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Die Engelstrilogie

von

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Bartreffen

Stroboskoplichter. Sich in Trance tanzende Körper. Bassgefühlter Techno, der hämmernd aus den Boxen dröhnte. So laut, dass man sein Gegenüber nicht mehr verstehen konnte. Aber die meisten Menschen waren sowieso nicht hier, um zu reden. Die auf der Tanzfläche suchten was zum Vögeln, während die an der Bar sich einfach nur bewusstlos saufen wollten. So auch der Mann auf dem Barhocker, der vor sich auf dem Tresen bereits zwei leere Whiskeyflaschen stehen hatte. Er war alleine und wollte es auch sein. Weder interessierten ihn die Frauen, die sich nach ihm umdrehten, noch sonst jemand, der mit ihm trinken wollte. Er war nicht schwul. Er hätte jede Frau im Saal nehmen können und wäre nicht mal ins Schwitzen gekommen, aber sie interessierten ihn einfach nicht. Sie alle bemerkten, dass eine Art Schimmer hinter ihm war. Als ob etwas Unsichtbares an seinem Rücke war, aber sie schrieben diesen Eindruck dem Alkohol zu. Keine von ihnen bemerkte die schwarzen Federn, die zu seinen Füßen lagen.
 

Er wollte einfach nur allein sein. Trotzdem, oder gerade deswegen setzte sich eine Frau neben ihn. Sie hatte lange, blonde Haare und war perfekt gebaut. Schon fast zu perfekt. Die Frau schien schon fast von innen zu leuchten. Sie bildete mit ihrem weißen, eng geschnittenen Kleid einen starken Kontrast zu seinen dunkel gehaltenen Klamotten. Auf einmal schienen jegliche Geräusche leiser zu werden. Sie waren noch da, aber für diese beiden Personen waren sie wie ausgeblendet. „Hallo Asaziel.“ Ohne hinzusehen ließ Asaziel den Kopf auf die Theke knallen und sagte lallend: „Da denkt man, man könnte sich in Ruhe besaufen und dann das. Was willst du, Eli’el?“ Für den Namen brauchte er tatsächlich mehrere Anläufe. Sie blickte ihn groß an. „Aber…Bist du etwa betrunken? Aber das geht doch gar nicht. Du kannst doch gar nicht betrunken werden.“ Er neigte den Kopf auf dem Tresen und blickte sie mit einem geschlossenen Auge an. Kein leichtes Unterfangen. Er konnte ihre schneeweißen Flügel deutlich erkennen. Die Menschen ignorierten sie.

Schließlich zwang er seinen Kopf nach oben. Etwas unbeholfen stützte er seinen Ellenbogen auf die Theke und legte seinen Kopf in seine Hand. „Doch, ich kann.“, sagte er schleppend. „Ansonsten hätte das alles hier doch gar keinen Sinn.“ Zur Unterstreichung seiner Worte ließ er seine andere Hand Kreisen, ohne zu bemerken, dass er noch ein Glas darin hatte. Als er das Glas an den Mund hielt, musste er enttäuscht feststellen, dass sich sein Drink ohne ihn davongemacht hatte. Als er nachschenken wollte, merkte er, dass er keine Reserven mehr hatte. Unter Mühe wollte er den Barkeeper auf mich aufmerksam machen, aber Eli’el hielt ihn zurück. „Bitte nicht. Komm schon, wir brauchen dich nüchtern.“ Er runzelte die Stirn. „Wer ist wir?“ „Naja, ER. Du weißt schon. Ich bin in seinem Auftrag hier. Ich soll dir eine neue Mission geben.“ Sofort prustete Asaziel los. Er lachte, was der Alkohol zu bewirken schien, denn richtig nach lachen war ihm eigentlich nicht. „ER? Ich soll für IHN einen neuen Auftrag übernehmen? Eli’el, oh, du süße, scharfe, kleine naive Eli’el.“ Bei einigen der Worte wurde sie leicht rot. „Ich war der letzte Engel des Todes. Ich habe den Ägyptern ihre zehn Plagen gebracht, ist mir scheißegal, was in diesem Wälzer steht, das war ich. Ich war erste Sahne in dem, was ich tat. Deswegen hatte er mir den Auftrag gegeben, die ultimative Aufgabe der damaligen Zeit zu bewältigen. Ich sollte alle, restlos ALLE Nephilim zur Strecke bringen. Das habe ich auch gemacht und zwar im gaaaanz großen Stil. Mit einer Sintflut.“ Er lachte blöd. „Alle Kinder der Engel sind umgekommen und seitdem dürft ihr nicht mehr rumhuren. Das Einzige, was dich noch als Frau auszeichnet sind deine Titten.“ Sein Lachen wurde lauter. „Ich bin der letzte Engel, der noch einen Schwanz zwischen den Beinen hat.“ Jetzt konnte er sich nicht mehr halten und rutschte fast vom Hocker. Eli’el war ganz rot geworden. „Bitte, das muss doch nicht so laut sein.“ „Warum nicht? Es kann uns doch eh keiner hören. HE LEUTE! ELI’EL HAT KEINE FO…“ „ASAZIEL!“ Gleichzeitig hatte sie ihm eine gehörige Ohrfeige gegeben, die ihr sofort wieder leid tat. Sie hielt die Hände vor den Mund.

