt werden soll.“

„Und?“ Der Taishou ließ den Blick nicht von seinem deutlich demolierten Körper. Immerhin hatten Myouga und Toutousai noch nach seinem Tod seine Befehle befolgt. Das war lobenswert. Nur – mit welchen Folgen?

„Sesshoumaru entdeckte es hier und Inu Yasha folgte. Eurem Ältesten gelang es jedoch nicht Tessaiga zu ziehen.“

„Der Bann.“

„Ja. Und er wollte Inu Yasha daran hindern es zu ziehen.“

„Und…?“ Sesshoumaru war bei ihrem letzten Treffen bereit gewesen ihn zu töten, nur um der Schwerter der Macht willen. Hatte der denn gar nichts dazu gelernt? In der Tat, ein wenig Erziehung konnte da nicht schaden.

„Inu Yasha hatte eine menschliche Priesterin dabei, die das ziehen konnte.“ Hakai schluckte. „Äh, danach kämpften Eure Söhne.“

„Es war vollkommen überflüssig mir das zu sagen.“ Der Herr der Hunde betrachtete noch einmal das frustrierende Ergebnis des Tatendrangs seines Nachwuchses. „Wer gewann?“

„Inu Yasha. Es gelang ihm seinem großen Bruder einen Vorderlauf abzuschlagen. Den dieser allerdings inzwischen wieder hat.“

Die Unterhaltung mit beiden Söhnen war eindeutig fällig. „Durch die Tatsache, dass er zum Daiyoukai wurde, stiegen auch seine Selbstheilungskräfte.“

„Ja. Und er bekam ein Schwert aus sich selbst. Bakusaiga.“

„Tokejin zerbrach, Tenseiga und ein neues Schwert ….Ich hoffe nicht erneut aus einem Kampf gegen Inu Yasha.“

„Nein, sie waren da wohl mehr Seite an Seite, wie auch gegen So´unga.“

Nun, dann hatten sie doch gelernt. Aber der Rat Toutousais dafür zu sorgen, dass die Zwei sich nicht gegenseitig umbringen konnten, war wirklich nützlich gewesen. Nun gut, damals hatte er auch geglaubt etwas länger leben zu dürfen. „Wo sind die Beiden jetzt?“

„Im Augenblick in einem Dorf namens Musashino. Inu Yasha lebt dort dauernd, er ist mit der einer … nennen wir es Miko verheiratet.“

„Mikos, also Schreinjungfrauen, dürfen doch nicht heiraten?“ Der Taishou war langsam wirklich irritiert. Was trieb sein Nachwuchs da?

„Ja, das ist richtig, aber sie ist aus der Zukunft.“

Nicht darüber nachdenken. Das sollte ihm sein Jüngster erklären. „Und Sesshoumaru?“

„Er ist zu Besuch da. Er hat ein Menschenmädchen adoptiert, das er oft besucht.“

Sesshoumaru? Bei dem das intelligente Leben erst ab Daiyoukai begann? Was war da nur passiert? „Das muss ich mir wirklich ansehen. - Wie geht es weiter?“

„Ich würde vorschlagen, Ihr tretet in Euren Körper, so dass die von Emna Daio geplante Wiedervereinigung folgen kann. Bis dahin sollte auch das Schwert angekommen sein. Darf ich Euch noch etwas fragen?“

„Ja.“ Nur bald seine Jungs sehen.

„Ich meine, wenn Ihr wieder lebt, seid Ihr dann auch so groß?“

Zum ersten Mal lächelte der Inu no Taishou den Boten an. „Nein. Das ist eine Mischform. Entweder ich bin in Menschenform – und daher in der Lage ein Schwert zu führen. Oder ich bin ein Hund. Ich werde mich vereinen. Und hoffe auf mein neues Schwert.“

 

Der Geist machte die wenigen Sprüngen auf seine Schulter zu dem großen Hundekopf. Mit gewissem Seufzen betrachtete er noch einmal die Brüche, die Löcher in Rüstung und Skelett, ehe er die Augen schloss und sich einer bislang unbekannten Strömung überließ.

 

Hakai musste die Augen schließen, als ein gewaltiger Blitz, eine Helligkeit, die er selbst als Todesgott nie erlebt hatte, durch das kleine Tal zuckte. Gleichzeitig spürte er etwas in der Hand und presste die Finger um den Schwertgriff. Als er wieder etwas erkennen konnte, hatte er ein sehr altmodisches Schwert in der Hand, eine lange, gerade Klinge. Das musste die Klinge sein, die zerbrochen und wieder geschmiedet worden war. Als er aufsah, war der riesige Körper eines Mischwesens aus Hund und Mensch verschwunden. Vor ihm stand ein Mann, den man unter Menschen vielleicht Mitte Dreißig, Ende, geschätzt hätte. Der Zopf war noch immer so da wie in seiner Geisterform, aber die schwere Rüstung lag nun wieder um ihn, eine leere Schwertscheide auf dem Rücken. Und er wirkte recht lebendig. Goldene Hundeaugen mit einem seltsamen Glühen im Hintergrund musterten ihn.

„Mein Schwert, Hakai.“

„Bitte.“ Der Shinigami überreichte es. Noch waren nicht alle Löcher in der Rüstung verschwunden, vermutlich waren auch noch immer einige Rippen gebrochen, aber das war nichts, womit ein Daiyoukai nicht zurande kommen würde.

„Eine gerade Klinge ….“ Der Taishou hob das Schwert prüfend, ehe er die Hand ausstreckte und sich konzentrierte. Der schwarze Rauch, der sich aus der Klinge bewegen wollte, schwand unverzüglich.

„Ein ken ...“ deutete Hakai an. Und ja, der Daiyoukai meisterte den rachsüchtigen Geist darin, den auch das Neu-Schmieden in der Unterwelt nicht hatte vertreiben können.

Der Herr der Hunde war guter Laune. „Man nennt das auf dem Festland so, ja. Es ist ein tsurugi. Sieh dir den gerade Verlauf der Zeichnungen an. Kein Fehler, ausgewogen. Ich werde sie Tsurugi-hime nennen. Die Prinzessin der Schwerter.“ Der Taishou schob seine neu erworbene Klinge auf den Rücken. „Nun, Hakai. Wo liegt Musashino?“

„Ich darf Euch hinbegleiten? In die Nähe?“

„Ja.“

Und das war eindeutig nicht mehr die Bitte einer Seele an einen Todesgott, sondern der Befehl eines Fürsten.

 
 

Musashino


 

F

alls es irgendwen interessierte, was ein Daiyoukai und ein Shinigami in dem Waldgebiet oberhalb des Ozeans trieben, so war weder Oni noch Youkai noch Tier dumm genug nachzugucken. An einer Lichtung blieb der Inu no Taishou stehen und fasste über seine Schulter zum Griff der Klinge in der Scheide.

Hakai zuckte für einen Moment zusammen, ehe er begriff, dass eine Schwertprobe angesagt war.

„Darf ich bitten, Prinzessin?“ fragte der Hundefürst, ehe er die Klinge ausstreckte.

Höfische Erziehung, anscheinend, dachte der Shinigami, aber er sah durchaus fasziniert zu, wie der Stahl hell aufleuchtete, ehe sich kleine Sicheln aus Youki daraus lösten und auf den nächsten Baum zurasten, den ohne jede Mühe fällten.

„Gefällt es Euch?“ erkundigte sich Hakai.

„Ich glaube. Mein Sohn, mein Ältester, hatte schon immer Gefallen an mächtigen Schwertern. Was ist die magische Grundlage?“

„Ich hörte, die Zähne eines Oni, eines, ja, Abkömmlings Narakus.“

Der Taishou schob die Klinge weg. „Wie zynisch. Passt zu Sesshoumaru.“ Und zu dessen Angst vor einem Zahnarzt. Wenn er selbst daran dachte, dass er sich zwei Fangzähne von Toutousai hatte ziehen lassen, um Tenseiga und Tessaiga zu erhalten … Nun gut, es war in seiner wahren Form gewesen und vermutlich für den alten Schmied unangenehmer als für ihn, da dieser sich doch zwischen scharfen Zähnen und einer feuchten Zunge einem ziemlich großen Schlund gegenüber gesehen hatte. „Wie weit ist es noch bis zu dem Dorf, Hakai?“

„Das liegt dort vorne in dem Wald ….der ….“ Der Shinigami wollte eigentlich voraus deuten, ehe er die gewaltige Energie spürte, deren bläulicher Schimmer bis hierher zu erkennen war. „Dort, wo der Kampf stattfindet.“

Seine Söhne! Es wäre zu viel Pech, wäre er am Leben und sie in der Unterwelt! Der Daiyoukai wurde so schnell, dass Hakai nur noch rufen konnte:

„Ich muss zurück, edler Herr!“

 

Zu kampferfahren um blindlings in eine unbekannte Lage zu stürzen, verharrte der Inu no Taishou unter den letzten Bäumen, vor denen sich eine große Wiese dehnte, dahinter Reisfelder und ein Menschendorf. Auf dieser Grünfläche jedoch duellierten sich zwei weißhaarige junge Männer, einer mit einer Rüstung und einer weißen Boa über der Schulter, den er erkannte. Sesshoumaru. Dieser war älter geworden, ja, und stärker. Sein Gegner war dagegen eindeutig ein Hanyou, das verrieten nicht nur die beiden Öhrchen auf dem Kopf, sondern auch die Tatsache, dass in dessen Hand Tessaiga lag und er damit mehr als nur umgehen konnte. Dazu erkannte der Taishou mit gewisser Rührung das Gewand aus dem Stoff aus Feuerrattenhaar, das er an Inu Yashas Geburtstag Izayoi noch gegeben hatte. Sie hatte es als Kleid für einen zweitgeborenen Adeligen schneidern lassen und Inu Yasha trug es bis heute. Das sollte jedoch ein Übungskampf sein? Sie setzten eine Menge Energie ein. Allerdings – das war auch nicht tödlich gemeint, das sähe bei dieser Masse an Youki schon ganz anders aus. Hinten am jenseitigen Rand der Wiese stand ein junges Menschenmädchen, noch nicht erwachsen, ein anderes in der Kleidung einer Priesterin kam mit zwei weiteren Menschen heran gelaufen. Diese Miko musste also seine Schwiegertochter sein? Ja, helle, magische Energie. Sollte sie es wagen auf seinen Ältesten loszugehen, würde er eingreifen.

Trotz des Kampflärms verstand er, was sie schon aus Distanz rief: „Rin-chan! Was ist denn hier nur passiert?“

Das Menschenmädchen wandte sich um. „Ich weiß es nicht, Kagome-sama. Irgendwie ergab ein Wort das andere und dann ging es los….“

„Nicht schon wieder! - Inu Yasha! Mach ...“

 

Sie schien mit etwas zu zögern, dachte der Taishou. Nun ja. Wenn es sich um einen Trainingskampf gehandelt hätte, hätte er nicht eingegriffen, aber der Shinigami schien Recht zu haben – mangelnde Selbstbeherrschung. So zog er Tsuruki-hime. „Lehren wir sie einmal die Kunst des Krieges, Prinzessin,“ sagte er. „Man sollte auch immer den Rücken im Auge haben.“ Er spürte, wie sich die Klinge in seiner Hand zu amüsieren schien. „In der Tat. Wir werden uns gut verstehen.“

 

Die Youki-Menge, die über die Wiese fräste, Soden meterweit durch die Luft schleuderte, ließ nicht nur die Menschen auf der gegenüberliegenden Seite aufschreien und hastig einen wirklich interessanten Schutzbann wirken, wie der Herr der Hunde neugierig feststellte, sondern auch seine Söhne auseinander springen und der Energie ausweichen, um sich mit noch gezogenen Schwertern, aber Seite an Seite, der unerwarteten Bedrohung gegenüberstellen.

Hm. Doch keine Feinde, dachte der Youkaifürst, als er seine Klinge zurückschob und aus der Deckung schritt. Zugegeben, er genoss Sesshoumarus offenen Mund genau so wie damals bei dem Untergang So´ungas. Inu Yasha starrte ihn ebenso an, wenngleich etwas fragender.

Als der Taishou keine zehn Meter mehr vor seinem Nachwuchs war, entkam seinem Ältesten ein ungläubiges: „Chichi-ue.“ Verehrter Vater.

Der Jüngere ergänzte: „Vater? Aber der sieht doch recht lebendig aus …?“

Überraschung hin oder her, das war keine Begrüßung. Ohne weiteren Kommentar ließ der Taishou eines seiner Schulterfelle in Sekundenbruchteilen länger werden, sich um die Knöchel des Hanyou schlingen und den unsanft auf das Hinterteil reißen, ehe er wie zuvor dastand.

 

Noch während Inu Yasha halb überrascht, halb empört, aufstarrte, hatte Sesshoumaru sich unangenehm an gewisse Vorkommnisse in seiner Welpenzeit erinnert gefühlt, als er per Nackenstoß zu Boden befördert worden war. Falls das nicht half, hatte er im wahrsten Sinne des Wortes beißend seine eigene Schnauze in der seines Vaters gefunden. Nicht notwendig, vor den Menschen und vor allem Rin, schmerzhaft auf die Erde geschafft zu werden. So neigte er den Kopf lieber höflich. „Ihr versteht meine Überraschung, chichi-ue.“

„Inu Yasha.“ Der Herr der Hunde blieb stehen.

„Äh, ja, schon.“ Der Hanyou rappelte sich auf. Oh Mann, wenn schon Sesshoumaru so auf diplomatisch machte – das war ja wie Kagomes „Mach Platz“. Und wieso lebte der Kerl eigentlich? „Ich meine, ich, wir dachten, du bist tot.“

„Deine Höflichkeit lässt zu wünschen übrig,“ kommentierte der Taishou sachlich.

Inu Yasha entsann sich seiner Kindheit. „Ihr ….woher kommt Ihr?“ Ach du je. Was machte der denn hier? War das wirklich sein Vater? Youkaimässig benahm der sich schon, eher wie Sesshoumaru. Aber, was sollte er ihm denn jetzt sagen? Er wusste schon, was er in den vergangenen Zeiten seinen Vater immer hatte fragen wollen, aber jetzt so und … Seine Überraschung grenzte an Schock.

„Kommt näher.“ Da seine Söhne sichtlich verwirrt gehorchten, allerdings auch die Menschengruppe heran gelaufen kam und erst wenige Meter vor ihm doch irgendwie unsicher stoppte, erkannte der Hundefürst, dass hier wohl etwas wirklich vollkommen anders ablief, als er es gewohnt war. So blieb er regungslos stehen. „Sesshoumaru, wie lange war ich tot? - Inu Yasha, aus welcher Zukunft ist deine Miko?“

Beide Söhne blickten sich unwillkürlich an, ehe der Ältere antwortete: „Es dürften zweihundertsiebzig Jahre sein, nun, an die dreihundert, chichi-ue.“

„Äh, gut fünfhundert Jahre. Und da sieht es wirklich anders aus ….“ Inu Yasha brach lieber ab. Irgendwo aus längst vergangenen Kindertagen kamen ihm gewisse Regeln in den Sinn. Nie mehr antworten als gefragt war. Und, ja, älteren Familienmitgliedern schuldete man Respekt, auch und gerade dem eigenen Vater. Aber – wieso nur war der hier?

Schön, dachte der Inu no Taishou. Keine wie auch immer geartete Entscheidung, ehe er wirklich wusste was los war. Nur das hatte ihm den Sieg in so mancher Schlacht beschert. Einige Gegner hatten ihm Bauernschläue attestiert – er fand es Intelligenz zum Überleben. „Hat deine Ehefrau auch einen Namen?“

„Kagome,“ erwiderte diese prompt, erstarrte dann jedoch unter einem eisigen Blick. Ach du je. Der kam wohl aus dem Mittelalter. Schön, das hier war noch Mittelalter, und wenn der wirklich dreihundert Jahre tot gewesen war ….Nun, da hatte er wohl einiges verpasst. Überhaupt: wieso lebte der wieder, was ja weder Inu Yasha noch Sesshoumaru bezweifelten? Und, dass die den Unterschied zwischen irgendwie wieder Auferweckten und wahrlich Lebenden wittern konnten, wusste sie aus Erfahrung. Auch, wenn anscheinend beide bemüht waren ihre Verwirrung zu verbergen. Schon die Tatsache, dass man das dem sonst so eiskalten Youkai ansehen konnte, wenn man ihn kannte, sprach für sich. „Äh, vielleicht darf ich Euch ...“ Wie hatten Myouga und Toutousai ihn doch genannt? „Euch, oyakata-sama, in unser Dorf einladen? Dann werdet Ihr sicher Eure Fragen beantwortet bekommen. Falls Ihr wollt, koche ich.“

Immerhin kannte das Mädchen aus der Zukunft gewisse Höflichkeit. Nun gut. Er sollte erst entscheiden was er selbst von sich gab, wenn er wusste, was seit seinem Tod passiert war. Und das schien eine Menge zu sein. „Gehen wir.“

Da diese Kagome vorauseilte und Inu Yasha bei einem Versuch sich ihr anzuschließen, also, an seinem Vater vorbei zu gelangen, die Hand seines großen Bruders an der Schulter spürte, die ihn zurück hielt, schien ja nicht Hopfen und Malz verloren zu sein. Der Taishou wandte etwas den Kopf. „Inu Yasha, wie lange ist Iza … deine Mutter verstorben?“

Der Hanyou zuckte die Schultern. „Äh, genau weiß ich es nicht. Ich war noch sehr klein.“ Er sollte wohl lieber höflich bleiben. Ärger mit gleich zwei Daiyoukai aus der Verwandtschaft wäre nur stressig. Zumal Kagome das auch nicht witzig finden würde, so umständlich, wie sie mit dem Kerl geredet hatte. „Chichi-ue.“

„Wie klein? Wer hat dich aufgenommen?“

„Äh, niemand. Ich war allein, außer, wenn Onkelchen, also, Myouga, mal vorbei kam und mir was erklärte.“

Myouga also. Der Hundefürst war froh, das wenigstens irgendjemand seinen letzten Willen beachtet hatte. Izayoi, ja. Menschen starben viel zu schnell und leicht. Sekunde. „Du bist nicht im Schloss geblieben, ich meine, das deiner menschlichen Verwandtschaft?“

Inu Yasha hätte um ein Haar bitter aufgelacht. „Sie haben mich ja rausgeworfen. Auch Mutters Gedenkstein liegt außerhalb.“

Das wollte er dann doch genau erzählt bekommen. „Und Sesshoumaru?“

Besagter große Bruder versuchte instinktiv abzuwinken, aber Inu Yasha sagte bereits: „Na, der wollte mich um die Ecke bringen. Er wollte ja Tessaiga. Ist eine ziemlich neue Errungenschaft, dass er akzeptiert hat, dass das mein Schwert ist.“

Ehrlich war sein Jüngster ja, wenngleich unerzogen. Und Sesshoumaru, nun ja, was hätte er auch von jemandem erwarten wollen, der ihn selbst töten wollte, nur um an die Schwerter der Macht zu gelangen. „Kennt ihr jemanden namens Onigumo?“

Beide Söhne sahen sich an, ehe Sesshoumaru erwiderte: „Nein, chichi-ue.“

Inu Yasha rieb ein wenig überfordert ein Öhrchen. „Ich denke, das war ein Typ, dem damals Kikyou half, erzählte sie. Ein Mensch, der einen Unfall hatte und schrecklich entstellt war. Eines Tages war er verschwunden und sie dachte, solche Wurmdämonen hätten ihn gefressen. Sie versiegelte die Grotte zur Sicherheit, aber danach hat sie nichts mehr von ihm gehört. Ich auch nicht.“

Er wusste also mehr als seine Jungs. Der Taishou verspürte fast etwas wie Vergnügen. „Ihr habt beide von ihm gehört. Onigumo nahm jede Menge Oni und Youkai in sich auf und wurde zu Naraku.“ Er sah, wie Kagome vor ihm herumfuhr und auch die anderen Menschen eilig aufschlossen. Kannten diese Naraku etwa auch?

