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Die Seele des Windes

von

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Prolog


 

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Die Himmelsgeborenen, Menschen ähnliche Wesen mit der Fähigkeit auf riesigen Federschwingen durch die Lüfte fliegen zu können. Woher sie kamen, wussten nur wenige oder ist in Vergessenheit geraten. So entstand auch der Mythos um ihre erste Erscheinung. Viele nennen sie seit da an auch Engel. Jene die sie vor den Dämonen beschützen sollen. Nur widerwillig und mit viel Überzeugungskraft, gelang es Schlussendlich den Menschen diese dazu zu überreden ihnen im Kampf gegen das Böse zu helfen. Selbst gegen jene der Dämonen, die gar nicht Böse waren. Für die Menschen waren sie jedoch alle gleich. Und so wandten sich die Himmelsgeborenen, als sie das merkten, heimlich von ihnen ab. Einige jedoch blieben bei den Flügellosen Menschen, da sie es für das richtige hielten. Sie wurden von den anderen frei lebenden verstoßen und ihre Flügel verfärbten sich aus diesem Grund zu rot und schwarz. Nie mehr würden sie die bunten fröhlichen Farben der anderen bekommen können. Sie wollten sich vollkommen zurück ziehen. Doch die Dämonen dachten das auch diese noch zu den Menschen hielten. Und ein blutiger Kampf entfachte sich über einige Jahrzehnte. Engel gegen Menschen. Engel gegen Engel. Engel gegen Dämonen. Dämonen gegen Menschen. Aber irgendwann wurde der Grund und Auslöser dafür vergessen. Jede Gruppe zog sich entkräftet zurück. Die Menschen ins grüne Flachland. Die Himmelsgeborenen in die Berge zur himmlischen Stadt und die Dämonen in die kalten frostigen Hochebenen, welche einem aktiven Vulkan in sich verbarg. Der Kontakt zu den jeweils anderen wurde gemieden. Ausnahmen gab es jedoch immer wieder.

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Seit zwei Jahren wartet Selene schon darauf, das ihre Flügel endlich stark genug sind um sie durch den Himmel zu tragen. Denn alle anderen die sie kennt, können bereits fliegen. Nur sie nicht. Deprimiert sieht die junge Frau mit den Meerblauen Augen und langen pechschwarzen Haaren also den anderen von einer Klippe aus zu. Eine sanfte warme Brise weht ihr ins Gesicht und durch die riesigen dunkelblauen Schwingen, die auf ihrem Rücken liegen. Ihre bloßen Füße hängen den Abhang hinunter. In der Ferne sieht sie ihre früheren Freunde durch den Himmel gleiten. Wie gerne würde sie jetzt auch irgendwo da oben sein. Aber mehr als Hundert Meter den Boden entlang gleiten lassen ihre Flügel noch nicht zu. Eben die schwächste von allen. Nicht einmal die Übliche Magie wie die normalen vier Elemente und das Lichtelement kann sie wirken. Stattdessen ist es bei ihr Eis und Dunkelheit. Nur dass das letzte der beiden von ihr normalerweise nur Dämonen beherrschen. Also eine einmalige Sache. Denn vor ihr gab es noch nie einen Bewohner der Himmelsgeborenen der oder die mit Dunkelheit Magie wirken könnte. Ein weiterer Grund weshalb man sie vor zwei Jahren fast ausgeschlossen hatte. Nur die wichtigsten Dinge erfuhr sie noch. In den Städten beim Einkaufen wurde sie genauso nur noch geduldet. Aber nur so lange wie sie nichts tat, außer schweigend Einzukaufen. So war sie seit da an fast vollkommen auf sich alleine gestellt. Nur noch ihre Eltern und ihre beiden älteren Schwestern besuchten sie ab und zu noch in ihrem kleinen Haus am Rand des Gebirgstals. Sie waren gezwungen worden Selene hinaus zu werfen. Daher baten sie die ältesten, weil sie selbst noch nichts hatte, ihr zumindest ein klein wenig zu Helfen. Somit kam ein kleines Haus mit den nötigsten Möbeln und anderen Haushaltsdingen zustande. Miete zahlte hier eh niemand. So etwas gab es bei ihnen nicht. Nur Menschen hatten so etwas. Obst und Gemüse oder dergleichen musste sie soweit es ging jedoch selber anbauen. Daher kam die Verstoßene auch nur wenn unbedingt Nötig in die Stadt um in der Markthalle Einkaufen zu gehen.
 

Betrübt zog sie ihre Beine wieder auf den festen erdigen Boden unter sich. Das leise lachen aus der Ferne, das zu ihr hinüber drang, nahm sie kaum zur Kenntnis. Einen Fuß vor den anderen setzend, ging sie den schmalen staubigen Trampelpfad zwischen den Feldern entlang. Nichts würde sie hier halten, wenn sie fliegen können würde. Zumindest dachte sie das immer. Ob es dann auch wirklich so sein würde, war ihr aber noch unklar. Dennoch ist es schon immer ihr Wunsch gewesen, frei von all dem zu sein. Vermutlich würde sie noch nicht einmal irgendjemand vermissen. Dem Pfad durch die Felder folgend kam sie ihrem kleinen Häuschen immer näher. Rings um sie herum blühten die verschiedensten Gemüsesorten auf den Feldern. Tomaten, Paprika, Zucchini und viele mehr. Sah man dann mehr zur rechten Seite hinüber, dort wo die Stadt und die hohen Mauern lagen, würde jeder viele Obstbäume davor finden. Nur wollte Selene heute nicht dort hin. Sie wollte nur ihre Ruhe vor all den misstrauischen Blicken haben. Also führte sie der Weg weg von dort zur linken Abzweigung des schmalen Pfades. Weg von den Feldern in Richtung endlose grüne Wiesen. Und wie so oft bei ihnen oben im Gebirge, wehte noch immer ein schwacher warmer Wind. Die junge Frau hatte es nicht eilig. Dennoch ging sie im zügigen Schritt weiter. Weder wollte sie anhalten, noch wollte sie angehalten werden. Oder anderes.
 

Ein leises rauschen etwas hinter ihr, verriet ihr jedoch das sie nicht alleine war. Innerlich verkrampfte sie sich ein wenig. „Selene? Ich dachte du währst in deinem Haus?“ fragte sie eine ihr bekannte Stimme. Es war zum Glück nur die ihrer Mam, Feluria. Zuerst hatte sie nämlich an ein paar andere gedacht. Erleichtert drehte sie sich daher zu ihr um. Eine freundliche große Frau mit Sturmgrauen Augen und langen dunkelbraunen gewellten Haaren sah ihr entgegen. Ihre Flügel haben einen fast schon blendend rein weißen Farbton. Sorgsam legte diese ihre Flügel hinter dem Rücken zusammen. „Mam? Ich hatte gar nicht mit dir gerechnet. Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen“ stellte Selene zeitgleich noch fest. „Ja, das stimmt. Es gab leider sehr viele Unstimmigkeiten bei den Bewohnern der Stadt. Darum gab es auch zwei Versammlungen. Dämonen und Menschen wurden nämlich vor einigen Tagen in unseren Bergen gesichtet. Keiner weis ob das gut oder schlecht sein wird. Jeder macht sich Sorgen“ erklärte sie ihrer Tochter darauf hin erst einmal die allgemeine Lage. „Aber es herrscht doch Frieden? Oder etwa doch nicht?“ Besorgt sieht sie ihre Mutter an. Selbst dieser sieht man auch an, das sie sich da nicht richtig sicher war. Denn diese eine Auseinandersetzung der drei Rassen wurde schließlich erst vor dreißig Jahren beendet. Eine kurze Zeit, wenn man bedenken würde, das sowohl Engel als auch Dämonen länger wie Menschen leben können. Doch auch obwohl diese die kürzeste Lebenserwartung haben, so waren sie mit dem technischen Fortschritt allen anderen jedoch am weitesten vor raus. Ihre Mutter seufzte. „Leider konnte ich nichts tun, sodass du schon eher davon wissen konntest. Aber so konnte ich es dir trotzdem erzählen,“ meinte sie zu ihr in einem leicht säuerlichen Tonfall. Natürlich wäre es ihrer Mam lieber gewesen, wenn Selene dabei sein könnte. Nur wollten das die meisten der Himmelsgeborenen einfach nicht. Und dem Urteil der Mehrheit mussten sie sich nun einmal beugen. Auch wenn es beiden nicht passte. „Danke dir, Mam. Wie geht es eigentlich Dad und meinen beiden Schwestern?“ fragte sie und sah, wie der Blick ihrer Mutter ziellos durch die Luft wanderte. „Gehen wir erst einmal zu dir. Dann werde ich dir alles erzählen. Okay?“ Selenes Mutter sah besorgt aus. Genau das was ihr an jenem Gespräch nicht gefallen würde. Denn diesen Gesichtsausdruck hatte diese nur Selten drauf. Und wenn doch, dann war es nicht immer gut. Und selbst die Art, wie sie dieses sagte, war alles andere als Positiv. Eher klang ihre Mam dabei etwas besorgt. Sie spürte regelrecht das irgend etwas nicht zu stimmen schien. Nur was es war, musste sie dabei erst abwarten. „Von mir aus ja.“ Mehr gab sie daher nicht zurück. Es wäre eh sinnlos. Und das wusste sie genau. Somit schwiegen sie vor erst wieder und gingen los.
 