Als sie sich umsah, bemerkte sie, dass er recht gehabt hatte. Es hatte tatsächlich niemand davon Notiz genommen. Asaziel setzte sich auf den Hocker. Die Ohrfeige hatte ihm den Alkohol aus dem Kopf geschlagen. Sein Blick war klar und seine Stimme auch. Das hätte er jederzeit alleine geschafft. Er hätte sich nur entschließen müssen, nüchtern zu sein, aber er wollte nicht. Niedergeschlagen sah er die zwei leeren Flaschen und das Glas. Dann drehte er sich auf dem Hocker, dass er ihr gegenüber saß. „Vielen Dank. Zwei Stunden Arbeit ruiniert.“ „Entschuldige. Aber warum machst du das?“ „Oh bitte.“, entfuhr es ihm verärgert. „Du kennst doch das Nephilim-Fiasko. Ich habe drei Millenia gebraucht. 3000 Jahre, bis ich die letzten drei Mischlinge gefunden hatte, die meiner Flut entkommen waren. Und du weißt, dass ich erst nach Hause darf, wenn ich ALLE Nephilim getötet habe. Das war SEIN Befehl. Endlich finde ich Ulyamoth und bringe ihn zur Strecke. Auch Kragamore entkommt mir nicht mehr. Aber nur Sekunden, bevor ich Neetor töten kann, kommt ER persönlich und begnadigt den Kerl. Gleichzeitig macht er es mir damit unmöglich, nach Hause zu kommen. Warum glaubst du wohl, mache ich das hier? Frustration. Aber wie soll ich von einem Engel erwarten, dass er das Wort kennt. Der Schwanz ist nicht das Einzige, was ich euch voraus habe. Ich bin der einzige Engel mit einer Seele. Freier Wille und die Fähigkeit alles zu Fühlen, was Menschen fühlen. Himmel, genau genommen bin ich doch das Gleiche wie sie.“ Mit „Sie“ meinte er die Nephilim. Er atmete tief durch und sah Eli’el an. „ER persönlich hat mich um meine Heimkehr betrogen. Und da erwartest du allen Ernstes, dass ich ihm helfe?“

Eli’el sah beschämt zu Boden.

Nach einer Weile sah sie ihn an und sagte: „Ich verspreche dir, dass du nach dem nächsten Auftrag nach Hause darfst. Ich gebe dir mein Wort.“ Sie stand auf. „Wenn du also wirklich heim willst, dann triff mich an dem Ort, an dem wir das erste Mal die Erde betreten haben. Wenn du aber lieber in Selbstmitleid ertrinken willst, sei mein Gast. Tudelu.“ Sie winkte ihm zum Abschied und kaum war sie in der Menge verschwunden, kamen die Musik und der ganze Lärm zurück. „Lass auf dem Weg hinaus die Tür nicht deinen hübschen Hintern treffen.“, brüllte er ihr hinterher, aber es war nutzlos. Er hatte es selber nicht gehört. Asaziel drehte sich zur Theke und betrachtete sich im Spiegel, der hinter der Bar angebracht war. Dort konnte er problemlos seine pechschwarzen Flügel sehen. Aber er konnte sie auch so sehen, denn nur die Menschen können sie nicht sehen. Nur vor den wahrhaft Gläubigen und denen, die Engel und Dämonen bereits getroffen haben, konnten sie ihre Flügel nicht verstecken.

Er blickte sich selbst ganz tief in die Augen und machte sich bereit, sich wieder zu besaufen. „Ach Scheiße.“, sagte er murrend, was aber niemand hörte. Er stand auf, steckte sich eine Zigarette in den Mund, zog daran und sie entzündete sich von alleine. Asaziel ging, ohne zu bezahlen. Der Barkeeper würde sich sowieso nicht an ihn erinnern.

Gipfeltreffen

Die Sonne schien völlig ungehindert vom Himmel. Keine einzige Wolke stand am Himmel, der genau so blau war, wie das kristallklare Wasser unter ihm. Seichte Wellen rollten sanft an den elfenbeinweißen Sandstrand. Eli’el stand barfuß im Sand und genoss das Wasser, das ihre Füße umspielte. Sie sah aufs Meer hinaus und spürte den Wind auf ihrer Haut. Der weibliche Engel war immer noch in weiß gekleidet, aber sie hatte sich hier für ein weites Sommerkleid entschieden. Ihre weißen Flügel waren offen sichtbar und schienen einfach durch das Kleid zu gehen. Auf ihrem Kopf trug sie einen passenden Sonnenhut.

Eli’el drehte den Kopf nach rechts und blickte den endlosen Strand entlang. Dort hinten konnte sie ein Hitzeflimmern ausmachen. Eigentlich nicht verwunderlich, wenn man die Temperaturen bedachte. Sie konzentrierte sich weiter auf das Flimmern und beobachtete, wie sich Asaziel langsam daraus materialisierte, während er weiter auf sie zu ging. Die Hände in den Taschen und eine Zigarette im Mundwinkel, trottete er den Strand entlang. Er trug eine schwarze Hose und ein dunkelrotes T-Shirt, über dem er eine alte, abgewetzte braune Lederjacke trug. Auch seine Flügel waren zu sehen. Während Eli’els Flügel weiß, gleichmäßig und sauber waren, waren Asaziels Flügel schwarz und unschön. Mehrere Federn standen ab und ab und an verlor er auch ein paar. Was aber nicht heißen sollte, dass er wirklich „kahl“ wurde. Das schien alles zur Optik zu gehören. Es war unbestreitbar, dass er eine imposante Figur abgab, wenn er seine Flügel zur vollen Spannweite ausweitete.

