Record von Lady_of_D (Inu no Game) ================================================================================ Kapitel 3: Clash ---------------- Das Smartphone in die Hosentasche gestopft, richtete ich mich auf. Allmählich drohten mich die weißen Wände mit ihren viel zu überteuerten Gemälden zu erdrücken. Ich brauchte Luft - und wenn ich bloß eine Runde über das Außengelände machen konnte. Bis zur Pressekonferenz musste ich einen klaren Kopf bekommen. Mit zügigen Schritten durchquerte ich die vierte Etage, bestaunte die Hängepflanzen im Flur, machte einen Abstecher zum Restaurant und der angrenzenden Bar, die ich mir für später im Hinterkopf behielt - und dann war es auch schon soweit. Der Veranstalter hatte einen Wagen mitsamt Chauffeur vor dem Hotel geparkt. Auf der Mütze des Fahrers waren die Initialen von Industrial Illusions eingenäht. Ohne groß Worte zu wechseln, stieg ich in den Wagen, der Fahrer knallte die Tür zu und setzte sich hinters Steuer. Die Hände auf den Schoß gelegt, krallten sich meine Nägel in die Jeans. Ich konnte meinen eigenen Puls schlagen hören, während ich mir ständig einredete, dass es bloß die Bässe aus den Lautsprechern waren. Nach Ablenkung zu suchen, war sinnlos. Der Blick aus dem Fenster ließ mich nicht mal die Aussicht genießen. Die vielen bunten Lichter der City wurden fast vollständig von den verdunkelten Fensterscheiben aufgesogen. Ich berührte die Beifahrertür. War das etwas kugelsicheres Glas?! Kopfschüttelnd legte ich den Kopf in den Nacken. Das durfte doch nicht wahr sein! Kam ich mir schon wie ein vorpubertäres Schulmädchen vor, das zu ihrem ersten Date ging. "So bist du doch gar nicht." "Haben Sie etwas gesagt, Ms. Joey?" "Äh, nein", lachte ich gespielt in Richtung Fahrer, der mit hochgezogener Augenbraue den Blick zurück auf den Straßenverkehr richtete. Die Fahrt dauerte eine halbe Stunde. Wenn es nach mir ginge, hätte der Chauffeur ruhig noch eine Runde drehen können. Ich war überhaupt nicht mehr scharf darauf, das Gebäude zu betreten - oder besser gesagt das Stadion. Die Übelkeit vom Vormittag kehrte wie ein Paukenschlag zu mir zurück. Nicht weit vor uns erstreckte sich das SoFi Stadium und ließ die Burger in meinem Magen Purzelbaum schlagen. Die Arena war mächtig, geradezu gigantisch. Genau wie die beiden Firmenbosse, die dieses Gebäude zum Mittelpunkt der QTD auserwählt hatten. Superlativ war gerade gut genug für die mächtigsten Spielefirmen der Welt. Doch das SoFi toppte bisher alles dagewesene. Als Mizuho mir erzählt hatte, wie viele Leute dort hinein passten, hätte ich ihr beinahe meinen Milchshake ins Gesicht gespuckt. Siebzigtausend war selbst für DuelMonsters eine Hausnummer. Die Tatsache, dass dieses Stadion so gewaltig war, ließ mich für einen Moment glauben, mich vor dem CEO der Kaiba Corp. verstecken zu können. Im Moment schien mir diese Option die klügste. Der Pressesaal war natürlich nicht annähernd so groß wie die Arena selbst, dass mein Notfallplan für die Tonne war. Als Improvisation in den vorderen Eingangsbereich aufgebaut, gab es Platz für etwa zwanzig Personen. Nachdem mich die Stylistin irgendwie halbwegs vorzeigbar hinbekommen hatte, saß ich auch schon auf einem der drei Stühle, die um einen sichelförmigen Tisch aufgestellt worden waren - zusammen mit Pegasus Crawford, den ich zuletzt bei einer Spendengala für verwaiste Kinder in Kriegsgebieten gesehen hatte. Wenn er auch freundlich war, die Erinnerungen, wie er die Seelen mithilfe des Milleniumsauges gestohlen hatte, konnte ich nie so ganz abschütteln. Neben uns standen mindestens ein Dutzend Männer in schwarzen Anzügen, die Arme hinter den Rücken verschränkt, mit