Sie liefen zusammen Seite an Seite den Pfad weiter entlang. Doch anstelle auf dem staubigen Weg, folgten beide diesem entlang auf dem weichen Gras, durch das dieser lief. Hier und da waren überall kleine Nester an Blumen, die in allen Farben heraus stachen und in den verschiedensten Farben leuchteten. Nur an wenigen stellen wurde diese ewig erscheinende Weite von Gras durch Bäume unterbrochen. Überall summte und brummte es um sie herum. So wie es immer in mitten der Frühsommerzeit war. „Kannst du mit wenigstens Erzählen worüber du mit mir reden willst?“ fragte sie daher nach einigen schweigenden Minuten nach. „Nein. Es ist besser wenn wir es im Haus machen. Gerade weil eben die anderen fremden hier in unserem Gebiet gesichtet wurden“ meinte diese freundlich, aber bestimmend. Und damit gingen beide weiter über die grüne weite Wiese. Eine gedrückte und gespannte Stimmung herrschte zwischen ihnen. Eine, die es nur selten zwischen den beiden gab.
 

Endlich erreichten sie nach einer Zeit lang das Haus von Selene. Ein kleines aus hellen Außenwänden und Holzarbeiten. Es lag unscheinbar in der Nähe der Klippen. Jene Klippen, die zum Grenzgebiet zwischen ihnen und dem Gebiet der Menschen gehörte. Zu Fuß würde es drei Tage dauern, dieses zu durchqueren. Mit Flügeln jedoch nur einen Tag. „Selene, du musst von hier fliehen!“ fing dann ihre Mutter ohne Vorwarnung an. Vollkommen verblüfft hielt sie inne, als sie die Tür öffnen wollte. „Hä? Aber warum?“ Noch immer irritiert sieht sie ihre Mam an. Doch diese schweigt und deutet Kopfschüttelnd auf die Tür. Nachdem sie dann aufgesperrt wurde und beide in den Gang eingetreten sind, kann die junge Frau die Sorgen ihrer Mutter sehr gut ansehen. „Ich denke jetzt können wir reden. Aber was meinst du damit ich soll fliehen? Ich hab doch gar nichts gemacht!“ regt sie sich ein wenig darüber auf. Hilfe suchend sieht sie zu ihr. Doch diese steht schweigend im Gang und ging ohne ein Wort zu sagen durch die Türe ins schlichte Wohnzimmer. Ihre Tochter folgte ihr nur noch mehr verständnislos. Was will sie ihr damit sagen? Und dann antwortet sie nicht einmal mehr, sondern Schweigt nur noch! Selene verstand die Welt nicht mehr. So seltsam hatte sich ihre Mutter noch nie verhalten. Geschweige denn so komische Dinge gesagt. Aber dann atmete sie tief durch und suchte den Blickkontakt zu ihr. „Wie ich dir ja bereits gesagt hatte, wurden sowohl Menschen als auch Dämonen bei uns gesichtet. Wieso wissen wir nicht. Es gibt jedoch Gerüchte über eine Art Friedensvertrag zwischen den drei Rassen. Aber wir glauben dem nicht ganz. Denn beim letzten mal, als so etwas Vorgeschlagen wurde, starben die jeweiligen ersten Rassenvertreter drei Tage später am vereinbarten Treffpunkt. Keiner weis wer es war oder warum.“ Darauf hin folgte nur ein schwerer Seufzer und der Blick ihrer Mutter schweifte aus dem Fenster. Ihre Tochter folgte diesem Blick jedoch nicht. Stattdessen beobachtete sie die Mimik ihrer Mutter. Nach einer weile fuhr diese dann mit dem Gespräch fort. „Mich beunruhigt nur eines am meisten. Sie haben meinen Mann, also deinen Vater und die beiden Mädchen zu solch einem Fragwürdigen Treffen gesendet. Sie sagten, dass das die Verantwortung von unserer Familie wäre, weil eben du diese anderen Kräfte hättest. Sollte ihnen etwas zustoßen, werden sie dich dafür Verantwortlich machen und aus dem Tal werfen. Selbst wenn sie genau wissen das du dafür nichts kannst. Also musst du bevor es zu solch einer Situation kommt, unbedingt fliegen lernen. Und dabei werde ich dir helfen.“ beendete sie den Satz leicht zittrig. Nur wenige Sekunden später brach ihre Mam in ein lautloses weinen aus. Selene wusste nicht was sie machen sollte. Mit so etwas hatte sie nicht gerechnet. „Aber wie willst du das anstellen? Du weist doch selbst das ich es einfach nicht kann.“ Jetzt war sie selbst verzweifelt. Sie verstand ihre Mutter gut genug. Doch dann auch noch eben das, dass wurde selbst ihr dann zu viel. Nervös fing sie daher an herum zu laufen. Kreuz und quer durch das spärlich möblierte Zimmer. Weder sie noch ihre Mam wollten sich auf die beiden Sessel im Zimmer setzen. „Du hast doch bereits von der Warmwind-Schlucht gehört oder?“ fragte sie. Ihre Tochter sah sie zuerst fragend an.
 

Aber dann verstand sie. „Ja. Aber denkst du wirklich dass mir das weiter helfen wird? Und was mache ich wenn der warme Wind weg ist. Ich würde wie ein Stein vom Himmel fallen!“ Immer noch ohne Aussicht aufs fliegen zu lernen, lief sie wie ein aufgescheuchtes Huhn weiter durch das Zimmer. „Ich werde dich auffangen. Verlass dich darauf. Irgendwie werden wir es schaffen. Und unterwegs wird es genügend Möglichkeiten geben, weiter über den Boden zu gleiten. Dadurch werden deine Flügel stärker. Wir schaffen es. Glaub an dich!“ gab sie ihr den Mut durch Worte. Doch sie selbst glaubte noch nicht so ganz daran. Zumindest versuchen würde sie es dennoch. „Na gut. Versuchen wir es“ gab sie daher kleinlaut zurück. Viel Motivation war allerdings nicht zu hören. Aber sie würde dadurch mal wieder länger mit ihrer Mam zusammen sein. Und weit weg von dieser ihr verhassten Himmelsstadt. Mehr als eine einfache kleine Umhängetasche würde sie auch nicht brauchen. Also machte sie sich schon einmal daran ein paar wenige Sachen an Kleidung und Nahrung einzupacken. Es war so oder so eine magische Tasche. Selene hatte allerdings nicht all zu viel. Daher war es auch nicht all zu schwer für sie, ein paar Dinge zusammen zu suchen. Am Ende hängte sie sich ihre Tasche nur noch über die Schulter und ging zurück zu ihrer Mam. Mehr als einen kleinen Lederbeutel trug diese nicht bei sich. Das reichte bei ihr jedoch vollkommen aus, weil jener eben auch magisch verändert wurde. Noch ein vorübergehend letztes mal sah sich sich in der kleinen Bude um. Es würde jetzt eine längere Zeit werden, bis sie beide dort hin zurück kehren würden.

Seit mehr als einer Stunde waren beide nun schon unterwegs. Die sanften weiten Wiesen und die bepflanzten Felder lagen hinter ihnen. Jetzt war das meiste nur noch verwildertes Gebiet. Hier summte und brummte es jedoch genau so wie in der nähe von ihrem Haus. Selbst der sanfte Wind wehte hier noch wie dort. Doch er roch hier anders. Teilweise fremde Gerüche von Gräsern, Blüten und dergleichen flogen durch die Lüfte. Selene sehnte sich immer mehr da nach fliegen zu lernen. Sehnsüchtig sah sie nach oben. Andererseits hatte sie auch Angst davor. Angst zu stürzen. Sie fühlte sich noch nie so nah und doch so fern vom Himmel. Erneut wehte eine sanfte Brise von lauwarmen Wind durch die großen Flügel der beiden. „Warte Selene.“ Mehr außer ein leises rascheln hörte sie nicht hinter sich. Denn als sie sich zu ihrer Mutter umdrehte, hatte diese schon ihre Flügel ausgebreitet und sich in die Höhe geschwungen. „Maaam...“ knurrte sie ihr nur entgegen. Als Antwort erhielt die junge Frau nur ein lachen. „Arme hoch und Flügel ausbreiten! Ich trage dich eine weile!“ rief sie ihr entgegen. Sie zögerte. Schlussendlich gab sie jedoch nach und tat genau das. Warme Hände umschlossen die ihren. Unter ihr verschwand der halt zum vertrauten Boden. Nervös zuckte sie leicht zusammen. Sie schwebten momentan noch leicht über dem Boden. Nicht viel mehr wie ein oder zwei Meter darüber war es. Schließlich hatte ihre Mam das doppelte Gewicht mit ihren großen Schwingen zu tragen. Mehr als sonst eben. Es schien dennoch irgendwie zu klappen.
 

