In einem anderen Land von Tasha88 ================================================================================ Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- “So, jetzt erzähl mal.” Hailee reicht dem Kellner die Speisekarte zurück, ehe sie sich der ihr Gegenübersitzenden zuwendet. Elsa gibt ihre Speisekarte ebenfalls ab und nickt dem Kellner noch freundlich zu, ehe sie ihre Freundin anblickt. Mit Hailee hat sie sich seit ihrem ersten Tag verstanden. Sie beide haben sich schnell angefreundet und sie ist froh, dass sie jemanden hier hat, mit dem sie so gut klarkommt. Sicherlich wird sie ihr sehr fehlen, wenn sie wieder nach Japan zurückkehrt. Aber zum Glück dauert das noch ein bisschen. Natürlich hat sie ein wenig Heimweh und vermisst ihre Familie und Freunde zu Hause, aber sie weiß, dass sie so eine Chance nie wieder bekommen wird und dass es nur für eine gewisse Zeit ist, daher kann sie damit gut umgehen. “Was meinst du?”, fragt sie. “Mario. Freust du dich, dass er da ist? Ihr beide scheint euch ja ganz gut zu verstehen.” Schon spürt Elsa ihre Wangen warm werden. Schnell greift sie nach ihrem Glas Wasser und trinkt einen Schluck, um das zu überspielen. “Ja, natürlich. Es ist schön, ihn zu sehen. Ich meine, nicht nur, dass er ein bekanntes Gesicht ist, ich kenne ihn ja doch schon etwas länger.” “Mir ist da gestern auch etwas eingefallen”, erwidert Hailee, der Elsas Gesichtsfarbe nicht entgangen ist. “Ich habe dich doch schon mal gefragt, ob es da jemanden ganz Bestimmten für dich in Japan gibt.” “Gibt es nicht”, gibt Elsa sofort von sich. “Das weiß ich auch noch. Aber ich habe dich auch gefragt, ob es jemanden gibt, der dich interessiert.” Nun weiten sich Elsas Augen. Ihr scheint also auch noch mehr als bewusst zu sein, was sie damals geantwortet hat. “Du hast mit ja geantwortet. Und mir erzählt, dass du den besten Freund deines Bruders sehr magst. Mehr als magst.” “Hailee …” Diese sieht Elsa genau an, lässt sie nicht aus den Augen und nimmt jede noch so kleine Regung auf. “Und ist Mario nicht der beste Freund deines Bruders? Kombiniere ich das zufälligerweise richtig, wenn ich da jetzt eins und eins zusammen zähle? Du magst den besten Freund deines Bruders. Mario ist der beste Freund deines Bruders. Ergo magst du Mario. Also?” Und nun laufen Elsas Wangen hochrot an. “D-das … also das … ist …” “Hah!” Grinsend deutet Hailee mit ihrem Zeigefinger auf sie. “Er ist es wirklich!” Da Elsa kein Wort hervor bekommt sondern ihr Mund sich nur öffnet und schließt, ohne dass ein Ton hervorkommt, sieht sich ihre Freundin endgültig in ihrer Feststellung bestätigt. Doch noch ehe sie etwas Weiteres sagen kann, bringt der Kellner die von ihnen beiden bestellten Salate. Doch kaum dass der Kellner weg ist, lässt Hailee sich nicht mehr abhalten. Sie greift nach ihrer Gabel. “Also, was willst du jetzt machen?”, fragt sie, ehe sie ein Salatblatt aufspießt und es sich in den Mund schiebt, ihren Blick dabei nicht von ihrer Gegenüber nimmt. “Was soll ich denn machen?”, fragt Elsa zurück und zuckt mit ihren Schultern. “Na ja, er ist hier, du bist hier. Das solltest du nutzen. Erobere ihn.” Schon runzelt Elsa ihre Stirn. “Hailee. Ich habe keine Ahnung, wie er mich sieht. Ich bin die Schwester seines besten Freundes, mehr vermutlich nicht.” “Ach ja? Hatte sich