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Allison

Das Erbe des Wolfes
von

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Die kleine Meerjungfrau

Es war warm. Und sonnig. Keine einzige Wolke bedeckte den Himmel. Die Luft war erfüllt von dem üblichem Strassenlärm Roms und von den lautstarken Auseinandersetzungen von Menschen, an denen wir vorbeiliefen. Touristen, die Rom besuchten, um sich die alten Bauten anzusehen. Einschließlich des Vatikans. Mamas Zuhause. Oft hatte sie davon erzählt, wie sie dort aufgewachsen war, als man sie vor den Toren, als Säugling ausgesetzt, gefunden hatte. Mehr jedoch erzählte sie davon nicht und überließ mich so meiner eigenen Fantasie. Mehr als einmal haben wir die alten herrlischen Hallen besucht und uns die alten Geschichten angehört. Ich konnte davon nie genug bekommen. Da diese Hallen einst meine Mama bewohnt hatte.

Auch an diesem Tag, hatten wir einen ausgedehnten Besuch am Vatikan unternommen. Uns dann in ein Eiscafe gesetzt und kaltes, süßes Eis gegessen. Danach sind wir an den Fontana di Trevi gegangen, um uns dann was zuwünschen. Mama warf ein Münzstück hinein. Ebenso wie ich und wir beide wünschen uns was.

„Und was hast du dir gewünscht, Allison?“, fragte sie mich, während wir sahen, wie das Wasser von den Fontänen zitterte. Unsere Münzen lagen auf dem Grund. Eine große, die meine Mama geworfen hatte und eine kleine, die meine war. Damals wusste ich nicht, dass man seine Wünsche nicht laut ausprechen durfte, sonst gehen sie nicht in Erfüllung. Und ich wusste auch nicht, was ich mir geanau gewünscht hatte. Aber ich erinnere mich noch genau an die Worte. „Ich habe mir gewünscht, dass ich genauso, wie du werde, Mama!“

Damit hatte ich eigentlich ihre Stärke, Schönheit und ihr helles Köpfchen gemeint. Nicht aber, dass, was sie wirklich in sich hatte. Und ironischer weisse, war mein Traum doch noch in Erfüllung gegangen. Obwohl ich es laut ausgesprochen habe.

Ich habe mir gewünscht, dass ich genauso, wie du werde, Mama!

Ich habe mir gewünscht, dass ich genauso, wie du werde, Mama!

Immer wieder hörte ich diesen einen verhängnissvollen Satz, bis ich die Augen aufmachte. Statt in Rom, war ich in London, in einem Zimmer, dass mit Freunde meiner Mutter zur Verfügung gestellt hatten. Weiter wollte ich nicht nachdenken, da ich zum einen viel zu müde war, um mich überhaupt an das was gewesen war zu erinnern und zum anderen, weil ich nicht wieder den bitteren Geschmack von Galle in meinem Mund haben wollte. Doch die Jagd und der Kampf mit dem Penangallan blieben mir dennoch gut vor Augen und ich sah es wieder vor mir. Wie es grinste und seine Zunge aus dem Mund kroch. Wie eine Schlange, die gleich zuschlagen wollte und hörte die Worte noch immer, als seien sie ebengesprochen worden.

„Stirb wohl, kleine Allison!“

Ein kalter Schauer rann mir über den Rücken. Dieses Ding wusste, wie ich heisse. Ebenso wie der Parasit, der meine Freundin auf dem Gewissen hatte. Konnte das alles Zufall sein?

Oder hatte wirklich meine Mutter solche mächtigen Feinde, die wussten, dass ich ihre Tochter war und es nun auf mich abgesehen hatten?

Minutenlang saß ich in meinem Bett, in diesen düsteren Gedanken verankert. Wenn dem so wäre, überlegte ich bei der zweiten Möglichkeit und diese nahm immer mehr grauenhafte Gewissheit an, und ich würde nun auf die schwarze Liste der Dämonen stehen, würde mir noch einiges bevorstehen. Ich seufzte schwer und wollte mich ins Bett zurückfallen. Aus einem mir nicht erklärbaren Grund, fühlte ich mich noch müder als vorher und ich hatte den unstillbaren Wunsch, zu schlafen. Am liebsten den ganzen Tag oder auch die ganze Woche.

Doch ein Klopfen verhinderte das und ohne dass ich „Herein“ oder „Ja“ sagte, öffnete sich die Tür und Fay steckte den Kopf durch den Spalt. „Good Morning, Sunshine!“, grüßte sie mich und auch wenn ich wusste, dass sie das nicht böse meinte, hätte ich für diesen Spruch am liebsten ein Kissen an den Kopf geworfen. Sie tat gerade so, als wäre ich nicht dem Tod knapp von der Schippe gesprungen. Aber vermutlich sagte sie das, um mich aufzumuntern. Dabei erinnerte sie mich an Marie. Mein elieb Marie, das Sonnenscheinchen von uns beiden. Die immer versucht hatte, mich zum Lächeln zubringen. Auch wenn mir nicht der Sinn danach standt. Es aber immer wieder und irgendwie schaffte. Ich brachte nur ein zaghaftes Lächeln und müdes „Morgen“ raus.

Fay kam dann rein und auf ihrem einen Arm balancierte sie ein Tablett. Darauf war ein Teller mit Rührei, Speck, gerösteten Zweiebeln, Pfannenkucken, ein Flächschen Aronsirup und ein Glas mit Orangensaft, frisch gepresst muss ich dazusagen, dass konnte ich förmlich riechen und sogleich meldete sich mein Magen. Vergessen war die Übelkeit und der Gallengeschmack in meinem Mund. Mir lief bei dem Geruch und beim Anblick des Frühstücks das Wasser im Munde zusammen. Und um das ganze abzurunden, war das ganze noch von einer schmalen Vase darauf, mit einer herrlichen roten Rose darin, verschönert. Eigentlich hätte ich gesagt, dass das schon zuviel des Guten war. Aber ich freute mich über soviel Liebe und Aufmerksamkeit, dass ich die Hände ausstreckte und Fay das Tablett, was wohl doch etwas schwer war, abzunehmen. Vorsichtig, um nichts von dem guten Essen zuverschütten, setzte ich es auf meinem Schoss ab und begann sogleich daruflos zu futtern. Zuerst verputzt ich das Rührei, dann der Pfannenkuchen, wobei ich ordentlich Sirup drübergoss, sodass er fast schon darunter verschwand. Mein Magen und mein Gaumen jauchzten vor Freude auf, als ich die ersten Bissen zerkaute und runterschluckte. Und ich konnte nicht anders, als zuseufzen und zu kichern. Sogut schmeckte. Besser noch, als ich oder Papa es jemals hinbekommen hätten. Esmeralda war wirklich eine Spitzenköchin. Genauso so gut, wie meine Mama. Und bei diesem Gedanken verkrampfte sich mein Herz. Mit einem Male schien es nicht mehr so gut zu schmecken und ich kaute nur noch mühsam auf meinem Essen herum. Dabei musste ich wohl ein saures Gesicht machen, denn Fay beugte sich zu mir vor und fragte mich besorgt:„ Was ist denn? Schmeckt es dir nicht? Ist dir übel?“

Ich schüttelte den Kopf, griff nach der blütenweissen Serviette und wischte mir den Mund ab. „Doch, es schmeckt. Sehr gut, sogar. Aber…ich musste dabei an meine Mama denken. Sie hat ebenso gut gekocht und ich…!“

Mehr brauchte ich nicht zusagen, denn Fay legte mir die Hand auf die Schultern und lächelte tröstend. „Das kann ich verstehen. Mir ging es genauso. Damals konnte ich genauso wenig einen Bissen hinunterbringen, wenn ich nur an meine Mutter dachte!“, murmelte sie und furschte die Augenbrauen. Hä? Was soll das denn heissen?

Esmeralda lebte doch noch. Sie sah alles andere als tot aus?

Warum sagte Fay das?

Doch noch ehe ich etwas in der Richtung fragen konnte, wechselte sie schon das Thema. „Übrigens: Du solltest Lex erstmal aus dem Weg gehen?“

„Wieso das denn?“

Nun machte Fay ein verlegendes, aber auch amüsiertes Gesicht. „Naja, weißt du nicht mehr. Nachdem du und Erik den Penangallan beseitigt habt, hat er dir auf den Rücken geschlagen und dabei hast du ihm auf die Schuhe gekotzt, wenn ich das mal so direkt sagen darf!“, sagte sie und mir fiel die Gabel aus der Hand. Ohweia!

Stimmt ja! Da war was!

Und ich habe gedacht, ich hätte mir das nur eingebildet. Schlagartig wurde ich rot und zog den Kopf zwischen die Schultern. „Waren die Schuhe teuer?“, fragte ich und hatte die verrückte Idee, dass ich ihm die Schuhe ersetzen würde. Egal was es mich kostet. Fay schien gemerkt zuhaben, was ich mit meinte und platzte nun vor Lachen. „Nein, waren sie nicht. Trotzdem war er etwas angefressen!“, sagte sie und schlug mir aufmunternt auf die Schultern und ich lachte trocken. Klar, wer wäre das nicht. Ich wäre auch ziemlich sauer, wenn mir einer auf die Schuhe reiert. Mochten sie teuer sein oder nicht. Sowas gehörte sich nicht. Nun war ich es, die das Thema wechseln wollte, oder zumindest den Versuch machte. „Wo wart Ihr eigentlich, als sie einfach so aus dem Fenster gesprungen und davon gelaufen seid. Wir, ich und Erik, haben Euch aus den Augen verloren?“, fragte ich. Fay schien erstmal selber nachzudenken, ehe sie antwortete. „Naja, ich und Lex hatten so die leise Ahnung, dass der Penangallan seinen Körper ja irgendwo liegen lassen hatte. Also haben ich und Lex ihn gesucht und gefunden!“

„Und was wann?“

„Naja, nicht weiter großartiges. Lex holte eine Thermokanne raus, in dem Benzin war, übergoss alles mit diesem und zündete den Körper mit einem Streichholz an!“

Und da wurde es mir klar. Der Penangallan hatte geschrien, als würde er Höllenqualen erleiden und ich hatte mich gefragt warum. Fay und Lex hatten den Körper von ihm in Flammenaufgehen lassen. Ich konnte über soviel Raffinesse nur blinzeln. Denn zum einen war der Körper vernischtet und zum anderen hatte so der Penangallan nicht mehr die Chance zu etnwischen. Soviel Köpfchen musste man haben. Von der Geduld, den Körper ausfindig zumachen ganz zuschweigen.

