Absolute beginners von yamimaru ================================================================================ Kapitel 8: Von Zombies und (schlechten) Träumen ----------------------------------------------- - ACHT - Von Zombies und schlechten Träumen     „Oh mein Gott! Hinter dir! Tatsuro! Nein, jetzt rechts … das andere Rechts!“   „Yukke, jetzt hör doch mal auf“, entgegnete Tatsuro halb genervt, halb lachend und hämmerte auf die Tasten seines Controllers ein. Im nächsten Moment entkam ihm jedoch selbst ein erschrockener Laut, als ein Schatten am Rande seines Gesichtsfeldes auftauchte. „Uwa~! Verdammt, das war knapp.“   Erneut versuchte er sich wegzuducken, als die verwesten Arme eines Zombies nun von links nach ihm grapschten. Eine vergebliche Aktion, wie er keinen Augenblick später feststellen musste, denn die VR-Brille schaffte zwar eine erstaunlich realistische Umgebung, reagierte jedoch nur mit Bewegung, wenn er die passenden Knöpfe auf dem Controller drückte. Diesen Fehler hatte er in den letzten Minuten bereits öfter gemacht und war dementsprechend schon dreimal gestorben. Yukkes panische Ausrufe, immer wenn ihm ein Gegner zu nahe kam, trugen auch nicht gerade dazu bei, dass er sich besser auf das Spiel konzentrieren konnte. Verärgert knurrend nahm er die VR-Brille ab, als blutige Lettern von oben herab über sein Blickfeld rannen und verkündeten, dass er erneut gestorben war.   „“Woa“, stieß er hervor und ließ sich mit einem hörbaren Ausatmen nach hinten auf das Sofa neben seinen Mitbewohner fallen. „Ich hätte nicht gedacht, dass das so anstrengend ist.“   „Tut mir leid, ich hätte mir meine unqualifizierten Kommentare besser sparen sollen, was?“ Yukke schenkte ihm ein schiefes Grinsen und sah dabei so herrlich zerknirscht aus, dass Tatsuro nicht anders konnte, als den Arm um ihn zu legen und ihn gegen seine Seite zu ziehen.   „Ach was, das macht es doch erst interessant. Willst du auch mal?“   „Ich? Im Leben nicht.“ Heftig schüttelte Yukke den Kopf, bevor er sich wieder gegen ihn lehnte. „Vermutlich bekomme ich heute Nacht kein Auge zu, weil mich im Traum Zombies verfolgen.“   „Verstehe, du bist wohl kein Fan von Horror-Games?“   „Ich bin kein Fan von Horror-Irgendwas. Mir ist selbst dein Roman stellenweise zu unheimlich.“   Tatsuro versuchte, sein Kichern zu unterdrücken, schaffte es jedoch nicht wirklich und kassierte einen spitzen Ellenbogen zwischen die Rippen dafür. „Autsch.“   „Lach mich nicht aus.“   „Ich lach dich nicht aus, ich lach dich an.“   Yukke hob den Kopf und die rechte Braue gleichermaßen. „Das ist der dämlichste Spruch, den ich je gehört habe.“   „Wo du recht hast, hast du recht. Das war gerade wirklich keine sprachliche Meisterleistung. Aber mal zurück zum Thema, warum hast du nicht gesagt, dass du keine Horrorspiele magst?“   „Du warst so begeistert, als du das Game entdeckt hast, da wollte ich kein Spielverderber sein.“   „Ach Yukke.“ Tatsuro lächelte auf den kleineren Mann herab und ließ es sich nicht nehmen, einen schnellen Kuss auf seine Schläfe zu drücken. Die Wangen seines Mitbewohners röteten sich, eine Reaktion, die sich Tatsuro insgeheim erhofft hatte, bevor Yukke einladend das Kinn hob. Ihre Blicke trafen sich. Zwei Herzschläge ließ er verstreichen, um sicherzugehen, dass er nichts in das Verhalten des anderen hineininterpretierte, was nicht da war. Erst dann senkte er den Kopf, berührte nur sacht Yukkes Lippen mit den eigenen. „Wir können etwas anderes zocken, wenn du magst?