Erneut wehte ein schwacher warmer Wind unter den Federn hindurch. So flogen sie zusammen einige Minuten über die grüne verwilderte Wiese. Wobei sie mehr an ihrer Mam hing, als selbst zu fliegen. Doch das störte sie beide kaum. Ein paar Vögel flogen erschrocken von ihnen davon. Diese waren es nicht gewöhnt das es noch größere Flieger wie sie gab. Anders als jene bei der Himmelsstadt, dort waren es alle gewöhnt. Nur das dort kaum jemand weit weg ging. Sie waren einfach zu sesshaft. Fast jeder kannte jeden. Und das fremde blieb meist ein Tabu. Selene war froh, das sie dieses Tabu hiermit umgehen konnte. Die für sie so große Welt konnte eben noch so viel mehr bieten, als das was sie kannte. Darüber war sie auch glücklich. Sie glitten weiter durch die Luft, knapp über all den Blumen, bis sie keine Hände, die sie zuvor hielten mehr spürte. Zuerst war ihr das gar nicht aufgefallen. Jetzt, nachdem sie es gemerkt hatte, verunsicherte sie das aber. Unsicher und verwackelt vom Gleichgewicht her, verlor sie langsam an Höhe. Bis sie wieder das Gras unter den Zehenspitzen spürte. Kurz darauf war das Gleichgewicht ganz weg und sie überschlug sich einmal unglücklich, beim versuch irgendwie zu landen. „Autsch!“ schimpfte sie leise vor sich her. „Manno... Mama? Warum kannst du mich nicht warnen!“ rief sie nach oben. Über ihr zog sogleich ein dunkler Schatten vorbei, der neben ihr landete. „Selene? Alles Okay bei dir?“ fragte diese und sah sie besorgt an. „Ja... aber mir tut trotzdem alles weh....“ gibt sie beschämt zurück. Es ging eben immer noch nicht. Verletzt in ihrem Stolz sieht sie erst gar nicht zu ihrer Mutter hoch. Stattdessen blieb sie mit gemischten Gefühlen so sitzen wie sie gerade war. Beide Beine zum Körper hochgezogen und die Arme herum geschlungen. Den Blick hatte sie abgewendet. „Hey, das wird schon noch. Kopf hoch. Wenn du aufgibst wird das nie etwas. Aber wie ich dich kenne willst du es doch oder? Sonst wärst du doch nie mitgekommen!“ versuchte sie ihre Mam wieder aufzumuntern. Selene seufzte. Sie fühlte sich schwach. Mit noch immer wenig vorhandener Motivation stand sie aber wieder auf. Die Schwingen hingen müde nach unten. Wie sollte sie es lernen? Ihre Flügel waren immer noch so schwach. „Es sind deine Flugmuskeln oder?“ folgte eine weitere Frage. Stumm nickte sie als Antwort. „Kopf hoch. Wenn die normalen Hilfestellungen nichts bringen, dann sollten wir uns etwas anderes einfallen lassen.“ meinte sie zu ihrer schweigsamen Tochter. „Komm, wir gehen weiter.“ sagte sie zu ihr und hielt ihr die Hand entgegen. „Okay“ kam leise von Selenes Seite zurück. Somit liefen beide einige Zeit lang, Hand in Hand, schweigend neben einander her.
 

Die schöne grüne Welt um ihnen herum, kam ihr selber gar nicht mehr so grün vor. Gerade wirkte sie mehr grau-grün. So als ob irgend etwas langsam die Farbe aus den Pflanzen saugen würde. Nur die Sonnenwärme blieb die selbe. Nicht ein mal mehr der Wind wehte. Wie wenn er schweigen würde. Wartend auf die Antwort, ob sie es erneut versuchen würde oder nicht. „Was hast du vor Mam?“ fing sie daher an zu fragen. Skeptisch sah sie diese an. „Hmm... Wenn es an den Muskeln liegt, dann sollten wir am Boden anfangen. Oh, sieh mal...“ und schon hatte ihre Mam sie los gelassen und ging geradewegs auf zwei fast gleichgroße Steine zu. Selene folgte ihr. „Wir könnten die beide da in ein Netz hängen und an deinen Flügeln fest machen. Vermutlich werden beide erst einmal anstrengend oben zu halten sein. Aber bald wirst du genug Kraft haben, ohne das deine Flügel nach unten gezogen werden. Was hältst du davon?“ Sie überlegte. Doch so ganz verstand sie ihre Mam nicht. „Wo?“ kam von ihr mit einem fragenden Gesichtsausdruck. „Na hier.“ gab ihre Mutter zurück und deutete bei ihren eigenen Schwingen auf die obere Beuge. Nachdem sie das gezeigt hatte, befestigte sie bei sich selbst solch ein hängendes Netz mit Seil und polsterte dieses mit einem Stoffstück, sodass es die Federn nicht kaputt machen konnte. Das Netz mitsamt Sein hing jetzt neben ihr auf der vorderen Seite ihrer Flügel hinunter. Es zog sie sogar leicht nach unten, wie sie erkennen konnte. Trotz der Idee, sah sie ihre Mutter weiterhin skeptisch an. „Ich weis, es sieht seltsam aus. Aber es kann dir zumindest was die Kraft betrifft helfen.“ Beide mussten seufzen. „Na gut. Ich werds versuchen...“ kam nur zurück. Unsicher war sie sich immer noch. Besser jedoch das, als gar nichts zu tun. Damit machten sie sich daran, auch ein zweites Netz mit solch einen Stein zu füllen und das Seil daran zu befestigen. War dies getan, lösten sie bei ihrer Mam jenes andere Seil ab und fingen an, beide an ihren Flügeln fest zu machen. Allerdings so, das nichts verletzt werden konnte. Zuerst war es für Selene richtig unangenehm. Es war schwer und zog beide ihrer Schwingen an dauernd nach unten. Einfach ungewohnt und anstrengend. „Es fühlt sich echt seltsam an.“ Und sie kam sich so richtig komisch vor. Nie wäre sie selbst auf eine solche Idee gekommen. Die junge Frau war aber mehr als froh, das niemand außer ihnen beiden hier war. Vor allem nicht ihre alten Freundinnen. Denn die hätten sie nur ausgelacht oder ähnliches. Darauf hatte Selene nun wirklich keine Lust oder Nerven dazu. Gemeinsam gingen sie wieder weiter. Etwas langsamer als zuvor, aber dennoch war es möglich vorwärts zu kommen. Es waren sowieso noch viele Stunden, bis es dunkel wurde. Also noch genug Zeit um eine Höhle zu finden, von denen es sehr viele gab, um über Nacht zumindest einen trockenen Schlafplatz zu haben. Und wie sie ihre Mutter kannte, würde sie eine erhöhte Höhle wählen. Zur Sicherheit vor ein paar wilden Tieren. Denn im Vergleich zu den recht harmlosen Bären, gab es auch noch die großen Riesenbergkatzen. Diese jagten alles was sie erwischen konnten. Ob es nun Himmelsgeborene wie sie waren oder andere Tiere. Sie blieben immer gefährlich. Zähmbar waren jene Katzen nicht. Dazu waren sie einfach zu wild. Aber auch wenn sie schnell waren und hoch springen konnten, so waren diese unfähig auf Grund ihrer Größe und ihres Gewichts zu klettern. Selene würde daher von ihrer Mam zu solch einer höheren Höhle getragen werden müssen. Oder zumindest halb nach oben gezogen.
 

Nach einer weile lichtete sich dann das hohe Gras rings um ihnen. Es wurde flacher. Die Umgebung übersichtlicher. Nur die Steintaschen an ihren Flügeln blieben nach wie vor unangenehm. „Nimm sie ab. Das reicht erst mal. Nachher kann ich die dir wieder fest machen.“ bot ihre Mutter ihr an. Selene nickte zur Bestätigung. Dann waren beide die nächsten Minuten damit beschäftigt, die Steintaschen ab zu nehmen. „Später werden wir wieder andere finden. Sollte zum üben ganz gut sein!“ fand sie dazu. „Hmm... du hast recht,“ überlegte sie und stimmte ihrer Mam zu. Eine weile frimelten sie noch an den Seilen herum. Endlich als alles ab war, konnte sie ihre Schwingen wieder frei bewegen.
 