„Wow!“, brachte nur hervor und Fay grinste stolz. „Aber ihr wart auch nicht schlecht. Wie du ihn angezündet hast. Respekt!“

„Naja, das war nicht meine Idee. Erik hat es zu mir gesagt, als er den Dämon im Griff hatte. Ich weiss immernoch nicht, wie ich das einfach so machen konnte. Dabei war ich am Anfang wie vor Angst erstarrt. Dass ich meine Finger überhaupt zu ruhig halten konnte, war wirklich wie ein kleines Wunder. Hätte ich nicht aufgepasst, hätte ich mich selber angezündet!“

„Das lag sicher an dem Adrenalin, dass du in dir hattest. Das sorgt schon dafür, dass man sich ganz anders verhält, wie man es eigentlich von sich kennt!“, erklärte sie und klang dabei, wie meine Biologie-Leherin. Ich musste lächeln. „Wielange habe ich eigentlich geschlafen?“

„Gut zwei Tage!“

„Und dein Vater wollte mich nicht aus den Federn schmeissen, um mich weiter zu drangsalieren?“

„Nein!“, sagte Fay mit einem leisen Lächeln und nicht böse über die Bemerkung. „Selbst er fand, dass du dich ausruhen solltest!“

Ich hob überrascht die Brauen. Sonst immer habe ich gedacht, dass Brian der Letzte wäre, der mir eine Ruhepause gönnte. Aber anscheinend war es in diesem Fall nicht so. „Das heisst aber nicht, dass du nicht denken brauchst, dass du wieder trainieren musst!“, sagte Fay mit einem verschmitzen Grinsen und blinzelte mir zu. Das habe ich auch nicht, doch ich fragte mich, wann und in was ich trainiert werden würde.

Nachdem Frühstück gönnte ich mir eine Dusche. Schälte mich zuerst aus den alten, anch Schweiss stinkenden Klamotten und zog mir einen Morgenmantel über, den mir Fay geliehen hatte. Ich drehte den Knauf der Tür herum und kaum dass ich sie öffnete, kam mir schon Wasserdampf entgegen. Das hätte mich eigentlich stutzig machen sollen, doch meine Freude auf die Dusche war so groß, dass ich dieses Warnzeichen ignorierte.

Als ich die Tür dann hinter mir schloss und den Mantel öffnete, sah ich, dass ich nicht allein war.

Gerne hätte ich Esmeralda, Fay oder gar Brian in der Dusche überrrascht, doch nicht ihn. Lex stand da, mit tropfnassen Haaren und mit einem Handtuch in der Hand. Ich betone hier ganz groß, dass der das Handtuch in der Hand hielt, und es gerade sicherlich vor seine edelsten Teile wickeln wollte, wäre ich nicht reingeplatzt. Doch ich hatte ihn ebenso überrascht, wie er mich und so hielt er mitten in der Bewegung inne. Einen langen unangenehmen Augenblick, sahen wir uns an. Unfähig etwas zusagen oder zutun. Ich merkte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss und es rot, röter als eine Tomate, werden ließ, während ich ihn ansah und meinen Blick nicht von dem abwenden konnte, was einer Nonne ohnmächtig werden ließ. Sein Körper glänzte von dem Wasser, was vorher über seinen Körper geflossen war und der Dunst um uns herum, ließen das ganze mehr als verlockend wirken. In meinem Kopf herrschte nichts als gähnende Leere, während ich ihn so betrachtete. Gott, wie gut er aussah, dachte ich, obwohl das alles andere als passend war. Ich sollte mich eigentlich fragen, was er nun von mir dachte, in diesem Moment. In so einem Fall wäre eigentlich das Logischste gewesen, sich schnell zu entschuldigen, aus dem Badezimmer zustürmen und die Tür hinter sich zu zuknallen. Doch ich konnte mich nicht bewegen, geschweige denn den Blick abwenden oder an irgendwas denken, was ich in so einem Moment machen konnte. Das einzige woran ich denken konnte, war, dass Fay mir den Rat gegeben hatte, Lex erstmal nicht über den Weg zu aufen. Und doch sah ich mich ihm gegenüber. Nackt, wie Gott ihn schuf und gut bestückt.

Was mir noch mehr Minuspunkte bei ihm einbringen würde.

Es vergingen Minuten, ehe Lex der peinlichen Stille ein Ende setzte. „Hättest du bitte die Güte, dich umzudrehen und zuwarten, bis ich mich angezogen habe?“, fragte er mich in einem zu Recht barschen Ton. Ich nickte nur, drehte mich um und wartete, bis er sich das Handtuch um die Hüfte geschwickelt hatte. Dann hörte ich, wie die Türe geschlossen wurde und ich war allein. Die Dusche konnte ich nun nicht mehr so sehr geniessen, denn immer wieder hatte ich das Bild von Lexs nacktem Körper vor Augen und mir schoss immwieder die Röte ins Gesicht. Oh man, warum muss mir das passieren?

Den Rest des Tages verbrachte ich auf meinem Zimmer. Zumindest wollte ich das. Aber dann meldete sich zur Mittagszeit doch mein Magen und als ich das Klopfen und Fays Stimme hörte, die sagte, dass das Mittagessen fertig sei, fügte ich mich meinem Schicksal. Auch wenn ich mich verkroch, ich würde doch irgendwann Lex nochmals über den Weg laufen. Ich konnte dabei nur hoffen, dass er meinen kleinen Fehltritt in der Dusche für sich behielt und es sich nicht anmerken ließ. Als ich runterkam, wartete schon das Mittagessen auf mich. Braten, mit dunkler Soße, Rotkohl und Klößen. Lecker!

Ich setzte mich an den Tisch und Esmeralda trug mir etwas davon als erste auf. Fay und Lex folgten. Über den Tisch konnte ich, auch wenn ich nicht wirklich aufschaute, sehen, wie er mich mit seinen Augen fürmlich durchbohrte und ich wünschte mir ein Mäsueloch, in das ich mich verkriechen konnte. Etwas ungelenk und mit Lex Blicken auf mich, stocherte ich im Essen herum und mochte es auch so gut aussehen und schmecken, ich würde sicherlich nun keinen Bissen mehr hinunterbekommen. Dennoch wollte ich nicht unhöflich sein und schob mir etwas von dem Essen in den Mund. Kaute darauf herum. Und nippte an dem Glas mit Wasser. Esmeralda und Brian tranken als einzige Rotwein.

Über den Mittagstisch breitete sich eine Stille aus, die mich an die, in der Duscher erinnerte, als ich Lex in seiner ganzen Pracht gesehen hatte und musste mir das rotwerden mit Gewalt verkneifen.

Dann aber sagte Fay, während ich aß. „Sag mal, Allison. Hast du nicht Lust mit mir später London anzusehen? Du hast kaum, wenn nicht sogar gar nichts, gesehen. Ich würde dir gerne die ganzen Sehenswürdigkeiten zeigen. Big Ben zum Beispiel!“

Auch wenn mir bewusst war, dass Fay eigentlich den berühmten Glockenturm meinte, schoss mir gleich das Bild von Lexs Genetailien durch den Kopf und ich verschluckte mich heftigst. Trotz dass ich mich abmühte ruhig zu blieben und dabei selber meinen eigenen Puls in den Ohren hören konnte, glaubte ich ein Glucksen von der anderen Seite des Tisches zuhören und ein rascher Blick verriet mir, dass es Lex war. Ein leises, und vorallem heimtückisches Grinsen, zierte nun sein Gesicht. Das war ja so klar.

Ich schüttelte hastig den Kopf. Hustete dabei und schluck mir in den Nacken, damit der Bissen, der mir im Hals stecken geblieben war, verschwand. Fay deutete dies natürlich falsch. Wie konnte sie auch wissen, dass ich an was anderes denken musste und wie peinlich es war. „Wirklich nicht? Schade! Kennst du schon den Big Ben. Oder lieber den Londoner Tower. Dort wurden die Gefangenen hingebracht, ehe sie hingerichtet wurden. Wie Lady Anne Boleyn, die zweite Frau von König Heinrich, dem VIII. Jetzt ist der Tower eine Museum, in dem die Schätze der Königsfamilie untergebracht sind. Willst du die Kronjuwelen anschauen. Ich sage dir, es lohnt sich!“, schwärmte mir Fay und bei dem Wort Kronjuwelen musste ich wieder an, ihr wisst schon, denken. Mein Husten wurde dabei immer stärker und mir kamen schon Tränen in die Augen. Ich schüttelte wieder den Kopf. Fay, nun ganz und war verwirrt und nicht wissen, warum ich so reagierte, hob die Brauen. „Sag bloss, du interessierst dich nicht für englische Geschichte?“, fragte sie leicht pikiert. „D-Doch schon…aber…!“, brachte ich verzweifelt hervor, weil ich nicht wollte, dass Fay was flasches von mir dachte, als Lex mir über den Mund fuhr. „Den Big Ben und die Kronjuwelen hat sie schon gesehen!“, sagte er feixend und grinste dabei dermassen frech und überheblich, dass ich nicht übelst Lust hatte, ihm mein Messer an den Kopf zuwerfen. Es war offensichtlich, dass er es genoss, mich so zusehen. Mich um Kopf und Kragen redent und ich konnte dabei nur an eines denken: Boah Männer! So beeindruckend groß war er nun auch wieder nicht Lex!

Fay, Esmeralda und Brian sahen uns beide nur an und ich würde den Teufel tun, um das ganze aufzuklären. Zumindest ihren Eltern. Fay wollte ich es nicht vorenthalten. So verkrümmelten wir uns nach dem Essen auf ihr Zimmer, dass um einiges größer war als meines, aber genauso schick ausgestattet war und erzählte ihr, warum ich kurz davor war mein Essen über den gesamten Esstisch auszuspucken. Zuerst sah sich mich sprachlos an, doch dann platzte sie förmlich vorlachen und hielt sich den Bauch. „Achso, deswegen…!“, lachte sie und konnte nicht mehr. Mir war alles andere als lachen zumute. Gott, war das peinlich.