da nicht fast mal was zwischen euch entwickelt?” “Das war in der Grundschule. Und auch in der Mittelschule, okay. Aber da waren wir wie alt? Mit fünfzehn sind wir auf die Oberschule gegangen und dann war es das irgendwie. Und das ist auch schon sieben Jahre her. Er hatte in der Zeit seitdem sogar Freundinnen. Also wenn er Interesse an mir gehabt hätte, dann hätte er da noch Chancen bei mir gehabt. Er hat allerdings keinerlei Andeutungen gemacht. Und ich habe keine Ahnung, ob er aktuell vergeben ist.” “Das lässt sich doch einfach herausfinden.” “Hailee, ich weiß nicht, ob …” “Ob was? Ob du etwas mit ihm anfangen sollst? Elsa, du wirst rot, wenn ich dich auf ihn anspreche. Gut zu verstehen scheint ihr euch ja, auch wenn ich teilweise kein Wort von dem verstehe, was ihr da redet. Vielleicht sollte ich doch mal japanisch anstelle von spanisch als Fremdsprache lernen.” “Bringt dir dann etwas, wenn du mich in Japan besuchst”, stimmt Elsa trocken zu. “Unter anderem. Oder auch, euch beiden zu lauschen.” “Da gibt es nichts, was sich zu belauschen lohnt! Wir reden über alltägliche Sachen. Und über meinen Bruder.” “Dann solltest du die Gesprächsinhalte wechseln. So was wie: Hey Mario, hast du eine Freundin? Nein? Ach, cool. Willst du mit mir ausgehen? So etwas ungefähr.” “Hailee.” “Ja, so heiße ich. Wobei ich mir überlege, meinen Namen zu ändern. So oft, wie du ihn in diesem Gespräch erwähnst, gefällt er mir langsam nicht mehr. Hört sich irgendwie seltsam an.” “Hailee …” “Genau das meine ich, hast du es auch gehört? Hailee, Hailee, Hailee … Je öfter man etwas sagt, desto komischer wird es …” “Hailee”, versucht Elsa erneut, das Wort zu ergreifen. “Ich mag Mario, ja. Ich denke, wir können auch wieder gute Freunde werden. Aber mehr sollte ich gar nicht erst versuchen, immerhin haben wir noch einige Monate hier zusammen zu verbringen. Wie komisch ist das, wenn er mir einen Korb gibt und ich dann monatelang mit ihm zusammen arbeiten soll. Das kann nicht gut gehen. Also lassen wir es, wie es ist. Vielleicht sind das auch noch irgendwelche kindlichen Schwärmereien von mir. Und mich sieht er inzwischen sicherlich anders.” “Hmm …” “Hailee, versprich mir, nichts Dummes zu machen.” “Ich verspreche überhaupt nichts.” “Was bedeutet, dass du auf jeden Fall etwas Dummes machen wirst!” Schon zuckt Hailee mit ihren Schultern und um nicht antworten zu müssen, schiebt sie sich schnell etwas von dem Baguette, das zum Salat serviert wurde, in den Mund. Ein Seufzen entkommt Elsa. In den letzten Wochen hat sie die junge Frau doch etwas näher kennengelernt. “Bitte, bitte, bitte.” Sie legt ihre Hände vor sich mit den Handflächen zusammen. “Mach nichts, was es peinlich werden lässt! Ich werde Mario nämlich auch zukünftig und nach diesem Projekt noch einigermaßen regelmäßig sehen und es wäre schön, dass ich das könnte, ohne dabei jedes Mal im Boden versinken zu wollen.” Ein Seufzen entkommt Hailee, die ihren Kopf schüttelt. “Schon gut”, gibt sie von sich. “Ich gebe mir Mühe, dir dein Leben nicht peinlicher zu machen, als es ist.” “Danke dafür, das ist …” Elsa stockt. “Hey, was soll das denn heißen?” Auf die Frage enthält sie jedoch nur noch ein Prusten. ~~~ “Wir sind zurück!”, hallt Hailees Stimme laut durch den Raum. “Ist bei dir zumindest nie zu überhören, Hailee.” Michaels