“   „Das ist eine gute Idee.“ Jede Silbe war wie ein Streicheln, ein neckendes Kitzeln, das ihn anlockte und aufforderte, mehr zu tun.   „Beat Saber? Das können wir auch gegeneinander spielen.“   „Wir finden doch sicher auch etwas, was wir miteinander spielen können, oder?“   Tatsuro schloss die Augen und verkniff sich das Seufzen, welches mit Nachdruck in seiner Kehle kitzelte. Machte Yukke das mit Absicht? Wieso sagte er solche Dinge? Oder war es seine eigene Schuld, weil er Zweideutigkeiten aus den Worten des anderen heraushörte, wo in Wirklichkeit keine waren?   „Wir finden sicher etwas.“ Wenn es nach ihm ging, hatten sie für den Moment ohnehin genug gespielt – und dies bezog sich ausnahmsweise nicht auf das im Hintergrund dudelnde Game, mit dem sie sich die letzten Stunden die Zeit vertrieben hatten. Tatsuro lehnte sich mehr gegen den warmen Körper, schob eine Hand in Yukkes Nacken und begann, den anderen endlich richtig zu küssen. Yukkes hingerissenes Seufzen war wie Musik in seinen Ohren und verleitete ihn dazu, mit den Fingerspitzen forschend unter das weite Shirt des anderen zu gleiten. Yukke erschauerte und eine feine Gänsehaut erblühte unter Tatsuros forschenden Fingerspitzen. Ein leises Keuchen bahnte sich seinen Weg zwischen ihren Lippen hindurch, als sich Yukkes Zunge schüchtern in seinen Mund vorwagte und kitzelnd ihr Gegenstück zu erkunden begann. Tatsuro fühlte sich, als würde sein Körper langsam in warmen, zähen Honig versinken und gleichzeitig feuerte jedes Nervenende in seinem Körper, als gäbe es kein Morgen mehr. Er stand unter Strom, wollte mehr und gleichzeitig wagte er es kaum, sich zu bewegen, aus Furcht, dieses unwiderstehliche Gefühl der bedingungslosen Nähe zwischen ihnen ungewollt zu zerstören. Es fühlte sich so fragil an, Yukke zu küssen. Fragil und gleichzeitig richtiger, als sich je ein Kuss angefühlt hatte.   ~*~   Wie viel Zeit verstrichen war, hätte er nicht sagen können. Was er jedoch mit Sicherheit sagen konnte, war, dass es viel zu schnell vorbei war, als sich sein Mitbewohner leise seufzend von seinen Lippen löste und wieder etwas Abstand zwischen sie brachte. Tatsuros Lider weigerten sich, sich zu öffnen, erst ein warmer Finger, der die Kontur seines Mundes nachzeichnete, holte ihn in die Realität zurück. Er erwiderte Yukkes Lächeln vielleicht etwas zu breit, denn erneut hob sich eine feine Augenbraue, als er fragend gemustert wurde.   „Ich habe schon so oft geschrieben, wie meine Charaktere sich fühlen, wenn sie geküsst werden. Ich habe Worte wie schwerelos, elektrisiert oder betrunken benutzt, aber erst jetzt weiß ich, dass man sich tatsächlich so fühlen kann.“   Yukkes Mund öffnete sich leicht, als hätte er etwas erwidern wollen, aber mit einem sachten Kopfschütteln schloss er ihn wieder. Nur ein kleines Lachen war zu hören, bevor sein Oberkörper langsam nach vorn kippte, bis seine Stirn gegen Tatsuros Brust lehnte.   „Was ist?“, fragte er und kraulte mit der freien Hand über Yukkes Nacken, während seine Rechte noch immer wirre Muster auf der nackten Haut seines Rückens zeichneten.   „Mir ist nur gerade bewusst geworden, dass ich in einem Wortgefecht gegen dich nie eine Chance haben werde.