Record von Lady_of_D (Inu no Game) ================================================================================ Kapitel 9: Shuffle ------------------ "Mizu!" Es war irgendwas nach Mitternacht, ich hatte mich an den Hotelpagen vorbei gemogelt und war schnurstracks in die vierte Etage weiter gerannt. Mit geballter Faust hatte ich an die Zimmertür geklopft. Es war hollywoodreif - und leider auch mein Leben. "Mizu", rief ich noch einmal, klopfte weiter, bis Licht durch die Ritzen drang, die Tür endlich aufging und Mizuhos Freundin zu mir hinauf schaute. "Joey-girl?!" Die kleine Frau mit den dunkelgrünen Haaren und dem etwas wirren Irokesenschnitt hob eine Augenbraue. "Damn! Weißt du, wie spät es ist?!", grummelte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Doch ich ignorierte Mizuhos Freundin, hielt mich am Türrahmen fest und schob meinen Kopf ins Wohnzimmer. "Mizu!" Mein Herz raste, ich keuchte und schnappte nach Luft. Mein wilder Marathonlauf durch das Hilton hatte mich einiges an Reserven gekostet. Die High Heels hatte ich schon im Garten der Villa in das nächste Gebüsch geworfen. Zumindest hatte ich in den letzten dreißig Minuten nicht denken und fühlen müssen. Mein inneres Chaos kam erst jetzt so langsam wieder in Fahrt. "Kazuha?" Das war Mizuhos Stimme. Sie war gerade aus dem Schlafzimmer gekommen. Meine Managerin trug ein viel zu großes Hemd, das ihre nackten Beine bis zu den Knien bedeckte. Die Brille aufgesetzt, sah sie mich noch wie im Halbschlaf an. "Was ist los, Kazuha? Ich dachte, du bist-" "Du musst es mir sagen, Mizu!", platzte es aus mir heraus. Um den heißen Brei zu reden, war nicht mein Stil und ich konnte keine Sekunde länger so tun, als wäre alles in bester Ordnung. Ich riss die Haarverlängerungen von meinem Kopf und sah mit großen Augen zu Mizuho herüber. "Sag' mir bitte, dass es nicht wahr ist." "Wovon sprichst du, Kazuha… Bist du etwa betrunken?" Ich schüttelte den Kopf. "Kaiba", sagte ich, dass es mich überall schüttelte, "dass du für ihn arbeitest..." "Phoebe", sagte Mizuho und legte eine Hand auf ihre Schulter. Mich ließ sie dabei keine Sekunde aus den Augen.  "Lass' uns mal kurz alleine, ja?" Mit einem unverständlichen Grummeln entfernte sich Mizuhos Freundin. Da standen wir nun. Schweigend zwischen Tür und Angeln. Ich fürchtete, was als nächstes kommen sollte. "Kazuha, ich-" "Komm' mir bitte nicht so, Mizu", schüttelte ich den Kopf. Es war schwer, Mizuho ins Gesicht zu sehen. Dabei nicht wie ein kleines hilfloses Mädchen dazustehen, das von ihrer Mutter ausgeschimpft wurde. Fürs erste schluckte ich meinen Kummer hinunter. "Oder soll ich dich lieber Satoru nennen?" "Es tut mir leid, Kazuha." "Was tut dir leid? Dass du in Wahrheit für Kaiba arbeitest und mir nichts gesagt hast? Oder weil du meine Freundin spielen musstest?" "So ist das nicht." Mizuho schaute auf den Boden. "Sag' mir einfach die Wahrheit, Mizuho. Bist du nur wegen Kaiba zu mir gekommen?" "..." "Mizuho!" "...Ja." Ich biss mir auf die Lippen. Das hier war die reine Selbstfolter. Aber ich musste da durch, es gab keinen Weg zurück. "Also… war das alles bloß Show.?" "Nein…" Taumelnd ging ich einen Schritt zurück. "Die Werbeverträge…meine Sponsoren…alles, was ich mir aufgebaut habe…was WIR uns aufgebaut haben", ich knickte ein, " das war dann also auch nicht echt?" "So ist das nicht, Kazuha. Ich habe