„Wie schön, dass du dich so gut amüsierst!“, knurrte ich und grub mein Gesicht in beiden Händen. Fay schüttelte den Kopf, wischte sich die Tränen ab und strich mir tröstend über die Schulter. „Sorry, doch das ist wirklich zu komisch. Natürlich ist es auch peinlich. Mir wäre es nicht anders ergangen!“, sagte sie und musste ein Glucksen unterdrücken. Doch ich fühlte mich dadurch nicht besser. „Der hat es richtig genossen, mich klein zumachen!“

„So ist mein Bruder eben!“

„Hm, hoffentlich hat der einen Durchhänger, wenn er mal eine Freundin hat und das meine ich nicht, wenn er mal fertig mit den Nerven ist!“

Daraufhin mussten wir beide lachen. Da gab Fay mir einen Fausthieb gegen die Schulter. „Du bist echt´ne Nummer, Allison Adea!“

Später, es war eigentlich schon abend, gingen ich und Fay zur Eigangshalle. Jetzt, wo alles geklärt war, wollte ich mir doch nun London ansehen. Doch Fays Vater wollte sie einen Dämpfer verpassen. Kaum dass wir unsere Mäntel angezogen hatten, tauchte er auf und fragte Fay, wohin wir jetzt noch so spät gehen wollten. Fay sagte ihm, dass sie mir London zeigen wollte, wie sie es versprochen hatte und Brian runzelte nur skeptisch die Stirn. Als würde er denken, dass wir gleich eine Bank ausrauben wollten. Offenbar schien er seiner Tochter nicht zutrauen. Oder er machte sich einfach Sorgen, wie es jeder Vater tat, wenn seine Tochter noch zu so später Stunde rauswollte. Doch Fay war ja noch gerade das, was man hilflos nannte. Sie konnte schließlich kämpfen. Das einzige wehrlose Opfer wäre ja wohl ich. Doch darüber machte ich mir auch keine Sorgen. Da es ja bald Nacht war und ich Erik rufen konnte, sollte mir Gefahr drohen. Das sagte ich ihm auch, auch wenn ich wusste dass er wenig auf mich hören würde. Erst als Fay ihm versprach um zehn wieder dazusein und das Handy anzulassen, ließ er uns gehen. Kaum dass wir draußen waren, warf ich der geschlossenen Tür einen Blick zu und Pfiff leise. „Hui, dein Daddy macht sich ja wirklich Sorgen um dich. Ich dachte schon, der lässt niemals locker!“, sagte ich, wobei ich das nicht böse meinte. Und Fay lächelte entschuldigend. „Ja, er kann manchmal schon richtig anstrengend sein. Aber er meint es ja nur gut!“

Und damit hatte es sich. Wir gingen zur Garage und stiegen in den Wagen ein. Fay steckte den Schlüssel in das Zündschloss und startete den Wagen.
 

Wie es Fay angekündigt hatte, klapperten wir alle möglichen Touristenziele ab. Der Beckingham Palace, der Big Ben, die Londoner Towerbridge. Sogar das Madame Tussauds schauten wir uns an und ich war erstaunt, wie lebensecht die Wachsfiguren wirkten. Wir machten einige Fotos von und mit ihnen, in dem wir uns neben sie stellten und posierten. Besonders wollte ich neben Johnny Depp stehen. Mindestens fünf Fotos verschossen wir mit ihm, wobei Fay mich damit aufzog, wie sehr ich in ihn vernarrt sein musste, wenn ich soviele Fotos von ihm haben wollte. Ich musste dabei grinsen. „Ja, ich liebe diesen Mann. Dabei sah er in jungen Jahren, wie ein Milchbubi aus. Aber jetzt ist er richtig heiss. Außerdem sieht er meinem Vater irgendwie ähnlich!“

„Sieh an, das ist es also. Hast nicht zufällig einen Vaterkomplex?“, fragte sie und ich schüttelte den Kopf. „Nein, das nicht. Ich sagte ja auch, irgendwie und nicht defintiv!“

Ich und Vaterkomplex. Soweit kommt es noch!

„Wenn findest du denn heiss?“

Fay überlegte kurz, dann grinste. „Da halte ich es lieber mit den älteren Herren. Hugh Jackmann und George Clooney!“

„Naja, so alt sind die auch nicht!“

„Aber ein anderer Jahrgang!“

„Auch wieder wahr!“, stimmte ich zu. „Welchen Schauspieler mag eigentlich Lex?“

Ich hatte keine Ahnung, warum ich diese Frage stellte. Sie war mir einfach so herausgerutscht.

„Keinen. Zumindest keinen Schauspieler. Es gibt nur einen, denn er gern hat!“, erklärte sie.

„Und wen?“

„Sich selber!“

„Na super!“

Daraufhin musste sie lachen. „Nein, war ein Witz. Er ist manchmal ein Idiot, aber man kann sich auf ihn verlassen, wenn es darauf ankommt!“

Und das sagte sie mit solcher Ehrlichkeit und schwesterlicher Liebe, dass ich mich fragte, ob ich ihn nicht doch Unrecht getan habe. Wenn sie das schon sagte, dann musste es ja so sein. „Hm!“, gab ich nur von mir. Ich war ein Einzelkind und kann mich nicht in die Lage eines Geschwisterparres hineinversetzen. Was ich manchmal verfluchte. Gerne hätte ich ein Schwesterchen oder ein Brüderchern. Aber Mama kam ja nicht dazu, um noch mal ein Kind zu bekommen. Ich fragte mich, wie es wohl wäre, wenn ich die große Schwester gewesen wäre, ob das Kind jetzt ein Junge oder ein Mädcehn war, war egal. Und ich malte mir für einen kurzen Moment aus, wie ich mich um mein Geschwisterchen kümmerte. Darauf aufpasste und es von dem Kindergarten abholte. Mich mit ihm stritt, über Kleider, Bücher oder sonst was. Und musste dabei etwas lächeln. Wie schön wäre es, wenn ich noch jemand anderen hätte, mit dem ich das schwere Los teilen konnte. Das Los, die Dinge zusehen, bevor sie passierten und dabei wurde mir aufeinmal übel. War es wirklich so toll, wenn ich eine Schwester oder einen Bruder hätte?

Würde er vielleicht ein normales Leben führen können oder war er ebenso wie ich dazu verflucht, Visionen vom Tod zuhaben. Würde er oder sie ebenso auf der Flucht sein und lernen müssen, sich zuwehren?

Mir graute ehrlich gesagt davor, mir das weiterhin vorzustellen und ich versuchte an was anderes zudenken.

„Wie geht es eigentlich den Jankins? Hat sich Mrs. Jankins wieder einigermaßen erholt?“

Fay hob die Schultern. „So genau weiss ich es auch nicht. Ich habe nur gehört, von Sir James, dass sie, nach dem sie sich von ihrer Ohnmacht erholte, eingeredet hatte, sich das alles nur eingebildet und einen Seelendoktor aufgesucht hat. Sir James meinte, dass wir froh sein können, dass ihr Mann uns nicht wegen Hausfriedensbruchs angezeigt hatte. Sich sondern noch extra bedankt hatte!“

Mir war es schon irgendwie klargewesen, dass Mrs. Jankins erstmal bei so einem Schock professionelle Hilfe brauchte.

Wer konnte schon von sich behaupten, dass solch ein Anblick eines Dämons einen ungerührt lassen konnte?

Wenn mir schon die Galle hochkam. Dennoch war ich erleichtert, dass die ganze Sache doch gut ausgegangen war. Für uns und für das Baby, dass sicher nun nicht mehr in Gefahr schwebte. „Und wie geht es jetzt weiter?“, fragte ich und Fay fragte sich erstmal, was ich genau damit meinte. Doch dann lächelte sie. „Naja, so wie ich Dad kenne, wird er uns nicht wenig Zeit lassen, um zuverschnaufen. Denk dran, du hast ein Training vor dir!“, sagte sie und ich seufze schwer. „Wie könnte ich das vergessen!“

„Da du bei deinem ersten Auftrag Schwierigkeiten hattest aus einem Fenster zu springen, werden wir heute Springen und Abrollen aus großer Höhe üben!“, erklärte Brian und schon allein bei diesen Worten sträubte sich alles in mir. Irgendwas sagte mir, dass Lex, der neben seinem Vater stand, etwas damit zutun hatte. Dass er ihm gesteckt hatte, dass ich Schiss hatte. Zumindest würde es das fiese Grinsen erklären, welches er hatte. Grrr!

Irgendwann wird der Tag kommen, an dem ich dir das heimzahle, Lex Matthews, dachte ich und versuchte es mir nicht zusehr ansehen zulassen. Sondern nickte.

„Klettere da die Leiter hoch und springe dann!“, wies er mich an und ich machte, was er sagte. Diskuttieren würde nichts bringen, da ich A, wenn ich es nicht tat und wiedermal aus einem Fenster hüpfen musste, mir sicherlich die Knochen brechen würde und B. weil Brian keine Widerrede durchgehen ließ. Zumindest nicht was mich anging.

So kletterte ich die Sprossen der Kletterwand hoch, wobei ich mir wie im Sportunterricht vorkam und wartete auf der, für mich höchsten, Sprosse auf Brians Zeichen. Doch kaum dass ich mich bereitmachte, sagte Brian schroff, dass ich noch höher klettertn sollte. Dass ich aus einer Höhe spingen müsse, die einem ersten oder zweiten Strock eher nahe herankam. Ich schluckte als ich gut zehnmeter über den Boden war und einen Blick nachunten riskierte. Mein Magen drehte sich sogleich und kurz wurden meine Hände um die Holzsprossen schwach. Drohten diese loszulassen. Ich riss mich zusammen. Das letzte was ich wollte, war, wie ein Stein runterzufallen und mir dabei doch noch etwas zu brechen. Ich atmete paarmal tief ein und aus. Versuchte mich zuberuhigen. Dann hörte ich Brian sagen, dass er bis drei zählt und ich dann springen sollte. Ich nickte. Machte mich bereit, während er zählte. Doch ich hörte ihn nicht. Sondern ein ganz anderes Geräusch. Es war dumpf und hörte sich erstmal wie das Rauschen des Windes. Bis ich erkannte, dass es sich um das Rauschen von Wasser handelte und ich furschte die Augenbrauen. Warum zum Teufel hörte ich Wasser rauschen?

Doch kaum dass ich mir wirklich Gedanken darüber machen konnte, erfasste mich ein heftiger Schwindel und mir wurde kalt. Mit einem Male schienen die Matten unter mir zu verschwimmen. Ihre Oberfläche kräuselte sich, wie Wellen und ich sah mich plötzlich über einem Meer schweben. Sah wie das Wasser unter mir wogte und Wellen schlug. Man hätte meinen können, dass as wirklich ein wunderbarer Anblick war. Wäre da nicht diese Bewegung unter dem Wasserspiegel gewesen, die mich an die einer Seeschlange erinnerte. Kurz tauchte ein schuppiger Körper hervor, der in dem Licht unter dem Wasser schimmerte und wieder verschwand. Ich runzelte die Stirn. Was war das?

Es erinnerte mich irgendwie an einen Fisch, aber welcher Fisch war bitteschön solang?

Und noch ehe ich mir darauf eine Antwort geben konnte, schoss es aus dem Wasser auf mich zu. Es passierte erst ganz schnell, doch dann sah ich es in Zeitlupe. Es hatte den Oberkörper einer Frau und den unteren eines Fisches. Eine Meerjungfrau!

Ihr Mund war weit aufgrissen. Wie Dolche ragten ihre Zähne aus diesem hervor und wollten sich schon in mein Gesicht bohren. Doch da verblasste die Vision, löste sich auf und ich spürte, wie meine Finger die Sprossen losließen. Und ich fiel.

Etwas fing meinen Fall jedoch auf und als ich wieder einigermassen zu mir kam, sah ich Brian über mir. Dazu kam Lex und Fay, die mich besorgt ansahen. Zumindest Fay. „Allison, alles okay?“, fragte sie mich und ich brachte nur ein Nicken zustande.