“   „Ehm, okay, das nenne ich mal einen Gedankensprung, aber gut. Ist das etwas Schlimmes?“   „Das weiß ich noch nicht, aber … ich hätte unglaublich gern die Zeit, es herauszufinden.“   In Tatsuros Magen begann es, verräterisch zu kribbeln, und reflexartig verstärkte er die lockere Umarmung, in der er Yukke noch immer hielt. „Soll das heißen, was ich denke, dass es heißt.“   „Und dahin ist seine Eloquenz, vielleicht bin ich doch nicht so chancenlos.“ Yukke kicherte und nippte an der Haut seines Halses, was Tatsuro spürbar erschauern ließ. „Aber ja, du hast mich schon richtig verstanden. Ich würde dem hier …“ Yukke richtete sich auf und machte eine wage Handbewegung zwischen ihnen. „Gerne eine Chance geben.“   „Das will ich auch.“   „Aber langsam.“   „Im Schneckentempo, wenn es sein muss.“ Tatsuro sah seinem Mitbewohner … jetzt wohl eher festem Freund, direkt in die Augen und glaubte beinahe die Wärme und Zuneigung, die in ihnen lag, anschwellen zu sehen, wie eine Welle, die immer höher stieg. Würde sie irgendwann brechen, abschwellen und verschwinden, wie die Ebbe, die das Meer mit sich nahm, oder würde sie bestehen bleiben? Innerlich schüttelte er über seine pseudopoetischen Gedanken den Kopf. Wer wusste schon, was die Zukunft brachte. Yukke war genau in diesem Augenblick bei ihm und sah ihn mit diesen warmen Augen an, in denen die wachsende Zuneigung für ihn nicht deutlicher hätte geschrieben stehen können. Wer brauchte da einen Blick in die Zukunft? Er sicher nicht.   „Na ja, ein bisschen schneller darf es schon gehen.“ Yukkes Grinsen war ansteckend und das kleine Küsschen auf seiner Nasenspitze süßer als jede Liebesbekundung.   Was war dieses Gefühl nur, dass an seinem Herzen zog? Wieso wärmte ihn Yukkes Lächeln, wie eine heiße Tasse Kaffee am Morgen? Warum war dieser Kerl, dieser Skater Boy, der aussah, als dürfte er noch nicht einmal legal Alkohol trinken, der attraktivste Mann, den er seit Langem gesehen hatte? Er kannte die Liebe, die man für einen Freund empfinden konnte. Er war vertraut mit der Lust, die das Zusammenleben mit Hazuki geprägt hatte und sogar mit dem leiseren Gefühl der Verehrung, das ihn überhaupt erst in die Arme des Älteren getrieben hatte, aber das hier? Dieses zarte Band, welches sich zwischen Yukke und ihm zu formen begann, war umso vieles wertvoller. Er hatte nie geglaubt, etwas so Kostbares vom Leben erwarten zu dürfen, doch hier war es, er musste nur danach greifen und es nie wieder loslassen.   „Tatsuro?“ Ein Daumen streichelte über seine Braue und er lehnte sich in die Berührung, Yukkes Handfläche warm an seiner Wange. „Da bist du ja wieder.“   „Wie?“   Yukke zuckte mit den Schultern, richtete sich auf und erhob sich von der Couch. „Du sahst aus, als wärest du Meilen weit weg. Langweile ich dich etwa?“   „Was? Nein! Ich hab nur …“   „Irgendwie glaube ich dir nicht.“ Yukke verschränkte die Arme vor der Brust und sah mit strenger Miene auf ihn herab. Nun ja, seine Miene wäre streng gewesen, hätten seine Mundwinkel nicht bereits nach drei Sekunden verräterisch zu zucken begonnen. Himmel, konnte dieser Mann noch niedlicher sein?   „Ich könnte dir zeigen, wie aufmerksam ich sein kann.