Knapp zehn Meter von ihr entfernt blieb er stehen. Er blinzelte in die Sonne, nahm einen letzten Zug von der Zigarette und schnipste sie ins Wasser. Ohne ein Wort darüber zu verlieren, schnipste sie mit den Fingern und der Stummel verschwand. Sie sagte einfach nichts dazu, weil sie ihn einfach zu lange kannte. „So, da bin ich.“, brummte er. Sie bemerkte, dass er an ihr vorbei sah. „Hey, was macht der Wichser hier?“

Der „Wichser“ befand sich ungefähr zwanzig Meter auf der anderen Seite von Eli’el und hockte im Sand. Er hatte nichts an, außer einer abgerissenen blauen Jeans. Seine Augen waren von einem schwarzen Film bedeckt und wenn er seine Zähne bleckte, konnte man sehen, dass auch sie ölig waren. Ganz offensichtlich bestanden alle seine Körperflüssigkeiten aus dieser schwarzen Substanz. Auf dem Rücken hatte er etwas, das aussah, wie abgerissene Flügel. Es waren nur noch zwei Stummel, die immer noch etwas rauchten und aus denen das Öl unablässig rauslief. Eine ewige Wunde, die nie heilt.

Jetzt stand er auf und zeigte mit dem Finger auf Asaziel. „Pass auf, was du sagst, Schwanzträger.“ Vor langer Zeit einmal mochte seine Stimme ähnlich wie die von Asaziel gewesen sein, aber die Zeit war lange vorbei. Das Zischeln bestätigte das.

Asaziel zeigte ihm den Mittelfinger. „Lieber ein Schwanzträger, als ein Schwanzlutscher.“ Azrael fauchte den dunklen Engel an. „Du wagst es.“ Azrael begann in stampfenden Schritten auf Asaziel zuzugehen. „Dir wird ich zeigen…“ „Wie du blasen kannst. Das weiß doch schon die ganze Hölle.“ Er griff sich in den Schritt. „Willst du ein Stück davon? Komm und hol’s dir, wenn du kannst, DU SCHWUCHTEL!“

Azrael rannte jetzt und Asaziel holte bereits aus. Die beiden waren nur noch Zentimeter auseinander, als genau zwischen ihnen ein Blitz aus dem blauen Himmel in den Boden einschlug.

Die Wucht schleuderte die beiden Streithähne auseinander und jeder wurde mehrere Meter nach hinten in den Sand geschleudert. Als sie aufblickten stand Eli’el mit einem Arm in die Luft erhoben zwischen ihnen. Sie atmete schwer. Nicht, weil sie den Blitz heraufbeschworen hatte, sondern weil sie sauer war. Die beiden hatte die schöne Idylle gestört. Aber innerlich schalt sie sich selbst. Sie hätte es wissen müssen. „Asaziel, war das nötig?“

Er stand auf und klopfte sich den Sand aus der Kleidung. „Natürlich war es das. Er springt doch immer wieder drauf an. Kann ich doch nichts für.“ Azrael knurrte. Es war in den letzten Jahrtausenden ein kleines Ritual geworden. Wann immer sie sich begegneten, triezte Asaziel Azrael. Der Dämon schwor sich zwar jedes Mal nicht wieder darauf einzugehen, aber der Engel schaffte es trotzdem immer wieder, ihn in Rage zu bringen. „Jetzt mal ernsthaft. Was macht er hier?“

Eli’el, glücklich darüber, dass Asaziel von selbst das Thema gewechselt hatte, sah ihn an. „Ich habe ihn hergebeten. Das, weswegen ich dich gerufen habe, geht ihn genau so viel an, wie uns.“

Der dunkle Engel überlegte kurz. Dann hielt er ihr die offene Hand hin, als Zeichen, dass sie fortfahren sollte. Sie schaute kurz zu Azrael, der sich wieder nur aufrecht hingesetzt hatte, aber sich nicht die Mühe gemacht hatte, aufzustehen. Der Dämon nickte kurz. Alle Gefühle waren fortgewischt. Alles lief auf professioneller Basis ab. Eli’el hatte sich lange überlegt, wie sie Asaziel die Nachricht überbringen konnte, aber sie hatte sich dann doch für die einfachste Methode entschieden. Sie ließ die Bombe platzen.

„Gabriel rüstet sich für einen zweiten Krieg.“ Asaziel reagierte nicht. Sie glaubte erst, er hätte sie nicht verstanden. Plötzlich stocherte er wie wild mit einem Finger in einem Ohr und sagte lachend: „Ohoho, entschuldige, aber ich habe gerade verstanden, dass Gabriel sich für einen zweiten Krieg rüstet. Was hast du nochmal gesagt?“ Der Engel schaute ihn nur ernst an. Asaziels Miene verdüsterte sich und er blickte zu Azrael. Der Dämon blickte ihn ebenfalls mit ernster Miene an und nickte ihm zu. Asaziel verstand die Welt nicht mehr. „Aber…aber wieso…warum? Gegen Wen?“ Azrael zeigte nach oben. „IHN.“ Asaziel fiel die Kinnlade herunter. „Was? Gabriel war der oberkommandierende General der himmlischen Heerscharen gegen Luzifers Rebellen. Er hat den Thron bis aufs Letzte gegen die Verräter verteidigt und jetzt will er ihn selbst angreifen? Das macht doch keinen Sinn.“

Eli‘el trat vor. „Gabriel ist weit davon entfernt Sinn von Unsinn unterscheiden zu können. Luzifer hatte den Thron damals angegriffen, weil er ihn für sich selbst haben wollte. Ihn und seine Leute trieb die Gier. Nicht böse gemeint.“, warf sie über die Schulter nach hinten ein. „Passt schon.“, erwiderte Azrael. „Gabriel jedoch ist neidisch. Auf die Menschen. WIR waren die Erstgeborenen. Wir hatten SEINE ganze Liebe. Aber dann hatte er die Menschen geschaffen. Er gab ihnen die Welt und seine wertvollsten Besitztümer. Seelen. Er gab ihnen alles, aber sie verschwendeten es einfach so. Und trotzdem waren sie für IHN an erster Stelle. Das wurmte Gabriel. Schon seit Ewigkeiten. Hattest du das damals, bevor du hier runter gekommen bist, nicht gemerkt?“ „Klar. Ich hatte schon bemerkt, dass er unzufrieden war. Das hatten doch alle. Aber ich wusste nicht warum.“