Es schmerzte ein wenig an den beiden Stellen. Dennoch war es auszuhalten. Zaghaft öffnete sie beide Flügel. Sie waren etwas verspannt und zwickten. „Irgendwie scheint das nicht so gut zu sein. Alles tut mir bei beiden Flügeln weh...“ seufzte sie mit belegter Stimme. „Du hast dort auch zu wenig Kraft. Darum wird es noch eine weile dauern, bis es nicht mehr weh tut. Und wenn es zu sehr schmerzt, können wir die Pause ja auch verlängern. Was hältst du davon?“ fragte sie. Ein „Ok“ war alles was sie ihrer Mam zurück gab. Damit gingen beide nebeneinander wieder weiter. So viel angenehmer war es, ohne diesen baumelnden Steinen zu laufen. Allerdings hatte sie zuerst immer noch das Gefühl, das diese neben ihr hin und her pendelten. Nur waren diese eben schon längst weg. Einige Zeit würde es aber noch in Anspruch nehmen, bis sie in der Warmwind-Schlucht ankommen würden. Wortlos beobachtete Selene weiter ihre Umgebung. Hohes Gras war dem niedrigeren gewichen. Aber hier war dafür noch mehr an fremden Blumen zu sehen, als dort im hohen. Ab und an huschten auch an ihnen fremde Falter vorbei. Schillernde im feuerroten tönen und auch einer in Pech schwarz. Den roten kannten beide nicht. Der schwarze war ihnen jedoch bekannt und normal auch kein gutes Zeichen. Ein schwarzer Leichenfalter war es. Einer der sich von den toten ernährte, also nur vom Blut. Manchmal wurde dieser auch schwarzer Bluttrinker Falter genannt. Als Gast nur ungern gesehen. Allerdings jedoch verständlich. Wer möchte schon einen Falter im Zimmer oder in der Nähe der einen so gesehen den Tod vorher sagte? Normal niemand. Somit gingen beide einen großen Bogen um den einen herum. Stattdessen folgten beide den feuerroten Faltern. Nach einer weile waren diese Falter aber verschwunden. Ihnen blieb also nichts anderes Übrig als weiter zu gehen. Weiter über die endlose Weite des grünen Grases und blühender Blumen. Noch war die Sonne hell und warm. Aber der Tag neigte sich dennoch schrittweise der Nachmittagszeit zu. „Laut den alten Karten werden wir in ungefähr einer Stunde an einer Höhle ankommen, die uns über die Nacht hinweg schützen wird“ erklärte ihre Mam. „Ich hoffe nur das die noch Stimmen. Leider hatte die nämlich niemand mehr in den letzten zehn Jahren überprüft, da es keiner für notwendig gehalten hatte...“ fügte sie noch besorgt hinzu. Selene nickte. Fast Zeitgleich lief ihr aber auch ein kalter Schauer den Rücken hinunter. „Leichenfalter.... Wie ich die verabscheue“ meinte sie zu ihrer Mutter. „Zum Glück war es nur.... einer....“ wollte sie den Satz noch beenden. Nur ganz zum Ende kam sie nicht. Wenige Meter vor ihnen waren nämlich auf einmal mehrere. Fast zehn davon auf einem Haufen. Die beiden Engel wurden von jenen Faltern ganz ignoriert. Zielstrebig flogen sie in jene Richtung, die beide eben auch brauchten. „Was zum..? Warum sind da so viele?“ fragte sie kleinlaut. „Ich weis es nicht. Wir sollten besser in eine andere Richtung gehen,“ entschied die ältere und packte wieder die Landkarte aus. „Hier, etwas weiter in Richtung der Dämonengegend gibt es noch weitere Höhlen. Wir werden dafür dann zwar einen halben Tag länger brauchen, aber das ist wohl besser so.“ Also gingen sie zusammen eine andere Strecke, umringt von fremden Gerüchen und anderen kleinen Tieren.

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Um die beiden herum wurde die Umgebung dunkler und schattiger. Denn das Gras wechselte stetig aber langsam vom hellen satten Grün zu einem dunkleren. Solches wie es gerne das Moos in den Wäldern hatte. Zeitgleich lag es auch daran, das sie in Waldnähe kamen. In der Ferne konnten sie nämlich bereits die Baumkronen sehen. Es war zwar noch ein gutes Stück zu laufen, jedoch schon mal weit aus näher als zuvor. Sie würden grob geschätzt also noch in etwa eine Stunde brauchen. Vom Zeitgefühl her, verlief diese während sie weiter gingen jedoch am Anfang erst nur im Schneckentempo. Und immer wieder begegneten ihnen mehr und mehr fremde Tiere oder Pflanzen. Eben aus jenem Grund, das die anderen nie ihre Heimat verließen und so auch nichts neues notieren konnten. So wussten beide auch nicht was giftig war oder welche Tiere weiterhin Gefahr für sie darstellen konnten. Alles was sie daher tun konnten, war eben jene fremden Lebewesen und Pflanzen ab zu zeichnen. Sie würden wenn sie zurück kommen würden in ihrer Bibliothek nachsehen, ob es nicht doch irgendwo zu jenen Aufzeichnungen gegeben hatte. Gräser die wie Fangarme aussahen, vereinzelte Farne die in einem satten blau leuchteten und schneeweiße Blüten trugen. Geflügelte Schlangen, Hasen mit Hörnern und andere seltsame Wesen die sie hier so herum laufen und schleichen sehen. Selene und ihre Mutter kamen sich mehr wie in einem Kinderbuch vor, als das es real sein könnte. Dennoch wussten sie, das alles um ihnen herum kein Tagtraum war. Immer wieder sahen sie auch wieder diese roten schillernden Falter. Woher auch immer diese kamen. Selene pflückte eine der ihr bekannten Blumen und drehte diese etwas verträumt in den Fingern während es vorwärts ging. Nach einer weile setzte sich genau ein solcher Falter bei ihr auf die Blume. Sie ließ ihn dort in ruhe herum krabbeln. Kaum krabbelte dieser auf ihre Finger weiter, brannte es an jener stelle jedoch wie Feuer. „Au! Der brennt!“ quietschte sie erschrocken und schüttelte diesen mit der Blüte von ihren Fingern herunter. „Zeig mal. Sieht nicht all zu schlimm aus. Mehr wie ein Mückenstich“ bemerkte ihre Mam während sie sich die Stelle ansah, auf der jener Schmetterling herum gekrabbelt war. „Das ja, aber der brennt wie Feuer! Ich glaube wir sollten den meiden.“ So schrieben sie zu dem Bild das sie dazu abgezeichnet hatten, das jener eben auf der Haut brannte und gaben ihm den Namen gemeiner Feuerfalter. Irgendwie schien das kleine Unglück sie zu verfolgen.
 

Sie reisten weiter, bis sie merkten das ihre Stunde sich dem Ende neigte. Der Wald aus der Ferne war mittlerweile genau vor ihnen. Auch die Sonne war gewandert. Das Gezwitscher der Vögel hatte sich auch verändert. Jetzt waren andere aktiv, die zuvor noch still gewesen waren. Die Umgebung wurde dunkler, schattiger. Sie waren am direkten Waldrand angekommen. Nicht weit drinnen würde es auch eine Klippe geben mit ihrer angeblichen Höhle. Langsam aber sicher mussten sie sich beeilen. Weil jene Riesenbergkatzen sehr bald aufwachen würden. Nur ungefähr die erste halbe Stunde nach ihrem erwachen waren sie harmlos. Aber alles was ihnen später über den Weg lief, war ohne jegliche Ausnahme ein Beutetier. Dabei spielte es dem Wissen ihrer Mutter nach keine Rolle was es war. Selbst Artgenossen vielen manchmal auf den Speiseplan dieser Jäger. Sie durchbrachen den Waldrand langsam. Ihre Flügel blieben nämlich immer wieder im Gestrüpp hängen. Was das weiterkommen nur erschwerte. Nach einigen Minuten hatten es das Mutter-Tochter Gespann geschafft, dort hindurch zu kommen. Schrammen auf der Haut waren jedoch überall. Leider hatten sie auch keine Langarm Kleidung oder lange Hosen mit dabei. Denn normalerweise brauchten sie solche Sachen einfach nicht. Immer waren es Kleider oder eben Kurzarm Oberteile und Röcke oder kurze Hosen. Sie bereuten es ein klein wenig darauf nicht vorbereitet gewesen zu sein. „Bei dir alles in Ordnung?“ „Naja... außer das ich genau so zerkratzt aussehe wie du schon.“ Dann lachten sie leise. Es ging schleichend weiter. Auch wenn es nicht mehr weit war, so mussten sie beide aufpassen, nicht in den Brombeerbüschen hängen zu bleiben. Dieses Gelände waren Engel wie sie eben nicht gewöhnt. Bevorzugten sie doch alle das flache Terrain oder eben solches mit hohen Felsen und Höhlen. Nur solches eben ohne vielen Hindernissen um jederzeit davon fliegen zu können. Hier zwischen den Bäumen war es jedoch nicht so. Und weder Selene noch ihre Mutter fühlten sich hier sonderlich wohl. Rings herum hohe Nadelbäume. Der Boden war Stellenweise immer wieder mit weichem dunkelgrünen Moos bedeckt. Manchmal durchbrachen Farne diese weichen Mooskissen. Und dann gab es noch erdige Stellen, an denen Brombeeren heraus wuchsen und ihnen mit den kleinen Stacheln in die Füße pikten. Jene stellen wurden gemieden. Auf moosigen Boden wanderten sie um ihre Höhle zu finden. Ein frischer, leicht würziger Duft stieg ihnen durch die Nase. Licht durchbrach das Nadeldach. Es wirkte mehr Märchenhaft als real. In der Ferne war ein Specht zu hören, der in einen Baum herein klopfte. Dann wechselte der Boden unter ihnen vom Moos zu immer mehr Gras. Sie gingen noch einige Meter weiter, bis beide an eine riesige Lichtung kamen, welche ein helles sanftes Licht in den Wald warf. Zuerst blendete es, nachdem sie diese betraten. „Wir sind da. Sie mal dort auf der rechten Seite ist unsere Klippe mit der großen Höhle dort oben!“ rief ihre Mutter hinter ihr zu. Diese Klippe hatten sie beide im Wald zuerst gar nicht gesehen. Durch hohes Gras näherten sie sich. Feurig rote Blüten und weiße Früchte an einigen Büschen stachen ihnen ins Auge. „Was ist das? Steht das irgendwo in den Büchern drin?“ „Nein, tut mir leid Selene. Nichts außer den allgemein bekannten Pflanzen kenne ich hiervon. Und nichts steht irgendwo davon geschrieben.“ Sie sah besorgt aus. Aber sie entschied sich dafür diese Pflanzen mit zu nehmen. Besser gesagt einen kleinen Zweig davon. „Mam wieso machst du das? Nicht das die Giftig sind oder so!“ Nervös lief Selene hinter ihrer Mutter hin und her, während diese mit einer Schere einen Zweig abnahm und in eine Phiole hinein verschwinden lies. Zum Glück war diese magisch verändert. Denn auf diese weise konnte auch ein Zweig der vier mal so lang war, problemlos dort hinein gelegt werden. „Fertig. Keine Sorge. Ich habe Magie benutzt und diesen hier dadurch erst gar nicht berührt.“ Erleichtert sah sie ihre Mam nach diesen wenigen Worten an. „Wehe wenn doch. Ich wüsste nicht was ich dagegen tun könnte...“ meinte sie daher. „Schon Ok. Es ist alles in Ordnung.“ Damit gingen sie weiter. Weiterhin darauf achtend nicht zu nah an die fremden Pflanzen zu kommen. Obwohl es viele waren, war es möglich diesen problemlos auszuweichen.
 