von Kaiba den Auftrag erhalten, für dich zu arbeiten, das stimmt. Aber-" "Schon gut", ich lächelte gequält. "schwamm drüber." "Kazu." "Nein, Satoru, schon in Ordnung. Ich…ich muss…ich geh' jetzt besser. Sag' Phoebe, dass es mir leid tut, euch geweckt zu haben. Wir sehen uns dann morgen." "Warte, Kazuha!" Zu spät. Die Feuertreppe genommen, stürmte ich auch schon davon. Alles drehte sich, als ich im Wagen saß, die Hände in das Lenkrad krallte und die Stille über mich wie ein plötzlicher Regenschauer einschlug. "Fuck", haute ich einmal kräftig auf das Lenkrad. "Fuck, fuck, fuck!", und schon drückten sich die ersten Tränen aus meinen Augen. Ich schniefte, wischte mir übers Gesicht und startete den Wagen. Zum Glück war das Hotel keine zehn Minuten Autofahrt entfernt. Jetzt noch durch die halbe Stadt zu fahren, hätte ich nicht gepackt. Den Wagen irgendwo zwischen Mülltonnenbucht und Seitenstreifen geparkt, ging ich in mein Apartment zurück. Ich knallte die Tür hinter mir zu, stieß gequält die Luft aus. Fünf Jahre hatte ich an mir gearbeitet, hatte mich weiterentwickelt, war gewachsen. Und Kaiba hatte nur fünf Minuten gebraucht, um mir all das wegzunehmen. Meinen Stolz, meine Würde, mein Selbstbewusstsein - alles dahin. Wegen eines Mannes, der es nicht lassen konnte, sich meine Schwächen zu krallen und ordentlich darin herum zu stochern. Durch das Apartment gestampft, riss ich die Badtür auf, stellte mich vor den Spiegel und drehte das Wasser volle Pulle auf. Bloß weg mit dieser Maske, diesem falschen Ich, zu dem ich mich hatte machen lassen. Viel zu heftig rubbelte ich an meinem Gesicht herum. Es brannte, aber ich konnte nicht aufhören. Nicht solange diese Farce an mir klebte. Wieder sammelten sich Tränen unter meinen Augen, wieder versuchte ich sie wegzuwischen. Keine Chance. Ich konnte mich nicht länger gegen meine Gefühle wehren. Wut und verletzter Stolz waren da das geringste Problem. Langsam sackte ich zusammen, stützte mich am Waschbecken ab, bevor ich auf dem Boden plumpste und mir die Seele aus dem Leib heulte. Dabei hatte ich mir geschworen, nie wieder wegen Seto Kaiba zu weinen. Aber was nützte es, mir einzureden, dass der Kerl mir egal war, dass es mir nichts ausmachte, dass er mich immer wieder anstachelte, mich pisackte und erniedrigte - und ich die ganze Scheiße auch noch mitmachte. Es zuließ, dass er mich verletzte, mich quälte und mir das Herz brach. Ich schniefte, starrte durch meine verheulten Augen auf das Smartphone, das direkt neben mir lag und nahm es in die Hand. Vielleicht war es ein Fehler, aber ich konnte nicht länger mit mir und meinen Gedanken alleine sein. Also suchte ich die Nummer meines besten Freundes heraus. "Kazuha?!", murmelte Yugi ins Telefon. Wie gut es gerade tat, den kleinen Bunthaarigen zu hören. Schwer zu beschreiben, aber mein Puls verlangsamte sich, kaum dass Yugi abgenommen hatte. "Yugi", schniefte ich zurück. Eine neue Flut an Tränen drängte sich an die Oberfläche. "Was ist passiert?!", rief Yugi etwas lauter. Seine Stimme zitterte. Wie dann wohl meine eigene Stimme klang, wenn ein Wort ausreichte, um bei meinem Freund sämtliche Alarmglocken läuten zu lassen. "Einen Moment, Kazuha", sagte Yugi, murmelte etwas, das nach >Notfall< und >fangt schon mal ohne mich an< anhörte. Mist! Ich riss die Augen auf. Yugis Präsentation! Wie viele Stunden lagen nochmal