„Naraku?“ wiederholte Kagome. „Aber er ist tot und auch das Juwel ist doch weg.“

„Ich denke, wir haben viel zu besprechen.“ Der alte Feldherr nickte langsam. Sein Wunsch nach etwas mehr Unterhaltung schien ja aufzugehen. Und, auch das bemerkte er mit gewisser Wonne – es würde Ärger geben. Ach, wie er dieses Leben doch vermisst hatte. Und seine Jungs. Selbst den manchmal so schwierigen Älteren. Er hatte durchaus bemerkt, dass bei dem Spaziergang in das Dorf der Blick Sesshoumarus ab und an rückwärts zu diesem jungen Menschenmädchen gerichtet war. Unauffällig, natürlich. „Ich bin doch neugierig, was ihr mit Naraku zu tun hattet.“

 

Die Nacht war schon weit fortgeschritten und noch immer saß die Gruppe aus Daiyoukai, Hanyou und Menschen um ein Feuer. Der Inu no Taishou wusste nun, was sie zusammengeführt hatte, was mit Naraku gewesen war und dem Juwel der vier Seelen. Allerdings hatte er sich aus doch gewisser Kenntnis seines Älteren gehütet den vor versammelter Mannschaft zu fragen, was es mit dieser Rin so auf sich hatte. Irgendwie erschien es ihm undenkbar, wie sein so stolzer Sohn in Begleitung eines Kappa und eines Menschenmädchens durch die Wälder streifte. Aber gut. Jaken saß ebenfalls hier und Rin war von Kagome ins Bett geschickt worden. Sie war freilich erst nach einem Blick auf Sesshoumaru auch tatsächlich verschwunden. Mehr als interessant. Vielleicht würde sich ein Vater-Sohn-Gespräch ergeben, auf der Reise? Er bemerkte, dass ihn Kagome ansah und entsann sich ihrer Frage, was ihn denn wieder ins Leben zurückgerufen hatte.

„Ein Auftrag,“ sagte er daher. „Von höchster Stelle. Aber natürlich bin ich dir keine Rechenschaft schuldig.“

Aus doch gewisser Kenntnis ihres Schwagers schloss die Miko ihrerseits auf ihren Schwiegervater. Überdies hatte sie in der Schule durchaus gehört, wie sich in alten Zeiten Daimyo benahmen – Youkaifürst war da sicher das Gleiche in grün. „Äh, nein, natürlich nicht. Ich meine nur, da du … da Ihr hierher gekommen seid … ich meine, dass das auch Inu Yasha betrifft?“

„Beide Söhne sollen mit.“ Und da er sowohl die abwehrende Handbewegung Sesshoumarus bemerkte als auch den Blick, den sein Jüngster auf seine Ehefrau warf: „Nur ihr beide. Und das ist eine Anweisung.“

Der Hanyou seufzte, da er verstand. „Ihr wurdet wieder lebendig gemacht, damit Ihr mit uns - wohin eigentlich – reist?“

„Maruishima.“ Der Taishou war angetan, dass sowohl Söhne als auch Menschen begriffen, dass man Emna Daio nicht widersprach – außer man wollte, dass einem nach dem Tod etwas wirklich Scheußliches zustieß.

Sesshoumaru sagte nur ein Wort: „Onigumo.“

„In der Tat. - Wir brechen bei Sonnenaufgang auf.“

 

Keine zehn Minuten später fanden sich der Inu no Taishou und Sesshoumaru allein auf dem Dorfplatz. Die Menschen schliefen alle oder hatten sich zumindest in ihre Häuser zurückgezogen. Dem Youkaifürsten fiel zum ersten Mal bewusst auf, dass die Menschen hier in diesem Dorf die Anwesenheit von Wesen seiner Art gewohnt waren. Inu Yasha war mit seiner Ehefrau gegangen, nun ja, sie wollten sich wohl noch verabschieden.

Hm, dachte der Hundefürst. Immerhin entsann sich sein Ältester noch soweit seiner Manieren, dass er nicht aufstand, ehe sich der Vater nicht erhoben hatte. Und er redete ihn nicht an. „Wo verbringst du gewöhnlich so eine Nacht?“

„Am Waldrand.“

„Gehen wir.“ Der Taishou stand auf. Gut, immerhin schien zumindest dieser Sohn seine Erziehung nicht vergessen zu haben. Inu Yasha würde eine andere Sache werden. Izayoi war offenkundig zu früh verstorben. Und keiner hatte sich um den Jungen gekümmert. Kein Wunder, wenn der weder von Höflichkeit noch Benehmen Ahnung hatte. Das konnte noch schwierig werden. An der Stärke des Hanyou und dessen Fähigkeit mit Tessaiga umzugehen konnte jedenfalls kein Zweifel bestehen. Es war allerdings ein seltsames Gefühl wieder am Leben zu sein, fast neben Sesshoumaru zu gehen, denn der hielt sich den höflichen Schritt zurück, dessen Youki so vertraut zu fühlen. Ja, der war stärker geworden, viel mehr als zu dem Zeitpunkt als er selbst gestorben war. Er mochte jetzt gegen ihn selbst ein interessanter Gegner sein. Diese Kämpfe gegen Naraku und sein Gefolge schienen beide Söhne mächtiger gemacht zu haben. Nur gut, denn es ging ja jetzt gegen eben diesen. Nein, gegen Onigumo. Wer oder was auch immer Naraku gewesen war, der innerste Kern mochte nun gleich geblieben sein, aber das Wesen, dass aus Onigumo und einem Daiyoukai entstanden war, war sicher neu – und stark.

Sesshoumaru konnte die Energie seines Vaters ebenfalls spüren – lang vergessen und doch so vertraut, so seltsam warm. Er hatte nicht den mindesten Zweifel daran, dass dies sein Erzeuger war, der Mann, den er stets auf das Höchste bewundert hatte. Natürlich auch, weil der der Mächtigste unter allen Sterblichen gewesen war, und wohl noch immer war, denn diese kurze Kostprobe seines Youki mit der er den Zweikampf zwischen ihm und Inu Yasha unterbrochen hatte, war eben schon mal recht stark gewesen. Aber das war eben auch der Feldherr, der Mann, der in so vielen Schlachten und Duellen gesiegt hatte, der das Höllenschwert bezwungen hatte. Jetzt trug er eine andere Klinge. Sesshoumaru fand, dass sie ihn an etwas erinnerte, aber das war wohl unmöglich. Das Schwert war sicher in der Unterwelt geschmiedet worden. Da der Herr der Hunde stehenblieb und ihm mit einer Handbewegung bedeutete neben ihn zu treten, gehorchte er.

„Möchtest du mich etwas fragen, Sesshoumaru?“

Dankbar, dass sein Vater anscheinend Rücksicht darauf nahm, dass Inu Yasha ja nicht alles erfahren musste, meinte der jüngere Daiyoukai: „Euer Schwert ist nicht So´unga.“

Der Taishou lächelte etwas, wenngleich nur inwendig. Sesshoumaru und seine Gier nach Schwertern. Manches würde sich wohl nie ändern. Schon in den ersten Tagen des Trainings hatte der kleine Welpe damals wutentbrannt das Holzschwert zu Asche gemacht, weil er ein richtiges wollte. „Nein. Ich habe es Tsuruki-hime getauft, die Schwerterprinzessin. Aber, du hast in zwei Dingen Recht, mein Sohn. Die Klinge wurde in der Unterwelt geschmiedet. Und sie kommt dir bekannt vor, denn es handelte sich ursprünglich um Tokejin.“

„Tokejin.“ Nun ja, er hatte den bösen Geist dieses Schwertes gemeistert und das würde sein verehrter Vater natürlich auch. Sogar, wenn in der Unterwelt noch einiges an Magie mit eingeflossen war.

Den Rest der Nacht herrschte Schweigen zwischen den beiden Daiyoukai. Nur ihre Energien verbanden sich, suchten die Einheit.

 

Inu Yasha drehte sich zu Kagome, als sie nebeneinander lagen. „Ich will da nicht mit.“

„Dir wird kaum etwas übrig bleiben,“ gab sie zurück. „Ich meine, jemand, der deinen Vater wieder zum Leben erweckt und euch losschicken will, hat nicht nur einen Plan, sondern auch Macht. Ich tippe mal auf Emna Daio, den obersten Richter, wenn nicht noch jemand Höheren. Das sind wirklich keine Leute, die man verärgern sollte. Und, sieh es doch positiv. Du hast endlich die Chance deinen Vater kennen zu lernen, mit ihm zu reden. Das wolltest du doch immer.“

„Naja, bloß der Auftritt war eher so Sesshoumaru-mäßig. Explosiv, dann knallt er mich zu Boden ...“

„Er ist nun einmal ein Daiyoukai und der Hundefürst. Ich vermute, er hatte keine Ahnung, wie deine Kindheit abgelaufen ist und erwartete, ja, einen wohlerzogenen Sohn. Deine Mutter lebte in einem Schloss.“

„Keh. Das könnte eine wirklich amüsante Reise werden. Der plus mein ach so lieber großer Halbbruder!“

„Dein Halbbruder benimmt sich bemerkenswert gesittet seinem Vater gegenüber. Diesbezüglich hast du vermutlich eher Hilfe.“ Sie sah, dass ihr Hanyou zweifelnd die Nase rümpfte. „Gib ihm doch eine Chance. Ich meine, er ist dein Vater, aber der war jetzt auch dreihundert Jahre tot, da muss er sich doch auch erst zurecht finden. Und, überleg mal, er hat dich nur einige Minuten sehen können. Vermutlich warst du für ihn immer noch ein Baby, bis er dich nach dem Kampf gegen das Höllenschwert gesehen und angesprochen hat.“

„Du meinst also, ich soll mit, weil ich sonst Ärger mit allen möglichen Unterweltlern bekomme?“

„Und du zugleich die unerwartete Chance hast deinen Vater näher kennen zu lernen. Er wird bestimmt auch noch wissen wollen, wie es deiner Mutter ging. Er hat ja auch schon etwas nach ihr gefragt. Und, überleg mal, du weißt doch selbst, wie das ist. Als du am Baum hingst – wie lange hast du gebraucht, um zu begreifen, dass Kikyou schon fünfzig Jahre tot war und ich nicht sie bin?“ Sie spürte sein Zusammenzucken. Es war ihm sehr unangenehm, sie sollte nicht weiter nachsetzen, sondern ihn nachdenken lassen. Aber etwas musste sie noch loswerden. „Und, schau, als mein Papa gestorben ist, fielen mir auch noch so viele Sachen ein, die ich fragen wollte, ihm sagen wollte ….aber da ging nichts mehr.“

Er musste daran denken, dass sie um seinetwillen ihre Familie aufgegeben hatte, und legte den Arm um sie. Und das mit Kikyou, ja, verdammt… „Schon gut, Kagome. Ich mach ja mit. Unter einer Bedingung.“

„Ja? „ Sie schmiegte sich an ihn. „Soll ich was Schönes kochen, wenn du wieder da bist?“

„Klingt schon mal gut. - Du gibst Vater nicht deinen Befehl, du weißt schon. Ich fürchte nämlich, der könnte die Kette benutzen.“

„Nein, mach ich nicht.“ Aber sie verschwieg ihrem Hanyou, dass sie durchaus den Eindruck gewonnen hatte, ein Daiyoukai habe seine eigenen Methoden den Nachwuchs zu erziehen. Hoffentlich nahm sich Inu Yasha etwas zusammen – und stieß auf gewisses Verständnis.

 
 

Erziehungsprobleme


 

K

urz, ehe die ersten Strahlen der Sonne den Horizont erhellten, kam die erste Äußerung von Sesshoumaru. „Darf ich etwas fragen, verehrter Vater?“

Der Inu no Taishou, der immerhin damit gerechnet hatte, wandte den Kopf.

Das genügte, um seinen Ältesten sagen zu lassen: „Ihr seid selbstverständlich sicher, dass Eure beiden Söhne mit auf diese Reise kommen sollen.“

„Selbstverständlich.“

„Tessaiga.“

Nicht nur, dachte der Hundefürst. Zwischen seinen Söhnen herrschte wohl immer noch eine gewisse Anspannung. „So lautet die Bedingung. - Wir werden sehen, wie weit Inu Yasha nützlich ist.“

Nun ja, kämpfen konnte der, stur war er auch, allerdings würde das kaum eine ruhige Reise werden. Aber das erwähnte man gegenüber seinem Vater und leider auch Erzeugers des besagten Halbdämonen besser nicht. Der jüngere Daiyoukai wandte den Kopf. Rin kam, dazu auch Jaken. Und ja, auch Inu Yasha und diese Kagome.

 

So drehte sich der Herr der Hunde ebenfalls um. Irgendetwas in ihm zuckte jedoch auf, als er seinen Jüngsten sah, der Hand in Hand mit der Miko heran kam, diese nun aber unter den Blicken seiner männlichen Verwandtschaft los ließ. Immerhin, etwas Benehmen. Man berührte sich nie in der Öffentlichkeit. Oder war das in der Zeit, aus der diese Kagome kam, anders? Er sollte da nichts kritisieren ehe er Informationen bekam. Abgesehen davon, er entsann sich nur zu gut an eine weiche Hand in seiner Klaue, ein Lächeln, für das er bereit gewesen war zu sterben. Und da war nicht nur diese Miko, sondern auch das junge Mädchen, das seinen Ältesten anlächelte, wohlweislich jedoch schwieg. Irgendwie musste er doch etwas seinen Söhnen vererbt haben. Mit gewisser Genugtuung bemerkte der Daiyoukai, wie sich sowohl seine Schwiegertochter als auch die beiden anderen Menschen – Miroku und Sango – vor ihm verbeugten. Sein eigener, jüngerer, Sohn zögerte dagegen, ehe er doch den Kopf neigte. Unerzogen, nur? Oder eine gewisse Herausforderung? Nicht nur Sesshoumaru wollte wohl die Macht.

 

Inu Yasha fühlte sich umarmt.

„Komm gesund wieder,“ flüsterte Kagome. „Das wird sicher nicht einfach.“

Der Hanyou drückte sie fest an sich, nicht ahnend, dass in dem so regungslos dastehenden Hundefürsten brennend eine Erinnerung an eine andere schwarzhaarige Frau aufstieg, die ihn ebenso mit den gleichen Worten umarmt hatte – und der er dann nichts außer seinem Tod hatte anbieten können. Er würde kein zweites Mal zulassen, dass seine Familie in Lebensgefahr geriet, schwor er sich in diesem Augenblick. Nicht der Kleine, den er kaum kannte, nicht Sesshoumaru. An seine Söhne kam jemand nur über seine Leiche. Was auch immer Emna Daio und dessen Obrigkeiten damit beabsichtigt hatten, warum auch immer die Jungs mit sollten. Das war seine eigene Entscheidung. „Gehen wir.“ Er ging los, gefolgt von dem, seinem eigenen so ähnlichen, fühlbaren Youki seiner Söhne. Und in seinen Gedanken war nur eines: Ich werde dich nie vergessen, Izayoi!

 

Inu Yasha war versucht sich umzudrehen, aber da sein ach so toller Halbbruder nur dem Taishou folgte, tat er es auch. War das etwa so beabsichtigt? Man folgte dem Heerführer, anscheinend auch noch nebeneinander – naja, immerhin. Noch peinlicher wäre es ja wohl geworden, hätte Sesshoumaru drauf bestanden, dass er als der Jüngere hinter ihm her dackeln sollte. Ja, dackeln, war wohl das passende Wort bei Hunden. Er grinste etwas.