Endlich waren sie direkt vor ihrer Felswand. Leider war der Schlafplatz nur etwas zu weit oben. So weit war sie noch nie gewesen. Denn das was die Karte als Höhle bezeichnete war mehr eine Mulde zwischen den Steinen. Nach einer Höhle sah es ganz und gar nicht aus. Und all zu sicher sah es auch nicht aus. Selene hatte zwar nichts gegen solche Plätze, aber nur wenn diese genug halt gaben. Oder wenn sie fliegen könnte. Aber nichts davon war vorhanden. Weder eine gute breite Sitzfläche, noch konnte sie bis jetzt richtig fliegen. Eher war es ein gleiten, das am Ende einem Sturz glich. „Gib mit deine Hand. Ich bringe und nach oben.“ Sie zögerte. Doch die junge Frau tat das was gesagt wurde. Hinter ihr hörte sie das Flügelrauschen ihrer Mutter und sie spürte den Zug in ihrem Arm. Der andere war frei. So konnte sie sich kurz darauf an einem großen festen Stein fest halten bis auch ihre Füße kurzen halt fanden. Mit einer Sache hatten die zwei jedoch nicht gerechnet. Ein dorniges Gestrüpp wuchs aus einer Spalte hinaus. Es war grau-braun. Von unten also gut getarnt, so das es nicht zu sehen war. „Das ist gar nicht gut...“ stellten beide fast Zeitgleich fest. Sie schwebten wieder nach unten und gingen gemeinsam die alten Landkarten durch. „Wo sind wir?“ Ihre Mam zeigte darauf hin auf einen Wald mit Felsen mitten drinnen. „Dort. Nur leider ist die Nächste Höhle zwar in Reichweite, aber dennoch kann ich nicht sagen, ob wir es rechtzeitig schaffen werden...“ besorgt sah sie zum Himmel hinauf. In zwei ein halb Stunden würde es dunkel werden. Also waren die Bergkatzen in zwei Stunden aktiv. „Wie lange brauchen wir?“ Angst schwang in der Frage klar heraus hörbar mit. „Drei Stunden...wenn wir so normal weiter gehen...“ Sie sahen einander blass an. „Wir sollten uns beeilen.“ Gemeinsam gingen sie also im schnelleren Tempo voran. Sie spürten nun weder das weiche Moos unter ihnen, noch die nervigen Dornen der Brombeerbüsche oder Zweige die sich ab und an in ihrem Gefieder verfingen. Stattdessen liefen sie geradewegs zu einer alten Brücke. Jene die sie zum nächsten Versteck auf der anderen Uferseite bringen würde. Die Zeit rannte. Jedoch schien es beiden so vor zu kommen, als ob sie nur im Kreis rennen würden, und nicht in Richtung Ziel. Tollpatschig blieb Selene an einer Baumwurzel hängen und flog in ein Brennesel Nest hinein. „AU!“ Zu mehr kam sie nicht. Überall fing es an zu jucken. Mehrere Minuten strichen dahin, während sie sich mühsam aufraffte. Ihr Knöchel tat davon jetzt etwas weh. „Komm weiter. Ausruhen können wir uns später“ versuchte ihre Mam sie weiter zu ziehen. Es ging damit schleichend und kratzend vorwärts. Und noch immer waren nichts außer Bäumen zu sehen. Der Wald um ihnen herum schwieg. Kein Specht der gegen die Rinde klopfte. Keine Waldbiene die nach Blumen suchte. Keine anderen Insekten. Nicht einmal Spinnen sahen sie um ihnen. Selbst das Licht, das hier und da den Boden erreichte, schien müde zu sein. Hier in diesem teil des Waldes war nichts, nichts außer trostloser Stille. Nicht einmal Pilze oder andere Pflanzen ragten aus dem Waldboden heraus. Nur Bäume und Moos war da. Sowie die gespenstische Stille. Fuß vor Fuß setzend gingen durchquerten sie dieses Gebiet. Ihre Mutter lief Selene voraus, die ihr dicht, aber langsam humpelnd folgte. Um so weiter sie jedoch gingen, um so mehr Nebel bildete sich um ihnen herum. Gemeinsam hielten sie an. „Zurück, Sofort!“ Ihre Mam klang etwas panisch als sie das lauft bestimmte. Dichte Nebelschwaden verfolgten sie. Erneut knickte Selene ein. „Nein!“ rief ihre Mutter entgegen. „Steh auf, du musst weiter!“ drängte sie die Verletzte zum weiter gehen, während diese versuchte sie wieder zum Aufstehen zu bringen. Aber um sie herum hatte sich bereits eine dichte Nebelwand gelegt. Ein Schleier aus weiß. Und obwohl man nicht mehr nach oben sehen konnte, so war es dennoch hell in diesem weißen Käfig. „Was ist das?“ Sie atmete zittrig ein, bevor sie antwortete. „Das ist der weiße Nebel vom Nebelclan. Sie sind die Wächter vom dunklen Turm. Dem Himmelsgefängnis. Wen die Nebel ein mal gefangen haben, den lassen sie nie wieder gehen. Es ist ein besonderer Nebel. So schwach wie er aussieht, so täuscht man sich auch. Dieser Nebel ist tödlich, da er Blutgetränkt ist...“ mehr brachte sie nicht zur Erklärung zustande. Selene selbst verstand auch, das dies hier alles andere als gut war. „Aber wir sind doch nur auf der durchreise...“ flüsterte sie ihrer Mam klein laut zu. Mühsam stand Selene wieder auf.

„Ihr durchschreitet verbotenes Gebiet. Seid ehrlich und nennt mir euer Anliegen. Wer lügt wird diesen Ort nie mehr verlassen!“ hallte eine mechanisch klingende Stimme durch den weißen Schleier. Sie sahen beide einander an. Dann begann ihre Mam zu erklären. „Wir sind auf der Durchreise zu der Höhle auf der anderen Seite der Brücke. Unser Ziel ist die `Warmwind-Schlucht`. Aber wir kennen uns hier kaum aus und sind daher versehentlich in euer Gebiet gekommen. Wir bitten um Verzeihung.“ mehr sagte sie nicht. Es gab ja auch nicht mehr zu erzählen. Eine weile war dann nichts mehr zu hören oder zu sehen. Mit Ausnahme des weißen Nebels um sie herum. Dann kräuselte sich die Wand aus weiß. Selene zuckte nervös zusammen und von beiden war ein leises rascheln der Federn zu hören. Ihr Bauch zog sich verkrampft zusammen. Eine blasse Gestalt mit fahler Haut und leblos herunterhängenden Flügeln betrat den Kreis, den der Nebel um sie herum gebildet hatte. Trübe blaue Augen sahen sie an. Hellbraune zerzauste Haare umrandeten das Gesicht der seltsamen Person. Und ein gräulicher Stoff, der zu einem einfachen Kleid gemacht wurde, umhüllte den Rest von ihr. „Euer Weg führt durch unser Gebiet. Ihr werdet hier nicht weiter kommen. Ich werde euch zum normalen Wald zurück begleiten. Kommt nicht zurück. Anderenfalls werdet ihr diesen Ort nie mehr verlassen“ krächzte die seltsame Frau erneut mit dieser mechanischen Stimme. Dann bewegte sie sich ohne weiter etwas zu sagen in die angebliche Richtung, aus der sie gekommen waren.

