So many more Feelings von Hypsilon ================================================================================ Kapitel 21: Weihnachten ----------------------- Dezember, Kairo Diese wenigen Tage im November mit seinem Freund, hier im immerzu sonnigen und warmen Ägypten, waren für Bakura gleicherweise schön wie bitter. Bitter, denn sie hatten unliebsamen Ursprung, von dem er spürte, dass er Otogi nicht recht Frieden gab. Zwar hat er ihn milde angelächelt, als er am Flughafen von seiner Hand ablassen musste, aber Bakura sah in seinen Augen den Schmerz ganz genau, er spürte ihn ja selbst. Das, was sich da aufgestaut hatte, war noch nicht zur Gänze ausgeredet, nicht im Ansatz und es würde ihnen bis zum Abschluss dieses Auslandsjahres noch Unbehagen bereiten, vermutlich sogar noch den ein oder anderen Streit einfordern, weil Bakura wusste, wie temperamentvoll sein Freund werden konnte und würde er wissen, dass er Weihnachten bei den Ishtars verbringen würde, würde er explodieren. Tja… Weihnachten. Weihnachten wurde hier nicht gefeiert, zumindest nicht zu der Zeit, wie Bakura es gewöhnt war und auch nicht in der Art und Weise. Da konnte er es gleich sein lassen. Zumal Weihnachten für ihn nie von so großer Bedeutung war. Es ging um Familie und die hatte er zu Weihnachten nicht bei sich. Noch nicht. Denn sein Vater sollte am zweiten Weihnachtstag ankommen und einen ganzen Monat hier bei ihm bleiben. Das war im Grunde schon mehr Weihnachten als es sich der junge Student wünschen konnte. Natürlich fehlte Otogi, aber irgendwie war es ihm ganz recht, diesem emotionalen Stress nicht ausgeliefert sein zu müssen. So innig er ihn auch liebte. Manchmal war Abstand gut. Auch der Abstand zu Marik und dieser eigenartigen Situation war gut. Es hatte eine Weile gedauert, bestimmt über einen Monat, bis sich Bakura wieder bei ihm gemeldet hatte. Zuerst mit der freundlichen Frage nach seinem Wohlergehen, die sehr neutral beantwortet wurde. Nun gut, das zeugte wohl davon, dass der Ägypter durcheinander war. Wer konnte es ihm auch verübeln? Hätte Bakura das alles nicht so eindeutig abgrenzen können, wäre er nun auch sehr verwirrt. In der Zwischenzeit hatte er sich natürlich intensiv mit dem Phänomen, das er zu Halloween (dem Fest, das ihm sowieso wichtiger war als Weihnachten) erlebt hatte, auseinandergesetzt. Die Nacht der (lebenden) Toten, die Totenwache, das Geisterfest, Pangangaluluwa, das Hungry Ghost Festival hatten alle viele Geschichten, unterschiedlichen Ursprungs und die verrücktesten Bräuche. Hellhörig wurde Bakura aber bei einer uralten arabischen Aufzeichnung. Tatsächlich wurde übertragen, dass wenn der Achat (die Jahreszeit der Überschwemmungen) in den Peret (die Aussaatszeit) überging, die hungrigen Seelen der Unerfüllten ihre Späße mit den Lebenden trieben. In der modernen Zeitrechnung konnte das von Mitte September bis Mitte November jeder Tag sein und so wie es schien, war es in diesem Jahr genau die Nacht, in der sich Bakura und Marik in der Stadt der Toten aufhielten. Weiters, las Bakura an einem Nachmittag im Dezember, den er in der großen Bücherei von Kairo verbrachte, dass die Geister der Verstorbenen wohl in die Köpfe und Gedanken der Menschen dringen konnten und dadurch wohl versteckte Sehnsüchte und Ängste gegen diese verwendeten. Eine der Passagen, die er dazu fang, befasste sich mit dem Hintergrund, also warum sie das machten: Hilfestellung, Sehnsüchte zu erkennen und gegen Ängste anzukämpfen. Tja, in diesem Fall hatten sie wohl Bakuras Angst und Marik Sehnsucht in ein und derselben Sache oder eher Person entdeckt. Was er sich auch nach einer weiteren Stunde nicht beantworten konnte, war, wie es dazu kam, dass er aus seinem eigenen Körper getrieben wurde und etwas, das sich nur so anfühlte, als wäre es der Ringgeist, seiner statt diesen steuerte. „Die Seelen der Verstorbenen agieren nicht so wie wir, sie haben das verlernt“, drang eine bekannte Frauenstimme hinter ihm an sein Ohr. Bakura drehte sich sofort um und sah in das lächelnde Gesicht von Marik großer Schwester. „Wie meinst du das?