zwischen L.A. und Domino? "Yugi", sagte ich, "wenn du arbeiten musst-" "Schon okay", redete mir der Bunthaarige rein, "mach' dir keinen Kopf. Die Präsentation ist bereits gelaufen, wir klären nur noch ein paar Details. Für diesen ganzen Geschäftskram brauchen die mich nicht unbedingt." "Ach Yugi", ich heulte Rotz und Wasser. Jetzt versaute ich meinem Kumpel auch noch den vermutlich besten Tag seines Lebens! "Bitte, Kazuha", Yugi klang, als würde er gleich selbst mit Weinen anfangen, "sag' mir endlich, was los ist." "Wenn ich wüsste, wie ich anfangen soll, Yugi." "Verletzt bist du aber nicht, oder?" "Ich hatte keinen Unfall, aber verletzt…es tut mir leid, ich bin so ein Egoist. Dich einfach mitten in der Nacht zu behelligen-" "Hör' auf, Kazuha", erwiderte Yugi, "erstens: ist es in Domino weit nach siebzehn Uhr. Und selbst wenn: du kannst jederzeit anrufen, das weißt du. Egal, was es ist, ich bin für dich da." "Danke, mein Freund." "Also?" "Also", entgegnete ich, sortierte mich und meine Gefühle, damit ich halbwegs wieder zu verstehen war. "Du weißt doch, dass ich gestern die Pressekonferenz hatte." "Ja. Mit Pegasus und Kaiba." Funkstille "…Kazuha? Geht es um Kaiba?" "Ja." "Habt ihr euch etwa ausgesprochen?" "Hmmm", ich knabberte an meinem Daumen herum. Wenn wir uns doch ausgesprochen hätten. Aber dazu schienen weder er, noch ich fähig zu sein. Auf der anderen Leitung stieß Yugi einen lauten Seufzer aus, was eher untypisch für meinen Kumpel war. "Er kann es einfach nicht, oder? Ich hab ihm schon letztes Mal gesagt, dass…" Wieder seufzte der Bunthaarige. Irgendwie raffte ich gerade nichts, aber es klang eh, als würde er gerade zu sich selbst sprechen. "Weißt du, Kazuha", sagte Yugi, machte eine Pause und erzählte dann weiter, "Kaiba…er war damals bei mir, nachdem ihr...naja. Er hat sich erkundigt, wohin du auf einmal verschwunden bist." "Yugi", hauchte ich. "Tut mir leid, Kazuha. Ich hatte überlegt, ob ich es dir sagen soll. Aber…du warst in New York mit Anzu und hattest dich langsam wieder im Griff. Ich hatte Angst, dass ich damit alte Wunden aufreißen würde und dass du-" "Verstehe. Ich weiß, dass ich euch große Sorgen bereitet habe. Vermutlich hast du recht. Ich hätte da nur wieder zu viel hineininterpretiert und am Ende…tja, wir wissen, wie es gelaufen wäre." "Das habe ich Kaiba auch so gesagt." "Warte!", ich blinzelte mir die Tränen weg, "du hast was…?!" "Ich habe ihm gesagt, wie schlecht es dir ging, nachdem ihr beide Schluss gemacht habt und ich habe ihm auch gesagt, dass er dich gefälligst selbst fragen soll, wenn er wissen will, wo du steckst." "Und", ich traute mich kaum, zu fragen, "was hat er gesagt?" "Nichts." Natürlich. "Er ist einfach rausgestürmt, ohne was zu sagen. Nur sein Blick war irgendwie… seltsam. Kurz dachte ich, es hätte ihn getroffen, was ich gesagt habe. Kazuha", Yugi atmete hörbar aus, "ihr müsst miteinander reden. Ich weiß, ich habe keine Ahnung, warum ihr damals Schluss gemacht habt und vielleicht ist es das Beste, wenn ihr euch einfach nicht mehr seht. Aber ich glaube nicht, dass es das ist, was du willst…oder was ihr wollt." "Yugi, ich-" "Du musst es mir nicht sagen, Kazuha. Sag' es, Kaiba!" "Aber-" "Keine Sorge", Yugis Stimme klang fest und entschlossen, "ich kümmere mich darum." Und dann legte er einfach auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)