 

Ob der Hanyou je begreifen würde, wie grenzdebil er wirkte, wenn er so sinnlos vor sich hin grinste? Nun, immerhin hielt der den Mund, dachte Sesshoumaru. Womöglich kannte der doch etwas Benehmen. Jedenfalls, davon konnte er selbst nach dem ersten Auftreten seines Vaters mutmaßen, würde der kaum Ungehorsam oder auch nur Unhöflichkeit durchgehen lassen. Das konnte doch eine irgendwie amüsante Reise werden, wenn er sich so an das allgemeine Benehmen und vorlaute Mundwerk Inu Yashas erinnerte. Natürlich auch interessant, denn es war davon auszugehen, dass er selbst endlich sehen konnte, ob dieser senile Schmied die Wahrheit gesagt hatte und er stärker als Vater geworden war. Und das Ganze, ohne es auf ein Duell ankommen zu lassen, das schließlich für einen von ihnen tödlich enden würde. Ja, gut, er hatte damals wirklich in Erwägung gezogen für die Schwerter der Macht seinen Vater zu töten, aber zum Einen war der da nach dem Kampf mit Ryukossusei schwer verletzt gewesen und zum Anderen – als der das ausgesprochen hatte war es ihm selbst ein wenig unangenehm vorgekommen. Und, wenn er sich nicht täuschte, verfügte der Inu no Taishou trotz oder wegen seiner Wiedergeburt über noch andere Fähigkeiten als nur ein mächtiges Youki. Es hieß doch, dass Wesen, die im Jenseits gewesen waren, über mehr Macht verfügten als je zuvor. Und dieses Schwert, was Vater vor ihm auf seinem Rücken trug … Die Magie von einer Art Tokejin plus irgendetwas anderes. Vater hatte das sicher nicht ohne Grund die Schwerterprinzessin genannt. Nun gut. Er würde es bestimmt kaum auch nur berühren dürfen. Eines war jedenfalls klar: den Titel eines Taishou der Hunde, auf den er selbst zugegeben keinen Wert gelegt hatte, war er nun wieder los. Solange Vater lebte. Was immerhin auch den gewissen Vorteil bot, dass er nicht selbst nachdenken musste, falls etwas schief lief.

 

Sesshoumaru im Rücken zu haben war eine gewisse Genugtuung, dachte der Heerführer. Bei Inu Yasha konnte er es schlecht abschätzen. Trotz all dessen Ehrgeiz und Machtwillens war er noch immer überzeugt seinen älteren Welpen unter Kontrolle zu haben. Den Jüngeren – das würde man sehen. Immerhin schien der Hanyou zumindest bereit sich auf das Abenteuer dieser Reise einzulassen, und, da war sich der Inu no Taishou sicher, der tat das nicht aufgrund eines Befehls und Sohnespflicht. Sie hatten sich nie kennen gelernt, womöglich war es Neugier von beiden Seiten. In jedem Fall war Inu Yasha viel unter Menschen gewesen, sei es bei Izayoi oder auch jetzt. Und dazwischen anscheinend vor allem einsam. Kein Wunder, dass der Junge nicht die mindeste Ahnung hatte, wie man sich einem Daiyoukai gegenüber benahm. Der Einzige, den der kannte, war wohl Sesshoumaru. Das Bruderverhältnis schien eher etwas suboptimal gewesen zu sein. Normalerweise hätte doch der Ältere den verwaisten Jungen aufnehmen und erziehen müssen.

Hm. Warum war es denn dem eigentlich nicht gelungen seinen kleinen Halbbruder zu töten? Inu Yasha hatte gesagt, er habe es wollen. Vielleicht HATTE Sesshoumaru versucht den Kleinen zu erziehen und auszubilden – nur, der hatte Youkai-Ausbildung missverstanden? Zwischen dem Leben, das Izayoi geführt hatte, und seinem eigenen als Hundedämon, ja, Daiyoukai, lagen buchstäblich Welten, die er nur behutsam und mit im wahrsten Sinne des Wortes Liebe hatte überbrücken können. Wenn es niemand vermocht hatte Inu Yasha diese Brücken zu bauen … Nun gut. Myouga hatte es anscheinend versucht. Aber, dazu kannte der Taishou den kleinen Flohgeist zu lange, es war wohl beim Versuch geblieben. Armer, alter Myouga. Ja, alt. Er war vor dreihundert Jahren bereits in einem für solch kleinen Geister fortgeschrittenen Lebensalter gewesen. Inzwischen musste er noch gesetzter geworden sein.

Ob der alte Trick noch funktionieren würde? Mit einem leisen Lächeln hob der Taishou die rechte Klaue. Es schien ewig her zu sein, dass er Aufrufzauber benutzt hatte. „Guten Morgen, Myouga.“

 

Der alte Flohgeist hatte bereits um ein Haar einen Herzinfarkt bekommen, als er die mächtige Magie spürte, die ihn rief, um wie viel mehr jetzt in den Fingern eines Daiyoukai. Im nächsten Moment erkannte er ihn – und wusste erst einmal nicht, was er tun sollte. War er jetzt etwa gestorben? Gleich. Es war sein geliebter Herr und er brach in Tränen aus. „Oyakata-sama!“ Ohne weiter nachzudenken flog er förmlich gegen das Schulterfell, weinte hemmungslos, als er spürte, wie real das war. Wenn das die Hölle war, er würde jederzeit gerne wieder sterben.

„Myouga.“ Der Herr der Hunde pflückte den Flohgeist von seiner Schulter, ehe der sich noch weiter und damit auch ihn blamierte. Möglichst noch in sein Fell schnäuzte. Zielsicher schnipste er ihn zu seinem Jüngsten. Wie er es erwartet hatte, fing Inu Yasha den noch im Flug ab. Ja, Myouga hatte sich um den Welpen gekümmert, wohl alles getan, was in seinen schwachen Kräften stand.

 

„Hallo, Myouga-jijii,“ meinte der Hanyou, wenngleich ein wenig erstaunt.

Onkelchen – das war kaum die passende Anrede für einen Lehrer, dachte der Taishou. Andererseits bestätigte das nur seinen Verdacht, dass nach dem Tod der armen Izayoi Myouga für den Jungen die einzige Person gewesen war, zu der der Vertrauen fassen konnte.

Der kleine Flohgeist rieb sich den Kopf, als er sich umsah. Er war noch am Leben, das war Inu Yasha, das daneben Sesshoumaru und das da …. „Oyakata-sama!“

„Ja, wir wissen schon, dass chichi-ue ...“ Nur schön höflich bleiben, der Kerl hatte wohl echt was drauf. „Wieder lebt. Ich weiß nur nicht, warum du hier bist.“

Das wusste Myouga auch nicht, war sich jedoch sicher, dass der Herr das wusste. So blickte er hoffnungsvoll auf die Schulterfelle und den Zopf. Er rieb sich einmal über das Gesicht. „Ich bin so froh Euch zu sehen, oyakata-sama. Was kann ich für Euch tun?“

Der Herr der Hunde wandte nicht den Kopf. „Maruishima.“

„Äh ...“ Myouga war erfreut, dass die alten Sitten zurück waren, aber auch, dass er gerade in der ausgestreckten Klaue des Hanyou der Familie saß. Leider besaß auch sein verehrter Herr manche Eigenschaft, die sein Nachwuchs geerbt hatte – wie Impulsivität. Aber das würde er nie auch nur denken. „Eine magische Insel im Nordwesten, soweit ich mich erinnere. Ein Daiyoukai lebt dort, der sie schützt und bewacht. Nagano, denke ich, heißt er.“

„Er lebt nicht mehr,“ kommentierte Inu Yasha sofort. „Was kann der Typ?“

Aha? Ein toter Daiyoukai und sein Herr wieder lebendig? Was war nur los? Aber es ziemte sich eine Antwort. „So genau weiß ich das nicht, Inu Yasha-sama. Nur, dass er, auch aufgrund der Insel über wirklich bemerkenswerte Fähigkeiten über Bannkreise verfügt.“

„Nagano,“ meinte der Taishou langsam, ohne sich umzuwenden. „Ein guter Schwertkämpfer?“

„Nein, oyakata-sama,“ beteuerte Myouga sofort. „Ich glaube nicht, dass er überhaupt über eine Waffe verfügt, ich meine, verfügt hat. Soweit ich mich entsinne ist er sehr lang gewesen, eher eine Schlange. Ohne Hände.“

Inu Yasha verzog das Gesicht. „Onigumo hat sich aber einen hübschen Partner ausgesucht. Eine zauberkundige Riesenschlange. Na, ob dem das hilft?“

 

Bitte schön, dachte der große Bruder prompt. Kein Benehmen. Man griff weder seinem Vater noch dem Heerführer vor, solange dieser nicht das Ergebnis seiner Überlegungen ausgesprochen hatte.

 

Myouga winkte denn auch fieberhaft und deutete nach vorn, wo der Hundefürst allerdings sich nicht umdrehte, sondern nur sagte: „Ich kann mich nicht entsinnen dich nach deiner Meinung gefragt zu haben, Inu Yasha.“

Der Hanyou öffnete schon den Mund zu einer Erwiderung, bemerkte dann das hektische Kopfschütteln des Flohgeistes. Na, das konnte ja wirklich eine tolle Reise werden, wenn ihm hier der Mund verboten wurde. Aber, das wäre eine Erklärung dafür, dass sich Sesshoumaru immer so schweigsam verhielt. Und ja, irgendwann in Kleinkindertagen war ihm das auch eingeschärft worden, dass man in Gegenwart von Erwachsenen nicht ungefragt redete. Aber, das hier war doch immerhin sein Vater, da … Er bemerkte gerade noch rechtzeitig den durchaus amüsierten Seitenblick seines Halbbruders und schloss den Mund lieber wieder. Der Hundeidiot wartete ja förmlich auf einen Patzer seinerseits. Und darauf, noch einmal so zu Boden geknallt zu werden, konnte er auch verzichten. Das konnte er sich von Sesshoumaru vermutlich die nächsten Jahrhunderte anhören. Youkai schienen da noch mal viel strenger zu sein als Menschen. Obwohl – Vater war anscheinend wirklich ein sehr, sehr ranghoher Youkai. Selbst als Daiyoukai noch immer Top. Der war schlicht nicht gewohnt, dass ihm jemand was sagte. Wie der wohl mit Kagome zurecht kommen würde? Die geigte immerhin jedem ihre Meinung. Obwohl, selbst sie hatte sich gegenüber dem ehemals verstorbenen Taishou …. wie blöd sich das selbst in Gedanken anhörte…. vorsichtig gewesen.

 

Zufrieden, dass hinter ihm Schweigen herrschte, erkundigte sich der Taishou: „Myouga, Toutousai lebt noch?“

„Ja, oyakata-sama.“

„Gut. Er liegt auf unserem Weg. Du und er habt es wohl samt Saya geschafft So´unga und die anderen Schwerter wie geplant zu versiegeln.“

„Ja, oyakata-sama.“

„Gut gemacht.“

„Danke.“

Inu Yasha bemerkte, dass der alte Floh fast wieder in Tränen ausbrach. Ach du je. Das war eine anscheinend normale Unterhaltung? Ja, sogar eine, die immerhin zwischen dem Feldherrn, oder war es doch ein Fürst, und seinem Berater geführt wurde? Aber er entsann sich durchaus an Frauen, die sich vor seiner Mutter verbeugten, eine, die sich sogar stets vor ihm verneigt hatte, mit dem Zusatz: Prinz. Ja, genau. Das hatte er komplett vergessen gehabt. Darum also auch immer das Inu Yasha-sama von diesem alten Flohgeist.

 

Sesshoumaru beschloss trotz der zuvor erfolgten Ermahnung, die ja immerhin nur dem Hanyou gegolten hatte, seine Meinung zu sagen. „Bei allem Respekt, chichi-ue, aber ich glaube Toutousai ist nicht mehr auf der Höhe der Euch bekannten Fähigkeiten.“

„Was bringt dich zu dieser Annahme?“

„Sein Gedächnis lässt nach.“

Da blieb der Inu no Taishou stehen und wandte sich um. Um seinen Mund zuckte eine Heiterkeit, die bei seinem Ältesten jeden Augenzeugen dazu gebracht hätte sich zu Boden zu werfen und rückwärts aus dem Blickfeld zu robben. „Er hat sich schon immer nur an das erinnert, an das er sich erinnern wollte, mein Sohn. Wolltest du etwas von ihm? Und er wollte es nicht?“

Dazu schwieg er wohl besser. Der jüngere Daiyoukai bemerkte plötzlich das durchaus heitere Grinsen seines Halbbruders und reagierte prompt. „Als ob ich sein Schwert gegen dich je benötigt hätte!“

Inu Yasha sah das als die gemeinte Herausforderung. „Das können wir gern feststellen.“

 

Da seine beiden Söhne auseinander sprangen und bereits zum Schwert fassten, griff der Taishou lieber ein, sachlich und kühl. „Der Erste von euch beiden, der zieht, darf sich einen Übungskampf mit mir liefern.“ Was für jugendliche Hitzköpfe! Kein Wunder, dass Emna Daio die Zwei nicht auf eine Mission schicken wollte ohne eine Aufsichtsperson dabei zu haben. „Denn ich nehme selbstverständlich an, dass ihr nur an einem Übungskampf Interesse habt.“

Sesshoumaru entspannte sich. „Ja, verehrter Vater.“ Keine Blamage vor den Augen des Jüngeren. Und möglichst noch Ärger mit den Auftraggebern im Jenseits.

Auch Inu Yasha dämmerte es, dass ihr beider Erzeuger kaum Däumchen drehend daneben stehen würde, wenn sie sich gegenseitig an die Kehle gingen. Überdies würde das wohl auch im Jenseits auf nicht so große Begeisterung stoßen, würde er seinen Vater auch nur ernsthaft mit einer Gegenwehr verletzen, geschweige denn umbringen. Immerhin war der wieder belebt worden um einen Auftrag zu erfüllen. Kagome hatte gesagt, dass das Ärger mit ganz oben bringen konnte – und man musste sich ja nicht das eigene Nachleben versauen. So zuckte er die Schultern. „Äh, war nur eine Idee.“

Zufrieden damit, die Zwei zur Räson gebracht zu haben, und ignorierend, dass Myouga sich schüchtern und den Schweiß von der Stirn wischend wieder auf die Schulter des Hanyou begab, wandte sich der Hundefürst um und ging weiter.

 

Da schien ja einiges unerwartet gelaufen zu sein. Nicht nur, dass sich die Jungs nicht so verstanden, wie sie sollten, auch Sesshoumaru schien deutlich selbstständiger und impulsiver zu sein, als er das bei dessen Mutter erwartet hätte. War diese etwa auch gestorben? Ein paar Jahrhunderte waren auch in der Welt der Lebenden und selbst für eine Daiyoukai eine lange Zeit. Oder, auch das war möglich, sein Ältester hatte sich abgesetzt, nun, um es klar zu sagen, er war desertiert. Sie konnte das Schwebende Schloss nur in gewissem Umfeld verlassen – Sesshoumaru stand ganz Japan frei. Nur, warum hätte er das tun sollen? Dort war er der Schlossherr, der Gebieter. Stattdessen mit einem Kappa und einem Menschenmädchen durch die Lande zu ziehen, war doch schlichtweg närrisch. Und genau das war der Junge eigentlich nicht. Es musste einen, für ihn sehr guten, Grund gegeben haben. Er sollte mit Toutousai und Myouga reden, wenn sie bei dem alten Schmied angekommen waren. Natürlich außer der Hörweite seiner Söhne.

 

Inu Yasha stellte unterdessen für sich fest, dass diese Reise wohl nicht nur für ihn unerwartete Haken bot, sondern auch für den so innig geliebten Halbbruder. Noch Stunden, ja, Minuten zuvor, hätte er nie geglaubt, dass der diese Worte über sich bringen würde. Bei allem Respekt, verehrter Vater …. Das konnte noch richtig unterhaltsam werden. Leider bedeutete das auch, dass er selbst sich zusammenreißen musste, um nicht gerade am eigenen Leib was abzubekommen, was auch immer. Aber das konnte den einmaligen Spaß wert sein.

 

Sesshoumaru seufzte in Gedanken. Natürlich Myouga und Toutousai. Fehlte nur noch dieser Saya, dann war Vaters alte Truppe wieder beisammen. Hoffentlich wenigstens nicht der. Nein, der sollte ja bei So´unga sein, war der Geist der Schwertscheide. Schön, das konnte man abhaken.

Immerhin konnte diese Reise doch etwas Unterhaltung bieten, denn sein kleiner Bruder grinste schon wieder so. Der würde Selbstbeherrschung nicht lange durchhalten. Zugegeben, Vater war bereits tot gewesen und Izayoi hatte es kaum vermocht einen Halbdämonen stundenlang in einem eisigen Gebirgsbach baden zu lassen, wie seine Mutter bei ihm. Es wäre jedoch ungemein interessant zu sehen, was Vater zu diesem Thema einfallen würde. Bei Menschen, das hatte er auf seinen Wanderungen der letzten Jahre gesehen, waren schwere Strafen ja ebenso üblich wie unter Youkai – auch, wenn er doch glaubte, dass Ungehorsam bei einem Sohn ja nicht allzu hart bestraft werden würde. Wenn man die erste Strafe akzeptierte.

Er entsann sich ungern einer Lektion, die der Herr aller Hunde ihm aufgetragen hatte, als er auch nur versuchte zu widersprechen. Allein sein verschmortes Fell, ganz zu schweigen von anderen Körperstellen, hatte ihm den Weg in diese Vulkanspalte nicht eben einfach gemacht. Immerhin war es ihm gelungen befehlsgemäß diese Perle zu finden und zurück zu Vater zu bringen, der ihm zu allem Überfluss aufgetragen hatte, sich bei diesem uralten Berggeist, oder was auch immer, von Hosenki zu entschuldigen. Das Ganze war nur passiert, weil er etwas zu vorlaut seiner Meinung über diesen in der Hörweite des Hundefürsten Laut gelassen hatte. Und, zugegeben, dann auch noch widersprechen wollte. Vater hatte ihn mitgenommen und ihn schlicht vor die Wahl gestellt diese Perle, die er in den Krater warf, wiederzubeschaffen, oder er würde ihm im im wahrsten Sinne des Wortes vor Hosenki und dem gesamten Heer über das Knie legen. Gegen diese Demütigung war ihm der Krater dann doch als die vernünftigere Lösung erschienen, zumal er nicht daran zweifelte, dass er sich in einem solchen Fall auch noch selbst auskleiden musste. Nun, mal sehen, was so einem Hanyou zustoßen konnte.