Langsam konnte ich mich aufsetzen und wischte mir über die Stirn. An meinen Fingern klebte kalter Schweiss. Und mein Atmen war zittrig und unkontrolliert. „Ich…ich denke schon!“, keuchte ich.

„Was war denn los?“, fragte Fay.

„Sie hatte eine Vision!“, kam es von Brian. Alle, einschließlich mir, sahen zu ihm hoch, der mich wiederum mit einem wissenden Blick ansah. „Hab ich Recht?“

Ich nickte wieder. Woher wusste er das?

„Was hast du gesehen?“

„Eine Meerjungfrau!“

„Eine Meerjungfrau?“, hakte Lex nach und klang nicht dabei so, als würde er mir glauben. Ich würde es ja auch nicht glauben. Wenn man das Wort „Meerjungfrau“, hörte, dachte man an eine Frau, mit rosiger Haut, weich wie ein Pfirsich. Einem Gesicht eines Engels. Vollen Haaren und einer lieblichen Stimme. Ich jedoch hatte ein Monster gesehen, dessen Haut kaltschimmernder Schuppen war und ein Gesicht, dass man nur in seinen Alpträumen sah. Groteks und abscheulich. Erinnerte mich an die Monsterfratzen aus alten Horrorschinken, wie zum Beispiel das Monster aus „Der Schrecken des Amazonas“.

Mit kalten Reptillienaugen und einem Mund mit spitzen Zähnen. Noch jetzt lief es mir kalt den Rücken hinunter.

„Ja. Ich…es war eine Meerjungfrau!“, stammelte ich und versuchte all meine Überzeugungskraft in meine Stimme zulegen. „Ich weiss, das hört sich bescheuert an, aber ich weiss doch, was ich gesehen habe!“

„Wir glauben dir, Allison!“, sagte Fay beruhigend und umarmte mich.

„Hast du gesehen, wo diese Meerjungfrau war?“, fragte sogleich Brain, der alles andere als einfühlend war. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe nur Wasser gesehen!“, sagte ich und ahnte schon, was er damit bezweckte. Ich war irgendwie froh, dass er nun versuchte diesem Scheusal zuvor zu kommen. Aber ich konnte nichts dazubeitragen. Es konnte sogut wie ein See oder sogar das Meer sein und selbst wenn die Meerjungfrau dort war, wie sollten wir sie finden. Das Meer war groß. Viel zu groß. Und Brian wusste das auch. Ich sah, wie er die Lippen zusammenpresste und sein Gesicht sich verdüsterte. Er schien enttäuscht zu sein, dass meine Aussage so hilfreich, wie ein Tropfen Wasser auf einem heissen Stein war und ich fühlte mich dadurch noch mieser. Na großartig! Wiedermal war meine Gabe nützlich.

„Was…was machen wir jetzt?“, fragte ich und meine Stimme war brüchig wie Glas, das gleich zerspringen würde. Brian seufzte. „So wie es aussieht, werden wir wohl warten müssen!“, sagte er und sprach das aus, was mir durch den Kopf ging und mich lähmte.

Müssen wir das wirklich, fragte ich und wollte es schon lautausprechen. Verbiss es mir jedoch. Es würde nichts bringen. Wir mussten warten.
 

In den Cottages bei den Kreidefelsen von Sussex in Südengland hielt früher die Küstenwache Ausschau. Der Strand in der Mündung des Cuckmere galt als Terrian der Schmuggler. Große Mengen an Brandy und Gin, Wolle und Tee schipperten von hier aus illegal in Richtung europäisches Festland. Heute jedoch ist es der Liebelingsort für Touristen, die die herrliche Sicht auf das Meer geniessen wollten. Und auch ein Ort für nächtliche Treffen einiger junger Paare, die die Nacht und die Abgeschiedenheit nutzen wollten, um das eine oder andere Abenteuer zu erleben. So auch Joan und Rick. Die beiden hatten sich, besonders Jaon trotz des Verbots der Eltern zu so später Stunde, aus dem Haus geschlichen und waren zu dem Strand gegangen.

Zusammen auf einer Decke liegend blickten sie zum nächtlichen Horizont, während ein kleines Lagerfeuer brannte und das nötige Licht und die ebenso benötige Wärme spendete. Wobei keiner eigentlich die Wärme eines Feuers brauchte. Beide lagen engumschlungen da und tuschelten und küssten sich. Dabei machten sich die Hände von Rick natürlich selbstständig und mehr als einmal verlief sich seine Hand zu den Knöpfen der Bluse seiner Freundin. Joan jedoch war das ein wenig zu schnell, sie schlug die Hand von weg. Zu anfang mit einem Lachen und dem höflichen Bitten, es sein zulassen. Doch dann, als Ricks Finger nun zum zehntenmal, an ihren Knöpfen zsuchaffen machen wollten, wurde sie etwas säuerlich. Als es ihr schließlich reichte, richtete sie sich auf und zupfte sich ihre Bluse zu Recht. „Verdammt nochmal Rick. Ich sagte nein!“

Rick setzte sich auf und wirkte dabei etwas verwirrt. Er verstand nicht, warum seine Freundin so reagierte. Immerhin waren sie schon zwei Monate zusammen und er dachte, dass sie nun einen Schritt weitergehen konnten, als nur Küssen und Händchen halten. „Man, was ist daran so falsch? Ich wird doch mal noch fummeln dürfen!“, warf er ihr vor.

„Nicht, wenn du mir die Klamotten vom Lebe reissen willst!“

„Also vom reissen kann wirklich nicht die Rede sein!“, sagte er. „Außderm, sidn wir schon lange zusammen. Warum also das Gezicke?“

„Ich zicke nicht. Ich habe nur keine Lust hier und jetzt meine Unschuld zuverlieren!“

„Wir können auch in meinen Wagen gehen, wenn es dir hier zufrisch ist!“, witzelte Rick und erntete dabei einen bösen Blick von Joan. „In deinen Wagen will ich auch nicht. Sondern einfach nur hier mit dir liegen und diese Ruhe geniessen!“, giftete sie und Rick verdrehte die Augen. Mädchen! Wer soll aus ihnen schlau werden?

Egal was man macht, es ist immer falsch, dachte er. „Man, was ist schon dabei, wenn ich ein paar Knöpfe aufmache!“, grummelte er in seinem Stolz als Mann und vorallem in seinem Recht als Freund gekränkt. „Was schon dabei ist?“, platzte es empört aus Joan raus und sie sprang auf die Beine. „Ich werde es dir sagen: Kaum hast du die Bluse auf, schon willst du mehr und darauf habe ich keinen Bock. Ist mir außerdem zu kalt. Ich weiss ja nicht, was für Mädchen du vor mir hattest, aber mich kriegt man nicht soleicht ins Bett!“

„Wer sagt denn, dass ich dich ins Bett kriegen will. Ich will doch nur etwas Fummeln!“, sagte Rick, dem das ganze langsam auf die Nerven ging. Er wollte nicht zugeben, dass die Mädchen, die er vor ihr hatte, nicht so zimperlich, wie sie es jetzt ist, waren und dass er deswegen leichtes Spiel hatte. Aber auch wenn seine Hormone Achterbahn fuhren und er gerne etwas mehr von ihr sehen wollte, so wollte er es sich nicht mit ihr verderben. Nicht nur weil er sie in gewisserweise liebte, sondern auch weil ihr Dad Polizist ist und wenn er nicht aufpasste, brauchte sie brauchte nur etwas sagen und er würde Probleme haben.

„Und ich sagte, dass ich das nicht will!“, sagte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Nun reichte es Rick. Er hatte Verständniss, wenn seine Freundin noch nicht soweit war. Aber warum glaubte sie, dass er gleich mehr wollte. Jedes Paar fummelte herum und küsste sich. War das so abnormal?

„Warum kannst du mir nicht vertrauen?“, fragte er. „Ich vertraue dir. Aber ich bin noch nicht soweit!“

Joan versuchte ihren Freund wieder zuberuhigen. Sie konnte sich ja denken, dass sie vermutlich die erste war, die nicht gleich die Hüllen fallen ließ. Rick war ihr erster Freund und es war die übliche Nervösität, die sie so zögern ließ. Wie mochte er bloss von ihr denken. Sie waren zwei Montae zwar erst zusammen, aber wenn sie so von ihren Freundinnen hörte, wie weit sie schon in dieser kurzen Zeit gegangen waren, kam sie sich wie eine verklemmte Kuh vor. Unschlüssig biss sie sich auf die Unterlippe. Sollte sie es wirklich riskieren und damit den Ärger ihres Vaters auf sich ziehen. Er hatte ihr mehr als einmal gesagt, dass sie noch viel zu jung für eine Liebelei sei. Doch sie so sehr sie auf die Worte ihres Vaters hören wollte, war sie auch neugierig. Wie jede Jungendliche, bei ihrem ersten Date. „Bitte verstehe das!“, sagte sie. „Ich…hey…hörst du mir überhaupt zu!“

Während Joan versuchte ihm ihr Zögern zu erklären und sich zuentschuldigen, hatte Rick aufs Meer hinausgesschaut und dabei ausgesehen, als würde er ihr nicht wirklich zuhören. Zuerst hatte sie gedacht, dass er das nur machte, weil er schmollte. Doch dann sah sie, wie geistesabwesend sein Blick wurde. Joan hob die Brauen. Rüttelte an seiner Schulter, doch er reagierte nicht. Auch als sie ihn ansprach schien er nicht darauf zu achten. Stattdessen stand er auf und ging aufs Meer zu. Joan, immer mehr über das seltsame Verhalten ihres Freundes verunsichert, sprang auf und lief ihm nach. Rief nach ihm:„ Rick? Rick, was ist denn?“

Wo sie vorher dachte, er würde nur schmollen, machte ihr nun das Verhalten von Rick große Angst. Was war nur los mit ihm?

Auf ihre Rufe reagierte er nicht und dieser Blick. So leer.

Als hätte man ihm hypnotesiert.

Joan verstand es einfach nicht. Wollte aber nicht aufgeben.

Sie ergriff seinen Arm, wollte ihn zurückhalten. Doch Rick entriss ihn ihr und ging weiter. Tat so als sei nicht gewesen. Immer weiter. Bis er fast im Wasser stand. Joan kämpfte darum ruhig zubleiben. Wobei sie allerdings guten Grund gehabt hätte, am verzweifeln zu sein. Ihr Freund, mit dem sie sich ebenoch gestritten hatte, beachtete sie nicht, egal was sie auch machte. Ging stattdessen zum Wasser und hatte dabei diesen unheimlichen Ausdruck.

Hatte er zuvor irgendwas genommen?

Zwar konnte sie sich das bei ihm nicht vorstellen, aber eine andere Erklärung für sein Verhalten hatte er nicht. Aber welche Droge konnte einen so beeinflussen, dass er nichts mehr hörte oder sah?