eisiger Miene und Augenpaaren, die von dunklen Sonnenbrillen verdeckt wurden. Flachbacks aus dem Königreich der Duellanten sausten mir um die Ohren. Vor ihnen hatten sich Vertreter der Zeitungs- und Boulevardpresse eingefunden; die großen Nachrichtensender durften natürlich auch nicht fehlen. Ließ nur noch einer auf sich warten. Der einzige, der mit Abwesenheit glänzte, war doch nicht ernsthaft Seto Kaiba?! Unruhig drehte ich meinen Kopf. Es gab nur zwei Eingänge, also blieb es dabei, dass mein Schädel wie ein Wackeldackel hin und her wippte. Das durfte doch nicht wahr sein!Kaiba würde sich nie verspäten. Dafür legte er viel zu viel Wert auf Pünktlichkeit. Wer wusste das besser als ich. Nachdem ich einmal nicht rechtzeitig zum Dinner erschienen war, hatte es sofort eine Standpauke zum Thema Zuverlässigkeit gegeben. Die qualvollen Minuten auf der Liebesschaukel würde ich wohl nie vergessen. Argh…Hatte ich doch nicht tatsächlich in Erinnerungen geschwelgt, und dann gerade diese Erinnerung, die mir die härteste Lektion in Sachen >pünktlich kommen< erteilt hatte. "Kyah…aufhören!", ich raufte mir durch die Haare, zerstörte eine halbe Stunde Arbeit, die meine Stylistin für den Pony gebraucht hatte. "Alles in Ordnung, Jonouchi-girl?" Es war Pegasus. Sein teils verwunderter, teils amüsierter Blick ruhte auf mir. Sofort wedelte ich mit den Händen vor meinem Gesicht. Schlimm genug, dass ich nur Kaiba und seine Liebesschaukel im Kopf hatte. Aber dann auch noch Selbstgespräche zu führen…dieser Zustand musste auf der Stelle aufhören! Hatte ich etwa vergessen, was der arrogante Fatzke mir angetan hatte?! Mit aller Kraft schüttelte ich diese fehlgeleiteten Sentimentalitäten von mir. Aber nicht für lange. Mein Gesicht erstarrte zu einer monotonen Miene. Ich hörte auf zu atmen und glotzte nur wie eine Irre auf den Mann in schwarzer Anzughose und weißem Hemd, der eine Minute vor Pressetermin den Raum betrat. Kaiba. Er war also nicht zu spät gekommen - nur in letzter Sekunde, um dem Ganzen eine gewisse Theatralik zu verpassen. Diese Dramaqueen! Damit hatte er die Aufmerksamkeit aller im Saal, und ich war mir sicher, dass er es genau darauf abgezielt hatte - egal, wie angespannt und beschäftigt er aussah. In seiner Hand lag das Smartphone, das er erst von seinem Ohr nahm, als er seinen Sitzplatz erreichte, und selbst dann wirkte er nicht so, als hätte er jetzt Zeit, sich mit ein paar Pressehainis abzugeben. Mein Mund wurde unsagbar trocken und ich war versucht, meine Lippen darüber fahren zu lassen, wenn er sich nicht ausgerechnet neben mich setzen müsste. Komm schon, Kazuha, sag' irgendwas! "Ah-" Ganz toll! Ich hätte sterben können. Schnell schloss ich wieder den Mund, versuchte, weg von Kaiba und diesen eisigen Augen zu kommen, die mir alles an Ignoranz vor die Füße warfen, die sie zu bieten hatten. Seine blauen Augen starrten geradewegs ins Leere, irgendwo zwischen zwei Journalisten hindurch, die mit Kaibas Blicken noch weniger umgehen konnten. Wie ein zäher Brocken schluckte ich die Tatsache herunter, dass er mir nach fünf Jahren so überhaupt keine Beachtung schenkte. Nicht einmal ein einfaches >hi< oder ein stummes Nicken. Er schlug die Beine übereinander und verschränkte die Arme vor der Brust - was jeder im Saal als Startschuss der Pressekonferenz sah und mich wie einen bedröppelten Pudel dastehen ließ.   