Eli’el machte jetzt wieder einen Schritt ins Wasser. „Das wusste keiner. Das Warum kam erst sehr viel später heraus. Er arrangierte sich mit der Situation, aber er mochte sie nicht. Jetzt hat er offenbar genug. Vor kurzem stolzierte er vor den Thron und stellte IHM ein Ultimatum. IHM. Entweder die Engel, oder die Menschen. Eine falsche Entscheidung würde ER bereuen.“ Asaziel riss die Augen auf. „Oh, ja.“, sagte sie wissend. „Natürlich hatte ER gesagt, dass er die Menschen niemals an die zweite Stelle setzen konnte. Gabriel zog daraufhin sein Schwert, warf es IHM vor die Füße und ging. Das hättest du sehen sollen.“ Im gleichen Augenblick wurde ihr bewusst, was sie da gesagt hatte. „Oh, entschuldige.“ Asaziel zog eine Zigarette aus der Innentasche seiner Jacke und steckte sie sich in den Mund. Als er daran zog, glimmte sie. „Ja.“, sagte er nur. „Naja, jedenfalls hat ihn seitdem niemand mehr gesehen.“ „Weder dort oben, noch bei uns.“, warf Azrael ein.

„Na super. Und was hat das alles jetzt mit mir zu tun?“ Azrael hievte sich aus dem Sand hoch und klopfte sich den Sand ab. „Ach komm. Selbst du kannst nicht so eine lange Leitung haben. Muss ich das jetzt wirklich erläutern?“ Asaziel rollte mit den Augen. „Na gut, du wolltest es ja so. Du bist der einzige Engel, der andere Engel UND Dämonen töten kann. Also endgültig vernichten kann. Wir können das nicht.“ „Stimmt. Wenn ich Azrael jetzt erschlagen würde, würde er sich kurz danach wieder vollständig erholen.“, warf Eli’el ein. „Na danke.“ Sie grinste dem Dämon kurz zu. „Wartet, wartet, wartet. Ihr wollt also allen Ernstes, dass ich den Erzengel Gabriel vernichte?“ „Hallelujah, er hat’s begriffen.“ Eli‘el warf Azrael einen bösen Blick zu. Dann wandte sie sich wieder an Asaziel. „Er ist kein Erzengel mehr.“ „Du weißt, was ich meine.“, fuhr er sie an. Asaziel begann hin und her zu gehen. Er fühlte sich bei dem Gedanken nicht wohl. „Hey Mann. Wo ist das Problem? Du wolltest doch eine Chance, wieder heimzukommen. Hier hast du sie. Quasi auf einem Silbertablett.“ „Wo das Problem ist. Stell dir vor, jemand würde von dir verlangen, Luzifer zu töten, weil er Kirchenlieder singt.“ „Luzifer singt Kirchenlieder. Er verändert nur die Texte etwas.“ Asaziel blieb stehen und blickte Azrael genervt an, der abwehrend die Hände hob. „Schon gut, schon gut. Ich verstehe deinen Standpunkt.“

Der dunkle Engel sah seine helle Schwester an. „Ist das ein Schwur? Ein Versprechen? Ich brauche eine Garantie, dass ich danach nach Hause darf.“ Sie antwortete sanft: „Ich gebe dir mein Wort. ER hat mir sein Wort gegeben, dass du heim darfst, WENN Gabriel getötet wird. Endgültig.“ „Das klingt aber nicht nach ihm.“ „Die Sicherheit der Menschen ist IHM mehr wert, als das Leben eines Engels.“ „Und damit bist du einverstanden?“ „Es ist SEIN Wille.“ Azrael schnaubte.

„Und du? In wie weit betrifft euch das?“ Jetzt stand Azrael auf. „Wenn Gabriel Erfolg hat, dann bleibt von der Erde, wie wir sie kennen nichts übrig. Er würde sie in einen zweiten Himmel verwandeln, mit ihm als Gott. In Wahrheit wäre es aber eine zweite Hölle. Und wir brauchen nicht noch eine.“

Asaziel nickte nachdenklich. Eli’el kam näher. Sie legte ihm eine Hand auf die Wange und sagte: „Ich weiß, du tust das Richtige. Ich vertraue dir.“ Sie küsste ihn auf die andere Wange und ging dann zum Wasser. Sie ging einige Schritte hinein. Weder Azrael noch Asaziel bemerkte groß, dass sie auf dem Wasser ging. Das war für sie sowieso normal. Eli’el spreizte ihre Flügel, als ein Bogen aus Wasser vor ihr erschien. In ihm drin war gleißendes Licht. Ohne sich noch einmal umzusehen, trat sie hinein und verschwand. Im gleichen Augenblick fiel der Wasserbogen wieder in sich zusammen.

Asaziel und Azrael waren allein am Strand. Der Dämon kam näher und fragte den Engel völlig ohne Gehässigkeit. Er zischte: „Sag mal, wie kommst du damit zurecht? Wenn du Menschen tötest, dann kannst du dich damit trösten, dass ihre Seelen weiterleben. Aber Engel habe keine. Wenn sie sterben, dann ist nichts mehr da. Wie hältst du das aus?“ Asaziel sah ihn an. „Ich…ich weiß nicht.“ Azrael nickte. „Woher auch? Du hast noch nie einen deiner eigenen Art getötet, nicht wahr? Du hast das Potential, hast es aber nie ausgenutzt. Wenn du ihn tötest, dann beendest du eine Existenz. Für immer. Denk darüber nach.“ Azrael drehte sich um und ging in Richtung Landesinnere. Dann blieb er noch einmal stehen und blickte über die Schulter. „Du bist kurz davor einen Engel zu vernichten. Was unterscheidet dich so sehr von uns?“ Mit diesen Worten versank Azrael im Sand, als ob es Treibsand wäre, nur um einiges schneller.

