Auszüge aus dem Leben von Verge (Don't judge my choices without understanding my reasons) ================================================================================ Verantwortung und Unterstützung [Henry] --------------------------------------- Als Henry aus dem Fenster der Limousine sah, kam ihm nur der Gedanke, wie passend doch das Wetter war. Es regnete und er kam gerade vom Friedhof. Mit einem Seufzen lehnte er seinen Kopf gegen die Kopfstütze und schloss die Augen. “Alles in Ordnung, Herr von Weißenstein? Soll ich einen Umweg fahren?”, erklang eine Stimme von vorne. Henry öffnete die Augen und sah zu seinem Chauffeur. “Nein, alles in Ordnung. Fahren Sie weiter.” Seit drei Tagen war Henry fast ununterbrochen auf den Beinen. Die wenige Zeit, die er schlief, war meistens dann, wenn er im Auto saß und irgendwo hingefahren wurde. Manchmal machte sein Chauffeur absichtlich Umwege, damit Henry ein paar Minuten länger Zeit hatte, Ruhe zu finden. Heute, vor nicht gerade einmal einer Stunde, hatte er seinen Vater zu Grabe getragen. Friedrich von Weißenstein war im Alter von 58 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Und gerade jetzt war der Sohn dieses großen Geschäftsmannes heillos überfordert mit allem, das auf ihn zukam. Seit dem Tod seines Vaters vor nicht einmal einer Woche war das große Chaos in der Firma ausgebrochen. Die Partner sprangen ab, aus Sorge, dieser ‘Grünschnabel ohne Ahnung’ würde die Firma zu Grunde richten. Schnaubend betrachtete Henry die Regentropfen auf der Fensterscheibe. Als ob er das Andenken seines Vaters so beschmutzen würde. Er wurde seit Jahren auf diesen Moment vorbereitet. Und doch machte Henry sich Sorgen, ob er dem wirklich gewachsen war. Er sollte ein Imperium leiten. Nicht nur ein kleines Geschäft, nein, durch seine Hände würden Millionen und Milliarden fließen und tausende Jobs hingen mit seinem Erfolg zusammen. Würde Henry scheitern, würden Familien plötzlich ohne Einkommen dastehen. Die Verantwortung, die plötzlich auf seinen Schultern lastete, erdrückte ihn fast. Ein Kloß bildete sich in Henrys Hals und schnell hatte er das Fenster etwas herunterfahren lassen, damit ihm frische Luft ins Gesicht preschen konnte. Nach einigen Atemzügen verschwand der Druck auf seinen Lungen wieder und Henry schloss das Fenster. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er noch zwei Stunden Zeit hatte, ehe er die Gedenkfeier eröffnen sollte. Als einziger verbliebener Verwandter war es an ihm, alles zu organisieren, die Beerdigung zu managen und auch jede Beileidsbekundung ertragen. “Wir sind da.” Henry schreckte auf und sag sich desorientiert um. Sie standen bereits in der Tiefgarage des Hauptsitzes der Weißenstein Industries. Müde rieb sich Henry über die Augen. “Ich bin eingenickt…Wie lange stehen wir schon hier?” “Eine gute Stunde”, wurde dem jungen Geschäftsmann erklärt, was ihn zum schmunzeln brachte. “Ich danke Ihnen , Gerhard.” Auch wenn Henry sich immer noch gerädert fühlte, stieg er entschlossen aus dem Auto und verabschiedete sich fürs erste von seinem Chauffeur. Nachdem Henry die Garage verlassen hatte, wurde ihm mit einem Nicken bereits die Tür geöffnet. Er wurde erwartet. Die Sekretärin seines Vaters - nein, nun war sie seine - empfing ihn. “Henry, ich weiß dass du viel zu tun hast, aber für diese Verträge brauche ich dringend deine Unterschrift.” Viktoria war bereits vor Jahren immer nett zu ihm gewesen und als er dann als neuer Vorsitzender und Geschäftsführer eintrat, hatte er ihr verboten, ihn nun mit ‘Herr von Weißenstein’ anzusprechen, da sie es seit Jahren nicht tat. Er empfand es als nicht richtig. Ohne wirklich darauf zu achten, was genau er unterschrieb, setzte Henry seine Unterschrift, während sie mit dem Fahrstuhl in die oberen Etagen fuhren. “Sehr gut. Komm her, wie siehst du denn aus?!” Viktoria fing an, an seiner Krawatte herumzunesteln und seine Frisur zu richten. “Du solltest eigentlich alt genug sein, mal ordentlich auszusehen, meinst du nicht?” Sie nahm seine Hände und drückte sie kurz. “Du schaffst das. Keiner wäre dem so gewachsen wie du.” Henry lächelte ihr dankbar zu. Es tat gut, dies zu hören. “Ich gebe mir Mühe, das Imperium, dass meine Familie aufgebaut hat, nicht untergehen zu lassen.” Entschlossen trat Henry aus dem Fahrstuhl. Er wollte dieser Verantwortung gerecht werden, auch wenn er sein eigenes Wohl dabei hinten anstellen musste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)