“ Die Worte entkamen ihm beinahe geschnurrt, als er beide Hände an Yukkes schmale Taille legte und langsam das weite T-Shirt nach oben schob, bis er einen erneuten Blick auf die gebräunte Haut seines Bauches werfen konnte. Oh wie ihn dieser schmale Streifen nackter Haut vorhin schon gereizt hatte. Wie gern er nun seine Lippen …   „Schon gut, schon gut, ich glaub dir ja.“ Lachend trat Yukke einen Schritt zurück, befreite sich von seinen Händen, nur um ihm einladend die Rechte entgegenzustrecken.  „Wir sollten ins Bett gehen. Es ist schon spät und du musst morgen dringend an deinem Roman weiterschreiben, sonst verpasst du auf den letzten Metern doch noch die Deadline deines Verlegers.“   „Aber …“ Tatsuro blinzelte nach oben und versuchte mit aller Macht, das Gefühl der Ablehnung zu unterdrücken, das wie gift in seine Gedanken kriechen wollte. Warum hielt Yukke ihn plötzlich auf Abstand, hatte er etwas falsch gemacht?   „Bitte, Tatsuro, ich … Es ist nicht böse gemeint, aber …“   Wieder waren es die ausdrucksstarken Augen, die ihn gefangen hielten und gleichzeitig den Anflug der Selbstzweifel verwischten. Langsam. Yukke wollte die ganze Sache langsam angehen. Natürlich.   Er rollte übertrieben mit den Augen, schnaubte, aber konnte das Zucken seiner Mundwinkel kaum unterdrücken. „Na schön … Mama“, murrte er wie das verzogene Kleinkind, als das ihn Sato gerne bezeichnete und grinste, bevor er Yukkes Hand in die seine nahm und sich auf die Beine helfen ließ. Kaum stand er, bohrte sich ein spitzer Zeigefinger zielstrebig zwischen seine Rippen und ließ ihn japsend nach Luft schnappen. „Was sollte das denn?“   „Tja, das kommt davon, wenn du so frech bist.“   „Ich werde es mir merken“, jammerte er übertrieben und rieb über die gepiesackte Stelle, während Yukke bereits geschäftig damit begonnen hatte, das VR-System herunterzufahren.   ~*~   Wenig später standen sie vor Yukkes Zimmertür und schafften es nicht, sich gute Nacht zu sagen. Immer wieder fanden ihre Lippen zueinander, konnte Tatsuro es nicht lassen, den anderen zu streicheln oder ihn näher gegen sich zu bringen. Womöglich sollte er ihn einfach fragen, ob sie nicht gemeinsam in einem Bett schlafen wollten, das würde dieses Theater hier eindeutig abkürzen. Andererseits machte es Spaß und war urkomisch, sich noch einmal wie ein nervöser, unsicherer Teenager zu fühlen, der es einfach nicht übers Herz brachte, seine Flamme gehen zu lassen.   „Gute Nacht“, nuschelte Yukke zum zigsten Mal und versuchte mit eher mäßigem Erfolg, die Finger von ihm zu lassen.   „Gute Nacht“, echote er, mehr um seinen Freund zu bespaßen, und nicht, weil er sich ernsthaft verabschieden wollte. Wieder fanden ihre Lippen zueinander, aber diesmal drückten ihn Yukkes Hände nach wenigen Minuten auf Abstand. Leise seufzend ließ er es geschehen und erwiderte das schiefe Grinsen, das seinen Freund nun wirklich wie einen Lausebengel aussehen ließ.   „Ich meine es ernst, gute Nacht, Tatsuro.“   Tatsuro räusperte sich, ging noch einen halben Schritt zurück und ergriff Yukkes Hand, die er schmunzelnd an seine Lippen führte. „Dann auch dir eine gute Nacht.“ Über Yukkes Handrücken hinweg sah er ihm tief in die Augen, berührte die Knöchel seiner Finger kaum spürbar mit den Lippen und sah mit Genugtuung, wie sich die Wangen des anderen nicht zum ersten Mal an diesem Abend herrlich röteten.   „Du bist unmöglich.“   „Ich weiß.“   „Schlaf gut.“   „Du auch und träum von mir.“   „Das hättest du wohl gerne.