Asaziel war allein zurückgeblieben. Er nahm die Zigarette aus seinem Mund und dachte über die Worte des Dämons nach. Dann bemerkte er, dass der Glimmstängel ausgegangen war. „Fuck.“, bemerkte er trocken, was sich sowohl auf seine Zigarette, als auch auf Azraels Bemerkung bezog. Er schnipste den Rest fort und blickte zu Boden. Asaziel dachte ernsthaft darüber nach, was er tun sollte. Dann entschied er, dass er Gabriel erst mal finden und stellen sollte. Daran führte kein Weg vorbei. Was er dann tun würde, würde er kurzfristig entscheiden.

Er entfaltete seine schwarzen Flügel und tatsächlich sah es sehr beeindruckend aus, auch wenn er wieder ein paar Federn verlor. Er sprang nach oben, schlug einem mit den Flügeln und erhob sich majestätisch in die Lüfte.

Die Sonne schien völlig ungehindert vom Himmel. Keine einzige Wolke stand am Himmel, der genau so blau war, wie das kristallklare Wasser unter ihm. Seichte Wellen rollten sanft an den elfenbeinweißen Sandstrand. Alles war so unscheinbar. Alles war wieder ruhig.

Todestreffen

New York City. Wohl die berühmteste Stadt der Welt. Selbst im hintersten Winkel der arabischen Wüste fangen Nomaden in ihren Jurtas an zu schunkeln, wenn jemand die ersten Takte von Frank Sinatras großen Hit summt. Schon Franky hatte sie richtig bezeichnet. The City, that never sleeps. Die Stadt, die niemals schläft. Auch wenn sie ein Nickerchen verdammt nötig gehabt hätte. Das jedenfalls war Gabriels Meinung. Er stolperte durch die Nacht, da er nicht einmal wusste, wo er hin sollte. Der ehemalige Erzengel war von dem gewaltigen Dreckloch, das die Affen Metropole nannten, angewidert. Es stank, war laut und der unablässige, strömende Regen half auch nicht dabei, seine Laune zu bessern. Die Dunkelheit tauchte die Stadt in einen Grünstich. Gabriel hatte seinen Kopf eingezogen und lief geduckt durch das nasse Wetter. Er bog in eine Seitenstraße neben einer Kirche ein und hoffte, dort einen Unterschlupf zu finden.

Er ging mehrere Schritte hinein und blickte zur Kirche hinauf. Der Kirchturm lag bedrohlich im Dunkeln und das Wasser strömte durch die Mäuler der Wasserspeier, die Gabriel auszulachen schienen. Ein Blitz zuckte hinter dem Turm lang, als ob Gott persönlich dem gefallenen Engel eine Warnung zukommen lassen wollte.

Missmutig zog er den Kopf wieder ein und trottete weiter. Der alte Mantel hielt den Regen nur dürftig ab und er war bereits völlig durchnässt. „Du hast dich gehen lassen.“

Gabriel blieb stehen. Er wagte es nicht, sich zu rühren, in der Hoffnung, dass die Stimme nicht wieder kam. Ein Zigarettenstummel flog an Gabriels Gesicht vorbei und erlosch in einer Pfütze. „Ich sehe dich übrigens immer noch.“

Gabriel schloss kurz resigniert die Augen und drehte sich halb um. Da stand niemand. Dann fiel ihm auf, dass die Kippe von oben kam und er blickte die Mauer hinauf. Wieder zuckte ein Blitz und unterstrich den Anblick auf dramatische Weise. Oben auf dem Rand hockte Asaziel wie ein Vogel mit angewinkelten Beinen. Seine Flügel waren ausgebreitet und gaben ihm einen gewissen Regenschutz. Er sah Gabriel mit kalten, blauen Augen an, die den Gefallenen selbst in der Dunkelheit noch durchdrangen.

Der Todesengel sprang von der Mauer. Gabriel stolperte zwei Schritte zurück, ohne den Blick von seinem ehemaligen Waffengefährten zu nehmen. Er wollte laufen, konnte sich aber nicht rühren. Asaziel zog einen Zahnstocher aus der Innentasche seines Mantels und begann, darauf herumzukauen. Langsam umkreiste er Gabriel und sah ihn abschätzend von oben bis unten an. „Sieh dich nur an.“ Seine Stimme war kalt und abwertend. Asaziel hatte keinerlei Respekt mehr für Gabriel übrig. Beiden „Männern“ klebten die Haare am Kopf und ihre Kleidung triefte.

„Was ist nur aus dir geworden? Du warst der strahlende Heerführer der himmlischen Heerscharen. Und jetzt? Jetzt kannst du nicht mal ein Rudel Ratten führen. Nicht, dass du es versucht hättest. Nein, du hast versucht, eine Armee gegen den Thron aufzustellen. Den Thron! Das, was du Millenia zuvor beschützt und dem du gedient hast.“ Der Todesengel schüttelte den Kopf. „Dein Charisma ermöglichte es dir, dass dir die Armee gegen ihre eigenen Brüder in den Kampf folgte. Jetzt folgt dir kein Einziger mehr.“