“, fragte er sie, ohne groß eine Begrüßung zu beginnen, sie hatte auch direkt darauf losgesprochen und so setzte sie sich auch einfach zu ihm und legte ihm ein Buch über das aktuelle. Anubis? Der Gott der Toten? Bakura schlug es sofort auf und begann durchzublättern während ihm Isis erzählte, worauf sie anspielt. Geister konnten nicht sprechen, sie mussten handeln. Außerdem waren sie verspielt, das musste doch gerade Bakura gut verstehen, auch wenn der Ringgeist kein Geist im ganz klassischen Sinne war. Aber er spielte auch gerne Spiele, genauso wie der Geist des Pharao, aber der war von Haus aus ein eher kindlicher Zeitgenosse, wie sie meinte. „Sie spielen auch gerne Streiche“, sagte sie und wies dem Studenten eine gewisse Seite an. Auch Anubis schien sich darüber zu amüsieren. Er mischte sich zwar nicht ein, aber ließ den Toten diesen Tag für ihren Schabernack. „Und weißt du, was ich am Interessantesten finde?“, fragte Isis, ,was Bakura natürlich sofort wissen wollte. „Das hier“, sagte sie und blätterte nun selbst weiter. „Es heißt, er sucht jemanden. Den hier“, sprach sie weiter und deutete in dem Buch auf eine Zeichnung eines Mannes, woraufhin Bakura das Buch sofort wieder zuschlug. „Nein!“, sagte er deutlich, stand auf und wollte gehen. Isis seufzte. „Er nimmt ihn dir nicht weg“, sagte sie und ging ihm nach, weil der Student umgehend die Flucht ergriff. Isis wollte wissen, ob Bakura gar nicht neugierig war, doch dieser wehrte sofort ab. Die hübsche Ägypterin lief ihm durch die ganze Bibliothek nach und blieb erst stehen, als auch Bakura draußen auf der Straßen zur Ruhe fand. Warum sie ihm das zeigte, wollte er wissen. Weil sie dachte, er wäre neugierig. Touché, er war sehr neugierig und eigentlich war er noch neugieriger, warum da in diesem Buch ein Bild von einem Priester war, der seinem Freund zum Verwechseln ähnlich sah. „Sein Name war Rhu und er war Priester des Anubis. Der Totengott hat sich unsterblich in ihn verliebt und naja, du kannst dir wohl vorstellen, dass das nicht gut gehen konnte“, erzählte Isis von der Geschichte, die zu dem Bild geschrieben stand, das Bakura vorhin gesehen hatte. Eine tragische Liebesgeschichte, die sogar den eher unromantischen Studenten rührte. „Dass Otogi es nie gespürt hat, als er hier war, ist ein Zeichen dafür, dass Rhus Seele, die wohl in ihm verborgen wohnt, noch nicht bereit dazu ist, du musst keine Angst haben“, wollte sie ihn trösten, doch Bakura zuckte mit den Schultern. Wenn es um Otogi ging, würde er es wohl auch versuchen, es mit einem Gott aufzunehmen. Vor allem jetzt, wo die Zeit des starken Glauben an diese immer mehr abnahm. Wie viel Macht konnten in Vergessenheit geratene Götter haben, die kaum mehr verehrt wurden? Sicher war er sich nun auch, dass sich der Totengott höchstpersönlich eingemischt hatte und eine solche Fehde spinnen wollte. Doch nicht mit Bakura. In weniger als drei Monaten war er wieder bei Otogi in Japan und er würde es nie wieder erlauben, dass dieser auch nur einen Fuß auf ägyptischen Boden setzte! Wie er ihm das näher bringen würde, war zwar ein anderes Thema, aber es war auch nicht sofort zu klären. Lieber freute er sich über die Einladung, die im Isis direkt darauf für ein gemeinsames Weihnachtsessen machte. „Marik sagte, du würdest es vermissen“ – wie wahr. Umso schöner war es, dass dieses Essen so unkompliziert über die Bühne ging und er sich nicht nur mit Marik gut verstand, der nun wirklich wie ausgewechselt war, sondern auch mit Rishid und natürlich mit Isis, die schier zu allem eine andere mythische Geschichte kannte. „Irgendwas muss man tun, wenn man seine ganze Kindheit und Jugend in einer Grabkammer eingesperrt ist, ich habe gelesen“, erklärte sie und hätte damit bei jeder anderen Gesellschaft die Stimmung in den Erdboden gerissen. Nicht aber so in dieser Runde. Der Abend ging zu Ende, gut unterhalten und so unbeschwert, wie schon lange nicht mehr. Spät Nachts hatte er noch einen weihnachtlichen Videocall mit seinem Freund, dem er weiterhin das Treffen verschwieg und genauso diese Sache mit dem Totengott. Am nächsten Morgen wurde er besonders früh vom Wecker aus dem Bett gerissen, weil er zum Flughafen musste. Erst noch mit dem Bus angekommen, würden sie später wohl ein Taxi zur Unterkunft zurücknehmen, aber erst musste sich der blasse Student durch die Menge der Wartenden drängen. Von der Masse hob er sich gut ab, warum es nicht lange dauerte, dass ihn sein alter Herr erkannte und auf sich aufmerksam machen konnte. „Vati!“, rief Bakura und schloss er den Archäologen herzlich in die Arme. Nun war endlich Weihnachten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)