“   „Worauf du wetten kannst.“   ~*~   Die weißen Seidenbezüge seines Bettes boten einen herrlichen Kontrast zu Yukkes leicht gebräunter Haut. Tatsuro konnte den blick nicht von ihm lösen, jedes Streicheln langer Finger, jedes Rekeln zu viel für sein erhitztes Gemüt und doch nicht genug. Die warmen Augen des anderen waren auf ihn gerichtet, während seine rechte immer tiefer und tiefer glitt, dem Zentrum der eigenen Lust gefährlich nahekam, bevor sie sich wieder zurückzog.   Oh nein, nicht mit ihm. Tatsuro schüttelte den Kopf, als sich auf die jungenhaften Züge ein verruchtes Lächeln legte. Yukke wusste genau, was er ihm mit dieser Hinhaltetaktik antat, aber genug war genug. Mit zwei langen Schritten war er am Bett angelangt, hatte seine Position als Voyeur aufgegeben, und sich über den kleineren Mann geschoben.   „Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr zu mir kommen“, raunte Yukke, die Lippen so nah an Tatsuros eigenen, dass er jede Silbe spüren konnte.   „Dein Tempo ist nicht auszuhalten“, knurrte er, schnappte mit den Zähnen nach Yukkes Unterlippe und biss nicht allzu zärtlich hinein, bevor er ihn tief und innig zu küssen begann. Sein Körper stand in Flammen, prickelte und kribbelte dort, wo sich ihre nackte Haut berührte. Yukke hob das Becken, presste seine Härte gegen Tatsuros Oberschenkel und stöhnte hemmungslos in ihren Kuss.   „Dann mach etwas dagegen“, keuchte er und ließ nun seinerseits Tatsuro die Zähne spüren.   „Worauf du wetten kannst.“ Er grinste auf den anderen herab, als er sich provokativ an seinem Körper entlang nach oben schob, um an die Schublade des Nachttischs heranzukommen. Erneut stöhnte Yukke auf, Finger krallten sich in Tatsuros Schulterblätter und verpassten ihm damit einen wohligen Schauer.   „Beeil dich.“ Fahrig wühlte er in der Lade, begleitet vom ... rhythmischen Klopfen auf Holz? Was zum …? „Tatsuro~“ Immer hektischer wurde sein Kramen, doch gleichzeitig schien er vergessen zu haben, wonach er suchte. Wieder fiel sein Blick auf Yukke, hielten ihn die lustgetränkten Augen gefangen, als sich die rosigen Lippen teilten und …   „Tatsuro, kann ich reinkommen?“   „Was?“, nuschelte er in sein Kopfkissen und brauchte einen Moment, um sich bewusst zu werden, dass er gerade in seinem Bett aufgewacht war. Yukke war verschwunden, jedoch nicht die Hitze, die sich in seinem Unterleib gesammelt hatte. Er keuchte, als sich seine Finger reflexartig fester um seine Härte schlossen.   „Tatsuro?“ ‚Oh fuck‘, seine Augen weiteten sich, als er Yukkes Stimme hörte und das untrügliche Knacken, mit dem der Griff der Schlafzimmertür heruntergedrückt wurde. „Tatsuro?“ Wieder flüsterte der andere, wohl nicht sicher, ob er tatsächlich wach war.   Tatsuro brummte in der Hoffnung, verschlafen und nicht kurz vor einem Höhepunkt stehend zu klingen.   „Mann, bin ich froh, dass du wach bist. Darf ich reinkommen?“   „Was ist denn los?“, nuschelte er, zog mit zusammengebissenen Zähnen seine Hand aus seiner Shorts und setzte sich bemüht verschlafen wirkend auf. „Ist was passiert?“   „N… nein, eigentlich nicht.“   „Und uneigentlich?“ So unangenehm die Situation für ihn gerade war, konnte er doch nicht umhin, Yukkes Stammeln unheimlich niedlich zu finden.   „Uhm … ich … also …“ Im schummrigen Licht, dass durch die nur halb zugezogenen Vorhänge in den Raum fiel, konnte er erkennen, wie Yukke unangenehm berührt die Hände knetete. Langsam dämmerte ihm, was Sache war und unwillkürlich legte sich ein breites Grinsen auf seine Lippen.   „Sag nicht, dass du nicht schlafen kannst.“   „Daran ist nur dieses Spiel schuld“, jammerte sein Gegenüber und klang nun wirklich wie ein kleiner, zu tiefst missverstandener Junge.   „Und, was soll ich nun dagegen tun?“ Es war einfach zu schön, den anderen zu necken, auch wenn alles in ihm danach verlangte, einladend die Bettdecke anzuheben, damit Yukke darunter krabbeln konnte. Allein die Vorstellung, ihn neben sich zu wissen, ihn halten zu können … Ein eindeutiges Ziehen in südlichen Gefilden erinnerte ihn daran, warum es eine eher schlechte Idee war, Yukke ausgerechnet jetzt in sein Bett einzuladen.   „Kann ich heute Nacht bei dir schlafen?“   Oh nein. Da waren sie also, die Worte, denen er nicht einmal hätte widerstehen können, würde sein Leben davon abhängen.   Bemüht unauffällig zupfte er seine Shorts zu Recht, bevor er die Beine über die Bettkante schwang und hoffte, Yukke würde seinen Zustand im Dämmerlicht nicht bemerken. „Klar, mach es dir bequem, ich bin gleich wieder da.“   Sich an Yukke vorbei zu schieben, war eine Kraftanstrengung sondergleichen. Hatte der andere schon immer so gut gerochen? Und hatte sein Körper schon immer diese anziehende Wärme ausgestrahlt? Lange Finger legten sich auf seine Brust, auf seine gänzlich unbekleidete Brust, und verpassten ihm damit beinahe einen Herzinfarkt.   „Tut mir wirklich leid, ich wollte dich nicht wecken, aber …“   „Schon gut“, murmelte er, streichelte über Yukkes zerzaustes Haar, das wirklich so aussah, als hätte er sich Stunden im Bett hin und her gewälzt. „Leg dich hin, bin gleich wieder da.“   „Danke.“ Warme Lippen pressten sich auf seinen Mund, doch er löste sich fast augenblicklich und ging auf Abstand.   „Sorry, die Sache ist wirklich dringend.“ Er schenkte dem anderen noch ein schiefes Grinsen, bevor er in Richtung Bad eilte, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter ihm her.   Das Yukke ihm mit leicht schief gelegtem Kopf nachsah und sich ein wissendes Lächeln auf seine Lippen gestohlen hatte, hatte Tatsuro zu seinem eigenen Glück nicht mehr mitbekommen. Die Scham war auch so groß genug, als er mit wild pochendem Herzen gegen die Badezimmertür gelehnt dastand und alle Entscheidungen, die ihn zu diesem Punkt in seinem Leben geführt hatten, ernsthaft infrage stellte. Ob es zu auffällig war, sich nun unter die kalte Dusche zu stellen? Vermutlich schon.   ~*~   Letzten Endes hatte er sich nur sehr, sehr viel Zeit gelassen, bevor er wieder ins Schlafzimmer zurückgegangen war. Ein Teil in ihm hoffte, dass Yukke bereits schlafen würde, der viel größere war aufgeregt und freute sich darauf, seinem Freund endlich wieder nahe sein zu können. ‚Endlich.‘ Tatsuro grinste über sich selbst. Er tat ja gerade so, als hätten Yukke und er sich Tage und nicht nur ein paar Stunden nicht gesehen. Himmel, wenn das so weiter ging, verwandelte er sich wirklich noch in einen schwärmenden Idioten.   „Was ist?“ Wurde er begrüßt, als er das Zimmer betrat. Yukke saß im Bett, den Rücken gegen das Kopfende gelehnt und die Nachttischlampe angeknipst. Ein Buch lag aufgeschlagen in seinem Schoß – sein Erstlingswerk, wie Tatsuro erkannte.   „Nichts, was soll sein?“   „Keine Ahnung, darum frag ich ja. Du bist gerade kopfschüttelnd hier reingekommen.“   „Ach das.“ Tatsuro winkte ab. „Nichts weiter, nur ein Gedanke, den ich verscheuchen wollte.“ Er ging ums Bett herum, hob die Decke an und kroch darunter. „Sag nicht, du hast meinen Roman gekauft?“   „Sato hat ihn mir ausgeliehen“, antwortete Yukke und täuschte er sich, oder begann da gerade eine feine Röte über seine Wangen zu kriechen? War es ihm peinlich, das Buch nur geliehen zu haben, oder lag es vielleicht an der Stelle, die Yukke gerade gelesen hatte? Tatsuro versuchte, einen Blick auf das Geschriebene zu erhaschen, aber schneller, als seine Augen die Worte fixieren konnten, wurde das Buch zugeklappt. Aha, also eher Letzteres, interessant.   Bevor Tatsuro jedoch einen passenden Kommentar zu seiner Entdeckung hätte formulieren können, knipste Yukke das Licht aus und tauchte sie für den Moment in undurchdringliche Finsternis. „Danke, dass ich hier sein darf“, wisperte er und Tatsuro spürte, wie er langsam näher rutschte, tastende Finger die seinen suchten.   „Du bist wirklich eine Marke.“ Tatsuro schnaubte, rutschte nun seinerseits näher an den kleineren Mann heran und zog ihn in seine Arme. „Als würdest du dich dafür bedanken müssen.“   „Aber ich hab dich aufgeweckt.“   ‚Ja, und das war auch verdammt gut so‘, dachte er und entgegnete: „Schon gut. Versuch einfach, zu schlafen. Ich hab so eine Ahnung, dass ich deine Cheerleader-Qualitäten morgen dringend nötig habe, um endlich diesen Roman zu beenden. Ich verspreche dir auch, dass ich jeden Zombie eigenhändig köpfe, der den Weg hierein findet.“   „Mensch Tatsuro, musstest du das jetzt sagen?“   Tatsuro lachte, als ihn ein entrüsteter Schlag auf die Brust traf. „Entschuldige, ich kann nicht anders.“   „Du bist schrecklich. Manchmal frage ich mich, warum ich dich überhaupt so sehr mag.“   Hitze stieg in Tatsuros Wangen, als er erst verspätet begriff, was Yukke gerade gesagt hatte. Er wartete darauf, dass er noch etwas sagen würde, aber der Kopf des anderen lag gegen seine Schulter gelehnt und Yukkes Atemzüge kamen langsam und gleichmäßig. ‚Er muss wirklich unheimlich müde sein, um einfach einschlafen zu können, nachdem er so eine Bombe hat platzen lassen.‘ Ein sehr Mögen war noch kein Ich-liebe-dich, aber für Tatsuro hatten diese wenigen Worte eine fast ähnliche Tragweite. Hazuki hatte nie gesagt, dass er ihn mochte. Er hatte noch nie zu jemandem, der nicht Satochi war, gesagt, dass er ihn mochte. Es fühlte sich eigenartig an, fremd aber nicht unangenehm.   Leise seufzend drehte er sich mehr zu dem Mann in seinen Armen, bis er die nun entspannten Züge im Dämmerlicht ausmachen konnte. Yukkes lange Wimpern zeichneten dunkle Halbmonde unter seine Augen und die Lippen waren leicht geöffnet, wie eine Einladung, derer er sich kaum entziehen konnte.   Für einen Moment schloss er die Augen, atmete tief durch, bis sich sein eindeutig überstimuliertes Gemüt wieder beruhigt hatte. „Schlaf du auch gut, Yukke … ich kann dich auch wirklich gut leiden“, flüsterte er und drückte der kleinen Nase einen Kuss auf, bevor er selbst die Augen schloss. Er betete nur, nun nicht die ganze Nacht wach zu liegen, sonst würde der morgige Tag ein sehr, sehr anstrengender werden.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)