Mühsam ging es weiter. Alles kribbelte noch immer wegen der Brenneseln zuvor. Das Gefühl tiefer in den Nebel zu gehen wollte auch nicht enden. Sie hatte das Gefühl das hier ganz und gar nichts stimmte. Manchmal bildete sie sich sogar ein, noch zwei weitere Gesichter gesehen zu haben. Diese erschienen aber genau so fahl und leblos wie jenes von der Frau, die vor ihnen her lief. Einfach ein Seltsamer Ort mit seltsamen Leuten. Aber dann lichtete sich diese Nebelwand endlich. Farben. Wald. Und ein sich langsam verdunkelnder Himmel. Das war gar nicht gut. In diesem Irrgarten aus nichts, hatten sie beide total das Zeitgefühl verloren. Beide drehten sich um, um sich noch zu bedanken. Jedoch war niemand mehr zu sehen. Die Frau vom Nebelclan war verschwunden. Alles was sie spürten war ein kalter Wind von hinten, der ihnen in den Rücken und durch ihre Schwingen pustete. Wie ein Zeichen das sie von dort verschwinden sollten. Etwas, das sie sowieso vor hatten. Keine der zwei hatte etwas dagegen. Also ließen sie sich vom Rückenwind ein wenig leiten und entfernten sich schnell von dem schaurigen leblosen Ort des Waldes. Um so weiter sie gingen, um so lebhafter wurde es wieder um sie herum. Doch die laute des Waldes kündigten klar und deutlich an, das es bald an der Zeit war, das Tag und Nachtgeschöpfe sich wechselten. Auch für die zwei Himmelsgeborenen wurde die Zeit allmählich knapp, was das Höhle finden betraf. „Wo sind wir?“ „Ich weis es nicht. Seit wir durch die Nebel gelaufen sind, habe selbst ich die Orientierung verloren. Von dieser Gegend gibt es nämlich keine Karte in unseren Bibliotheken. Sondern nur beim Turm im Zentrum des Nebels. Und da will niemand freiwillig hin.“ Entschuldigend sah ihre Mutter sie an. „Kopf hoch. Wir werden schon eine Lösung finden wie wir die Nacht überstehen können.“ Beide lächelten sich zaghaft an. Und das Gewichtstraining für Selenes Flügel hatten beide vorerst vergessen. Die Zeit verstrich. Aber dann fanden sie zumindest eine kleine Lichtung. Also eine Chance auf die Baumkronen zu fliegen, beziehungsweise dort hoch getragen zu werden. Wenn es denn nur gute Bäume dafür gäbe. Denn auch Selene sah, das davon eigentlich keiner geeignet war, zwei Engel zu halten. Ihr Geäst war nämlich viel zu dünn und verzweigt, als das sie dort landen könnten. Sie würden wohl oder übel klettern müssen. Alles andere als einfach mit solchen Schwingen die sie ja auch noch hatten. Zusammen gingen sie durch die Lichtung und sahen sich alle Bäume an. Es war nur einer dazu geeignet das sie überhaupt nach oben kommen würden. Und viel Platz bot dieser auch nicht gerade an. Zudem lief ihnen die Zeit davon. „Beeilen wir uns. Sie sind bereits wach. Und bald auf der Jagt!“ ermahnte sie ihre Mutter. Recht hatte sie ja. Weil die erste Riesenbergkatze konnten beide schon sehen. Sie schlich gerade über ihre Lichtung. Angesengt und konzentriert fing die jüngere damit an sich den Baum Stück für Stück hoch zu ziehen. Ihre Flügel legte sie so eng es ging an ihrem Rücken an um nicht hängen zu bleiben. Mehrmals musste sie einen anderen Ast nehmen, um besser hoch zu kommen. Nur wurde es zunehmend schwerer und schwerer, weil es immer dunkler wurde. Nach einer weile kam dann auch ihre Mam dazu, klettern zu beginnen. Nervös beobachteten beide immer wieder die Raubkatze, welche zum lauern begann. Schneller als davor kletterte sie hastig Selene hinterher. Und fast im selben Augenblick, rannte die Bergkatze auf sie zu. Doch auch wenn sie nicht sonderlich hoch springen konnten, erreichte diese dennoch das Bein ihrer Mutter. Scharfe Zähne und Krallen bohren sich in die Zarte Haut hinein. Sie schrie und versuchte verzweifelt dieses Tier los zu werden. Die Katze knurrte. Tränen bildeten sich in den Augenwinkeln ihrer Mutter. Einerseits vor Schmerz, andererseits vor Anstrengung nicht den sicheren Baum loszulassen. Selene kletterte so gut es ging zu ihrer Mutter nach unten zurück. Auch wenn die Flügel immer wieder im Weg waren, ertrug sie lieber schrammen und Kratzer als ihre Mutter zu verlieren. Alles was ihr gerade einfiel war die Eismagie die sie hatte. Weder wusste Selene ob es klappte, noch ob es das ganze schlimmer machte. Trotzdem war es das einzige was sie jetzt gerade tun konnte. Den ihre Mam konnte gerade keine Magie nutzen. Sie war anderweitig beschäftigt und würde später diese zum Heilen brauchen. Konzentriert sah sie das wilde Tier unter ihnen an. Es dauerte gefühlt ewig, bis sich ein scharfer Eispfeil vor ihrer Handfläche bildete. Mit voller Kraft schleuderte sie diesen dann dem Biest entgegen. Knurrend und Fauchend ließ die Bergkatze ihre Mutter los und kratze den Eispfeil aus der ihr zugefügten Wunde hinaus. Zeitgleich half Selene ihrer Mam weiter nach oben zu kommen. Wieder hörten sie es unter sich fauchen. Erneut versuchte dieses Tier an seine fliehende Beute heran zu kommen. Doch zum Glück waren beide weit genug aus ihrer Reichweite gekommen. Schwer atmend saßen beide auf den Ästen des Baumes. Viel Platz war nicht vorhanden. Jedoch reichte es um in Sicherheit zu sein und ein wenig Magie einzusetzen. Die Magie der Heilung. Auch wenn es in diesem Fall nur desinfizieren war. Denn ihre Mam war zu müde um mehr machen zu können. Zwar pikste es ihnen beiden überall ein wenig, doch das war allemal besser als gefressen zu werden. Und die kleinen Zweige mit Blättern in ihrem Gefieder konnten sie beide immer noch am nächsten Tag wenn es auf dem Boden sicherer war heraus suchen. Erschöpft schliefen sie nach wenigen Minuten dann endlich ein. Das Geschrei der Bergkatzen unter ihren Füßen wurde gekonnt ignoriert.

