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The wrong one?

Wer kann das schon sagen?
von

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Verdattert hielt Johnny inne. "Oh", sagte er leise, "Das wollte ich nicht. Entschuldige." Und schon war das Shirt wieder angezogen und er setzte sich ordentlich hin. "Soll ich aufhören?", fragte der Schotte zögerlich. Robert wog seine Worte sorgfältig ab, er konnte nicht entscheiden, ob er noch mehr hören wollte - für heute schwirrte ihm schon der Kopf.

"Vielleicht eher...nach ein bisschen Zeit. Ich...krieg das noch nicht ganz zusammen. Ich will's ja wissen, das ist es nicht. Ich weiß nur nicht...wie ich..." Er brach ab, als ihm die Worte ausgingen. Wie sollte er sich nur ausdrücken? Er hatte keine Ahnung mehr, wie er sich verhalten sollte. Ob Johnny beleidigt oder sogar verletzt wäre, wenn er sich jetzt zurückzog. Man merkte einfach, dass dem Schotten wichtig war, es seinem Freund so gut wie möglich zu erklären, dass er es endlich loswerden wollte. Dennoch...Robert fühlte sich überfordert.
 

"Du reagierst genau, wie meine Familie. Meine Tante und mein Onkel haben ähnlich reagiert." Sollte ihn dieser Satz beruhigen? Er verscränkte die Arme vor der Brust und seufzte schwer. "Das heißt...du wärst nicht sauer, wenn ich jetzt erst einmal nachdenken will?" Johnny zuckte mit den Schultern. "Ich hab's erwartet." Diese Aussage lies den Deutschen stutzen. Als sich ein Gedanke in seinen Kopf schlich, schoss er hoch: "Das heißt nicht, dass ich Schluss mache, oder so! Ich will nur-"

"Schon kapiert", unterbrach sein Freund und lächelte neckend, "Denkst du, mir wäre jetzt mein Hirn abhanden gekommen? Ich weiß doch, wie du tickst. Wenn du mich abservieren wolltest, würdest du es direkt sagen.

Aber wehe dir, wenn du jetzt anfängst, unsicher um mich rumzuschleichen!" Halb beruhigt lies sich Robert wieder zurücksinken. Er knetet die Hände in seinem Schoß und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. "Das sagst du so leicht." Johnny lachte ihn tatsächlich aus. Wahrscheinlich spielte da die Erleichterung hinein, endlich nichts mehr verbergen zu müssen.
 

Er blieb exakt eine Stunde. Das stellte Robert fest, als er einen Blick auf die Uhr warf, nachdem Johnny das Haus verlassen hatte. Sie hatten sich unsicher an der Tür voneinander verabschiedet. "Seh dich morgen in der Schule?" Durch den Tonfall war der Satz des Rotschopfs zu einer Frage geworden. Er hatte genickt. "Seh dich morgen." Und dann war die Tür zugefallen und er hatte sich umgedreht und seine Eltern im Wohnzimmer sitzen sehen. Scheinbar hatten sie dort auf ihn gewartet.

"Und?", fragte sein Vater, als er den Raum betrat, "Was habt ihr so gemacht? Alles im Lot?" Robert zuckte mit den Schultern, während seine Gedanken sich gegenseitig jagten. "Hauptsächlich gezockt." Das stimmte sogar, denn nach einer peinlichen Stille hatte Johnny vorgeschlagen, einfach noch ein bisschen zu spielen, um an nichts mehr denken zu müssen. Robert hatte darin eine Chance gesehen, zu einem normalen Umgang mit seinem Freund zurück zu finden und er hatte zugestimmt. Im Nachhinein ärgerte es ihn noch nicht einmal, dass der Schotte ihn in den Fahrspiel in einem Parcours sogar zweimal überrundet hatte.

Was zählte war, dass sie sich wieder angenähert hatten. Dass sie wieder wussten, miteinander umzugehen. Zumindest, während sie spielten.
 

"Danach klang es auch. Musstet ihr die Anlage so hochdrehen, dass wir hier unten die Musik noch hören?" Mit leisem Ärger blickte seine Mutter ihn an. Jeder wusste, dass Johnny es gern hatte, wenn ihm die Musik des Spiels fast schon um die Ohren flog. Dann konnte er angeblich am besten im Spiel versinken. Schon öfters hatte Robert angemerkt, dass er sein Gehör gerne noch länger behalten wolle und es demnach nicht mochte, wenn es so laut zuging. Bisher hatte es immer Streit um diesen Punkt gegeben - heute hatte er ihn einfach gewähren lassen.

