So many more Feelings von Hypsilon ================================================================================ Kapitel 20: Wut --------------- November, Domino, Kairo In Japan stand Otogi nach seiner alljährlichen Halloweenparty erst einmal recht zeitig auf. Er hoffte zwar, dass Bakura vielleicht eher schreiben würde, aber wenn er sich die Zeitrechnung so durch den Kopf gehen ließ, ahnte er ja schon, erst im Laufe des Vormittags von ihm zu lesen. Zu schade auch, dass der Tag nach Halloween weder in Japan noch in Ägypten ein Feiertag war, weswegen Otogi sich direkt die Treppe hinunter schleppte und die Kaffeemaschine startete. Ein eigenartiges Gefühl machte sich in seinem Magen breit. Er wusste genau, dass es seine unberechtigte Eifersucht war. Aber er konnte da aus seiner Haut einfach nicht raus, zumindest hatte er sich soweit im Griff, es nicht mehr sofort zum Streitauslöser zu machen. Dass ihm Bakura noch im Laufe der nächsten Stunden allen Grund dazu geben würde, ahnte er ja nicht. Erst als er eigentlich sehr erfreut zur Ankunft im Büro diese drei wunderschönen Worte las, die er so viel lieber gehört hätte. Noch viel lieber wollte er ihm beim Aussprechen davon in die Augen sehen, ihn anlächeln und ihm einen innigen Kuss auf die Lippen setzen. Doch stattdessen musste er sich jetzt mit dem geschriebenen Wort zufrieden geben. Und Ich liebe dich, schön, dass du dich meldest Hattet ihr Spaß? Das war die verfluchte Frage, die nun den Stein zum Rollen brachte. Irgendwie schien Bakura nicht antworten zu wollen, denn er fragte in der nächsten Nachricht nur, ob Otogi bereits im Büro war – Ja, war er – dann wollte er wissen, was am Plan stand und Otogi wurde immer unruhiger. Welcher ägyptische Hokuspokus war denn jetzt nun wieder passiert? Das waren doch deutlich diese Fragen, die man stellte, wenn was passiert ist a la ‘sitzt du?‘ oder ‘hast du gerade eh nichts Wichtiges zu tun?‘. Natürlich hatte Otogi Wichtiges zu tun, er saß gerade auch nicht, sondern stand vor seinem Schreibtisch und kramte seine Designs für die grafische Oberfläche zusammen, da Seto Kaiba bereits in einer viertel Stunde erwartet war. Wie er diesen kannte, saß er bereits im Besprechungszimmer, bei einem Kaffee und wartete mit seinem arroganten Gesichtsausdruck auf ihn. Was ist passiert? Natürlich wollte er es wissen. Er ging nicht darauf ein, dass jegliche Antworten, die nicht gleichbedeutend eines netten Abends seinen ganzen Tag ruinieren würden. Nun gut, soweit wusste Bakura auch Bescheid, weswegen dieser so blöd zu fragen begann. Otogi sah gerade noch die kleine Information über seiner Textbox, dass Bakura tippte. Dann verschwand der Zusatztext und kurz darauf vibrierte sein Handy langgezogen und ein Anruf des Studenten kündigte sich an. Gut, wenn er anrief, war es wichtig… und mies. Eigentlich sollte er im Bett liegen und langsam einschlafen, stattdessen stellte er komische fragen, drückte komisch herum und nun rief er auch noch an… So neutral wie möglich versuchte Otogi abzuheben. Das gelang ihm allerdings nicht. „Bitte sei nicht böse“, war das erste, was er hörte und sein Herz rutschte ihm sofort in die Hose. Otogi hielt sein ganzes Tun auf, gerade mal ein zögerliches „okay“, konnte er über sich bringen. Er spürte, wie sich sein Blutdruck erhöhte und ihm das Rauschen in die Ohren drang, dass er bezweifelte, seinen Freund überhaupt richtig verstehen zu können. Doch die Worte „Marik