 

 
 

Toutousai


 

N

ach mehr als drei Tagen und Nächten in mehr oder weniger Schweigen erreichte die Reisegruppe den langgestreckten Fuß eines Vulkans. Die Bäume hier wuchsen deutlich spärlicher, manch einer war von den Hitzeschwaden, die hier immer wieder aus der Erde drangen, schwarz versengt worden. Der Hundefürst sprang jedoch unbeirrt voran, zum einen nach den letzten Tagen sicher, welches Tempo auch sein Jüngster mithielt, als auch einem vertrauten Pfad aus seiner Erinnerung folgend.

 

Besagter Hanyou war etwas genervt. Kaum, dass er zum Reden gekommen wäre, oder auch nur zum Fragen. Sie waren permanent gelaufen. Mit Sesshoumaru zu sprechen war absolut sinnlos, und, wenn er das so richtig einschätzte, mit seinem Vater auch. Ungefragt was von sich zu geben war ja anscheinend verboten. Mit Onkelchen zu reden und sich ein paar Informationen zu holen, war nutzlos. Der hockte auf seiner Schulter und starrte den Rücken des Taishou seit Tagen an wie Jaken Sesshoumaru. Widerlich, geradezu. Als ob diese kleinen Geister dermaßen beglückt davon wären, von so jemandem auch nur in der Nähe geduldet zu werden. Sollte er denn etwa auch dafür dankbar sein, dass die hohen Herren einem Hanyou erlaubten mit zu wandern? Keh! Wer war er denn! Sein Blut war doch wirklich nicht schlechter als das ihre – was natürlich auch an dem Kerl lag, dessen Rücken er langsam auswendig konnte. Und, zugegeben, der trug zwei so Schwänze wie sein lieber Halbbruder ja nur einen. War das ein Statusabzeichen? Und wieso hatte er selber dann keine Boa? Weil er eben doch nur was Halbes war? Hatte er deswegen das nie verliehen bekommen? Oder weil Vater schon tot gewesen war? Oder war das gar angewachsen? Von Geburt an? Er musste seinen Impuls unterdrücken an den zwei Boas vor ihm oder auch nur an der Sesshoumarus zu zupfen.

Ja, hier ging es jetzt hoch zu Toutousai. Hier hatte er immer die Menschen zurückgelassen. Nur, warum blieb jetzt hier auch Vater stehen und drehte sich um?

 

„Ich gehe allein weiter,“ sagte der Taishou. „Myouga, du folgst mir in einer halben Stunde. Ihr Zwei könnt euch erholen – und folgt in drei Stunden. Bis dahin, oder ich früher zurück bin,“ fuhr er etwas nachdrücklicher fort: „Kein Streit, keine Waffen, außer ihr werdet von irgendjemand anders angegriffen. Verstanden?“ Er sah sich gezwungen das höfliche Kopfsenken aller beider abzuwarten. Bei den wenigen Pausen hatte er durchaus die ab und an ausgetauschten Blicke bemerkt. Sie warteten auf etwas. Und er konnte sich nur ausmalen, auf seine Abwesenheit, um das von ihm unterbrochene Duell fortzusetzen. Nichts, was er brauchte – zumal bei dem Auftrag, der von ihnen Dreien lag. Zunächst jedoch musste er wissen, was es alles mit seinem neuen Schwert Tsurugi-hime auf sich hatte. Toutousai war nicht nur ein Meisterschmied, sondern er konnte auch in anderen Klingen lesen.

So eilte er mit weiten Sätzen den Berg hinauf. Bald schon hörte er das gleichmäßige Schlagen eines Hammers. Ah, darum war er noch nicht bemerkt worden. Solange Toutousai schmiedete, konzentrierte er sich ausschließlich auf sein Werkstück. Wer den wohl dazu gebracht hatte für ihn etwas herzustellen? Sein alter Freund war ein wunderlicher Kauz, der nur für jemanden seine exzellenten Werkstücke herstellte, den er mochte.

Und ja, da saß er, noch immer vor der knöchernen Hülle des längst verstorbenen Wals. Feuer, angeheizt aus dem eigenen Mund, zeigte nur zu deutlich, dass auch Toutousai ein Youkai war. Der blickte nicht auf und so machte er den letzten Sprung.

 

Jetzt erst entdeckte der alte Schmied vor sich schwarze Schuhe, weiße Beinkleider. Ohne weiter aufzublicken: „Hast du schon wieder dein Schwert ruiniert, Hundebengel?“ Allerdings nahm er den Hammer vorsorglich beiseite. Sesshoumaru neigte zu nichts anderem als gewalttätigem Handeln, wenn man ihm widersprach. In der nächsten Sekunde hätte er sein Werkzeug allerdings fast fallen gelassen, denn sein Blick glitt höher, deutlich rascher, als er zwei Boas erkannte. „Oyakata-sama!“ Das war zwischen Ungläubigkeit und Freude.

Der Taishou ließ sich ungezwungen nieder. „Kümmere dich um das Schwert. Es wäre schade eine solche Klinge wegen mir zu missachten.“

„Natürlich. - Ich ….Ihr seht sehr gut aus.“

„Ich sehe lebendig aus, Toutousai. Und das bin ich. Während du schmiedest, erzähle ich dir.“

„Danke, oyakata-sama.“ Ha, er würde ohne weitere Nachfrage seine Neugier gestillt bekommen! Sekunde. Dann wollte doch dieser alte, raffinierte, Hund etwas von ihm?

 

Nachdem der Schmied sorgfältig das noch glühende Metall in seinen Umschlag aus Lehm und Stroh gepackt hatte, sah er auf. „Unglaublich, aber wahr. Nun gut. Was willst du jetzt von mir? Und erzähle mir nicht, du hast, nur um mich wieder zu sehen, den Weg auf dich genommen.“

Der Taishou blieb gelassen. „Zwei Punkte, Toutousai. Erstens, wenn meine Söhne dabei sind, sprichst du mich an, wie es sich gehört. Zweitens ...“ Er griff über seine Schulter. „Das hier ist Tsurugi-hime. Diese Klinge wurde im Jenseits für mich und diesen Auftrag geschmiedet. Was kannst du mir über sie sagen?“

„Eine tsurugi, oder wie manche sagen, ken-Klinge.“ Der dämonische Schmied nahm das Schwert. „Natürlich. Mit so etwas Neumodischem wie einem katana gibst du dich nicht ab. - Hm. Zweiseitige Schärfe, die Spitze abgesetzt, sehr gute Arbeit. Wirklich. Keine Blase, kein Aufwurf. Guter Schmied. Nicht einmal eine Ziselierung um den eigenen Fehler zu vertuschen. Das da drin allerdings – hu. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass das die Klinge eines liederlichen Schülers von mir ist ….mein talentiertester Schüler, aber auch mein größtes Versagen. Er schmiedete für deinen älteren Bengel ...“ Er ignorierte das Zusammenziehen der Augen seines Gegenübers besser. „Ein Schwert namens Tokejin. Allerdings schaffte er es, dass ihn diese Klinge übernahm. Ein schlechter Schmied, der sich von seiner eigenen Klinge übernehmen lässt. Nun gut. Inu Yasha ging dazwischen. Tokejin versuchte ihn zu übernehmen, aber dann tauchte Sesshoumaru auf, der sich als der Auftraggeber entpuppte. Wirklich, Taishou, ich warnte ihn, dass ihn das Schwert auch übernehmen würde, aber er fragte nur zurück für was ich ihn eigentlich halte – und er nahm es und verdrängte den bösen, rachsüchtigen, Geist darin. Nun, nichts, was ich gut fand. Rachsucht und Zorn zu verdrängen gelingt meist nur mit eben dem.“

„Tokejin zerbrach. Und es ist mit darin.“ Toutousai hatte wahrlich nichts verlernt. Nur, warum sollte Sesshoumaru zornig oder rachsüchtig gewesen sein? „Was noch?“

„Schwer zu sagen. Natürlich liegt immer noch Zorn darin, das wird nie verschwinden. Aber du hattest schon recht. Es ist noch etwas anderes dabei. Etwas, was ich aber kaum sagen kann. Es wurde im Jenseits geschmiedet. Aber Tenseiga ist es nicht, nein. So´unga – den Göttern sei dank – auch nicht. Jedenfalls wird diese Klinge dein Youki bündeln, übertragen. Und, ich denke, die Wenigsten wollen sich dir damit gegenüberstellen. - Oh, Myouga.“ Denn der Flohgeist kam, getreu seiner Anweisung, und landete neben seinem Herrn.

„Euer neues Schwert, oyakata-sama.“ stellte er fest. Das er natürlich bereits tagelang in der Scheide gesehen hatte. Aber so – eine magische Klinge. Ohne Zweifel. So fuhr er nur etwas spöttisch fort: „Kannst du ihm was dazu sagen, Toutousai?“

„Ich war dabei, du Floh,“ gab der Schmied keinen Deut sachlicher zurück. „Diese andere Art von Magie, oyakata-sama – sie soll etwas bewirken, mächtig, aber ich sehe nicht was. Es muss eben etwas aus dem Jenseits sein. Und, selbst wenn ich Tenseiga schmieden konnte, das ist doch recht … naja, hochgestochen.“ Der alte Youkai kratzte sich auf dem Kopf. „Aber ja, ich denke, es passt. Schwerterprinzessin. Warum auch immer das eine weibliche Klinge sein soll. Die Meisten haben doch männliche, oder, nennen wir es, ihren Zweck bezeichnende Namen.“

„Nun, es fiel mir ein.“ Der Taishou nahm sein Schwert und schob es in die Scheide. „Ich denke jedoch, ihr zwei solltet mir ein bisschen etwas mehr über meine Söhne erzählen – vor allem über Inu Yasha. Ja, das mit der Jagd nach dem Juwel der vier Seelen habe ich gehört – aber wieso kamen die Zwei auf den närrischen Einfall sich um Tessaiga zu prügeln? Noch dazu im Jenseits und zu allem Überfluss in meinem Körper? Hatte ich euch nicht den Auftrag gegeben, Tessaiga zu versiegeln und war nicht Hosenki euer Ansprechpartner?“

Die beiden alten Dämonen tauschten einen Blick, ehe Myouga hastig sagte: „Ja, genau, oyakata-sama. Während ich mit Saya So´unga in den endlosen Brunnen stürzte, ging Toutousai zu Hosenki, natürlich, nachdem er Tenseiga an Bokuseno gegeben hatte.“

„Bokuseno.“ Der Hundefürst hatte für einen Moment tatsächlich das Bild des alten Baumgeist vor sich, der an einem Ast das Schwert des Lebens trug und nicht so sicher war wie Sesshoumaru darauf reagieren würde. „Was lief also schief?“

„Nun ja,“ seufzte der Flohgeist, der erkannte, dass sich der Feigling von Toutousai aus der Sache heraushalten wollte. „Sesshoumaru war nicht … nun ja, er war nicht begeistert von einem Schwert, das nicht töten konnte.“

„Das war der Plan,“ erklärte der Taishou mit einem Blick auf den Schmied.

Der seufzte nur, fast ebenso tief wie der Flohgeist.

Schön, dachte der Herr der Hunde. Hier gab es wohl kaum einfach so Antwort. Ohne weiteres Wort ließ er sein Youki ansteigen.

 

Mehr als unglücklich spürten es die Beiden. Die Temperatur schien deutlich abzukühlen, während sich um sie ein Knistern ausbreitete, das nicht von dem mittlerweile klein gewordenen Schmiedefeuer kam. Und beide spürten, wie ihre sowieso schon schütteren Haare begannen sich unter der Energie zu krümmen.

„Ja, schon gut, oyakata-sama,“ beteuerte Myouga. „Ich bewachte also Euer Grab hier im Diesseits, wie es Euer Befehl gewesen war, und besuchte auch immer wieder Izayoi-sama mit ihrem Kind. Nach ihrem Tod natürlich nur noch Inu Yasha-sama, was sich als relativ schwer herausstellte, denn der Kleine war dauernd quer durch Japan unterwegs. Als ich wieder bei Euch, also, bei Eurem Grab, war, kam Sesshoumaru vorbei und, da er mit sich selbst sprach, erkannte ich, dass er nach Tessaiga suchte. So wollte ich Inu Yasha informieren, aber der hatte von diesem Schwert keine Ahnung oder es war ihm egal.“

Myouga war folglich überfordert gewesen. Der Blick des Taishou glitt zu Toutousai.

So meinte der eilig: „Nach Eurem Tod … Ich ging zu Hosenki und der gab mir die schwarze Perle. Es dauert eine Weile, bis wir Tessaiga darin versiegelt hatten, aber dann wollte ich zu Izayoi-sama gehen. Da war sie allerdings schon tot. Und dann den Jungen zu finden, ohne dessen Wissen das zu versiegeln ...Naja.“

„Sie haben ihn tatsächlich nach dem Tod der Mutter sofort in die Wildnis geschickt.“ Der Herr der Hunde war betroffen. Das erklärte die gewisse Aggression des Jungen ihm gegenüber mehr als nur schlichter Machtwille.

„Sie haben ihn nicht eigenhändig umbringen wollen,“ erklärte Myouga. „Ihr wisst ja, dass so etwas verboten ist.“

Wenn er gewusst hätte, was er mit seinem Tod auslöste … „Weiter, Toutousai. Ihr habt Tessaiga in Inu Yashas Auge versiegelt. Sesshoumaru suchte es.“

„Äh, genau weiß ich nicht, was dann passierte,“ beteuerte der Schmied hastig.

Der Flohgeist erkannte, dass er schon wieder fällig war. „Also, nach dem, was mir Inu Yasha erzählte, kam Sesshoumaru bei ihm vorbei und wollte Tessaiga.“ Hm, besser nicht erwähnen, dass dieser angeblich Izayoi aus der Unterwelt geholt hatte um ihren Sohn zu erpressen. „Äh, ja. Da das Inu Yasha nicht wusste, holte Sesshoumaru mit Magie die Perle aus dessen Auge und verschwand dann in dem Portal. Inu Yasha sprang hinterher, samt Kagome.“

Kagome? Der Taishou horchte auf. Das war doch diese menschliche Priesterin? Sie musste seinen Jüngsten wirklich lieben, um blindlings mit dem in die Unterwelt zu springen.

„Äh, ja,“ fuhr Myouga fort, sich einen Schweißtropfen von der Stirn wischend. Wie erklärte man einem Vater so etwas? „Sesshoumaru konnte Tessaiga aufgrund des Bannkreises nicht berühren. Dann, äh, kämpften sie.“

„Moment. Sesshoumaru und Inu Yasha kämpften – ohne Waffen?“ Das erklärte seinen Zustand nicht.

„Zunächst, aber dann, Inu Yasha war wohl am Verlieren, gelang es Kagome Tessaiga zu ziehen und Inu Yasha zu geben. Sesshoumaru verwandelte sich daraufhin in seine wahre Gestalt. Es … es war wohl recht schwierig, aber letztendlich gelang es Inu Yasha seinem Halbbruder den linken Vorderlauf abzuschlagen.“

Beider Vater nahm das zur Kenntnis. „Er hat wieder beide Arme.“ Youki- Heilungen waren wirklich etwas Bewundernswertes.

„Äh, ja, das dauerte nur ein bisschen. Aber sie gelangten alle wieder heil zurück in diese Welt. Und etwas später, das war schon auf der Jagd nach Naraku, trafen sie sich erneut bei Eurem Körper.“

„Sie kämpften?“

„Nicht gegeneinander, also, nicht so richtig, da kam Naraku ja auch vorbei ...“

„Schön. Und jetzt eine Antwort, Toutousai. Wie oft kämpften sie gegeneinander?“

Der Schmied kratzt sich erneut am Schädel. „Im Jenseits zwei Mal, ja. Und hier ...also, tödlich gemeint ….ach du je. Schwer zu sagen. Die letzte Zeit aber nur mehr ...nun ja. „

Ein Knurren des Herrn der Hunde und ein erneutes Knistern ließ die beiden alten Freunde dann allerdings eine Kurzfassung abgeben. Immerhin, erkannte der Taishou, deckte sich das im Großen und Ganzen mit dem, was die Menschen ihm erzählt hatten. Und, da gab es wohl einiges zu bereinigen. Arme Welpen.

 

Inu Yasha setzte sich an einen Baum, nachdem er Tessaiga abgezogen hatte. Drei Stunden Pause, ja? Klang schon mal gut. Die letzten Tage war er kaum zum Schlafen gekommen. Er registrierte einen Blick seines Halbbruders. „Ja, ich werde schlafen. Irgendwie habe ich nämlich das Gefühl, wenn es so richtig losgeht sollte ich fit sein Aber jeder, wie er es mag, hm?“

Der Kerl verließ sich darauf, dass er ihn nicht schlagen würde! Aber, nun ja, wenn Vater zurückkehrte und sie bei einem Kampf ertappte … So entschloss sich der große Bruder zu „ignorieren“. Sollte der Hanyou doch schlafen, wenn dieser es bei seiner schwachen Konstitution benötigte. Er selbst würde stehen bleiben und höchstens ein wenig meditieren um sich zu sammeln und kampffähig zu werden. Schließlich wollte er sich nicht unter den Augen seines verehrten Vaters blamieren.