Joan wollte schon ihren Vater anrufen und ihn bieten hierher zukommen.

Doch dann drehte er sich um, und nun schien er sie doch zu bemerken, denn er sie sah mit einem strahlendem Lächeln an. So als habe er im Lotto gewonnen. „Ich habe sie gefunden!“, sagte er und klang wie ein Schlafwandler. Lallend und mit einer Freude in der Stimme, sodass sie sich fragte, ob er nicht doch eine Droge intus hatte. Joan runzelte die Stirn. „Gefunden? Wen?“, fragte sie, weil sie es einfach nicht verstand. Statt einer richtigen Antwort, sagte Rick nur. „Ich habe sie endlich gefunden!“

Und dann rannte er los. In die Fluten, bahnte sich einen Weg durch sie und verschwand für einen kurzen Moment. Joan konnte nicht so schnell reagieren, geschweige denn kucken, als ihr Freund sich ins Meer stürzte. Sie schrie nur und eilte ihm nach. Zumindest wollte sie das, bevor sie in das kalte Wasser trat und inne hielt. Immer wieder schrie sie nach ihrem Freund, versuchte ihn in der Finsterniss zusehen. Und sie fürchtete schon, da sie ihn nicht mehr sehen konnte, dass er ertrunken war. Umso erleichterter war sie, als er wieder auftauchte. Aber dies hielt nicht lange an, da sie sah, wie ihr Freund nach ihr, um genauer zu sein nach Hilfe rief und wild um sich schlug. Als würde ihn jemand im Wasser festhalten.

Was sollte das nun wieder?

So langsam fragte sich, ob Rick das alles nur inzenierte, um sich an ihr zurächen.

Aber etwas sagte ihr, dass das kein Scherz war und dass sie schleunigst Hilfe holen sollte. Wenn nötig sogar ihren Vater. Dass sie ihm erklären müsste, warum und wie sie zu so später Stunde es aus dem Haus geschafft hatte, wäre das kleinere Übel. Also nahm sie ihr Handy aus der Tasche und wählte mit zittrigen Händen die Nummer ihres Vaters. Als er abnahm, rief sie förmlich ins Handy:„ Daddy…Daddy komm schnell. Rick…er…er…!“, stammelte sie und konnte nicht den Blick von ihrem Freund abwenden, der immernoch darum kämpfte von dem, was auch immer ihn festhielt, freizukommen. Dann schoss etwas aus dem Wasser, schlängelte sich blitzschnell um den Hals von Rick und drückte zu. Trotz dass er so weit wegwar, konnte sie sein Gurgeln und Würgen hören und es ließ ihr einen wahren kalten Schauer über den Rücken laufen. Die Worte ihres Vaters hörte sie nicht. Nur die Schreie und das verzweifelte Würgen ihres Freundes, der um sein Leben kämpfte. Joan zitterte am ganzen Leib, als sie das mitansehen musste und brachte nur ein Wimmern zustande. Nichtmal als ihr Vater lauter wurde und sie aufforderte sich zuberuhigen. Dafür war sie viel zu außer sich und irgendwann entglitt ihr das Handy und fiel zu Boden. Während ihr Vater weiterhin versuchte aus seiner Tochter herauszubekommen, was eigentlich los war, sah Joan weiterhin zu ihrem Freund, der sich immernoch zuwehren schien, aber deutlich an Kraft verlor. Unkontrolliert begann sein Körper zu zucken und trotz der Dunkelheit konnte sie seine Todesangst im Gesicht sehen.

Das Wasser, welches zu anfang wild getost hatte, schien wieder ruhiger zuwerden und eine gespenstische Stille legte sich über die Bucht. Diese jedoch wurde schnell wieder gestört durch ein Grollen, was tief unter ihren Füssen zu kommen schien und sich nach oben grub. Fast wie ein nahender Vulkanausbruch. Doch statt das sich der Boden auftat, barst die Wasseroberfläche auseinander und etwas anderes kam nun aus dem Wasser. Derjenige, der ihren Freund gefangen gehalten hatte und ihm nun den Rest geben wollte.

Joans Augen wurden groß, als sie es sah. Zuerst dachte sie, es sei eine Frau. Doch dann bemerkte sie, dass ihre Hüfte nicht in Beine überging, sondern in einen langen schuppigen Schwanz. Joan sah, wie dieses Wesen den Mund öffnete und sich mit einem lauten Kreischen auf Rick stürzte. Dabei die Hände, die wie Klauen gekrümmt waren nach ihm ausstreckte und ihn mit ihrem Körper begrub. Ihn so unter das Wasser drückte und mit ihm in der Tiefe verschwand.
 

Wenig später traf Joans Vater, mit einigen Kollegen ein. Joan selbst stand wie erstarrt immernoch vor dem Meer und blickte hinaus. Das was sie zuletzt gesehen hatte, konnte sie einfach nicht fassen. Das was da Rick unter Wasser gezogen hatte, sah aus wie eine Meerjungfrau. Doch so etwas konnte es nicht geben! Oder?

Joan erschienen die letzten vergangenen Minuten wie ein Traum, aus dem sie ihr Vater kaum holen konnte. Trotz dass er seine Tochter an den Schultern packte und rüttelte. Sie reagierte einfach nicht. Zu geschockt war, als dass sie etwas sagen konnte. Ihr Vater musste das einsehen, denn er gab einen resegnierten Seufzer von sich und schleppte seine Tochter erstmal zum Auto. Sobald er sie daheim abgeliefert hatte, würde er zu Scotland Yard fahren und ihm erzählen was los war.
 

Sir James Reaktion mich wiederzusehen war deutlich anzusehen und er sah mich kurz mit misstraurischen Blicken an, als Lex ihm erzählte, dass wiedermal dabei sein werde. Wie wir uns schon gedacht hatten, ließ der nächste Fall nicht lange auf sich warten. Diesesmal hat es ein junges Päarchen erwischt. Zumindest dein Freund. Das Mädchen hatte zum Glück keinen Schaden davongetragen. Sah man von dem Schock ab, den es hatte. Ihr Name war Joan Wilson. Und ihr Dad war Beamter von Scotland Yard. Er war es auch, der bei Sir James Meldung gemacht hatte und dieser hatte sich bei uns gemeldet. Nach allem was ein Psychologe aus seiner verstörten Tochter herausbekommen konnte, hatte wohl eine als Fisch verkleidetete Frau ihren Freund ins Meer gelockt und ihn dann anschließend ertränkt. Dass es sich hierbei wirklich um eine Meerjungfrau handelte, hielt er für eine Folge des Schocks den sein Töchterchen hatte und wollte seine Tochter nicht weiter damit quälen.

Doch wir mussten mit ihr sprechen und so standen wir einige Tage später vor dessen Tür.

Zuerst ließ er uns rein und fragte uns, was wir wollten. Als Lex ihm sagte, dass wir mit seiner Tochter über das, was in jener Nacht passiert ist, reagierte er ungehalten. „Sie können doch nicht ernsthaft verlangen, dass meine Tochter nochmal dieselben Fragen beantwortet?“, fragte Komissar Wilson aufgebracht. Fay und Lex tauschten einen Blick, während wir bei den Wilsons im Wohnzimmer auf der Couch saßen. „Bitte, es ist sehr wichtig!“, setzte sich Fay ruhiger und auch einfühlsamer ein, als es ihr Bruder getan hatte, während ich wiedermal nur daneben stehen konnte. Trotz allen Einwänden war Joan auch dabei. Sie saß neben ihrem Vater und blickte ins Leere. Ich sah mir die klägliche Gestalt, die wohl mal ein fröhliches Mädchen gewesen und vor kurzem noch mit einem Jungen zusammen gewesen war, an. Sie war nicht älter als ich. Vielleicht sogar noch jünger. Aus Gesprächsfetzen hatte ich mitbekommen, dass das ihr zweites Date mit ihrem Freund war und dass sie es sich bestimmt romantischer vorgestellt hatte, als mit ansehen zu müssen, wie ihr Freund von einer Nixe ermordert wurde. Das konnte wohl jedes Mädchen aus der Bahn werfen.

„Was wollen Sie eiegtnlich noch. Meine Tochter hat schon alles gesagt, was sie weiss. Und außerdem sollte sie sich jetzt ausruhen!“, kam es von Wilson und ich konnte ihn verstehen. Papa hatte mich auch immer in Schutz genommen, wenn man mir, nachdem ich einen Anfall hatte, zunahe rückte und wissen wollte, was los war. Doch es war wichtig, dass wir es von ihr hörten und nicht von irgendeinen Quacksalber.

„Wir verstehen Ihre Sorge ja, aber es ist wichtig, dass sie uns genau beschreibt, was sie gesehen hat!“, bemerkte Fay eindringlich und ich nickte nur. Wie sehr ich es hasste, den passiven Part zu spielen. Wilson wollte dazu etwas erwidern, doch Lex fuhr ihm über den Mund. „Wenn Sie uns nicht mit ihr reden lassen, werden weitere Menschen sterben. Wollen Sie dafür verwantwortlich sein?“

Das saß. Wilson, der vorhin entschlossen war, seine Tochter mitzunehmen, zögerte nun kurz und blickte seine Tochter skeptisch an. So als zweifelte er daran, dass sie ein vernünftiges Wort zustande bringen könnte. Dann nickte er, wenn auch schwer. „Gut, ich gebe Ihnen fünf Minuten. Mehr nicht. Dann gehen Sie und lassen uns in Ruhe!“

Damit war Lex einverstanden. Und Mr. Wilson ging ins Nebenzimmer. Fay setzte sich ohne Aufforderung zu Joan Wilson und nahm behutsam ihre Hand. „Joan!“, sprach sie sie im ruhigen Ton an und die Augen des Mädchens wanderten zu Fay. Blieben kurz auf sie gerichtet, dann gingen sie wieder ins Leere. „Wir möchten dir helfen!“, fuhr Fay sanft fort und strich mit dem Daumen über den Handrücken. „Niemand kann mir helfen. Und auch nicht Rick!“

„Lass es und doch wenigstens versuchen!“

„Wie wollen Sie mir helfen?“

„Wir sind es, die hier Fragen stellen!“, platzte Lex. „Schtttt!“, kam es prompt von Fay, die ihrem Bruder einen erbosten Blick zuwarf. „Hör nicht auf den, das ist eine Dumpfbacke!“, sagte sie milder zu Joan und kurz huschte ein Lächeln über das Gesicht des Mädchens. „Das war Rick auch immer wenn es um Gefühle ging!“

„Du mochtest ihn sehr, nicht wahr?“

Joan nickte und nun kamen ihr die Tränen. „Ja, er…er war mein erster Freund!“

„Joan, ich weiss, dass es jetzt sehr schwer für dich ist, aber…bitte hilf uns. Du musst uns alles erzählen, was du gesehen hast!“

„Könnt Ihr, wenn ich es Euch sage, Rick retten?“

Fay schien kurz selber nachdenken zu müssen und ich deutete ihr Schweigen schon als nein. Auch ich und Lex wussten nur zugut, dass ihr Freund schon lange tot war, doch Fay wollte ihr dies nicht so offen ins Gesicht sagen. Sondern das nächstbeste dazusagen. „Wir werden unser möglichstes tun!“, versprach sie. Joan schien das nicht zureichen. Ich sah ihr das deutlich an.