Es war bereits hell als sie zusammen wach wurden. Ihnen beiden tat alles weh. Flügel, Arme, Beine, Füße,..... Einfach alles. Selbst der Rücken war total verspannt. Keine der beiden wusste wie sie sich richtig bewegen konnten, ohne das es irgendwo weh tat. Irgendwie mussten sie aber trotzdem von diesem Baum runter. Also kletterten sie leise vor sich her schimpfend wieder zurück zum Boden. Ihre Mam musste Selene dann beim auftreten stützen. „Danke dir für deine Hilfe gestern Nacht.“ warmherzig lächelte diese ihre Tochter an. „Ähm... gerne.... aber das hätte doch jeder getan, oder?“ sie wusste irgendwie nicht was sie sagen konnte. Für sie war das selbstverständlich. Nur obwohl sie ihre Mam stützte, sah sie deutlich dass diese immer noch schmerzen hatte. Denn auch das selbst heilen, half nicht vollkommen aus. Denn die Wunde musste sich von alleine auch weiterhin schließen. Die Heilerei half da nur das sich diese Verletzungen nicht entzündeten oder eben noch schlimmer wurden. Ihre Magie unterstützte die natürliche Genesung nur oder beschleunigte diese großteils. Mehr tat diese nicht. Wenn es dem Körper des verletzten zu viel abverlangt war, ging es einfach nicht. Und bei Selenes Mutter war es einfach die Erschöpfung, die nicht viel mehr hergab und somit auch ihre Magie schwächte. Trotzdem konnte sie irgendwie damit umgehen. Stumm band sie sich mehrere Lagen Verband über die offene Wunde. Ihre Tochter beobachtete sie nur schweigend eine weile. Erst dann fing sie an aus ihren magischen Beuteln ein wenig Proviant hervor zu holen. Beide hatten sehr großen Hunger. Denn am vergangenen Tag hatten sie kaum etwas gegessen. Und erst recht nicht am Abend. Da waren beide viel zu beschäftigt gewesen noch einen Baum zu finden. Während Selene also ihre Brotzeit herrichtete, konnte sich ihre Mam noch eine weile Ausruhen. Sie sah in ihren Augen nämlich sehr fertig mit der Welt aus. Beide setzten sich nach wenigen Minuten der jeweiligen Dinge die sie getan hatten. Ihre Flügel breiteten sie voll aus. Es tat gut sie ein wenig auszulüften nach der vergangenen Nacht. Lauwarme angenehme Sonnenstrahlen trockneten die leicht vom Schweiß durchnässten Federn. Zudem sahen sie jetzt auch ob sie irgendwo noch Zweige oder Blätter in ihrem Gefieder hatten oder nicht. Davon fanden sie aber nur wenig. Eine Sache also die kaum Zeit beanspruchte. Als sie dann zum essen anfingen, sahen sie sich in der Zwischenzeit soweit es das Sitzen eben zu lies um. Die riesige Katze vom Vorabend war noch immer in der nähe. Aber sie schlief auf der anderen Seite der kleinen Lichtung. Von ihr wurde bis zum Abend kaum bis keine Gefahr ausgehen. „Wenichstnes bleiben die da. Und bis die wach sind, sind wir eh weg...“ meinte Selene halb in Gedanken verloren. Sie beobachtete nämlich in der Zeit die Umgebung. Fremde klänge vom Vogelgezwitscher. Der ein oder andere Baum. Fremde Sträucher und auch immer noch fremde Tiere die hier lebten. Nur leider wussten beide nicht wo sie waren. Gut die jüngere der beiden wusste es eh nicht, da sie nie gelernt hatte Karten so zu lesen um nicht die Orientierung zu verlieren. „Mam? Wo sind wir?“ Diese seufzte nur schwer. „Ich weis es nicht. Später müsste ich von hier aus nach oben fliegen um zu sehen wo wir sind.“ bot sie an. Sie selbst nickte nur. „Ehm... kannst du mir eventuell auch beibringen wie ich diese Karten richtig lese? Ich kanns einfach immer noch nicht“ meinte sie bedrückt. Die junge Frau wollte endlich die anderen Sachen die sie nicht konnte lernen, um so gut es ging voran zu kommen. Denn ihr war klar, wenn sie fliegen können wollte, gehörte das nun mal auch dazu, um nicht die Orientierung in der Luft zu verlieren. „In Ordnung. Wir werden wohl sowieso wegen meiner Verletzung hier einen weiteren Tag verbringen dürfen. In der Zeit kann ich dir das Kartenlesen beibringen und wir können dein Krafttraining fortsetzen“ teilte sie ihrer Tochter als Vorschlag mit. Diese stimmte zu. Zuerst fingen beide wieder an die Taschen für die Steine zu knoten. Nachdem sie beide damit dann fertig waren, suchten sie erst einmal zwei passende etwa gleichgroße Steine die dort hinein passen könnten. Lange dauerte dies nicht, da im Gebüsch welches in der nähe war, ein paar Steine waren die sie dafür verwenden konnten. Zufrieden sammelten beide die Steine ein. Es waren insgesamt vier. Zwei kleinere und zwei größere. Nachdem die beiden kleineren dann jeweils in den Netzen waren, hingen sie die fertigen Taschen wieder an Selenes Flügel dran. Sofort zog es sie erneut ein wenig nach unten. Erst nach einigen Minuten bekam sie dann den dreh wieder raus, wie sie ihre Schwingen richtig zu halten hatte, das sie nicht nach unten gingen. Denn ihre Flügelspitzen schleiften schon den Boden entlang. Nicht gerade gut. Denn diese brauchte sie später noch im ganzen zum fliegen. Ihre Mutter hatte derweil aus einigen ganzen Baumstämmen die gerade noch so bewegbar waren eine Art Brücke gebaut. Nur eben ohne Schlucht oder Fluss darunter. Sondern lediglich in etwa einen halben Meter Höhe, mit Brenneseln darunter. Etwas das diese nicht sonderlich Begeisterte da drüber zu laufen. Und die anderen beiden Steine hatte sich ihre Mutter auch in solche Netztaschen gemacht wie sie selbst welche trug. „So. Beim ersten mal laufen wir gemeinsam. Ich werde Rückwärts gehen und du Vorwärts. Wir können uns so an den Händen gegenseitig halten und unterstützen. Später versuchst du es alleine ein paar mal. Und wenn du dich traust, könntest du es auch mit verbundenen Augen machen.“ Aufmunternd sah diese ihre Tochter an. Selene sah ihre Mam überrascht an. Denn irgendwie schaffte sie es, auch mit verletztem Bein fast normal zu stehen, ohne aus dem Gleichgewicht zu kommen. Und selbst die Baumstämme hatte sie bewegt. Wobei dort wohl Magie im Spiel war. Die jüngere nickte. „Na gut. Ich Versuchs.“ Darauf hin stiegen beide auf den Baumstamm. Sie erkannte sofort, das ihr gegenüber Magie nutzte um nicht zu starke Schmerzen zu haben. Ein klein wenig verzog diese nämlich das Gesicht. „Schon Ok. Danach werde ich aber etwas Pause gebrauchen.“ Selene musste da ihre Mam bei der Sache doch bewundern. Sie selbst hätte dazu nicht mehr das Durchhaltevermögen aufgebracht. Langsam setzen beide sich in Bewegung. Beide wackelten ein bisschen. Ihre Mutter wegen dem Bein und sie selbst wegen ihrem Gleichgewicht mit den Steinen. Gefühlsmäßig im Schneckentempo ging es weiter.

Aber das störte sie nicht, da es ja gerade keine der zwei eilig hatte. Immer mal wieder wackelte die eine oder andere. Nur mehr passierte zum Glück nicht. Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen sie dann tatsächlich ohne irgend einem herunterfallen am anderen Ende des Stammes an. Zum Glück. Denn Brenneseln wollte keine des Mutter-Tochter Gespanns ab bekommen. „Mit dir gemeinsam geht es. Aber alleine,.....

Ich weis nicht so recht....“ zögerte sie direkt danach. Die ältere setzte sich, während die jüngere sich nervös mit der Hand durch die Haare fuhr. Durch das Steingewicht hingen die Schwingen etwas müde nach unten. Angenehm war es nicht gerade. Dennoch nahm sie es in kauf für das eigene Stärken. Die Zeit verstrich weiter. Mühsam ging es weiter. Zögernd setze sie Fuß vor Fuß und überquerte auf unsicheren Beinen erneut den Baumstamm. Hinter sich spürte sie eine warme Magie ausstrahlen. Ihre Mutter Reinigte die Verletzung erneut. Selene stand da und machte etwa mittig auf dem Stamm eine Pause und sah sich um. Leise raschelndes Gras und Gesumme in der Nähe umringte sie. Von den Blättern der Bäume kam kein sanftes rauschen. Nur der Specht war ab und an zu hören. Und wieder ein schwarzer Leichenfalter. Erschrocken zuckte sie zusammen. Eine dumme Bewegung für ihr Gleichgewicht. Denn kaum das sie zuckte, verlor sie dieses und viel Hände voraus in die Brenneseln hinein. Sofort brannte es ihr überall an den Armen, Beinen und auch im Gesicht. Nichts außer dort wo Stoff war, blieb verschont vom Jucken der doofen Nesselpflanze. „Au...“ nuschelte sie genervt und stand relativ flott wieder auf. Genervt schlurfte sie zu ihrer Mam zurück. „Alles in Ordnung mit dir? Was hat dich raus gebracht?“ fragte diese. „Naja...ja schon. Es juckt eben. Und meine Flügel tun davon jetzt mehr weh. Diese Übung zieht die Flügel ganz schön nach unten. Schuld daran, das ich gefallen bin ist der nächste von den Leichenfaltern....“ entgegnete sie ohne Begeisterung und lies sich neben ihr halb ins Gras fallen. „Schon wieder? Was hat das zu bedeuten?“ Beide sahen sich ratlos an. Weder die eine noch die andere wusste eine Antwort auf die Frage. Genervt sah sie in die Richtung des Falters. Warum waren diese Dinger schon wieder in ihrer Nähe? Oder war es nur ein schlechtes Karma? Zumindest flog er weiter. Nach einigen Minuten war der Falter dann auch gar nicht mehr zu sehen.
 