 

Myouga wandte nervös den Kopf und wollte bereits auf die Schulter seines Herrn springen, als der Taishou sagte: „Nun, sie sind pünktlich.“ Und fügsam, aber das musste er nicht aussprechen. Immerhin schienen beide trotz allem, was in den vergangenen Jahrhunderten geschehen war, ihm einen gewissen Gehorsam – Sesshoumaru – entgegen zu bringen, oder ihn zumindest kennenlernen wollen, Inu Yasha. Und da gab es wohl noch einiges, ehe sie wirklich gemeinsam, als Einheit, in einen Kampf gegen einen derartigen Gegner ziehen konnte. Wenn sich diese unselige Seele von Onigumo mit einem Daiyoukai verschmolzen hatten und, wer wusste was, noch angestellt hatte, war das sicher kein einfacher Gegner, für keinen von ihnen. Zu zweit oder dritt würde es sicher gehen. Hm. Es bot sich an, Toutousai zu benutzen. „Wenn die Jungen hier sind, richte ihre Schwerter auf besten Kampfmodus. Und gib mir Tsuruki-hime wieder.“ Als das Schwert in der Scheide ruhte – und er hätte schwören mögen, dass es entspannt und zufrieden war, wandte er den Kopf, wo sein Nachwuchs nebeneinander den Berg heraufkam, eine Sache, die dem Älteren missfiel, aber gegen die er nichts unternommen hatte. „Gut,“ sagte beider Vater daher nur. „Toutousai wird eure Schwerter bearbeiten. Und nein, ich denke nicht, dass sie es nicht nötig haben!“ setzte er etwas nachdrücklicher hinzu. Zum Einen war das seine Überzeugung, zum Zweiten – man hinterfragte den Befehl eines Fürsten nicht einmal in Gedanken. Beide waren bereits dabei gewesen ihn anzustarren.

So neigte Sesshoumaru etwas den Kopf, ehe er Bakusaiga zog und sich niederließ.

Der alte Youkaischmied nahm die Klinge behutsam, sicher, dass ihn nur die Gegenwart des Taishou davon abhielt soeben filetiert zu werden. „Gutes Material, guter Stahl. Wird ein wenig brauchen, da es offenbar noch nie gefegt wurde. Aber danach hast du eine wirklich tödliche Klinge.“ Er blies sein Feuer wieder an.

 

Der Herr der Hunde erhob sich, sicher, dass sein Ältester sein Schwert nie aus den Augen lassen würde. „Inu Yasha.“ Er ging.

Der Hanyou folgte ein wenig überrascht, aber gehorsam. Hatte Kagome etwa recht und auch sein Vater wollte ihn kennen lernen? Er sollte ihm wirklich eine Chance geben, da hatte sie wohl recht. Wie weit wollte der allerdings noch laufen? Oh, natürlich, bis Sesshoumaru nichts mehr hören konnte, zumal mit dem Feuer und dem Hammer. Da der Taishou stehen blieb und sich umwandte tat er es auch, steckte aber in irgendeiner Mischung aus Nervosität und Aggression die Hände in die Ärmel – nur, um sie wieder herauszuziehen, als er die ein wenig hochgezogen Brauen des Hundefürsten bemerkte. Sollte er sich jetzt hier immer aufführen, als wäre er bei Hofe? Zugegeben, in Anwesenheit eines Fürsten war man immer bei Hofe, ja, flüsterte ihm eine Stimme aus der Vergangenheit zu. Aber er würde ganz sicher nicht zu Boden fallen und den küssen. So richtete er sich nur etwas auf.

Ahja. Das konnte schwieriger als erwartet werden. „Willst du mich etwas fragen, Inu Yasha?“ Das war doch wohl eine neutrale Frage.

Ja, vieles. Aber, wo jetzt damit anfangen? „Äh, wieso ...ich meine, Mutter sagte mir, Ihr wärt rechtzeitig gekommen, um uns zu beschützen, aber ….ich meine, Ihr wusstet doch, dass Geburtstag ist!“

„Ich kam rechtzeitig um euch zu beschützen. Nicht rechtzeitig, um die Verletzungen zu überleben, die mir Ryuukossusei geschlagen hatte.“ Das klang ruhig. Anscheinend hatte der Junge immer nur von Izayoi und Myouga Bruchstücke erzählt bekommen – und sich den Rest zusammengereimt. Das wäre natürlich auch ein Grund für dessen Ärger.

„Ja, äh, vermutlich ist das schon wieder unhöflich ….“ Aber Inu Yasha fand Mut in der bisherigen Ruhe seines Vaters. „Ich meine, ich habe den Kerl zerlegt! Und Ihr …. Ihr hattet doch So´unga.“

Oh, das war allerdings eine berechtigte Frage. „Du hattest Tessaiga. Ich kämpfte gegen ihn, wie es sich gehörte, da er kein Schwert tragen konnte – Hund gegen Drache, rohe Kraft gegen rohe Kraft.“

„Er war stärker?“

Der Taishou stellte fest, dass ihm die Ungläubigkeit dieser Frage doch schmeichelte. „Nein. Aber diese Schuppen bildeten ein wirkliches Problem.“

„Ja, ich weiß,“ murmelte Inu Yasha. Aber er hatte doch gar nicht anders gekonnt als sich diesem Drachen mit dem Schwert zu stellen. „Auch gegen Menomaru oder dessen Vater habt Ihr So´unga nicht eingesetzt.“

„Nein, auch wieder einen Bannkreis. Aber, woher weißt du das?“

„Ich habe Menomaru umgelegt, als der seinen Vater übernommen hatte. Ich meine, wieso muss ich hinter Euch aufräumen und nicht Sesshoumaru?“ Der Hanyou bemerkte, dass ihn sein Vater anstarrte. Das war wohl schon wieder zu viel gewesen? Immerhin war noch kein Youkiausbruch oder sonst was gekommen.

Au weia, dachte der Taishou. Es gab nur wenige Gegner, die er nicht umgebracht hatte, sondern versiegelt. Und ausgerechnet auf diese Zwei war der Kleine gestoßen, ja, hatte sie besiegt? Nun, abgesehen von der nicht unbedingt positiven Kindheit machte das auch keinen guten Eindruck von einem Fürsten, wenn dessen halbwüchsiger Sohn sich darum kümmern musste. Und das auch noch erfolgreich tat. „Ich bin dir natürlich keine Rechenschaft schuldig, Inu Yasha. Aber zunächst einmal: Ryuukossusei und Menomaru zu besiegen – dazu gehört schon was.“

Das klang schon mal gut und für einen Moment atmete der Halbdämon auf.

Da fuhr der Taishou fort: „Zumal als Hanyou.“

Inu Yasha erstarrte und fixierte sein Gegenüber. Sollte er oder er nicht?

Dem Hundefürsten wurde klar, dass das ein Tritt ein riesiges Fettnäpfchen gewesen war. Und, dass nur doch irgendwie erlernte Reflexe den halben Jungen vor ihm abhielten auf der Ferse kehrt zu machen, in sein Dorf zurück zu gehen – und ihn samt Aufgabe zu vergessen. Das würde ihm Emna Daio nie verzeihen, und er sich selbst auch nicht. Wie bekam er nur dieses schwierige Kind näher zu sich? „Was nur um so mehr zu bewundern ist. - Komm, gehen wir zu den anderen zurück. Tessaiga ist sicher fertig.“ Das konnte wahrlich noch eine komplizierte Reise werden.

 
 

Alte Bekannte


 

W

ährend Inu Yasha mehr als zwiespältig zu dem Feuer zurückkehrte, das Toutousai nach altgewohnter Manier anheizte und sein Halbbruder aufstand, sagte der Schmied nur: „Bakusaiga ist fertig, gib mir schon Tessaiga.“

Und der Taishou nickte nur in die Dunkelheit. Sein Ältester folgte. Nach einem Tete a tete mit Inu Yasha wollte Vater immerhin auch mit ihm reden – und er hatte ihm zuerst erlaubt Bakusaiga schmieden zu lassen. Er nahm keinen Moment an, dass Tsurugi-hime ein harmloses Schwert war. Es war für Vater in der Unterwelt gegen einen gefährlichen Gegner geschmiedet worden. Mächtiger Daiyoukai plus für den ausgerichtetes Schwert, noch dazu aus der Unterwelt …

Nach einer Weile drehte sich der Hundefürst um. „Du willst mich etwas fragen?“

Sesshoumaru zögerte kaum. „Tessaiga. Wieso er und nicht ich?“

Für einen Augenblick schloss der Taishou die Augen. „Nun, sag mir, warum du ein Schwert bekommen haben solltest, das dich beschützt? War das je nötig?“

„Das Halbblut hatte es nötiger, ja, das ist mir klar. Dennoch...“

„So`unga?“

„Ja.“

Das war ehrlich. „Sesshoumaru, damals wärst du nie im Stande gewesen das Höllenschwert zu beherrschen. Heute, möglich. Das war einer der Gründe, warum ich es in die Zeit reisen ließ. Hast du nicht einmal das verstanden.“ Da sein Ältester den Kopf etwas neigte: „Du solltest an Tenseiga viel lernen, was dir fehlte. Das hast du. Tessaiga dagegen war immer das Beschützerschwert. Ich wusste, dass ein Hanyou auf Probleme stoßen würde, gerade auch durch das unterschiedliche Blut. Es sollte ihn oder sie schützen. Vor sich selbst. Tessaiga war nie dazu gedacht die Machtphantasien eines Jünglings zu stillen.“

Das mochte ja alles sein, und schließlich war Vater ein genialer Feldherr gewesen, aber … „Und das Meidou? Warum erhielt ich nur die zweitrangige Klinge?“

„Dachtest du das? Nun, du denkst es wohl wirklich. Es sind Geschwister, ähnlich und doch verschieden, aber sicher gleichrangig. Ich bin dir keine Rechtfertigung schuldig, mein Sohn, darum nur so viel: als ich Tessaiga schmieden ließ, wusste ich nicht, ob das Kind Junge oder Mädchen wird. Tessaiga sollte versiegelt werden, um das Kind vor meinem Erbe zu schützen. Weißt du, was geschieht, wenn das Inu Yasha übernimmt? Nun. Falls es ein Junge würde, sollte der eines Tages auch mit dem Schwert kämpfen lernen, wenn er erwachsen wäre. Der Pfad der Dunkelheit ...nun, den wollte ich ihm selbst zeigen, denn nur ein Daiyoukai kann ihn meistern. Tenseiga und du wart der Notfallplan, falls ich nicht dazu kommen würde.“ Der Taishou bemerkte, dass dieses Wort nicht unbedingt auf Gegenliebe stieß. War das schwierig mit den Zweien. In den letzten Jahrhunderten ohne ihn war viel geschehen und er musste sich umgewöhnen. Es waren keine kleinen Kinder mehr. So fuhr er doch zu seiner gewissen Verteidigung fort: „Es ist sehr schwierig Dinge zu bedenken, die nach dem eigenen Tod erfolgen sollen.“

Das mochte stimmen, stimmte sicher, dachte Sesshoumaru, wenn er zugleich sich daran erinnerte, dass er noch überhaupt keinen Plan gemacht hatte. Aber er fühlte sich auch noch jung und unbesiegbar. Nun, er hatte auch geglaubt sein verehrter Vater sei unschlagbar. Und doch hatte das dieser Drache vermocht, den anschließend ausgerechnet der vorlaute Hanyou besiegt hatte. Vielleicht sollte er doch auch einmal an Rin denken? Chichi-ue hatte zugegeben Recht behalten: ohne seine Erfahrungen mit Tenseiga, dem Lernen in den Kämpfen mit Tokejin und gegen Naraku, wäre er nicht in der Lage gewesen den Pfad der Dunkelheit zu öffnen. Mit Tessaiga zu Beginn wäre er nie soweit an seine Grenzen gegangen, hätte nie den Status eines Daiyoukai erreicht. Ja, Vater hatte Recht. Und er sollte ihm beweisen, dass er nicht mehr der rebellische Jüngling war, dass er ein wahrer Daiyoukai war, sich seiner Verantwortung bewusst. Zugegeben, Inu Yasha war eine andere Sache. Daiyoukai hin oder her – kleine Brüder ärgern war doch bestimmt erlaubt.

 

„Du siehst so ernst aus, Inu Yasha,“ meinte der Schmied, ehe er kundig Tessaiga polierte. „Eiwei. Wann lernst du es nur einmal mit dieser Klinge umzugehen. Das ist eines meiner Meisterstücke!“

„Keh!“ Der Hanyou schob die Hände in die Ärmel. „Ich habe keinen Baum gefällt, wenn du das schon wieder sagen willst, Schwertbieger. Ich hätte gerade nur gute Lust nach Hause zu gehen. Aber dann kann ich mir vermutlich von der lieben Verwandtschaft die nächsten Jahrhunderte anhören, was ich für ein Feigling bin.“

„Ach du je.“ Myouga hatte es gehört und kam eilig angesprungen. „War das Gespräch mit dem Herrn nicht sehr … erfolgreich?“

„Er ritt darauf rum, dass ich ein Hanyou bin!“

„Das stimmt doch, oder?“ deutete der Flohgeist vorsichtig an, achtete jedoch darauf sprungbereit zu sein. „Und, es ist doch nichts schlimmes. Niemand weiß doch besser als Euer Herr Vater, dass Eure Mutter ein Mensch war.“

„Oh, super, du hast zwei Typen umgelegt, die ich nicht knacken konnte, obwohl du nur ein Hanyou bist.“

„Also, ich glaube, da habt Ihr etwas missverstanden, Inu Yasha-sama,“ protestierte Myouga prompt. „Das hat der Herr sicher so nie gesagt.“

Toutousai hob den Kopf und musterte den alten Flohgeist, den er seit Jahrhunderten kannte und durchaus schätzte, ehe er sich an dieses Hundebaby wandte. „Wirklich, da hast du was missverstanden. Bitte schön, wer hatte sich denn Ärger eingehandelt, weil er deine Mutter heiratete? Glaubst du nicht, dass ihm das durchaus Spott eingetragen hat?“ Wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand. Es gab schließlich einfachere Selbstmordmethoden als den Inu no Taishou vor dessen, nebenbei ausgezeichneten, Ohren zu beleidigen. Zugegeben, keine schnellere. Obwohl, bei Sesshoumaru konnte man da auch sicher sein, dass es sehr flott ging.

„Keh.“ Der Hanyou sah unzufrieden aus. „Mag ja alles sein, aber wieso sagt er nicht einfach, he, toll dich kennen zu lernen, nimmt mich in den Arm ….“

„Äh, er ist ein Youkai, noch dazu ein Daiyoukai,“ erklärte Myouga hektisch. Wie erklärte man dem Jungen nur die Unterschiede zwischen den Arten, ohne es sich dafür mit dem Taishou zu verscherzen? „Ich meine, könnt Ihr Euch vorstellen, dass der Herr Sesshoumaru in die Arme nimmt?“

Inu Yasha blinzelte, als er sich dieses Bild vorstellte, ehe er doch auflachte. „Da würde ich mich nur fragen, wer wen als erstes umbringt.“

Der Flohgeist bewies mit seinem nächsten Satz, warum er von einem der mächtigsten Daiyoukai als Berater angesehen wurde. „Überdies, bedenkt – der Herr war Jahrhunderte verstorben. Ich meine, ich weiß nicht, wie viel Zeit das im Jenseits ist, aber er hat hier einiges verpasst.“

Ja, das hatte Kagome ja auch gemeint. Und sie hatte gesagt, er solle dem Kerl eine Chance geben. Vielleicht war der echt so altmodisch, weil er stehen geblieben war? Er selber musste ja wirklich nur an seine eigene Zeit im Bann am Baum denken – da hatte er auch lange nicht verstanden, dass Kikyou schon fünfzig Jahre tot war, Kaede kein kleines Kind mehr … Ja, man bekam so einiges nicht mit. Und er war nicht mal im Jenseits gewesen. „Na schön, Onkelchen, dir zuliebe,“ murrte er, um kein Eingeständnis eines Nachgebens zu zeigen. „Immerhin habe ich die ganze Zeit auch ohne Vater überlebt, das könnte ich jetzt auch.“

„Natürlich, natürlich. Aber da ist dieser Auftrag aus dem Jenseits, nicht wahr?“ Und Ihr wollt Euch doch auch keinen Ärger mit ganz oben einhandeln, aber das verschluckte Myouga lieber. Das wäre der sicherste Weg den Hanyou aufsässig zu machen, gleich, was ihn das nach seinem Tod im Jenseits kosten würde. „Und es wurde sicher nicht ohne Grund um Euch drei gebeten. Es scheint ein sehr wichtiger, übermächtiger, Gegner zu sein.“

„Keh, wer auch immer soll sich mit mir anlegen? Oder auch mit meinem ach so lieben Halbbruder? Oder auch meinetwegen mit Vater?“ Geschweige denn mit allen Dreien?

„Naja, ein gewisses Selbstbewusstsein kann man dir nicht absprechen, Hundejunge,“ gab Toutousai zu, ehe er Tessaiga noch einmal prüfend musterte. „Hier. So gut es geht in der Nacht mit solchen Scharten. Keine Bäume, sagtest du.“

„Nein, Bambus.“ Inu Yasha erkannte, dass das auf den Schmied ungefähr die gleiche Wirkung hatte. „Da drin hatte sich so ein Wurmdämon versteckt, der ein Dorf angriff. Da er Menschen bei sich hatte, gefangen, musste ich direkt an ihn ran.“

 

Der Inu no Taishou und sein Ältester kehrten langsam und lautlos zurück. Der Vater sah beiseite. „Was ich dich noch fragen wollte: wie geht es deiner Frau Mutter?“

„Als ich sie zuletzt sah, ausgezeichnet, chichi-ue,“ antwortete Sesshoumaru wohlerzogen, in der stillen Hoffnung, dass das genügen würde. An dem etwas schräg geneigten Kopf erkannte er jedoch, dass da noch eine Ergänzung verlangt wurde. „Sie hat sich ihren Humor bewahrt.“

Um den Mund des Herrn der Hunde zuckte ein winziges Lächeln. „Lass mich raten: sie hat dich in die Unterwelt geschickt? Für das Meidou?“

Vater war leider alles, aber nicht töricht. „Ja.“

„Das hat sie mit mir auch getan – sie wollte diesen Anhänger. Ah, Tessaiga ist fertig. Dann gehen wir.“

 

Inu Yasha stand auf und schob sich sein Schwert ein. Er dachte gerade nicht richtig gehört zu haben. Sesshoumarus Mutter hatte ihren eigenen Sohn und auch ihren Ehemann in die Hölle geschickt und beide hielten das für eine Form von Humor? Anscheinend bestand wirklich ein gewisser Unterschied zwischen Youkai und Menschen, vor allem auch Müttern. Vielleicht sollte er dem Typen wirklich eine Chance geben und alles war irgendwie doch ein Missverständnis? Dann konnte er das „mal in den Arm genommen zu werden“ streichen. Aber abwarten. Er hatte auf die harte Tour schon lernen müssen, was Youkai von ihm hielten, nicht zuletzt dank seines Halbbruders. Und er wusste, fühlte es förmlich, dass der nur hoffte, er würde einen Patzer nach den Youkai-Regeln begehen, obwohl er sie ja gar nicht kannte, und bestraft werden. Nach dem ersten Auftritt ihres Vaters war das allerdings nicht mehr passiert, aber zugegeben, er selbst blieb ja auch relativ höflich und schweigsam. Fragte sich nur, wie lange er das noch durchhalten konnte. Es war anstrengend.