Doch dagegen etwas sagen wollte sie nicht. Sondern nickte nur. Dann begann sie zu erzählen und mir lief ein kalter Schauer über den Rücken.

Dann war es still, während Joan leise weinte.

Ehe das Schweigen, welches sich über uns legte, noch beklemmender werden konnte, kam ihr Vater wie auf ein Zeichen und verkündetete, dass die fünf Minuten um waren und wir verabschiedeten uns von ihnen.

„Fay, meinst du wirklich, dass wir ihren Freund finden werden. Lebend?“, fragte ich und betonte das letzte Wort. Fay, die vorne saß, während ich wiedermal auf dem Rücksitz verbannt wurde, schaute stumm vor sich hin und es schien ewig zudauern, bis sie sagte:„ „Nein. Ich gebe zu. Es war eine dreiste Lüge, aber was Besseres fiel mir nicht ein!“

„Wie wäre es mit der Wahrheit!“, meinte Lex und Fay sah ihm mit einer Mischung aus Bestürzung und Zorn an. „Und ihr damit den nächsten Schock versetzen?“, schnaubte sie. „Es war schon schlimm genug für sie, dass sie zusehen musste, wie ihr Freund, ihr erster Freund, stirbt. Ich glaube, sie hat genug durchgemacht. Das reicht für ein ganzes Leben!“

Wohl wahr!

„Jaja, hast ja redcht!“

„Was machen wir jetzt?“, fragte ich. „Wir fahren nach Sussex und schauen uns mal an, was wir da finden!“, erklärte Lex und bog bei der nächsten Ausfahrt ab.
 

Ich hatte einige Fotografien von den berühmten weissen Kreidefelsen gesehen und schon da, sahen sie beeindruckend aus. Nun aber sah ich sie in Natura und war hinundweg.

Die Landschaft hatte etwas Malerisches. Diese Ruhe, in der nur das Rauschen des Meeres, welches sich unendlich vor mir ausstreckte, zuhören war. Die Abgeschiedenheit, wenn man von den Häusern absah, die etwas weiter weg standen.

Alles in allem wirkte das ganze hier sehr ruhig und ich fluchte, dass ich keine Kamera dabei hatte, um ein paar Schnappschüsse zu machen. Um einige schöne Erinnerungen an England zuverewigen. Papa hätte sich sicherlich gefreut, wenn ich ihm einige davon geschickt hätte.

Da fiel mir ein, dass ich mein Handy dabei hatte. Ohne zu zögern und ganz vergessen, warum wir hier eigentlich waren, zückte ich es aus meiner Hosentasche und machte ein paar Fotos. „Was treibst du da?“, fragte mich Lex irritiert. „Wonach sieht es denn aus. Ich mache ein paar Fotos für meinen Papa!“, murmelte ich und machte das sechste Foto aus einem anderen Blickwinkel. Ich hörte Lex grummeln. „Ist dir entgangen, dass wir hier aus einem anderen Grund sind, als die schöne Aussicht zu fotografieren!“

„Jaja!“, sagte ich, knippste noch ein paar Fotos und steckte das Handy ein. Fay lächelte etwas. Sie teilte wohl meine Meinung und als sie mir zuzwinkerte, sah ich in ihr wieder mal eine Verbündete. Wir könnten fast Schwestern sein.

„Und wonach sollen wir suchen?“

„Nun, da diese Merrjungfrau wohl noch nie was vom recycling gehört hat, wird sie ihn wohl wieder auf den Strand geworfen haben!“, sagte Lex, der mich wohl für bescheuert hielt. „Und wo sollen wir anfangen? Der Strand ist riesig, wie sollen wir da was finden!“

„In dem wir uns aufteilen und die Augen offenhalten!“, sagte Lex und wir machten uns daran, die Leiche des Jungen zufinden.

Doch das glich der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Die Sonne ging schon beinahe unter, als ich und Fay den Strand abliefen und nach dem Toten Ausschau hielten. Ich blickte auf meine Uhr. Kurz vor neun.

„Du, Fay, glaubst du wirklich, dass wir den heute noch finden werden?“, fragte ich skeptisch und Fay zuckte die Schultern. „Tja, ich würde auch gerne daran glauben, aber irgendwie…!“, sagte sie und ließ den Blick über den strand umherwandern. „Der kann überall sein!“

„Dann sollten wir zu Lex gehen und ihm sagen, dass wir es morgen nochmal…aua!“

Ich war irgendwo gegengetreten und habe mich mit dem Fuss darin verheddert. Unsanft fiel ich auf den Boden. „Allison, alles okay?“, fragte sie mich und half mir hoch. „Nein, ich muss über irgendwas gestolpert sein!“

„Bestimmt Treibholz oder sowas!“, sagte sie und half mir, meinen Fuss aus diesem rauszubekommen. Aber wir sahen auch, dass das vermeintliche Treibholz viel zu bleich war, um wirklich Holz zusein und auch irgendwie weich und aufgeschwemmt war. „Ich weiss nicht, dass sieht mir nicht wie Holz aus!“, murmelte ich mit einem unguten Gefühl im Magen. Weil die Sonne untergegangen war und wir kaum etwas sehen konnten, musste Fay ihre Taschenlampe rausholen, um zusehen, was da vor uns lag. Und kaum dass wir es richtig erkannten, wünschte ich mir, ich wäre über was anderes gestolpert.

Da lag er. Rick. Joans Freund. Oder zumindest das, was von ihm übrig geblieben war.

Er war wohl mal ein gutaussehender Junge gewesen sein, aber nun war er nichts weiter, als dessen angefressene Überreste. Aus ihm waren große Fleischstücke herausgerissen. Einige Körperteile, wie ein Arm und beide Beine fehlten. Ich konnte in dem Licht der Taschenlampe die Knochen sehen, die aus den Wunden hervorkamen. Gegen einen Brechreiz ankämpfend, wandte ich mich ab.

Fay holte das Handy raus, drehte sich ebenso um und rief bei Sir James an. „Sir James, wir haben ihn gefunden!“, sagte sie und ich konnte deutlich ein Würgen in ihrer Stimme hören.
 

„Und, was meinen Sie, Doc?“, fragte Lex, dem der Anblick des angefressenen Ricks wohl nichts ausmachte. Der Mann, den er Doc nannnte, war ein Pathologe, der die Leiche untersuchte und uns dann zusich rufte. Er war noch recht jung. Wohl in dem gleichen Alter wie Lex. Er zog sich gerade seine Gummihandschuhe aus und deckte den Kopf des Toten mit dem grünen Tuch wieder ab. „Naja, wäre das ein normaler Fall würde ich sagen, dass der arme Kerl das Opfer eines Hais wurde. Aber da wir ja hier in England keine Haie haben und das das alles andere als ein normaler Fall ist, würde ich sagen, etwas muss ihn erst erwürgt und dann angeknappert haben. Sehen Sie…!“, sagte er und hob erneut das Tuch hoch, deutete auf den Hals, um den sich ein dunkelblauer Strich zog. „Das Würgemal spricht deutlich dafür!“

„Das dürfte mit der Aussage seiner Freundin zutreffen. Sie hatte erzählt, dass dieses Ding ihn erwürgt hatte und dann unter Wasser zog!“, meinte ich. Doc, so nannte ich nun auch, nickte.

„Mit was auch immer er gewrgt wurde, es musste so dick wie eine Anaconda gewesen sein!“, schloss Doc und ich beugte mich zu Fay und raunte:„ Oder so dick, wie ein Fischschwanz!“

Fay nickte.

„Eine merrjungfrau! Ich dachte immer, das seien schöne Mädchen, die einem nur den Kopf verdrehen und nicht einen erwürgen!“, sagte Lex. Nachdem wir beim Doc waren, sind wir zurück gefahren und durchstöberten nun, schon wieder, die Bibliothek. „Naja, in den alten Märchen und Legenden der Seefahrt bezirzten die Meerjungfrauen, auch als Sirenen bekannt, mit ihrem Gesang die Seemänner und lockten sie, mit den Erfüllungen ihrer verborgensten Wünsche, zu sich. Dabei verloren sie Kontrolle über das Schiff, fuhren gegen Klippen oder Felsen und das Schiff erlitt Schiffbruch. Dabei kamen die meisten ums Leben!“, erklärte Brian. „Oh!“, meinte nur Lex. „Auch nicht gerade besser!“

„Deswegen solltest du dir was in die Ohren stopfen, damit du ihrem Bann nicht erliegst!“, riet ihm seine Mutter. Ich und Fay tauschten Blicke.

Das war nicht das Bild, was ich von einer Meerjungfrau hatte.

Als Kind hatte ich einmal „Arielle, die kleine Meerjungfrau“, gesehen und habe mich der Illusion hingegeben, dass diese Fabelwesen wirklich friedlich waren. Und sangen und tanzten. Nun aber schienen wir Arielles böser Schwester nach zujagen. Ich schauderte. „Und was jetzt?“, fragte ich, mehr zu mir selbst. Dennoch hörten sie sie und ich kann mir gut vorstellen, dass diese Frage Lex und Fay schon etwas nervte.

Wie musste ich in ihren Augen dastehen?

Sicherlich wie eine Dumpfbacke. Und wenn, dann verstanden es Lex und Fay, dies wunderbar zuvertuschen.

„Ganz einfach. Wir nehmen uns morgen ein Boot der Küstenwache und schauen nach!“, erklärte Lex lässig.

„Lasst uns hoffen, dass solange nichts passiert!“, meinte Fay, doch wir wussten alle, dass das nur ein unerfüllter Wunsch war.
 

Hungrig durchstreifte sie im Wasser umher. In der Hoffnung endlich was zusessen zufinden. Doch seit ihrem letzten Happen Menschenfleisch hatte sich keine fette Beute mehr in die Nähe des Meeres gewagt, welches sie nun als ihr Jagdrevier benutzt.

Und sie hatte schon befürchtet, dass sie verhungern würde, bis sie aber diesen lecker aussehenden Mann gesehen hatte, der in Begleitung dieser beiden Frauen war. Sie hatten den Strand nach etwas abgesucht. Sie wusste auch wonach. Nach ihr. Doch sie würden sie nicht finden. Es gab tausend Schlupfwinkel, in denen sie sich verstecken konnte. Und sie kannte jede einzelene.