Gabriel wollte verächtlich lachen, aber mehr als ein Schnaufen kam dabei nicht heraus. Zu seiner eigenen Überraschung musste er feststellen, dass er tatsächlich Angst hatte. Er wusste um Asaziels Gabe und er konnte sich sehr wohl denken, warum er ihn aufgesucht hatte. „Wie hast du mich gefunden? Ich hatte mich verdeckt.“ Asaziel grinste hämisch und schob mit der Zunge den Zahnstocher von einer Seite auf die Andere. „Oh bitte. Hast du ernsthaft geglaubt, dass das noch funktioniert? Neetor, Kragamore und Ulyamoth konnten sich besser verstecken, als du jetzt und die waren nur halbe Engel.“ „Neetor lebt doch noch.“ „Reiz mich nicht. Du steckst so schon tief genug in der Scheiße.“ Gabriel atmete tief durch. „Himmel Herr Gott nochmal. Was genau willst du? Mich töten?“ „Nein.“ Gabriel entspannte sich. „Aber ich muss.“ Sofort verspannte er sich wieder. „Was soll das heißen, du musst?“ „Seit dreitausend Jahren versuche ich, wieder nach Hause zu kommen. Und kurz bevor ich es schaffe, versaut ER mir alles. Aber ich bekam eine zweite Chance. Naja, eher eine Möglichkeit. Ich soll dich töten, dafür garantieren mir meine Auftraggeber die Rückkehr in den Himmel.“ „Du bist ein Auftragskiller.“ „Versuch nicht, an mein Gewissen zu appellieren, das geht nicht. Ein Auftragskiller war ich doch schon immer.“ Obwohl Gabriel sich nicht vom Fleck rührte, folgte sein Blick dem Engel mit den schwarzen Flügeln. Der wiederum betrachtete Gabriels Flügel interessiert. Sie waren grundsätzlich schneeweiß, aber durch seine Flucht sind sie sehr verdreckt worden. „Wer hat dich geschickt? Ich meine, wer genau? Wer sind deine Auftraggeber?“ „Ich habe dich schon beim ersten Mal verstanden. Ich glaube kaum, dass es schaden kann dir davon zu erzählen. Je länger ich rede, desto länger überlebst du, nicht wahr?“ Asaziel lachte hämisch.

„Ich wurde von Eli’el in SEINEM Auftrag geschickt.“ Gabriel rollte mit den Augen und formte mit dem Mund das Wort „Schlampe“. „Sie war aber nicht alleine. Azrael hat mich in Luzifers Namen beauftragt.“

Jetzt verließ Gabriel der Mut. Er würde auf keiner Seite Zuflucht finden können. Er ließ die Schultern hängen. „Was? Beide Seiten?“ „Tja, Shit happens. Du hast da wohl den falschen Leuten ans Bein gepisst.“ „Und jetzt?“, fragte der Gefallene. „Jetzt? Jetzt bin ich fertig und mach dich fertig.“

Asaziel stand hinter Gabriel. Letzterer hatte Angst. Das erste Mal in seiner Existenz hatte er Angst um sein Leben und das ermöglichte ihm etwas, was er nicht gedacht hatte. Er konnte laufen. Gabriel rannte um sein Leben die enge Gasse entlang, zurück zur Hauptstraße. Fast war er da. Beinahe. Wenn er es bis zur Straße zu den Sterblichen schaffte, dann wäre er in der Lage, dem Todesengel zu entkommen. Und wenn es nur für eine Weile ist. Er wäre ja geflogen, aber seine Flügel versagten seit einer Weile ihren Dienst. Nur wenige Meter von der Straße entfernt stieg er trotzdem in die Luft. Hoffnung stieg in ihm auf. Endlich flog der Erzengel Gabriel wieder und er würde dem Engel des Todes entkommen. „Das glaubst du doch nicht wirklich?“, erklang die eisige Stimme über ihm und ihm gleichen Augenblick ließ Asaziel ihn mitten auf die Fahrbahn fallen.

Gabriel knallte hart auf dem nassen Asphalt auf und Asaziel landete mit weitem Flügelschlag vor ihm. Er lachte. „Du hättest dein Gesicht sehen sollen.“ Gabriel war beschämt. Keiner der Engel hatte bemerkt, dass die Passanten stehen geblieben waren. Auch die Autos hatten gestoppt und die Fahrer waren neugierig ausgestiegen. Die Menschen konnten die Engel als das erkennen, was sie wirklich waren. Asaziel kümmerte es nicht. Er hob leicht die Hand und etwas schimmerte in ihr. Ein Schwert, komplett in Feuer gehüllt, erschien und er schloss seine Faust um den Griff. Gabriel wich zurück und stand schnell auf. Er sah nur eine Möglichkeit zu entkommen. Er würde kämpfen müssen. Was ihn dabei wirklich ängstigte war, dass er keine Möglichkeit hatte, seinen Feind endgültig zu töten. Er würde sich immer nur Zeit erkaufen können. Sollte Asaziel gewinnen, würde er aufhören zu existieren. Dieser Gedanke war Motivation genug. Auch Gabriel ließ ein Flammenschwert erscheinen.

„Ich gebe nicht so leicht auf. Ich habe Angst, ja, aber das hindert mich nicht daran zu kämpfen.“

Nein, dachte Asaziel. Das macht ihn nur noch gefährlicher. Allerdings bemerkte er, dass die Flammen an Gabriels Schwert längst nicht so stark waren, wie an seinem. Ein Engel bezieht eine Menge Energie aus der Beziehung zum Schöpfer und Gabriel hatte sie getrennt, als er IHM seinen Rücken zukehrte. Das war auch der Grund, weshalb der Loyalen damals den ersten Krieg gewonnen hatten. Die Rebellen unter Luzifer hatten einen großen Teil ihrer Macht eingebüßt. Seit sie jedoch in der Hölle weilen, hatten sie eine andere Form der Macht entdeckt und ihre Kraft gleicht wieder denen der Engel. Gabriel hingegen war ein gefallener Engel. Er konnte auf keine der Mächte zugreifen. Er war schwach und das nutzte Asaziel aus.