Noch nie wünschte ich mir mehr, als mich irgendwo in ein Erdloch vergraben zu können, als in dieser Stunde. Die Medien bombardierten Kaiba und Pegasus mit Fragen, die wie ein Schnellzug durch meine Ohren rauschten. Pegasus Crawford warb für das Turnier. Kaiba wurde hauptsächlich über die neue DuelDisc ausgefragt. Was seine Technologie betraf, da musste ich passen. Der ganze Technikkram war mir zu hoch. Ich wusste, dass es eine Spezialanfertigung für QTD gab, dass die Disc nicht blau, sondern rot war und ein Timer neben der Lebenspunkteanzeige eingebaut werden sollte. Natürlich erzählte Kaiba ausführlich über die einzelnen Features - ganz in seinem üblichen harten Businesston, aus dem ein Hauch Überlegenheit herauszuhören war. Ich erwischte mich dabei, wie ich an seinen Lippen hing, obwohl ich nur Bahnhof verstand. Aber immer noch besser als ihn wie einen verknallten Teenie anzuhimmeln. Obwohl…wo lag da der Unterschied? Komm runter, Kazuha. Der Kerl hat dir das Herz gebrochen und jetzt sieht er dich nicht einmal mit dem Arsch an… "...die nächste Frage geht an Ms. Joey." Meine Lauscher stellten sich auf. Brav beantwortete ich die Fragen der Presse. Die meisten davon beschränkten sich auf das Turnier und meine potentiellen Gegner. Wer, meiner Meinung nach, Chancen hatte, ins Finale einzuziehen, welche Erwartungen ich an das Turnier hatte - solche Fragen halt. Die Veranstaltung hatte vorgesehen, dass der Gewinner gegen den ungeschlagenen Champion, also gegen mich, antreten durfte. Das erinnerte mich an das Grand Championship, das Kaiba damals auf die Bühne gebracht hatte und ordentlich von Zigfried von Schroeder sabotiert worden war. Dieses Jahr war ich zuversichtlich, dass kein reicher, langhaariger Spinner versuchen würde, das Turnier für seine Zwecke zu missbrauchen. Aber der Abend war ja noch jung… "Mr. Kaiba", meldete sich aus den hinteren Reihen der Vertreter eines bekannten Magazins, "Gerüchten zufolge, haben Sie sich letzten Monat verlobt…" "Kein Kommentar", schoss Seto Kaiba auch schon zurück, noch bevor sich mein Magen zusammenziehen konnte. Stimmt. Da war ja noch was. Yugi hatte es mir erzählt. Ein Artikel, der von der bevorstehenden Hochzeit zwischen Kaiba und irgendeiner reichen, wohl erzogenen Schauspielerin Schrägstrich Model und Influenzerin berichtete. Als ich das Bild dieser geradezu abnormal schönen Frau gesehen hatte, hatte ich eine Woche lang mein Internet ausgeschaltet. Die Presse ging nicht weiter auf das Thema ein, und bis zum Ende der Pressekonferenz wurde keine weitere Frage gestellt, die Kaibas oder meine Privatsphäre betraf. Ein Glück, denn ich hatte wenig Lust, wegen Jack ins Stottern zu geraten. Vor allem nicht, wenn Kaiba neben mir saß. Ganz egal, wie gleichgültig ich ihm geworden war. Das beruhte schließlich nicht auf Gegenseitigkeit - wie ich schmerzlich feststellen musste. "Okay, keine weiteren Fragen", ertönte endlich die Stimme eines dieser mies gelaunten Security-Typen. Kaiba erhob sich als erster. Er schien es eilig, verließ den Saal, während er bereits das Handy zurück an sein Ohr drückte. An seinen Fersen entdeckte ich Isono, der ein schwarzes Jackett wie einen königlichen Umhang hinter ihm vertrug. Als er an mir vorbeigelaufen war, konnte ich die dunklen Ringe trotz der fetten Schicht Concealer erkennen. Kaiba war schon immer ein schlechter Schläfer gewesen, und die letzten Wochen oder Monate musste es noch schlimmer geworden sein. Die vielen gemeinsamen Nächte waren damals auch für mich unruhig gewesen. Immer wieder hatte er sich im Bett gewälzt, war ohne Vorwarnung aufgesprungen, um seinen Rechner einzuschalten oder sonstigen Scheiß zu erledigen, der ihn vom Schlafen abhielt. Es war seine Eigenart. Eine von vielen. Diese zählte zu jener, mit denen er sich seit der Zeit im Heim herum zu schlagen hatte... Die Lippen zusammengepresst, drehte ich mein Gesicht weg von ihm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)