So ließ sie sich dadurch nervös machen, sondern schaute aus sicherer Entfernung zu, wie diese drei, vergeblich suchten. Wobei sie ein ganz besonderes Auge auf den Mann geworfen hatte. Er sah wirklich köstlich aus und der Gedanke an ihn, ließ ihr wahrlich das Wasser im Munde zusammen laufen. Gerne hätte sie ihn jetzt gleich zusich gelockt, doch sie hatte gespürt, dass es nicht soleicht sein würde. Nicht wenn die beiden anderen bei ihm waren. Sie musste sich also noch gedulden. Kaum dass sie an ihn dachte, spürte sie den Hunger in sich aufkommen und ihr Magen zog sich zusammen. Sie brauchte so schnell wie möglich frische Nahrung.
 

Edward „Richie“, Jackson und seine Clique, die aus drei Mädchen und vier Junge, mit ihm eingeschlossen, bestand, fuhren mit der Jacht seines Vaters hinaus. Sie wollten sich einen schönen Tag machen. Und das bedeutete Feiern, alles trinken, was Alkohol beinhaltete und rummachen ohne Ende. Sie nutzten die Abschiedenheit, die die englische Küste bot. Keiner würde sie stören.

Als sie weit genug gefahren waren, schaltete Edward den Motor des Bootes ab. „Okay, Leute. Hier sind wir ungestört!“, verkündete er und seine Freunde johlten. Bobby legte seinen Arm, um Jenni, die kicherte. „Endlich!“, rief er und griff sich eine Bierflasche aus der Kühltruhe. Mit einem lauten Zischen öffnete er sie und nahm einen kräftigen Schluck. Michael ging zur Musikanlage und drehte auf die höchste Stufe auf. Laute, schrille Musik kam aus den Boxen und wären sie bei sich daheim, wäre binnen von fünf Minuten die Polizei, wegen Ruhestörung dagegwesen. Doch hier störten sie niemanden und so konnte sie munter feiern. Jason schnappte sich Linda und begann mit ihr zutanzen. Mary stieg die Leiter zu Edward und grinste ihn an. Er erwiederte das Grinsen. Und ein tolles Gefühl des Sieges überkam ihm.

Schon immer wollte er sie beeindrucken und hatte nur auf die richtige Gelegenheit gewartet. Nun konnte er es und das genoss er.

Es hatte durchaus Vorteile einen Vater zu haben, der eine gut laufende Firma führte, dachte er. „Eine spitzenidee war das, Richie!“, rief nun Michael, der vierte Junge der Clique. Edward machte eine vornehme Verbeugung. „Aber findet Ihr, dass wir hier sicher sind?“, fragte Linda nun und brachte so die gute Stimmung zum platzen. „Was meinst du damit?“, fragte Michael wiederum und nahm das Bier, mit einem Grinsen entgegen, welches ihm Bobby reichte. „Na, ich rede von dem, was hier vor zwei Tagen passiert ist!“, erkklärte sie. Damit meinte sie natürlich Rick. Es hatte überall in den Zeitungen gestanden und die Presse ging von einem Irren aus, der sich als Meerjungfrau verkleidete, um Opfer ins Wasser zu locken. Natürlich hielt das jeder für zu verrückt, aber dennoch hatte man die Sorge, dass da was Wahres dran war und bisher hatte sich niemand mehr an den Strand der Kalksteinküste gewagt. Bis jetzt. Linda schaute besorgt auf das Wasser, das ruhig an die weiße Bootswand schlug und auf dem sich Wellen kräuselten. Sie schauderte, wenn sie daran dachte, dass da jemand unter dem Wasser war und sie in die Tiefe ziehen wollte.

„Ach was, die Presse übertreibt mal wieder. Und selbst wenn! Wie will dieser Irre denn solange unter Wasser bleiben ohne eine Taucherausrüstung?“, fragte Jason munter. Dieses eine Argument schien auszureichen, denn vergessen war die Sorge vor einem möglichen Mörder und die fröhliche Runde feierte weiter. Nur Linda schien nicht mehr in Feierlaune zusein. Immer wieder schaute sie zum Wasser. Als Mary zu ihr kam, reichte sie ihr eine Dose Cola. „Bleib ganz ruhig. Sicherlich ist das bloss ein Gerücht und der arme Kerl ist ertrunken und die Presse pusht das wieder hoch, weil sie nichts anderes zu berichten hat!“, erklärte sie. „Also, ich weiss nicht!“, bemerkte Linda.

„Komm schon, Süße. Was soll hier schon passieren?“, mischte sich Bobby ein. „Entspann dich. Hier ist niemand, außer uns!“

Linda brauchte einen Moment. Nippte an der Dose und versuchte sich zuberuhigen.
 

Der Tag neigte sich dem Ende zu und nichts war vorgefallen, was Linda bei ihrer Befürchtung bestätigt hätte, daher wurde sie locker und feierte nun genauso wie ihre Freunde. Es dämmerte bereits, doch die Clique dachte nicht daran, nachhause zugehen. Sie feierten, bis es dunkel war und nur noch die Lampen der Jacht für Licht sorgten. Alle, bis auf Eddy und auf Linda hatten die anderen schon einiges intus und johlten und gröllten herum. Bobby und Jenni hatten sich in eine stille Ecke und machten miteinander rum. Jason und Michael sangen laut einen Rap nach, der sich um Weiber und ihre (körperlichen) Vorzüge drehte.

Mary stand neben Eddy. In ihrer Hand eine Dose Bier, die vierte, und sie schwankte etwas. Eddy bemerkte dies und stützte sie einwenig. Dabei legte er den Arm um ihre Schulter und zog sie an sich. Mary ließ es zu und lächelte. Doch so sehr sich Eddy wünschte, dass sie nur wegen ihm so lächeln würde, wusste er, dass es am Bier lag. Er seufzte schwer. „Hey, was ist denn los, Eddy?“, fragte Mary angetrunken und es klang beinahe schon wie ein schlechter Witz. Eddy schüttelte nur den Kopf. „Nichts nichts!“, sagte er und lenkte die Jacht etwas näher heran an das Ufer. Es hatte keinen Sinn weiter darauf zuhoffen, dass sie von sich aus, ihn mochte oder gar seinem Werben nachgab.

„Hey, was wird denn das?“, fragte Bobby, deutlich höbar darüber enttäuscht, dass die Party schon vorbei zu sein schien. „Was wohl. Es wird Zeit, dass wir wieder nachhause gehen!“, sagte Eddy.

„Was jetzt schon? Ach, komm sei kein langweiler!“, sagte nun Jason. „Es ist schon spät und ich habe mir die Jacht nicth unbedingt geliehen!“, erwiederte Eddy schroff. „Mein Alter killt mich, wenn er spitzkriegt, dass ich mit Euch ohne seine Erlaubniss rumschippere!“

„Naund? Was ist schon dabei? Selber schuld, wenn er die Schlüssel einfach so rumliegen lässt!“, frotzelte Bobby nun wieder und grinste feist. „Du kennst meinen Alten nicht!“

Daraufhin gab es eine alberne Diskussion, wer eigentlich sagt, wann es mit dem Feiern aus ist und die Mädels konnten darüber nur den Kopf schütteln. Egal wie alt sie sind, Jungs blieben eben immernoch Kleinkinder, dachten sie allesamt.

„Oh man, das darf doch nicht wahrsein!“, murmelte Jenni und trank den letzten Schluck aus der Bierflasche. „Hey, jetzt kommt mal wieder runter!“, rief Linda. Die Jungs dachten jedoch nicht daran, aufhzuhören und stritten munter weiter. Irgendwann hörten sie aber auf.

Aber anstatt das Eddy das Boot zur Küste steuert, blieb er wie angewurzelt stehen und schaute irgendwohin in Leere. Auch die anderen Streithähne hatten wohl etwas entdeckt, denn sie blickten alle in die gleiche Richtung. Nur die Mädchen rätselten, was das sollte. Mary ging zu Eddy und tippte ihn an der Schulter an. „Hey, was ist denn?“

Er antwortete nicht. Mary schaute in die gleiche Richtung, wie es Eddy tat, versuchte herauszufinden, was da war. Doch sie konnte nichts erkennen. Auch die anderen Mädchen schauten nun in die dunkle Nacht hinaus. Ohne Erfolg.

Besorgt schauten sich die Mädchen an. Jenni ging zu Bobby rüttelte an seiner Schulter. Gab ihm sogar eine kräftige Ohrfeige, um ihn wieder zu sich zuholen. Sinnlos. „Was ist mit ihnen?“, fragte Jenni verzweifelt. „Ich habe keine Ahnung. Versuch es weiter!“, meinte Linda nur. Da stiess Mary einen spitzen Schrei aus. Die beiden Mädchen drehten sich zu ihr herum. „Was ist los Mary?“

„Da…da war eben gerade etwas!“, stammelte sie und deutete auf die dunkle, beinahe schon schwarze Wasseroberfläche, deren Wellen sanft gegen die Bootaußenwand schlug. Die beiden Freundinnen kamen zu ihr und beugten sich über die Reling. „Wo hast du was gesehen?“, fragte Linda, als sie nichts sah. „Mary, wenn du uns verarschen willst, lass es!“, keifte Jenni, die schon jetzt nervös und ängstlich war. „Nein, ich will euch nicht verarschen. Ich habe da wirklich was gesehen. Es…es sah aus, wie ein Gesicht. Ein Gesicht von einer Frau!“, verteidigte sich Mary panisch und schüttelte den Kopf. „Sicherlich bildest du dir das nur ein, weil du einen über den Durst getrunken hast!“, kam es von Linda, sie sich ebenso unwohl fühlte.

„Nein, ich…ich habe mir das nicht eingebildet!“, schrie Mary nun außer sich.

Noch bevor einer von den beiden etwas sagen konnten, hörten sie, wie etwas ins Wasser fiel und kaum dass sie sich umdrehten und zum Bug schauten, sahen sie, dass Bobby fehlte. „Bobby!“, kreischte Jenni und stürzte vor. Wäre beinahe selber ins Wasser gesprungen, wenn ihre Freundinnen sie nicht rechtzeitig gepackt hätten. „Jenni, nicht, Bist du irre?“, rief Linda. „Was hast du vor?“, kam es von Mary. „Lasst mich los. Bobby, er…er ertrinkt!“, schrie Jenni wie am Spieß und versuchte sich von ihren Freundinnen zubefreien. Doch die beiden dachten nicht daran, den Griff auch nur ein wenig zulockern. „Der ertrinkt schon nicht. Und außerdem hast du ebenso was getrunken. Wie willst du ihn da bitteschön reden?“

„Das ist mir egal. Lasst mich los!“

„Nichts da. Linda, ruf die Küstenwache. Die sollen helfen!“, wies Mary sie an. Linda nickte und eilte zu Eddy, der immernoch hinaus auf das Wasser blickte und versuchte sich am Funkgerät. „Hallo, kann uns jemand hören?“, rief sie ins Funkgerät und schaltete und drückte jeden Schalter. Doch es kam nur ein Rauschen aus dem Gerät. „Hallo…hallo, wir…wir brauchen Hilfe!“, rief sie dennoch hinein, in der Hoffnung, dass jemand sie hören würde.