"War nicht meine Idee", murrte er leise und wich dem Blick aus. Seine Mutter wusste schon immer, wie sie ihm ein schlechtes Gewissen machen konnte. Dann allerdings waren die Nachrichten beendet und sein Vater wollte sich aus dem Sessel erheben. Da platzte er einfach mit seiner Frage heraus: "Wusstet ihr, dass Johnny transgender ist?"
 

Die Augen seiner Mutter wurden geringfügig größer, sein Vater fror regelrecht mitten in der Bewegung ein. "Wusstet ihr es?", hakte er noch einmal nach. "Uhm", stotterte seine Mutter, "Du etwa nicht?" Dieser Satz fühlte sich an, als habe sie ihm einen Klaps gegeben, wie früher, wenn er das Offensichtliche übersah. Robert wusste, dass es nicht sarkastisch gemeint war, dennoch färbte ein zynischer Ton seine Antwort: "offensichtlich nicht. Würde ich sonst fragen?!" Er holte tief Luft, als er den missbilligenden Blick seines Vaters sah.

"Entschuldigung", murmelte er und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, "So war das nicht gemeint. Ich bin nur...hab ich es als Einziger nicht bemerkt?"

"Robert", begann seine Mutter leise, liebevoll, "Du hast dich nicht verhalten, als wüsstest du nichts. Wir dachten, du würdest Johnny so akzeptieren, wie er nun einmal ist."

"Das tue ich doch auch!", begehrte er auf, wurde aber sofort wieder ruhig und biss sich auf die Lippen. Sein Vater schnaubte leise. "Na, das werden wir wohl erst noch sehen. Jedenfalls ist es kein Grund, in diesem Ton mit uns zu reden, mein Junge!" Er zog den Kopf ein und murrte eine weitere Entschuldigung. Manchmal ritt sein Erzeuger aber auch auf Dingen herum, die im Moment nicht wichtig waren. "Du hast es heute erst erfahren?" Er nickte. Christopher Jürgens stöhnte schwer. "Deswegen war der Junge so neben der Spur!"

Er konnte sich nicht helfen, aber irgendwie fühlte Robert sich, als habe er seinen Vater verärgert. "Was soll ich jetzt tun?", fragte er hilflos. Verwiirte Gesichter. "Na, das musst du selbst mit dir allein klären. Wir können dir da nicht helfen", erklärte sein Vater ruhig und schüttelte den Kopf. Robert stand auf und bemühte sich um einen sachlichen Tonfall. Das misslang leider zum Teil: "Na, dann. Danke für die Hilfe." Oder auch nicht, dachte er und verschwand in sein Zimmer, den Kopf voller Grübeleien.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  KradNibeid
2016-06-17T17:23:11+00:00 17.06.2016 19:23
...irgendwie sind mir Roberts Eltern hier gerade sehr unsympathisch. D: Ich meine, wenn mein Sohn verwirrt zu mir kommt, weil sein Freund sich auf einmal als Transgender herausstellt, dann sollte man doch zumindest ein paar aufmunternde Worte übrig haben, und ihn nicht nur anmachen, weil er einen schärferen Tonfall anschlägt. D:

Aber immerhin schön, dass Robert und Johnny nach wie vor irgendwie aneinenader hängen und miteinander können. Mal sehen was das wird.
Antwort von:  Marron
20.06.2016 15:43
Und zum zweiten: Dankeschön!
....das ist von meinem Eltern abgeleitet. -.-
Ich habe natürlich keine solche Situation gehabt, wie Robert hier, aber manchmal hätte ich mir auch gewünscht, dass ich ETWAS mehr Hilfe kriege, anstatt nur darauf hingewiesen zu werden, dass ich nen anderen Tonfall draufhabe. Und manchmal steckt man (auch als Elternteil) eben in Schemata fest, die nicht so einfach aufzubrechen sind. Seine Eltern kommen noch dazu, ihm zu helfen, ganz so fies sind sie nicht.

Tja, die ruhigen Zeiten sind jetzt wohl bald vorbei. Es wird aber nicht so schnell gehen, wie man vielleicht denkt.


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