Nach einer längeren Pause raffte sich Selene wieder auf und versuchte es erneut. Dieses mal war es ein klein wenig einfacher. Dennoch wackelte sie noch sehr auf dem Stamm herum. Sie viel aber nicht noch einmal in die Brenneseln hinein. Erleichtert kam sie damit auch auf der anderen Seite an. Es fühlte sich toll an, es geschafft zu haben, ohne diesen kleinen Missgeschicken. Selene legte eine kleine Pause ein. Ihre Muskeln kurz entspannen. Weil die taten gerade ein wenig weh. Einfach deswegen, weil es für sie ungewohnt war. Zudem war es auch für ihre Schwingen anstrengend das Gewicht der Steine zu halten. Sie machte aber fortschritte. Nach einer weile ihrer Pause ging es dann weiter. Selene raffte sich wieder auf und balancierte erneut den Stamm entlang. Etwas geschafft kam sie auf der Seite ihrer Mutter an. Diese ruhte sich gerade aus. Natürlich wegen ihrer Verletzung und auch weil sie eben gezaubert hatte. Das alles kostete natürlich Kraft. Nicht immer körperliche, sondern auch geistige Kraft. „Ich denke das reicht erst einmal. Komm her, dann machen wir die Gewichte wieder ab.“ Erleichtert ging sie zu ihrer Mam. Gemeinsam fingen sie dann an, ihr die Taschen mit den Steinen ab zu nehmen. Sie fühlte sich sehr erleichtert, nachdem das alles wieder ab war und sie ihre Flügel frei bewegen konnte. Zufrieden breitete die junge Frau ihre großen Flügel aus. Beide Schwingen waren durch die Übung ein wenig Verspannt. Doch das ausbreiten dieser tat ihr sehr gut und war auch angenehm. Verträumt sahen beide in den Himmel hinauf. Ein paar fluffige Wolken zogen vorbei. Sonst war es über ihnen strahlend blau. Einmal verdeckte eine solche Wolke die Sonne, so das es einen kurzen Moment schattig wurde. Mehrere Minuten beobachteten sie zusammen schweigend den Himmel und die Wiese um ihnen herum. Überall flogen Insekten und es zwitscherten Vögel. Ein mal war sogar ein Eichhörnchen zu sehen. Ein schwaches leuchten im Augenwinkel beanspruchte dann ihre Aufmerksamkeit. Ihre Mutter hatte wieder angefangen ein klein wenig zu Heilen. So konnte sie beobachten wie sich die Wunde die jene Riesenbergkatze verursachte langsam schloss. Noch immer waren an dieser Stelle hässliche Schrammen und Risse in der Haut. Aber sie wurden blasser. Und das wichtigste war, das sich diese eben nicht entzündeten oder dergleichen. Eine Erleichterung für beide. Denn Selene wüsste nicht wo sie dann hin gehen sollte oder wie sie den Weg zur Warmwind-Schlucht finden könnte. Nach dem ihre Mutter fertig war, wandte sie sich ihrer Tochter zu. „Ich denke jetzt reicht es erst mal mit dem Heilen. Darum werde ich dir jetzt die Landkarte zeigen und woran du erkennst wo wir sind.“ begann diese. Also breitete sie die Karte zwischen beiden aus. Diese war nicht gerade groß, sondern eher ein wenig klein. Viel war darauf nicht zu sehen. Nur verschiedene Zeichen die ihr zwar bekannt vor kamen, aber nicht verrieten wo sie waren. Also begann diese ihr erst einmal zu sagen, was welches Symbol zu bedeuten hatte. „Hier, die Kronen, das sind die Hauptstädte von uns, den Dämonen und den Menschen. Die Bäume denke ich sollten selbsterklärend sein. Und hier wo die Vögel zu sehen sind, da sind unsere Flugrouten. Oder eben die roten Striche für die, die zu Fuß begehbar sind.“ Jedes mal wenn ihre Mutter sagte, was welches Zeichen zu bedeuten hatte, zeigte sie auch auf jene Stellen auf der Karte. „Aber wo sind die Flüsse und Seen?“ Selene wunderte sich. „Die sind hier nicht mit drauf. Da wir ja normal sehr viel fliegen, sind diese Informationen für die meisten von uns uninteressant und daher wurden die wohl früher einfach weg gelassen. Trotzdem findet es jeder für ungut solche Infos nicht hier drauf zu zeichnen. Denn sie sind für eine Rast oder dergleichen ja doch wichtig!“ Dem konnte sie ihrer Mam nur zustimmen. Obwohl sie ja beide genug mit eingepackt hatten, so würde auch das früher oder später aufgebraucht sein. „Ach ja und die schwachen Blüten hier sollen Lichtungen zeigen. Die habe ich eben vergessen.“ ergänzte ihre Mutter noch dazu. Wenig später erklärte diese noch auf welcher Seite das Moos von den Himmelsrichtungen wuchs und wie sie sich mit den Sternen Orientieren konnte. Somit beendeten sie die kleine Hilferunde zum Karten lesen und Himmelsrichtgen erkennen.
 

Gemeinsam verbrachten sie so noch einen ruhigen Nachmittag und redeten über kleine Dinge die in letzter Zeit so passiert waren. Etwas was sie schon länger nicht mehr gemacht hatten. Aber es war auch nicht wirklich Zeit dazu. Denn ihre Mutter und auch ihr Vater hatten zu tun gehabt und ihre Geschwister waren einfach zu oft unterwegs. Sie mochte alle von ihrer Familie. Auch wenn ihre beiden Geschwister, Yuna und Iral manchmal auch nervig sein konnten. Besonders ihr Bruder. Er war der nervigere der beiden. Zog er sie doch ständig damit auf, dass sie nicht fliegen konnte. Yuna hingegen war das völlig egal. Sie zeigte da eher totale Gleichgültigkeit. Selene war das recht egal. Dennoch nervte sie es das sie immer wieder von gewissen Personen damit aufgezogen wurde. Aber das würde sich ja bald ändern. Auch wenn es noch eine weile dauern würde, bis sie an ihrem vorrangingen Ziel ankommen würden. Ihre Zeit verstrich langsam und die Sonne neigte sich dem Spätnachmittag zu. Zudem bildeten sich kleine fahrige Wolken am Horizont, der langsam von einem kräftigen angenehmen blau zu einem schwachen wechselte. „Es wird Zeit das wir wieder aufpassen rechtzeitig in die Baumkronen zu kommen. Nicht dass das selbe wie vergangene Nacht passiert.“ erinnerte sie ihre Mam daran. Zudem schlief auch eine dieser Gefahren hier irgendwo in der Nähe. Auch wenn Selene diese gerade nicht sah. Jedoch wollte sie die wenigen Stunden die noch blieben nicht ungenutzt verstreichen lassen. „Ist gut. Aber davor haben wir noch ein wenig Zeit. Ich möchte nämlich davor weiter üben.“ Mit dieser Bemerkung machte sie sich auf den Weg zu einem kahlen alten Baum, dessen Äste weit raus ragten, ohne das man wo anders hängen blieb. Mühsam zog sich die junge Frau nach oben. Trotz allem blieb sie in den unteren Ästen ab und an etwas hängen. Die waren noch etwas zu eng aneinander. Von Ast zu Ast klettern dauerte zwar etwas mit den Flügeln im Weg. Doch nach einigen Minuten schaffte sie es schließlich auf diesen den sie erreichen wollte. Es war ein längerer, nicht zu dicker oder zu dünner Ast. So gesehen perfeckt. Vorsichtig rutschte Selene so weit nach vorne wie es eben ging und bemühte sich dann hinzustellen. Eine etwas wackelige angelegenheit. Machbar war es jedoch. Es benötigte nur ein wenig Zeit und Geduld. Selene stand endlich so sicher es eben ging. Mit leicht nervösem Gefühl öffnete sie ihre Flügel und sah nach unten. Außer dem Baumstamm auf dem sie zuvor geübt hatte und den Brennesseln an dieser Stelle war alles normales und vor allem hohes Graß. Noch einmal atmete sie tief durch, bevor sie begann mit den Flügeln zu schlagen. Beide zwickten und spannten von ihren Übungen noch etwas. Sie taten trotzdem das was sie sollten. Sie glitt nicht wie sonst immer sofort zum Boden nach unten, sondern hielten sie tatsächlich etwas länger oben. Eine kleine Freude durchflutete sie. Bis her hatte sie ja nie mehr auser dem Gleiten hin bekommen. Dieses Mal jedoch schwebte sie tatsächlich auf der Stelle. Aber Anstrengend war es auf jeden Fall. Und lange hielt sie es auch nicht durch. Noch waren ihre Schwingen zu schwach um weiter zu machen. Diese fingen nämlich nach etwa fünfzehn Sekunden an richtig weh zu tun. Es war eben um einiges mehr was sie tun musste als nur zum Boden zu Gleiten, wo sie fast nichts zu tun hatte. Ein guter Anfang war es aber schon einmal. Kraftlos glitt sie dann die wenigen Meter zum Boden hinunter und legte ihre Flügel wieder an. Kaputt lies sie sich ins Graß fallen, während ihre Mutter lächelnd entgegen kam. „Das hast du Klasse gemacht. Die Übungen scheinen sich zu lohnen wenn sich so früh schon ein kleiner Erfolg Zeigt!“ meinte sie Aufmunternd zu ihrer schnaufenden Tochter. Recht hatte sie auf jeden Fall. Denn es war tatsächlich erstaunlich früh, das sich da etwas zeigte. Trotzdem würde Selene es heute nicht noch einmal versuchen. Weil jetzt tat ihr einfach alles weh. Die junge Frau hatte das Gefühl, das sie selbst die Muskeln spürte, die sie sonst nie zu spüren dachte. „Scheint so“ schnaufte sie auf die Aussage ihrer Mam. Beide waren Glücklich. Selbst wenn es so früh Erfolg gab, wusste sie das ihre Flügel wohl doch nicht so schwach waren wie gedacht. Denn beiden war klar, das selbst das reine Gleiten auch Kraft beanspruchte. Jetzt mussten eben nur noch die Muskeln trainiert werden, die zuvor nicht genutzt wurden. Eine Sache die vermutlich schnell oder auch langsam vorrangehen konnte. Erleichtert stand sie nach etwas tiefem Durchatmen wieder auf. Denn ihren Proviant mussten sie wieder einsammeln, wobei dies Selene übernahm. Ihre Mutter war schon genug herum gelaufen mit ihrer Verletzung. Weil auch mit ihrer ständig wiederholenden Selbstheilung, würde es noch etwas dauern bis diese Wunde gänzlich verging.



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