„Hier die Küstenwache. Wie ist Ihre Position?“, erklang es endlich durch das Rauschen aus dem Lautsprecher. Linda atmete erleichtert auf und begann dem Mann alles zuerklären. „Wir…wir sind sieben. Vor der Küste der Kreidefelsen. Die Jungs, sie…sie…etwas stimmt nicht mit ihnen!“, stammelte sie außer sich in das Funkgerät und achtete nicht darauf, wie seltsam das klang.

„Was ist mit Ihnen. Sind Sie verletzt?“, fragte der Mann wieder.

„Das weiss ich nicht. Sie…sie sind wie weggetreten!“

„Wo genau befinden Sie sich!“

„Keine Ahnung. Ein Freund hat uns mit der Jacht hierhergefahren. Ich kann nicht sehen, wo wir sind!“

„Dann bleiben Sie, wo Sie sind, wir…!“

Mehr kam nicht mehr, da Eddy plötzlich aus seiner Starre erwachte und das Funkgerät zu Boden warf. Dies ging mit lautem Krachen zu Bruch und das Rauschen verklang. „Eddy, bist du noch ganz dicht?“, schrie Linda wütend, doch bevor sie ihn noch weiter dafür anschreien konnte, legte er die Hände um ihren Hals und begann zu drücken. Lindas Augen weiteten sich. Sie fasste nach seinen Hangelenken, um sich aus seinem Griff zubefreien. Doch so sehr sie auch daran zog, sie schaffte es nicht, sie von sich zu reissen. „E-Eddy…sp-spinnst du?“, fragte sie würgend. Mary lief zu ihm. Wollte ihrer Freundin helfen. Da wurde sie von Jason geschnappt und mit brutaler Kraft gegen die Wand des Führerhauses geschleudert. Mary verdrehte die Augen und sackte in sich zusammen. Als sie zu Boden hinterließ ihr Kopf eine blutige Spur. Jenni schrie entsetzt auf. „Was ist bloss in Euch gefahren?“, rief sie und sah zu den Jungs. Jason und Michael hatten sie umzingelt und jedem konnte sie ansehen, dass diese nicht mehr bei klarem Verstand waren. Dass sie womöglich umbringen würden. „Hey, Leute. Kommt wieder zu Euch. Ich bin es Jenni!“, rief sie verzweifelt und ihre Blicke huschten von einem zum anderen.

Sah in ihre Gesichter. In ihre Augen, in denen blanke Mordslust zu sehen war.

Jenni fragte sich, was in ihre Freunde gefahren war. Warum sie sie und die anderen Mädels angriffen?

Zu viel hatten sie doch auch nicht getrunken.

Jenni wich immer weiter zurück, bis sie gegen die Reling stiess und ihr damit der Fluchtweg versperrt war. Nach links und rechts, geschweige denn nach vorne konnte sie nicht, da Jason und Michael sie umzingelt hatten.

Kurz schaute sie über die Schulter, blickte zum Wasser hinunter und überlegte, ob sie es wagen und ins Wasser springen sollte. Doch als sie sah, wie weit es bis zum Ufer war, versagte ihr der Mut. Was machte sie jetzt?

Ihr Handy lag in einer Tasche auf einem Stuhl, hinter den drein Jungs. Also außer Reichweite.

Kurz schaute sie zu Mary und Linda. Mary war tot. Gestorben an der Kopfverletzung, die ihr Jason zugefügt hatte, als er sie gegen die Wand warf. Und Linda wurde immernoch von Eddy gewürgt.

Ihr Gesicht war schon blauangelaufen und ihre Versuche, sich aus Eddys Griff zubefreien, waren schwächer geworden. Eddy würgte sie immermehr und sie röchelte und verdreht die Augen. Dann erschlaffte sie und ihre Arme hingen an den Seiten hinab. Jenni wusste sofort, dass ihre Freundin tot war. „Nein!“, schrie sie.

Da barste das Wasser hinter ihr auf und etwas schoss aus der Fontäne hervor. Ein feiner Nieselregen ging auf sie nieder. Einige Sekunden späer erklang ein Fauchen über ihr und Jenni begann vor Angst zuzittern. Gegen jede Vernunft schaute sie nach oben und blickte in das grässliche Gesicht der Meerjungfrau, die ihren Mund geöffnet hatte und ihr ihre Fangzähne entblößte, die sich wie Dolche ihr entgegen streckten. Fauliger Gestank stieg aus ihrem Rachen hervor und Jenni glaubte bei diesem Anblick den Verstand zuverlieren. Mit ihrer letzten Kraft, stiess sie einen Schrei aus. Ehe sich die Meerjungfrau auf sie stürzte.
 

In allerherrgottfrühe machten wir uns auf den Weg zum Hafen und stiegen auf ddas Boot der Küstenwache, welches die dort angestellten Beamten zur Verfügung stellten. Zusammen mit ihnen fuhren wir auf das Meer hinaus. Weisse Wassertropfen spritzten auf, als der Buck das Wasser teilte und zu beider Seiten in schäumende weisse Streifen aufstiegen ließ. Fay und ich hatten es uns auf dem unteren Deck bequem gemacht, während Lex mit den beiden Männern sprach. Durch das Röhren des Motors konnten wir natürlich kein Wort verstehen. Es dauerte eine Weile, ehe Lex zu uns kam und sein Gesicht verriet uns, dass er schlechte Nachrichten hatte. „Gestern ging ein Funkspruch bei der Küstenwache ein. Irgendeine Gruppe von Jugendlichen musste wohl gestern einen Ausflug gemacht haben. Es waren sieben. Das Mädchen, was da sprach war außer sich. Als man sie fragte, was lossei, brach der Kontakt ab!“, erklärte er. Ich und Fay tauschten Blicke. Das klang gar nicht gut.

„Weiss man, wo genau diese Jugendlichen zur Zeit des Notrufs waren?“, fragte Fay dann. Lex schüttelte den Kopf. „Nein. Gerade als sie es sagen wollte, riss der Kontakt wie gesagt ab. Sie könnten überall sein. Sicherlich auch schon tot!“

Mir lief es kalt den Rücken hinunter.

Eine Weile fuhren wir umher. Versuchten etwas zu entdecken. Eigentlich wollten wir nach Hinweisen zum Versteck der Meerjungrau suchen, doch auch nach den Jugendlichen wollten wir Ausschau halten. Wenn sie wirklich tot waren, was ich eigentlich nicht hoffte, wollten wir ihre Überreste finden und sie zurück bringen, damit ihre Familien sie beisetzten konnten.

Ich fragte mich, was uns erwarten würde, wenn wir das Boot fanden?

Vermutlich ein Massaker. Und ich wollte nicht weiterdaran denken.

Wir fuhren eine Weile weiter, bis einer der Männer das Tempo drosselte. „Was ist los?“, fragte Lex über das Tosen und Röhren und der Mann deutete schräg in die Richtung vor uns. Jeder von uns musste die Augen zusammenkneifen, um etwas zusehen.

Gut und gern Fünfzehn Meter schwimmte etwas Weisses auf dem Wasser.

Das konnte nur eines sein: Das Boot der Jugendlichen!

Es brauchte keine weiteren Worte. Wir nahmen Kurs darauf und hielten dann neben diesen an. Wie zuerwarten war, war keiner zusehen. Zuerst dachte ich, sie hätten sich vielleicht versteckt, doch es genügte ein Blick zu Fay. Sie schien meine Gedanken gelesen zu haben und ihre Miene verdüsterte sich. Sicherlich war niemand unter Deck. Geschweige denn am Leben. Die Männer verteuten das Boot mit dem anderen und Lex kletterte als erster an Deck. Dann kamen ich und Fay. Zum Schluss die beiden Beamten. Die eine Seite, auf der wir standen war leer und wie gingen auf die andere Seite.

Wir alle hielten inne, sobald wir auf der anderen Seite waren und mir lief es kalt den Rücken runter. Es war überall. Blut. Wie ekelhaftes Gravity war es auf dem weiss des Bodens gespritzt. In mitten dieses Blutbades sah ich die Leiche eines jungen Mädchens. Sie war nicht älter, als ich. Sie musste mit dem Kopf gegen die Wand geknallt sein. Die Blutspur sprach deutlich dafür.

Ich wandte mich ab. Okay, eine Leiche haben wir schonmal gehört. Blieben nur noch sechs. „Suchen Sie alles ab. Vielleicht sind die anderen noch am Leben!“, wies Lex die Männer an und die Beamten machten sich an die Arbeit. Doch das was sie fanden, war eine weitere Leiche. Auch von einem Mädchen. Leiche Nummer 2.

Doch von den Jungs war nicht zusehen und wir drei, Lex, ich und Fay, wussten wer oder was sie geholt hatte.

Aber warum mussten die beiden Mädchen sterben? Schmeckten sie ihr nicht?

Wieviele Jungs und Mädchen wwaren es überhaupt gewesen?

Ratlos blickte ich mich um. Die Beamten suchten weiter, fanden jedoch niemanden.

„Sollen weitersuchen?“, fragte ich. Lex überlegte. „Naja, es könnte gut sein, dass es nur zwei Mädchen und fünf Jungs waren. Wenn dem so wäre, hätten wir die beiden gefunden und müssten uns nur noch…!“, da hielt Lex inne und schaute zu der Tür, die in die Kabine unter Deck führte. „Was ist?“, fragte Fay. „Schtttt!“, zischte er und zog seine Waffe, als er auf die Tür zuging. Dann hörten wir es auch. Ein Rumpeln und Poltern, als würde sich jemand oder etwas darin verstecken. Gespannt hielten ich und Fay die Luft an. Beobachteten wie Lex die Hand auf den Knauf legte und langsam daran drehte. Mit einem kleinen Klicken ging diese auf und mit einem heftigen Ruck riss er die Tür auf. Nur um im selben Moment zurück zweichen und so knapp dem Angriff eines wildschwingenden Küchenmessers zu entgehen.

Wild schreiend vor Angst stolperte das Mädchen hinaus und versuchte sogleich die Flucht zuergreifen. Doch Lex erwischte sie am Unterarm und wollte sie zu sich drehen. Das verstand sie wohl falsch, denn sie fuchtelte wild mit dem Messer und wollte ihn verletzen. Lex reagierte blitzschnell und schlug ihr mit einem heftigen Schlag das Messer aus der Hand.

„Nein, lasst…lasst mich los!“, schrie sie wie am Spiess. Lex hatte Mühe und Not sie festzuhalten und sie zu beruhigen. Was auch imme