 

Der Taishou wandte sich um. „Das heißt, Myouga ...“

Der Flohgeist sprang eilig auf: „Ja, oyakata-sama?“

„Gehe doch in das Schwebende Schloss und teile der Herrin mit, dass ich wieder lebe.“

Myouga brach der Schweiß aus allen Poren. „Oyakata-sama,“ stammelte er irgendwie. „Ihr wisst, dass …“

„Sie wird dich nicht umbringen.“

Diesen Optimismus teilte der Sohn der besagten Dame weniger. „Chichi-ue, bei allem Respekt, aber meine verehrte Mutter wird das für eine schamlose Lüge halten.“ Leute, die nach ihrem Tod wieder auftauchten und keine Geister waren, waren seines Wissens rar gesät. Die folgende Frage traf ihn unvorbereitet.

„Hat sie einen neuen Gefährten?“

„Nein,“ erwiderte Sesshoumaru eilig und unterließ es darauf hinzuweisen, dass sich seine Mutter seit einigen Jahrhunderten bislang zu Recht als Witwe und Herrin aus eigenem Recht fühlte und sicher kaum das Bedürfnis verspürte sich erneut einem Mann unterwerfen zu sollen. Sie würde ihren Platz nur für ihn räumen, das war ihm schon lange klar gewesen. Allerdings sah die Lage nun ein wenig anders aus.

Hm. Der Taishou wandte sich an den sichtlich unglücklichen Flohgeist. „Nun gut. Bleibe hier bei Toutousai.“ Er wartete die Dankesbezeugung gar nicht ab, sondern ging.

Beide Söhne folgten ihm mehr oder weniger notgedrungen, zumal so nebeneinander.

 

Myouga atmete durch. „Das hätte ich nicht überlebt.“

„Vermutlich nicht,“ gab Toutousai zu, während sein Blick rasch zu der sorgfältig eingepackten Klinge glitt. „Sie hätte angenommen, dass du sie auf den Arm nehmen willst. Es ist ja auch, sagen wir, selten, dass jemand aus dem Jenseits zurück kommt.“

„Du hast es dem Herrn nicht gesagt?“

„Was denn?“

„Was da in diesem neuen Schwert noch so alles drin ist?“

„Jaha, das alte Tokejin, keine besonders wohlmeinende Klinge.“

„Und das andere?“ drängte der Flohgeist.

„Ach, wozu es sagen. Er merkt es dann ja sowieso. Woher willst du das denn wissen?“

„Halte mich bitte nicht für töricht!“ Der Flohgeist verschränkte seine vier Arme empört. „Ich mag kein Schmied sein, aber wenn du so guckst, hast du was gefunden.“

„Gut, dass der Herr das nicht sah. Ich hätte Fragen dazu nicht beantworten können.“ Der alte Youkaischmied seufzte. „Klinge aus dem Jenseits, ja, mit eigener Macht. Und etwas Bekanntem, ja, aber ich weiß nicht was. Wie ein Eintopf.“

Jetzt schwebten über Myougas fast kahlem Schädel förmliche Fragezeichen.

Toutousai seufzte erneut. „Naja, Eintopf, eben. Alles zusammen gemixt. Aber von einem sehr guten Schmied. Von einem wahren Meister. Ich glaubte fast mein eigener Lehrer, aber das wäre unmöglich, er ist ja sicher nicht im Jenseits.“

„Du redest noch wirrer als sonst.“ Der Flohgeist schlug vier Hände über dem Kopf zusammen. „Übrigens, du weißt schon, was die nächste Nacht passiert?“

„Ja, klar, es ist Neumond und ….“ Toutousai fiel eine Kleinigkeit ein.

Myouga seufzte ebenso tief wie der Fuji hoch war. „Und Inu Yasha wird zu einem Menschen. Das wird er diesmal kaum verbergen können.“ Und der Himmel allein wusste, auf was für Ideen dieses impulsive, sture, Hundebaby kommen würde.

 

Auch dem Hanyou wurde bei einem Blick auf die kaum mehr sichtbare Mondsichel klar, was in der folgenden Nacht geschehen würde. So ein Mist. Schlimm genug, dass Sesshoumaru das mitbekam. Nun, der wusste es inzwischen ja sowieso sicher, Rin war ein Plappermaul, aber dessen verächtlichen Blick wollte er gar nicht sehen. Und Vater – war das nicht der Moment, in dem er praktisch bewies, dass er eben nur ein Hanyou war, nicht der Sohn eines Hundefürsten? Wie würde der ihn ansehen? Bestimmt so kränkend, so … Naja, eben Sesshoumaru mal zwei. Toll. Weglaufen ging nicht, das wäre auch eine Blamage und vermutlich würde ihn Vater einholen, ehe er auch nur weg war. Erklären? Was denn, da er es ja immer noch nicht selbst verstand?

Oh, er sollte sich beeilen, denn das Tempo war erhöht worden und sein lieber Halbbruder war schon fast fünf Meter vor ihm. Nicht, dass der oder die Daiyoukai ihn noch für schwach hielten. Man, war das mit Familie schwierig. Obwohl, Kagome vermisste ihre ja schon, auch, wenn sie nie etwas sagte. Aber zwischen ihrer Mutter und seinem Vater lagen ja wohl nicht nur Zeiten, sondern Welten. Dennoch seine eigene Mutter … Vielleicht waren Väter einfach anders? Er hatte schließlich Kagomes auch nie kennen gelernt. Und ja, seinen eigenen würde er wohl in der nächsten Nacht richtig kennen lernen, wenn er sich in einen Menschen verwandelte – und wie dessen Reaktion darauf wäre.

 

Der Inu no Taishou erstarrte, als er am Rande einer Lichtung eine Person unter den Bäumen erkannte, die sich langsam in die ersten Sonnenstrahlen wagte, ehe er freundlich grüßte. „Hakai. Wie ungewohnt, einen Shinigami hier zu sehen.“

Ein Todesgott? Inu Yasha hatte noch nie einen gesehen und musterte den sich Nähernden in Schwarz, der seine Flügel auf dem Rücken faltete und seine Sense etwas senkte.

Hakai neigte höflich den Kopf, durchaus angetan davon zuerst begrüßt worden zu sein. „Ich bringe Nachrichten, die Euch interessieren könnten, werter Taishou. Es kamen einige, um nicht zu sagen, überraschend viele, Youkai bei dem ehrenwerten Richter an, die sagten, dass sie auf der Insel von Maruishima verstarben. Nachfragen ergaben, dass sie von einem gewissen Akumu, das scheint das Wesen zu sein, das aus Onigumo und Nagano entstand, in einem magischen Kerker gefangen gehalten wurden und gegeneinander kämpfen mussten. Nur der Sieger würde frei kommen.“

„Ein kodoko?“ entfuhr es Inu Yasha. „Das hat Naraku doch auch gemacht.“ Er erkannte an den Blicken gleich dreier Anwesender, dass er schon wieder voreilig gewesen war und gegen irgendeine Regel verstoßen hatte. So korrigierte er hastig: „Äh, Verzeihung, chichi-ue, ich dachte ...“

„Deine Gedanken interessieren mich nicht im Mindesten,“ gab der Taishou eisig zurück, der sich von seinem Jüngsten vor dem Shinigami bloßgestellt fühlte. „Weiter, Hakai.“

Dieser war gerade irgendwie froh nicht der Sohn des Fürsten zu sein. „Nun, Emna Daio ist überzeugt, dass dies nur bedeuten kann, dass sich Akumu weiter verstärken will und gewiss Eile geboten ist. Des Weiteren sagten die Verstorbenen aus, dass die Magie der Insel auch und vor allem darin besteht, dass es an manchen Stellen Quellen aus Youki gibt, ein Youkai also deutlich mächtiger wird, an anderen Stellen jedoch Genki, die göttliche Energie, vorherrscht und ein Youkai, natürlich ein schwacher Youkai, geläutert werden kann. Genau wusste es niemand, das hat anscheinend nur der … hm ...verschwundene Nagano kontrolliert. Er war ein Daiyoukai der Schlangen. Und er ist bislang nicht bei dem ehrenwerten Richter eingetroffen.“

 

Inu Yasha war bei der Replik seines Vaters beleidigt, ja, betroffen gewesen, aber da das Stichwort Emna Daio gefallen war, dachte er doch nach. Das war, der Legende nach, der Typ, der über die menschlichen Seelen im Jenseits richtete? Nun ja, dem Shinigami nach wohl mehr als nur eine Legende. Und so höflich, wie der Taishou, naja, sein Vater mit dem umging, war das eben ein Bote eines Kerls, der auch über Youkai richtete? Gut. Er hatte sich ja bereits einmal gedacht, dass er sich nicht selber sein Nachleben versauen musste – aber auch das von Mutter und Kagome nicht und von anderen Leuten. Er sollte sich wirklich zusammen nehmen. Fragte sich nur wie. Er war eben impulsiv. Aber gegen einen Jenseitsrichter kam man wohl nur sehr schwer an. Und, da konnte er angesichts des nur scheinbar gleichmütigen Gesichtsausdrucks eines gewissen Hundeyoukai neben ihm sicher sein, da kam noch was auf ihn zu. Dazu kannte er diesen Mistkerl von Halbbruder zu gut. Der amüsierte sich schon mal. Vater mochte es sicher nicht so vor einem Todesgott blamiert zu werden. Irgendwie wäre es doch wohl besser gewesen wenn Kagome dem ihr „Mach Platz“ gegeben hätte. Damit konnte er ja doch ganz gut umgehen.

 

Der Taishou dachte kurz nach. „Also besteht eine gute Wahrscheinlichkeit, dass Onigumo und Nagano verschmolzen sind, vermutlich unter Führung Onigumos. Und dieser weiter reichende Pläne hat, ohne dabei auf Leben zu achten.“

„Ja,“ bestätigte Hakai. „Die Youkai, die im Jenseits ankamen, stammten übrigens alle nicht von Maruishima, sondern vom Festland. Sie wussten nicht genau wie, aber sie wurden entführt.“

„Woher kennen sie dann die Magie der Insel?“ erkundigte sich der erfahrene Feldherr prompt.

„Es sei zu spüren gewesen.“ Der Shinigami zuckte mit den Flügeln. „Ich kenne mich da nicht aus, werter Taishou, und, wenn ich so sagen darf, auch Emna Daio wohl nicht. Das sind Obliegenheiten des Hier.“

Was nur bedeutete, dass es schwieriger wurde – und dieser Akumu ein wahrlich interessanter Gegner. Herrlich. „Gut, Hakai, noch etwas?“

„Nein, werter Taishou.“ Der Todesgott löste sich buchstäblich in Luft auf.

So drehte sich der Herr der Hunde um, etwas überrascht, dass sich sein Jüngster aufrichtete. Die Erklärung folgte prompt.

„Nun gut, chichi-ue,“ sagte Inu Yasha, ohne zu merken, dass er schon wieder dem Ranghöheren vorgriff, und hob das Kinn. „Dann schlagt mich, bohrt mir ein Loch in den Bauch oder was auch immer ein Youkai macht.“ Zu seiner Überraschung geschah für einen Moment nichts, ehe ein eisiger Blick seines Vaters ….seinem Halbbruder galt? Was war denn jetzt los?

„Sesshoumaru.“ Waren so etwa dessen Erziehungsversuche abgelaufen? Kein Wunder, dass der Kleine widerspenstig war. Aber gut, auch sein Ältester war bei weitem noch nicht erwachsen gewesen, als er selbst gestorben war. Auch etwas, das er Ryuukossusei anrechnen konnte.

Besagter älterer Sohn erkannte das aufziehende Gewitter und suchte Deckung. „Ihr entsinnt Euch sicher meiner Strafen.“

„Und ich würde dich jeder Zeit wieder in einen Vulkan schicken, wenn du mich vor dem gesamten Heer beschämst. Du kanntest seit Kindertagen die Regel. - Und Inu Yasha, dir erkläre ich sie ein für alle Mal: greife mir nie vor, nicht in Worten, nicht in Taten, nicht als Vater, nicht als Heerführer. Missachtest du dieses Gebot, werde ich dich bestrafen. Ihr habt mich beide verstanden?“

Vulkan? Inu Yasha neigte lieber den Kopf. Schön, er sollte wohl besser wirklich den Mund halten. Aber so unrecht hatte Kagome wohl nicht gehabt – der Alte Herr schien ganz in Ordnung zu sein, immerhin gab er ihm eine Chance.

Auch Sesshoumaru zeigte lieber Gehorsam. Natürlich. Das Nesthäkchen. Nicht nur Tessaiga, sondern auch noch Erklärungen und Verschonung. Nun gut. Bei dem, ihm nur zu bekannten, Temperament des Bastards war der Zusammenrauscher mit Vater nur eine Frage der Zeit. Denn das war keine Drohung gewesen, sondern eine Ankündigung.

 
 

Neumondnacht Teil 1


 

S

chweigend gingen die beiden Halbbrüder hinter ihrem Vater her, jeder für sich in Gedanken. Während Sesshoumaru immer noch darüber nachgrübelte, wieso der unbekannte Sohn so verhätschelt wurde und er selbst strenger behandelt, fand Inu Yasha die Ankündigung trotz allem nicht schlecht. Das war eine deutliche Ansage gewesen – und ihm war jetzt klar, bei was er Ärger bekommen würde. Nun ja. Es würde welchen geben, dazu kannte er sich zu gut. Sein Mundwerk lief manchmal schneller als seine Gedanken. Vielleicht würde es auf dieser Reise aber auch noch andere Dinge geben, die er über Youkai lernen konnte? Denn, um ehrlich zu sein, außer dem, was er von Myouga gehört hatte und selbst erlebt, wusste er wenig über das Zusammenleben. Und das hatte Sesshoumaru ja wohl mit seinen Eltern getan. Noch dazu in einem Schloss! Schön, er selbst hatte mit seiner Mutter ja auch einige Zeit, genauer, bis zu ihrem Tod, in einem Schloss gelebt … Aber, das bedeutete doch dann eigentlich, dass der Herr Halbbruder ein Prinz war, Vater ein Fürst oder so etwas – und er ja dann auch ein Prinz. So hatte er das eigentlich noch nie gesehen. Hm. Und, wenn der Alte Herr ein Fürst war, war es auch kein Wunder, dass der so auf Respekt und Ehrerbietung aus war. Das erwartete der einfach aus alter Gewohnheit. Auch die sehr höfliche Anrede als Oyakata-sama machte dann Sinn.

Tja, leider half das nichts bei seinem ureigensten Grundproblem, das sich steigerte, während sie immer weiter nach Westen wanderten und die Sonne ebenfalls. Sollte er etwas davon sagen, dass er heute Nacht zu einem Menschen wurde? Ungefragt sollte er ja wohl nicht reden, aber das wäre doch eigentlich nur eine Vorwarnung? So öffnete er den Mund, schloss ihn jedoch wieder, als er das winzige Lächeln bemerkte, das über das Gesicht seines ach so lieben Halbbruders huschte. Brüderchen hoffte doch förmlich, dass er sich in die Nesseln setzen würde. Keh! Er würde diesem …. Mistkerl schon zeigen, dass er sich ebenso beherrschen konnte, dass er ebenso gut und fähig in allem war wie ein Daiyoukai! Er war Inu Yasha und etwas wert! Er hatte Freunde gefunden, egal, was diese zwei Typen seiner männlichen Verwandtschaft auch über ihn dachten, er hatte eine tolle Ehefrau und hoffte auf Kinder, was wollte er mehr.

Und, er sollte Sesshoumaru nicht die Genugtuung geben ihn eingeschüchtert zu sehen. „Sag mal, weißt du eigentlich, wo Maruishima liegt?“ Das war ja wohl kaum verboten.

 

Der Hundeyoukai hätte um nichts auf der Welt zugegeben, dass er keine Ahnung hatte. „Es genügt, wenn chichi-ue das weiß.“ Diese Insel lag im Westen und hier sollte er sich auskennen, aber es gab eben recht viele Inseln und er hatte sich nie für einzelne interessiert oder gar seinem Erdkundelehrer bis zum Ende zugehört. Das wiederum sollte er nicht gestehen, wenn vor ihm der Mann ging, der eben diesen bezahlt hatte.

„Aha, du hast also keinen blassen Schimmer,“ triumphierte der Hanyou aus doch gewisser Kenntnis des Halbbruders. „Ich auch nicht,“ gab er jedoch ehrlich zu. „Shima ist eine Insel, klar. Irgendwo hier im Westen, klar.“

Der Taishou verriet, dass er gute Ohren besaß. „Wir gehen direkt darauf zu. Über diese Bergkette, vorbei an einem See, dann seht ihr das Meer vor euch liegen. Wenn wir in der Nacht weiter wandern, sollten wir in zwei Tagen dort sein.“

Da sie bereits wieder seit Stunden bergauf durch einen dichten Urwald liefen, meinte Inu Yasha: „Die Nacht … das wird nicht gehen, chichi-ue.“ War das schon wieder zu viel? Anscheinend, denn Vater blieb stehen und drehte den Kopf.