Der Todesengel ging zum Angriff über und Gabriel wehrte den Schlag mit seinem Schwert ab. Es donnerte und ein Blitz schlug in die Klingen ein. Das war nur ein Testschlag. Asaziel war ein exzellenter Kämpfer, aber auch Gabriel hatte nichts verlernt. Die Schläge kamen jetzt schneller und härter. Beide Engel griffen abwechselnd an und wehrten gekonnt ab. Mit jedem aufeinandertreffen der brennenden Klingen donnerte es und Blitze zuckten über den Himmel. Die Menschen waren vor Furcht und Faszination wie gelähmt, als sie beobachteten, wie zwei göttliche Wesen einander bekämpften. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich eine Veränderung abzeichnete.

Gabriel wurde müde. Seine Paraden wurden schlampiger und seine Bewegungen träger. Asaziel jedoch wirkte noch immer so frisch, wie am Anfang. Schließlich machte der Erzengel einen Fehler und Asaziel konnte ihm das Schwert aus der Hand schlagen. Es schlitterte über den Teer und kam zu Füßen eines Menschen zum Stillstand. Sofort löste es sich in Luft auf. Gabriel hockte auf dem Boden und atmete schwer. Er hob die Hand. „Genug.“, keuchte er. „Ich kann nicht mehr. Beende es. Es hat doch keinen Sinn. Ich kann ja sowieso nirgendwo mehr hin.“

Asaziel hatte das Schwert noch erhoben. „Du hast recht. Seit langem mal wieder. Du kannst nirgendwo hin. Aber leider ist es nicht ganz so einfach.“ Mit einem schnellen, aber kräftigen Hieb schlug er zu. Ein markerschütternder Schrei füllte die Luft und viele Menschen drehten die Köpfe fort. Gabriel brüllte vor Schmerzen in den Himmel. Der Regen wusch dabei über sein Gesicht und Asaziel wich einen Schritt zurück. Als Gabriel noch vorne viel und auf allen vieren hockte, sah er seinen linken Flügel an einem Ende schwelend auf dem Boden liegen. Der Schmerz war nur zu real und er spürte das Brennen an seinem Rücken immer noch. Kein Blut war zu sehen. Die Wunde war sofort kauterisiert, von der Hitze verschlossen. Gabriel spürte die Schlagseite, als er auf dem Boden kniete.

Asaziel trat einen Schritt zurück und als sein Gegner ihn von unten herauf ansah, ließ er das Schwert ein weiteres Mal auf ihn niedergehen. Ein weiteres Mal schrie Gabriel vor unsagbaren Schmerzen auf. Vielen der Menschen traten Tränen in die Augen, einige begannen offen zu weinen. Der dunkle Engel trat wieder zurück und betrachtete sein Werk. Gabriel kniete wimmernd vor ihm auf dem Boden. Tränen rannen über das Gesicht des Engels. An seinem Rücken befanden sich nur noch Stümpfe, die leicht schwelten, der linke etwas weniger.

Der dunkle Engel bemerkte etwas im Augenwinkel. Dort, zwischen den Menschen, stand Eli’el mit einem weißen Regenschirm und beobachtete das Ereignis. Auch sie hatte Tränen im Gesicht. Sie litt doppelt. Einmal für den Schmerz, den Gabriel erdulden musste und einmal dafür, dass ein Engel in der Lage war, soviel Schmerz auszuteilen. Sie kam langsam auf die Beiden zu.

Asaziel zog eine Zigarette aus der Tasche, steckte sie in dem Mund und zündete sie mit dem Feuerschwert an. Zufrieden weitete er seine schwarzen Flügel aus und legte sie dann wieder an. Gabriel hatte einen seiner Flügel aufgehoben und presste ihn an sich, wie eine Mutter ihr Kind.

Er sah Eli’el an. „Bitte.“, flehte er schluchzend. „Bitte, ich habe verstanden. Ich habe meine Lektion gelernt.“ „Ich weiß, Gabriel.“, weinte sie. „Aber du hast IHN enttäuscht. So wahnsinnig enttäuscht, dass ER die Entscheidung nicht mehr zurücknehmen kann, selbst wenn ER wollte.“ „Aber Luzifer wurde nur verbannt!“ „Luzifer war ein Präzedenzfall.“, mischte Asaziel sich ein. Er zog an der Zigarette und blies den Rauch wieder aus.

Eli’el stimmte ihm zu. „Es stimmt. Vor Luzifer ist sowas nie passiert. Aber du…du hättest wissen müssen, dass man sich nicht gegen den Thron stellt. Oh, Gabriel, das alles nur wegen der Menschen? Ich…ich…“ Sie konnte kein weiteres Wort mehr sagen, so überwältigt war sie von ihrer Trauer. Sie hielt sich eine Hand vor den Mund und wandte sich ab. Gabriel war von ihren weißen Flügeln fast geblendet. Sie schienen von innen heraus zu strahlen. Dann fiel Asaziel in seinen Blickwinkel, der sich langsam näherte und sich zu ihm hinunter kniete. Asaziel kam näher, ganz nah mit dem Gesicht an Gabriels Ohr. Dann flüsterte er leise, aber für ihn gut hörbar: „Sag ‚Ah‘…Dämon.“

Im gleichen Augenblick entwich Gabriel tatsächlich ein gepresstes „Ah.“, als sich Asaziels Schwert durch seinen Brustkorb bohrte. Aber da war kein Feuer, keine Hitze. Nur der kalte, nasse Stahl. Asaziel hatte das Feuer gelöscht, damit sich die Wunde nicht zu schnell schloss. Und da ging es Gabriel auf. Deswegen hatte der Todesengel ihm die Flügel abgetrennt. Gabriel war kein Erzengel mehr, sondern nur noch ein Gefallener. Und wenn ein Gefallener seine Flügel verliert, wird er ein Dämon. Asaziel hatte dadurch keinen Engel getötet und konnte so gar nicht in göttliche Ungnade fallen. Eine Erkenntnis, die dem sterbenden Engel nichts mehr nutzte.