Mundwinkel zucken, was man hinter seinem Bart gerade so erkennen kann. Das amüsierte Funkeln in seinen Augen ist noch sehr viel aussagekräftiger. “Ach, ohne mich wäre es hier auch wirklich langweilig.” Schon winkt die Studentin ab, ehe sie sich auf ihren Platz fallen lässt. “Auch das kann ich auf keinen Fall verneinen.” Michaels Stimme ist trocken. Elsa ist nicht die Einzige, die auf diese Aussage lachen muss. Mario, der neben Michael sitzt, lässt seinen Blick durch den Raum gleiten. Die Stimmung hier ist eigentlich perfekt. Er fühlt sich wohl, auch wenn es erst sein zweiter Tag ist. Das Miteinander scheint super zu sein. Alle verstehen sich recht gut, die Stimmung ist gelöst und immer wieder macht irgendjemand Witze. Und Michael ist ein Professor, wie er sie gerne öfter gehabt hätte. Seine Beziehung zu den anderen ist locker, sie scheinen gerne zu ihm zu kommen. So müsste es immer sein, das würde viel vereinfachen. In Japan ist es anders - dort sind alle Professoren mehr als nur Respektspersonen. Also nicht, dass Michael das nicht ist, aber der Umgang macht vieles aus. Vielleicht muss er eine seiner Vorlesungen besuchen. Auch wenn er keine Vorlesungspflicht während des Praktikums hat, kann er sicher in die ein oder andere gehen. Er fragt einen der anderen. Wie von selbst landet seine Augen auf Elsa. Diese sieht in dem Augenblick auf, so dass sich ihre Blicke treffen. Kurz huscht ein Lächeln über ihre Züge, ehe sie sich wieder dem Bildschirm vor sich widmet. “Also Mario, schau mal. Meinst du, es ist möglich, dass man im Programm eine Art Zwischenprogramm einfügt? Ich habe wirklich keine Ahnung. Was ich mir vorstelle ist, dass wenn man auf Schaltfläche X drückt, man die Daten hier”, Michael deutet auf eine Spalte der vor ihm liegenden Unterlagen, “sieht und dann auf Schaltfläche Y, diese Daten hier auftauchen. Und dann noch eine Schaltfläche Z, wo die Daten von XY gemeinsam aufgezählt werden.” Mario unterdrückt ein Schmunzeln. “Klar, gar kein Problem. Aktuell beschreibst du mir noch eine bessere Excel-Tabelle.” Schon winkt der Professor neben ihm ab. “Bleib mir mit Excel weg! Mit dem stehe ich auf Kriegsfuß.” “Was der Grund ist, dass wir hier alles in Excel eintragen!”, ruft Alex quer durch den Raum. “Und ich würde sagen”, erklingt Brandons tiefe Stimme, “bleib nicht mit Excel von Michael, sondern mit Michael von Excel weg.” “Hey, ich wollte euch doch nur einmal helfen”, wehrt dieser sich sofort. “Deine Hilfe hat fast dafür gesorgt, dass alle Daten, die wir wochenlang mühsam von Hand erfasst haben, gelöscht waren. Ich stimme Brandon zu”, Jake sieht über seinen Bildschirm zu Mario, “halte Michael von unseren Computerprogrammen fern!” “Ich denke”, gibt Mario überrascht von sich, “das bekomme ich hin.” Und dann tut er etwas, das er sich zu Hause mit einem japanischen Professor niemals getraut hätte. Er stellt seinen Fuß gegen dessen Schreibtischstuhl und schiebt ihn nach hinten, weg von seinem Computer. Kurz herrscht Stille im Raum, dann erklingt lautes Gelächter und Prusten. Michael klopft Mario mit seiner großen Hand auf die Schulter, während er sich mit seiner anderen eine Lachträne aus dem Augenwinkel wischt. “Ich sehe, du passt gut in unser Team. Also noch einmal: Willkommen bei den Chaoten.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)