„Wirst du müde?“ erkundigte sich der Herr der Hunde. Er wusste zugegeben nicht, wie viel so ein Halbblut aushielt, auch, wenn er bislang durchaus von der Stärke überzeugt war. Es war ja schließlich sein Sohn.

„Äh, nein, aber es ist Neumond.“ Ach, warum das Peinliche auch noch aussprechen? Aber klar, der Typ wusste davon sicher nichts, das verriet der doch fragende Blick. Das Gesicht freilich blieb ebenso regungslos wie Sesshoumarus.

Der klang sachlich. „In dieser Nacht wird er zu einem Menschen, chichi-ue.“

Danke, Bruderherz! Inu Yasha knirschte mit den Zähnen. Wenn schon, dann hätte er das gefälligst lieber selbst gesagt. Petze! Und, was dachte Vater nun über ihn?

„Zu einem Menschen, das ist gut,“ erklärte der Taishou, was ihm fragende Blicke seines kompletten Nachwuchses eintrug, ehe der Ältere doch sich behutsam erkundigte:

„Ihr meint, diese Zeit der Schwäche zu haben, ist gut?“

„Ich war mir nicht sicher, ob es gut geht, oder ob mein Erbe, mein Blut, dazu führen würde, dass das Kind verrückt wird. Ein doch menschlicher Körper, nun, zum Teil und das Blut eines Daiyoukai – ich bin froh, dass es so lief.“

Froh? Inu Yasha war dermaßen perplex, dass er gestand: „Es gab schon Situationen, wo Euer Blut übernommen hat, das war nicht toll. Ich wurde wahnsinnig und brachte alles um ….“

Ja, das waren die Legenden über durchgedrehte Hanyou, wenn ein Elternteil ein Daiyoukai war. Er hatte eigentlich gehofft das verhindern zu können. „Hat Tessaiga dir nicht geholfen?“

„Ich hatte es zu diesem Zeitpunkt nicht in der Hand oder es war zerbrochen, wie bei diesem dämlichen Goshinki, der es zerbissen hat. Aber inzwischen habe ich das gut im Griff, also, ich drehe nicht mehr durch bei Lebensgefahr, auch ohne Tessaiga, denke ich.“

Hm. Der Herr der Hunde dachte kurz nach, ehe er sich an den Erstgeborenen wandte. „Und was hast du getan?“

Sesshoumaru beschloss nicht zuzugeben, dass das einmal in einem Kampf gegen ihn passiert war, weil er Tokejin ausprobieren wollte. „Als ich einmal vorbei kam und er irgendwelche Motten zerriss, schlug ich ihn bewusstlos.“

„Oh ja,“ Der Hanyou klang höhnisch. „Vielen Dank auch, vor allem, weil meine Freunde mir später erzählten, du wärst gegangen mit dem Satz, mich jetzt wie eine tollwütigen Hund zu erschlagen würde dir kein Vergnügen bereiten, du wolltest lieber abwarten bis ich klar bin.“

„Ich bin nicht dein Hüter.“

Da seine Söhne offensichtlich bereit waren auseinander zu springen und die Hände an die Schwerter zu legen, erklärte der Taishou: „Nun, du solltest es sein, Sesshoumaru. Nach meinem Tod warst du das Familienoberhaupt. Und damit in der Pflicht. - Inu Yasha. Natürlich macht es kein Vergnügen einen Gegner, der sich praktisch nicht wehren kann, umzubringen. Das ist kein Duell, kein ehrenhafter Kampf, sondern Metzgerarbeit. Unwürdig unser einem. Hast du das je getan?“ Zufrieden sah er, dass der Hanyou den Kopf schüttelte. „Gehen wir weiter.“

 

Auf dem weiteren Weg dachte der Taishou nach. Diese Reise schien anstrengender zu werden, als er sich das ursprünglich vorgestellt hatte. Sesshoumaru war, zwar durch die strikte Erziehung als Welpe gedämpft, aber doch erwachsen geworden und würde seine eigene Meinung auch immer vertreten wollen. Immerhin war das Feuer der Rebellion doch ein wenig der Vernunft gewichen. Inu Yasha, ja, das war ein Problem. Der Kleine war unerzogen, nicht zuletzt durch sein Schicksal als Vollwaise irgendwo in den Wäldern allein gelassen worden zu sein. Unerzogen, aber stolz. Unglücklicherweise weckte das in der Brust seines Vaters zwei Bedürfnisse – Schutz und Strafe. Da die Balance zu finden würde schwer werden, wie allerdings auch gegenüber dem Älteren. Wieso genau hatte er geglaubt dieser Auftrag würde einfach? Er befahl, die Jungs gehorchten, er erfuhr, was los gewesen war in der Zeit seines Todes?

Emna Daio hatte durchaus zu Recht befürchtet, dass etwas passieren könnte, schicke der die Zwei allein los. Natürlich abgesehen von dem Problem, dass sie wohl in der Lage wären mehr als nur geringfügige Zuwächse bei den Neuzugängen im Jenseits zu verursachen. Und dieser Onigumo, nein, Akumu, sicher auch. Und er sollte den Schiedsrichter spielen? Das hatte er kaum je vermocht. Danke. Er hatte sich ja bereits denken können, dass es einen Haken an seiner Wiederbelebung gab – jetzt sah er ihn direkt vor sich.

Nun gut. Das musste man in der Zukunft sehen. Wichtiger war es jetzt, dass Inu Yasha die nächste Nacht irgendwie sicher verbringen konnte. Dass dem Jungen die Verwandlung peinlich war, war nur zu deutlich gewesen. Überdies: als Mensch benötigte der gewissen Schutz. Ah, da gab es doch vorne, kurz nach dem See diese Höhle, wenn er sich recht entsann. Das konnte es doch tun. Und er selbst, samt Sesshoumaru, würden Maruishima begutachten, natürlich aus der Ferne, so dass es Inu Yasha nicht zu unangenehm werden sollte. Tessaigas Bannkreis sollte den Kleinen dann auch als Mensch noch schützen.

 

Der Gestank des Sees wurde für die Hundenasen immer deutlicher. Es handelte sich um einen ehemaligen Krater, der sich mit Schwefelsäure gefüllt hatte. Da der Her der Hunde eindeutig oberhalb vorbeigehen wollte, sagte Sesshoumaru nur, unmissverständlich an seinen Halbbruder gerichtet:

„Willst du dich nicht erfrischen?“

„Nach dir, großer Bruder, nii-san, immer doch,“ gab Inu Yasha prompt zurück. Nichts hatte sich geändert, gar nichts.

Der Hundefürst drehte sich nicht um, äußerte jedoch vernehmlich: „Vergesst nicht, dass wir ein Ziel haben.“ Und das, zumindest, sollten die Beiden auf dieser Reise lernen – das Ziel zu fixieren, gleich, was sonst noch kam. So war es uralter Hundebrauch. Langsam fragte er sich nicht mehr, wieso die Zwei so lange benötigt hatten um So´unga in die Unterwelt zu schicken, warum so lange um Naraku zu erledigen – sie arbeiteten wohl erst gegeneinander, dann miteinander. Und ganz offensichtlich sollte er nach dem Willen des Jenseits genau daran feilen. Eine Beratung wäre im Vorhinein wohl ganz sinnvoll gewesen. Nun gut. Er musste wohl sein, wie er eben war. „Die Sonne sinkt. Wir erreichen bald einen Platz, Inu Yasha, wo du dich für diese Nacht in eine Höhle zurück ziehen kannst.“

Ach ja, dachte der Hanyou. Vater wollte ihn also nicht als Menschen sehen. Toll. Nun, was hatte er auch erwartet.

Sesshoumaru dachte ähnlich, erkundigte sich jedoch nur: „Mein Befehl?“

Der Vater antwortete. „Du gehst mit mir.“ Das sollte dem Jungen doch passen – sich nicht unter den Augen zweier Daiyoukai verwandeln zu müssen. Peinliche Dinge erledigte man lieber allein. Und er konnte sich vorstellen, dass es Inu Yasha mehr als unangenehm war solch eine Schwäche zeigen zu müssen.

 

So blieb der Taishou kurz bevor die Sonne hinter dem Horizont verschwand stehen. „Inu Yasha, dort drüben ist eine Grotte. Wenn du Tessaiga … nun, du weißt sicher, wie man diese Nacht übersteht.“ Und jedenfalls besser als alle seine Ratschläge, das sollte er nicht vergessen. Der Kleine war ohne ihn aufgewachsen, erwachsen geworden und hatte überlebt.

„Ja.“ Oh, ja, das wusste er. Und sogar der hohe Herr Hundefürst dachte daran. Wow, wie Kagome manchmal sagte.

„Wann verwandelst du dich zurück?“ Da der Herr der Hunde bemerkte, dass er irritiert angeguckt wurde. „Bei Sonnenaufgang oder wenn dich die ersten Strahlen berühren?“

Das war allerdings eine gute Frage. „Ich denke, wenn mich die ersten Strahlen berühren, chichi-ue.“ Er hatte da nie so genau drauf geachtet, auch, wenn manches Mal die Sonne gerade noch rechtzeitig aufgegangen war, wie bei diesem dämlichen Eremiten. Aber wer, der gerade eine Klippe herunterfiel, achtete denn auf den Sonnenstand?

„Wir werden zurück sein.“ Der Inu no Taishou richtete sich etwas auf. Die Youkiwelle ließ beide Söhne instinktiv einen Schritt zurück gehen, ehe sie den geradezu riesigen weißen Hund vor sich stehen sahen, der den Kopf ein wenig wandte.

Sesshoumaru verwandelte sich eilig ebenfalls.

Inu Yasha stellte zu ersten Mal – und mit gewissem Vergnügen - fest, dass ihm sein Halbbruder immer als großer Hund erschienen war, aber doch, naja, unterdimensionierter als Vater war. Kein Wunder, dass Brüderchen klein bei gab, wenn der was sagte. Soweit er wusste, zeigte die Größe auch die Macht an. Und ja, da war nicht mehr allzu viel Unterschied, aber eben doch. Und jetzt sollte er wirklich die Grotte suchen, ehe er sich verwandelte. So gesehen war das nicht falsch. Mit Tessaiga als Schutz im Eingang konnte er relativ ruhig schlafen. Es war nur so … Vater wollte ihn anscheinend nicht als Mensch sehen, sonst wäre der doch kaum samt Bruderherz abgehauen. Und das tat erstaunlich weh. Er hatte eigentlich gedacht schon alle erdenklichen Beleidigungen um die Ohren bekommen zu haben, aber das so … Ja, es tat weh. Nun, da musste er wohl durch. Wo war nur diese Grotte? Er musste sich beeilen, denn die letzten Strahlen der Sonne gelangten kaum mehr auf diesen Berg.

 

Der Inu no Taishou blieb auf einem Hügel stehen als er das Meer vor sich erkannte und verwandelte sich zurück, um reden zu können. Sein Ältester folgte diesem Beispiel sofort, wie er durchaus zufrieden feststellte. So nickte er vorwärts. „Maruishima.“

Da Sesshoumaru annahm von ihm sei ein Kommentar erwünscht, prüfte er die Luft, dann die magischen Strömungen. „Youki, Genki. In der Tat, eine magische Insel.“

„Kann Inu Yasha fliegen?“

„Nein.“ Was sollte diese Frage? Aber dann erkannte es auch der jüngere Daiyoukai. Maruishima lag mehr als viertausend Schritte vom Festland entfernt. Hoffentlich wollte Vater nicht …. Oh, nein…

Der Herr der Hunde sah die Sorge, wusste wenngleich nicht genau warum. Etwas anderes war wichtiger. Inu Yashas Peinlichkeit hin oder her – es widerstrebte ihm seinen Jüngsten, überhaupt jemanden, in solch einer schwächlichen Situation allein zu lassen. „Wir werden ihm helfen müssen,“ konstatierte er. Und zwar nicht nur bei dem Überflug auf die Insel, sondern auch jetzt. Niemand würde sich doch an den Kleinen wagen lägen zwei Daiyoukai vor der Höhle.

 

Inu Yasha saß in seiner Menschengestalt in der Grotte. Wie er diese Nacht doch hasste. Jeden Monat. Hätte es nicht gereicht einmal im Jahr der schwächeren Seite folgen zu müssen? Wie hilflos er sich immer vorkam. Ja, und wie verächtlich. Es hatte Zeiten gegeben, in denen er zu einem vollwertigen Youkai hatte werden wollen, um jeden Preis, nur um dieser Nacht zu entkommen. Nun ja, er hatte lernen können, dass es auch Leute gab – Menschen – die ihn auch so mit allem drum und dran akzeptieren. Sesshoumaru war davon natürlich weit entfernt und Vater anscheinend auch. Bitter, aber wohl nicht zu ändern. Youkai, noch dazu Daiyoukai. Sie verachteten alles, was schwach war. Klar.

Moment mal. Er spannte sich an und stand auf. Irgendetwas war da draußen. Er nahm Tessaiga. Mensch hin oder her – er wusste, wann er angeguckt, angestarrt, wurde. Und das machte niemand, der einem freundlich gesinnt war.

Er erkannte Augen über sich, noch ehe er begriff, dass sich Zangen um ihn legten, ihn bissen, ja, Gift in ihn pumpten, ihn lähmten.

Verdammt, dachte er nur noch. Es war schon einmal passiert, damals, als er Kagome kaum kannte, dass ein Spinnenyoukai ihn in genau dieser Nacht überwältigt hatte. Aber, das half wohl kaum mehr etwas. Er umklammerte nur noch Tessaigas Griff. Kagome hatte da um ihn geweint. Das sollte sie doch nicht noch einmal. Kagome…. Er verlor das Bewusstsein.

 

Die beiden großen, weißen, Hunde stoppten, als sie die Grotte erreichten. Der Geruch nach Staub, Spinne und Gift war intensiv genug. Ein leises Grollen entkam der Kehle des Inu no Taishou. Jemand hatte seinen Sohn entführt. Eine Spinne. Und dieser Jemand sollte schlicht hoffen, dass Inu Yasha noch lebte. So senkte er nur die Schnauze um die Witterung aufzunehmen, ehe er los rannte.

 

Sesshoumaru folgte instinktiv.

Nun ja, dachte er, seltsam zweigeteilt: der Hanyou hatte natürlich als Mensch versagt – aber Vater war erbost, auch logisch, seinen Sohn in Gefahr zu sehen. Und es war nur zu recht seinem Taishou zu folgen. Zumal, wenn dieser jemand beschützen wollte ….etwas, dass er selbst noch vor Jahrhunderten nicht begriffen hatte. Zugegeben, er würde auch heute noch leugnen jemanden beschützen zu wollen, aber…. Aber. Und, das gab er, wenn auch zähneknirschend zu, das war der Vater, Inu Yasha der Sohn. Und leider bestand für ihn kein Moment des Zweifels, dass Vater ebenso um seine Rettung rennen würde. Nicht mehr. Fatalerweise. Er hatte doch in den letzten Jahrhunderten dazu gelernt.

 

Der Herr der Hunde blieb auf einer Anhöhe stehen, wohlweislich noch verborgen unter den Bäumen, als er sich zurück verwandelte. Da sein Ältester seinem Beispiel folgte orientierte er sich unten an dem Bauernhof, wo wohl einst Menschen gelebt hatte, ehe die Spinne beschloss dort ihren Nachwuchs groß zu ziehen. Weben rankten sich um das Haupthaus und auch den Seitentrakt, wohl die Scheune. Und, die Mutter war alarmiert durch das Youki vor ihrer Tür, denn sie kam heraus, bewegte die Zangen. Ja, das war ein Nest. Und sein Junge mitten drin, hoffentlich noch lebendig. Sein Youki war jedenfalls nicht zu spüren, natürlich, der Kleine war ja ein Mensch. Ein verletzlicher, schwacher, Mensch. Da sich auch Sesshoumaru zurück verwandelt hatte und reden konnte, wandte er nur den Kopf. „Du wirst mit ihr fertig.“

Darin lag keine Frage und der jüngere Hundeyoukai nickte nur andeutungsweise, erfreut darüber, dass sein Vater ihm nicht befahl das Halbblut da rauszuholen Falls Inu Yasha denn überhaupt noch lebte. Bewusstlose Bastarde zu tragen gehörte nicht zu seinen Lieblingstätigkeiten – an dessen Existenz war ja wohl auch der verehrter Herr Vater schuld. Sollte der sich nur darum kümmern. Aber selbstverständlich würde er kein Wort darüber verlieren.

„Sie hat ihr Nest darin und wird entsprechend kämpfen,“ warnte der erfahrene Heerführer. „Lenke sie jedenfalls genug ab, bis ich mit deinem Bruder draußen bin. Soll sie leben. Wenn er lebt.“ Diese Einschränkung galt, zumal er nicht wusste, ob Inu Yasha je mit Tenseiga wieder belebt worden war. Das funktionierte schließlich nur einmal.

Vater hatte sich in seinen Todesjahren nicht verändert, dachte Sesshoumaru prompt. Noch immer … Nun ja. Der Wert eines Lebens. Kagura, Rin, er hatte es erleben müssen. Immerhin nahm er doch an, dass der Herr der Hunde sich auch um ihn so kümmern würde – schließlich war er der Ältere und der einzige Erbe.

 

Die Spinnenyoukai hatte die Quelle der unglaublichen Energiestrahlung entdeckt und wandte sich dem Wald zu. Wer auch immer das war – es handelte sich um Gefahr für ihren Nachwuchs. Und diesen würde sie erbittert verteidigen. Es war der einzige ihres Lebens.
 

Neumondnacht Teil 2


 

D

er Herr der Hunde blickte noch einmal kurz zu seinem Ältesten. „Lenke sie von der Tür ab. Ich gehe hinein.“

Sesshoumaru nickte nur andeutungsweise, froh, dass er nicht in diesen staubigen Raum, gewiss voller Spinnenkinder und Weben gehen sollte. Die Mutter abzulenken war sicher einfacher, zumal jemandem wie ihm auch deren Gift nicht sonderlich etwas anhaben konnte. Im Unterschied natürlich zu Inu Yasha, noch dazu in dessen Menschenform.