Er spürte etwas, dass er noch nie zuvor gespürt hatte. Wahrscheinlich war er der erste Engel, der dieses Gefühl jemals erlebt hatte. Eine zweifelhafte Ehre. Gabriel spürte eine klamme Kälte, die von seiner Brust ausging. Es war der nahende Tod. Asaziel wich zurück, zog dabei sein Schwert aus dem Körper des Sterbenden und stand auf. Er entfernte sich ein paar Schritte, bevor er sich wieder zu Gabriel umdrehte. Dieser atmete schwer und kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Es war der aussichtslose Kampf eines Mannes, der zweifellos sterben wird, aber es trotzdem zu verhindern versucht. Er blickte zur Seite zu Eli’el. Sabber und Blut liefen aus seinem Mund, da er versuchte, soviel Luft wie möglich in seine beschädigten Lungen zu pressen und wieder herauszulassen.

Eli’els Schultern bebten. Sie weinte sich die Augen aus. Sie konnte ihn zwar nicht sehen, aber sie konnte sein schmerzerfülltes Keuchen hören.

Dann spürte er Asaziels Hand an seinem Kinn. Er zwang Gabriel ihn anzusehen. „Du hättest noch mehr verdient, das weißt du, oder?“ Gabriel brachte noch ein leichtes Nicken zustande. Asaziel ließ ihn los und nickte auch. Gabriel richtete sich kniend noch einmal auf und Asaziel drehte sich um seine eigene Achse und ließ das Schwert durch den Hals des Todgeweihten fahren. Es schien, als ob kein Widerstand es aufhielt. Alle Menschen drehten sich voller Schrecken ab.

Im gleichen Augenblick, in dem Gabriels Kopf seinen Körper verließ, erstrahlte er in gleißendem Licht, dass sich mehr und mehr in eine Flamme verwandelte, die den leuchtenden Körper umschlang und schließlich komplett verbrannte. Am Ende waren von dem Erzengel Gabriel nur noch ein paar kleine Flammen auf der Straße übrig, die schnell vom Regen gelöscht wurden.
 

Asaziel blickte auf das Schwert in seiner Hand und auf seinen geistigen Befehl hin entflammte es wieder und verschwand in den Flammen. Er inhalierte tief den Rauch. Eli’el wagte es nicht, sich umzudrehen. Sie sagte nur: „Du hast deinen Auftrag erfüllt.“ „Jep. Aber auch wenn es so aussah, glaub nicht, dass es mir Spaß gemacht hat. Es war ein Deal. Ich habe meinen Teil der Vereinbarung eingehalten. Und jetzt bist du dran.“ Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und blickte ihn jetzt mit verweinten Augen an. Nur ein paar Meter vor ihr erschien ein gleißender Lichtstrahl, der durch die Wolkendecke brach, als ob die Sonne selber sie beiseiteschob. Menschen egal welcher Religion oder Ethnik fielen bei diesem Anblick auf die Knie. Selbst dem Todesengel stand der Mund offen, allerdings schaffte er es tatsächlich dabei, den Glimmstängel nicht zu verlieren. Der Regen stoppte langsam.

Er setzte sich in Bewegung, fürchtend, dass man ihm in letzter Sekunde wieder die Tür vor der Nase zuschlagen würde. Er ging an Eli’el vorbei. „Das war keine Heldentat.“, sagte sie. „Das war mein Job.“, antwortete er knapp. Dann, gerade als er in den Strahl treten wollte, rief Eli’el: „HALT!“

Er zögerte und drehte sich um. „Was?“, fragte er, entschlossen sich diesmal nicht aufhalten zu lassen. Eli’el blickte ihn scharf an. Eher gesagt, sah sie seinen Mund an. Asaziel runzelte die Stirn, bis ihm aufging, was sie meinte. Er nahm die Zigarette aus dem Mund und hielt sie auf Augenhöhe. Sie hob die Augenbrauen. Der Todesengel ließ die Schultern hängen. „Ah, Fuck.“ Er ließ die Zigarette fallen. Seine Schwester nickte mit einem leichten, aber freudlosem Lächeln. Er drehte sich um und betrachtete die Tür nach Hause für einen Augenblick. Und dann endlich... trat er ins Licht.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Toybox
2012-06-07T08:56:22+00:00 07.06.2012 10:56
Hi,

schöne Geschichte muss ich schon sagen. Deine Beschreibungen von der Umgebung sind sehr schön auch wenn sie manchmal etwas schlecht formuliert sind. Bei den Teil wo Asaziel keinen Respekt mehr vor Gabriel hatte weil Beiden Männern die Haare am Kopf klebten. Das hätte man ihn meiner Meinung etwas schöner formulieren können.

Was mir auch aufgefallen ist, du hast einen Reserchefehler in deiner Geschichte. Einen ganz großen sogar. Es war nicht Gabriel der den Krieg gegen die dunklen Mächte angeführt hat, sondern der Erzengel Michael und die korrekte Bezeichnung für Azrael ist auch gefallener Engel und nicht Dämon. Zumindestens steht es überall da wo ich auch für mein eigenes Projekt mich informiert habe. Azrael ist übrigens auch einer der Todesengel.

Nichts desto trotz habe ich diese drei, leider sehr kurzen Teile sehr gerne gelesen ^^

Grüße,
Toy


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