„Greif an.“ Ohne weiter abzuwarten, ob und wie sein Befehl befolgt würde, lief der Daiyoukai los. Sein Ziel war das Innere des ehemaligen Menschenhauses, wo er außer Staub kaum etwas wittern konnte.

Die Spinnenmutter, die zu ihm herum zucken wollte, verharrte, als sie einen großen, weißen Hund jäh vor sich erblickte. Ein Hundeyoukai. Und einer der gefährlichen Sorte. Sie wich unwillkürlich etwas zurück. Nein. Es ging um ihren Nachwuchs, um alles für sie. Sie musste attackieren. Aber der Andere? Nein das war kein Hund gewesen, eher ein Mensch? Nun ja, damit sollten die Kleinen eher begeistert fertig werden. Jetzt war ihr der Plan ihres Gegners klar – den Menschen hineinschicken, um sie abzulenken, sie zu töten, dann ihre Kinder fressen. Ja, Hunde waren doch Fleischfresser. Sie bewegte drohend die Zangen, um anzudeuten, dass sie sich nie ergeben würde. Der weiße Hund sprang etwas zurück und beobachtete sie. Trotz seines spürbar hohen Youki-Levels schien er unerfahren, relativ jung. Oh, ein Jüngling, der es bestimmt noch nie mit einer Spinne zu tun bekommen hatte. Sie würde eine Chance haben, zubeißen – und der Narr würde sich nur noch wundern, wenn er von innen durch ihr Gift zersetzte wurde. Nur ihn nicht vorbei zu ihren Kindern lassen. Das war ihr Problem. Aber der sprang erneut beiseite, schien sie fast zu locken. Glaubte er etwa, sie würde ihm genau zwischen die zugegeben großen Zähne rennen?

 

Der Taishou war unterdessen in das gelaufen, was einst wohl das Wohnzimmer einer menschlichen Familie gewesen war. Unwillkürlich musste er niesen. Staub, Spinnweben. In einigen von denen regte sich etwas. Kleine Spinnenyoukai, das, was wohl die Mutter so schützen wollte. Ihn interessierte allerdings mehr ein sehr dichter Kokon im Hintergrund. Menschliche Formen waren zu erkennen und er glaubte sich zu entsinnen, dass Spinnen ihre Beute nur lähmten, nicht umbrachten, zumal, wenn sie sie verfüttern wollten. Nur, wo war Inu Yasha?

Tessaiga!

Er erkannte das Schwert an der Spitze, die durch das weiße dichte Gewebe ragte. Hatte es sein Junge trotz der Lähmung noch geschafft wenigstens zu versuchen sich zu wehren? Er bemerkte, dass die kleinen Spinnen begannen sich für ihn zu interessieren. Nun ja. Youki sollte er nicht zu viel einsetzen, ehe die Mutter kam. Sesshoumaru schien sie jedenfalls gut abzulenken. So griff er über die Schulter. „Prinzessin, ich fürchte, wir müssen behutsam sein ….Verzeih, wenn ich dich so benutze.“ Er ließ die überaus scharf geschmiedete Tsurugi-Klinge durch die Spinnweben fahren, rund um das Paket, was er als seinen Sohn erkannt hatte. Tatsächlich sah er erleichtert in dem Bündel rot. Inu Yasha, ja. Noch immer das Schwert in der Hand, aber menschlich, bewusstlos ….

Der Taishou schob eilig seine eigene Klinge zurück in die Scheide, ehe er sich mit einer ärgerlichen Handbewegung von einigen zu zudringlichen Spinnenkindern befreite. „Inu Yasha?“ Hastig riss er die Weben ab. Ja, ein Mensch, schwarzes Haar, schwer und dicht wie einst das … Izayoi! Der Junge sah in dieser Form seiner Mutter so verdammt ähnlich! Diese Haare ….Vermutlich auch diese weichen, dunklen, Augen …

Nun, es war Jahrhunderte her und er sollte sich an diese Zeitspanne erinnern, selbst, wenn es ihm wie gestern vorkam. So nahm er nur Tessaiga aus der verkrampften Hand des Hanyou und schob es zurück in die Scheide. Mit doch gewisser Erheiterung musste er daran denken, dass selbst Sesshoumaru diese Geste stets verwehrt würde. Tessaiga reagierte nur auf Inu Yasha - und auf ihn selbst, war doch sein Fangzahn das Grundmittel. Dem einstigen Rat Toutousais zu folgen und die zwei Zwillingsschwerter so umzuschmieden, dass sie nie gegeneinander eingesetzt werden konnten – nun ja, jedenfalls seine Jungs sich nicht gegenseitig umbringen konnten - war eine seiner besten Ideen gewesen. Weder Inu Yasha noch die Menschen hatten allzu viel über das Bruderverhältnis einst erzählt, aber der Jüngere schien ja davon auszugehen, dass ihn sein Halbbruder umbringen wollte. Jetzt sollten sie hier jedenfalls verschwinden. Sein Kind lebte, und das war die Hauptsache. So hob er ihn mit beiden Armen auf.

 

Inu Yasha spürte im Unterbewusstsein den Kontakt und versuchte sich instinktiv zu wehren, fühlte sich dann nur an kaltes Metall gepresst, Metall unter sich. Keine Spinne. Aber wer? Er glitt wieder in die Bewusstlosigkeit.

 

Sesshoumaru hatte unterdessen mit fast unmerklicher Rückwärtsbewegung die Spinne weiter von dem Haus weggelockt. Manchmal war er nur um Haaresbreite im wahrsten Sinne des Wortes deren Klauen entkommen. Jetzt stellte er fest, dass sie sich nicht weiter fort bewegte. Sorge um ihre Brut, nahm er an. Der kleine Kratzer, den sie ihm am linken Ohr hatte zufügen können, zeigte ihm jedoch, dass er sie nicht unterschätzen sollte. Gift gegen ihn war … unwürdig. Aber eine größere Anzahl solch kleiner Wunden würde ihn langsamer machen. Nicht notwendig, sich unter Vaters Augen von so einem jämmerlichen Getier auch nur verletzen zu lassen.

So sprang er erneut in einem Scheinangriff los, nur um beiseite zu springen, zu probieren um die Spinne herum zu tänzeln. Sie wich sofort zurück, ihm immer noch die Klauen entgegen reckend. Hinter ihr waren ihre Kinder, ihr wichtigster Schatz, und die würde sie verteidigen. Um jeden Preis. Der riesige weiße Hund knurrte leise, um auf sich aufmerksamer zu machen, denn er entdeckte den Taishou, der einen bewusstlosen Menschen in den Armen trug, und eben aus der Haustür trat, die Lage überprüfte. Immerhin lebte der Bastard noch. Anscheinend hatte ja die Anweisung aus dem Jenseits besagt, dass Vater mit beiden Söhnen nach Maruishima gelangen sollte.

Da sein Vater loslief, folgte der Hundeyoukai sofort, eine deutlich erleichterte Spinnenmutter zurück lassend.

 

Inu Yasha erwachte mühsam. Alles tat weh. Was war nur …? Die Spinne! Er fuhr empor, bereits zum Schwert greifend. Zu seiner Erleichterung befand er sich nicht mehr in diesem Netz, sondern lag auf einer Wiese an einem Waldrand. Es rauschte im Hintergrund, sicher das Meer. Noch war es Nacht, aber selbst mit seinen menschlichen Augen erkannte er Vater und Halbbruder, die ihm den Rücken zuwandten und auf den Ozean blickten. Sie mussten ihn da raus geholt haben. Jetzt entsann er sich auch des Metalls um sich. Hatte ihn etwa Sesshoumaru getragen? Nein. Dessen Ärmel waren eindeutig aus Stoff. Vater trug auch an den Unterarmen Panzerungen. Es konnte nur Vater gewesen sein. Sein Vater hatte ihn getragen, einer der mächtigsten Daiyoukai aller Zeiten – einen Menschen! Hatte Kagome Recht und er sollte ihm wirklich Zeit geben, damit man sich näher kennen lernen konnte? Der ach so liebe Halbbruder hätte ihn doch da nie freiwillig aus einem Spinnennetz geholt, das machte der höchstens bei Rin. Nun gut, da sicher. Aber sicher nicht für ihn. Außer auf Vaters Befehl, das war ihm inzwischen auch klar.

Noch ein wenig mühsam stand der Hanyou in Menschenform auf. Instinktiv warf er einen Blick nach Osten. Bald würde die Sonne aufgehen. Und er hatte wieder eine dieser scheußlichen Nächte überstanden. Die beiden Daiyoukai vor ihm wandten sich nicht um.

Sie hatten ihn raus geholt, ja. Familiäre Bande? Oder doch nur, weil der Auftrag aus dem Jenseits ja lautete, Vater solle mit beiden Söhnen auf der Insel aufschlagen? Angucken oder auch nur nachfragen wollte anscheinend ja niemand ihn in der Menschenform. Was erwartete er auch von Youkai …

Immerhin hatte Vater ihn nicht nur berührt, sondern getragen. Das war für den vermutlich schon eine riesige Überwindung gewesen.

Naja. Kagome und früher ja auch schon Kikyou würden sagen, er solle sich gefälligst bedanken. Aber bei Leuten, schön, seiner männlichen Anverwandtschaft, die ihm den Rücken zudrehten?

 

Der Junge war wach. Selbst in der Menschenform schwand das Gift. Wenn er sich wieder in seine wahre Gestalt verwandelt hatte, wäre er sicher wieder kampffähig, dachte der Taishou. Nur ihn jetzt nicht mustern, sondern so tun, als würde man keine Schwäche bemerken, ihn nicht als Menschen sehen. Das wäre Inu Yasha sicher peinlich, so, wie der gestern Abend reagiert hatte. Aber der Kleine kam heran. So wandte der Vater den Kopf. „Wie fühlst du dich?“

„Äh ...“ Der Hanyou war überrascht doch angesprochen zu werden. Er hatte sein „Danke“ zu den Hinterköpfen sagen wollen, damit Kagome ihm später keinen Ärger machte. Aber, das war sicher keine höfliche Form gegenüber einem Vater oder einem Fürsten. Und in dieser Gestalt zu Boden geknallt zu werden, wäre garantiert noch misslicher. So suchte er eilig nach besserer Formulierung, ohne die Fellboa vor sich aus den Augen zu lassen. „Ich bin soweit fit, chichi-ue. Und, äh, danke, dass Ihr mich da raus geholt habt. - Die Sonne geht auf.“

Warum nur erzählte das Halbblut immer das Offensichtliche, fragte sich Sesshoumaru. Natürlich ging die Sonne auf. Die Vögel begannen zu singen, es wurde hinter ihnen heller. Hielt der jeden für so dämlich wie sich?

Der Taishou wusste zwar nicht, was das Wort „fit“ bedeutete, nahm es jedoch als Synonym für kampfbereit, sobald der Junge wieder in seiner halbdämonischen Form war. „Gut. - Dort liegt Maruishima.“

Inu Yasha guckte gar nicht hin. Es war zu dunkel, um mit menschlichen Augen da eine Insel irgendwo im Meer zu erkennen. „Ich hoffe, da gibt es ein Schiff.“

„Wir fliegen,“ erklärte der Herr der Hunde etwas erstaunt.

Nein, dachte der Hanyou verbissen. Nicht schon wieder zugeben, dass er etwas nicht konnte, schwächer war als die Beiden.

„Er kann nicht fliegen, chichi-ue,“ dolmetschte der große Bruder etwas amüsiert.

Oh, er könnte diese Petze umbringen! Inu Yasha musste sich zwingen daran zu denken, dass es als Mensch ziemlich idiotisch wäre auf einen Daiyoukai loszugehen – zumal wenn beider Vater daneben stand, der schon zu erkennen gegeben hatte, dass er keinen Streit wünschte.

Der Taishou erkannte mittlerweile die Anzeichen und meinte nur: „Darum werden wir ihm auch die Klaue reichen.“

Wie bitte? Beide Söhne starrten ihn an, aber da der Hundefürst nur wieder auf das Meer blickte, blieb ihnen nichts als zu warten, bis die Sonnenstrahlen auch Inu Yasha berührten.

 

In einer Höhle auf der Insel Maruishima dehnte sich Akumu. Das Einzige, was nach außen hin von der Verschmelzung des einstigen Menschen Onigumo mit dem Daiyoukai Nagano zeugte, war die Tatsache, dass der Körperbau menschlich wirkte, die Kleidung und die Haare. Das Gesicht allerdings hätte jeden Menschen dazu gebracht schreiend das Weite zu suchen. Zu sehr verrieten die starren, lidlosen, gelben Augen, das Fehlen der Nase, der lippenlose Mund noch das Reptil.

Nun gut. Das würde nicht mehr lange dauern. Die Youkai, die er, wenngleich etwas mühsam, vom Festland entführt und hier eingesperrt hatte, hatten in ihrem Überlebenskampf ihm viel Youki gegeben. Er war nun stärker geworden. Zunächst hatte sich Naganos Macht leider nur soweit ausgewirkt, dass er auf der Insel mächtig war – nicht auf dem Festland. Aber mit jedem Toten hatte er seine Macht anwachsen gefühlt. Leider war Nagano auch nur magisch befähigt gewesen. Akumu dachte nach. Eine Erinnerung tauchte wieder auf. Einst hatte er es vermocht aus sich selbst Abkömmlinge zu erschaffen. Das wäre womöglich gar keine schlechte Idee. Zunächst einmal sollte er jedoch noch einmal allerlei Youkai vom Festland entführen und hier verwenden. Wohlweislich hatte er keine von Maruishima selbst genommen. Noch schien sein Versteck auf der spirituellen Insel unbekannt zu sein und er wollte, dass es dabei bliebe. Der ehemalige Nagano war mit der Magie hier vertraut und zog eine Menge Kraft aus dem Boden. Überdies – wenn man schon dem Jenseits entkam, sollte es auch dabei bleiben.

Gut. Also in der nächsten Nacht noch einmal auf das Festland und Youkai entführen, in dem man sie absorbierte. Das hatte schon ganz gut funktioniert, richtig leider erst, als sie hier im kodoko steckten. Aber nun war er magischer, fähiger, stärker. Womöglich würde es auch so gelingen.

Denn eine seiner deutlichsten Erinnerungen war die an zwei weißhaarige Jugendliche, die ihn umgebracht hatten. Warum auch immer. Er musste sich also gegen die vorsehen.

Hm.

Abkömmlinge. Wenn er heute Nacht erneut stärker wurde, sollte er es einmal versuchen. Ja, genau. Einen Kämpfer, der ihn notfalls gegen diese zwei Irren beschützen würde. Einen Schwertkämpfer mit Rüstung. Nicht zu intelligent, aber fähig. Mit einigem an Youki ausgestattet, natürlich. Er konnte ihn sich schon gut vorstellen – stark an Schwert und Rüstung, die weißen Haare von seinen Mördern adaptiert. Ja. Der Junge musste nur gehorsam sein, also nicht zu klug, oder am Besten, unter seiner Gedankenkontrolle. Und nennen würde er ihn … Ja. Ein Name, der diese Zwei abschrecken würde. Sesshoumaru? Der, der perfekt tötet? Das klang schon mal nicht schlecht. Der würde ihn zusätzlich zu der Magie der Insel schützen.

Falls jemand Fremder dumm genug wäre nach Maruishima zu gehen, das hatte ein Teil seiner selbst ja erfahren, warteten Bannkreise, fremde Welten, die unerwartet um einen auftauchten und verschwanden, mit vollkommen unterschiedlichen Konditionen. Darum war es klug hier zu bleiben, ja, sich zu verstecken, bis man Kraft genug gesammelt hatte. Allerdings würde er auch Informationen vom Festland benötigen. Vielleicht noch einen Abkömmling? Aber der durfte nicht dumm sein. Dumme Spione taugten nichts. Und unauffällig. Eine Frau? Aber, wie sollte er die unter Kontrolle halten? Vielleicht, in dem er ihr Herz behielt? Ja, durchaus eine schöne Youkai, klug, mit gewissen Fähigkeiten, aber immer in dem Bewusstsein, dass er sie jeden Moment umbringen könnte. Und nennen würde er sie … Hm… Kikyou? Das klang gut und irgendwie vertraut.

Jetzt aber sollte er erst einmal auf das Festland. Es war Neumondnacht und sie war perfekt um sich mit Youkai anzulegen, die er in sich aufnehmen wollte, sofort, ohne den Umweg über das kodoko. Er sollte es zuerst bei schwachen versuchen, dann bei immer stärkeren. Immerhin war er kein gewöhnlicher Hanyou, sondern entstanden aus Daiyoukai und einem Menschen, der die Unterwelt überlebt hatte. Das würde bestimmt funktionieren. Und dann sich einige Tage zurückhalten um zu lernen, wie man einen Abkömmling produzierte. Ein guter Plan.

 

Da der Herr der Hunde den jähen Anstieg des Youki hinter sich fühlen konnte, drehte er sich um und musterte seinen jüngeren Sprössling. Ja, der war eindeutig wieder ein Hanyou. Natürlich hatte er von diesem Zeitpunkt der Schwäche gehört, schließlich hatte er alle Erreichbaren abgeklappert um zu wissen, wie sein Kind würde, aber das so zu erleben war noch einmal etwas anderes. „Du spürst das Gift der Spinne nicht mehr?“

Inu Yasha war irritiert. Der fragte nach? Naja, bestimmt nur, ob er kampffähig war, das war eben ein Heerführer. Jedoch sollte er wohl auch antworten. „Nein. Ich bin wieder fit, wirklich.“

„Gehen wir zum Strand.“ Der Taishou wandte sich jedoch um, da Sesshoumaru leise sagte:

„Chichi-ue.“ Dieser hatte sich nicht umgedreht und erkannte den Shinigami, der zu ihnen schritt.

Der Hundefürst ahnte Übles. „Hakai.“

Der Todesgott neigte lieber höflich den Kopf. Irgendet