hat mich geküsst“, kamen ganz deutlich bei ihm an. Ebenso aber auch dieses zweifelhafte „aber nicht wirklich mich“. Nun kam zu seinem emotionalen Absturz auch noch die Verwirrtheit hinzu, ob er auf Stein, Gras oder gar einer weichen Matratze aufschlagen würde. „Ich weiß nicht einmal, was das bedeuten soll“, sagte Otogi, seine Stimme zitterte dabei. Etwas in ihm wollte triumphierend ins Telefon schreien, er habe es ihm ja gesagt, etwas anderes wollte losheulen und wieder etwas anderes wollte Scheiben einschlagen, Teller zerdeppern und zumindest auf einen Boxsack einprügeln. Seine Reaktion hatte ihn so sehr im Griff, dass er gar nicht merkte, wie seine Assistentin hereinkam und Kaiba ankündigte, der wohl doch noch gar nicht im Besprechungszimmer saß oder vielleicht nicht mehr, weil er zu lange wartete? Ein unterbewusstes Winken bat den CEO herein, der ganz unverhofft jetzt auch noch Zeuge des emotionalen Verfalles seines Geschäftspartners wurde. Bakura versuchte sich in der Zwischenzeit auf der anderen Seite der Leitung zu erklären. Er erzählte von einem Funkeln in Mariks Augen, in dem er nicht sich sondern etwas anderes gesehen hatte und dass er sich wenig später wie aus seinem Körper gedrängt fühlte und auf sich und den Ägypter herabsah. Außerdem sagte er ihm auch, dass er gar nicht so sicher war, ob es wirklich Marik war, der ihn küsste und ob der Kuss nicht sogar von ihm, von seinem Körper zumindest, ausging. „Du willst mir also sagen, du hattest keine Kontrolle über dich und dein Körper hat sich ihm an den Hals geworfen?“, nun war sich Otogi seiner Empfindung sicher. Er war wütend, enttäuscht und wollte einem gewissen aschblonden Jemand den Hals umdrehen. Jetzt! Wie er durch sein Büro toben wollte während Bakura irgendwelche Entschuldigungen und Erinnerungen an ähnliche Ereignisse mit dem Ringgeist – oh, wie hatte er diese Bezeichnung vermisst… nicht! – vor sich hinplapperte, da bemerkte Otogi, dass Kaiba ja noch im Raum war. „Ryou, ich würde jetzt am liebsten Köpfe fliegen sehen, aber ich hab zu tun, wir reden später“, sagte er gereizt und legte auf, ohne auch nur noch ein Wort abzuwarten. Dann sah er zu Kaiba, entschuldigte sich und wollte ihm gerade versprechen, dass sie jeden Moment hinüber gehen würden, er ihm die Entwürfe zeigen wollte, aber jetzt ein Glas Wasser und ein Aspirin brauchte. Doch Kaiba hatte andere Pläne – spontane. „Mach dich nicht lächerlich, pack deinen Koffer, buch den nächsten Flug nach Kairo und mach diesem Stümper klar, zu wem Bakura gehört“, forderte er und nahm ihm einfach nur die Skizzen aus der Hand. Die konnte er sich auch ohne Otogis nerviges Gefasel ansehen. Der vor Überraschung sowieso nicht mehr viel zusammenbrachte. „Aber…“, wurde die Widerrede gestartet, die sofort gekontert wurde: „Nichts aber, ich bin ein wohl ebenso, ja was sage ich denn, ein viel größeres entwicklerisches Genie wie du, ich werde dich ein paar Tage entbehren können“, war Kaiba für Otogi in dieser Situation ein wirklich guter Freund – Geschäftsfreund! Einen labilen Partner konnte er immerhin nicht brauchen. Keine 24 Stunden später setzte Otogi Fuß auf ägyptischen Boden und orderte nach dem Flughafenchaos einen Taxifahrer an, das Museum von Kairo anzufahren. „Otogi-san! Ich bitte dich, beruhige dich“, ermahnte ihn Isis, als der Jungunternehmer aufgebracht, schlaflos und außer sich in das Museum stürmte und regelrecht in das Büro der Leiterin einbrach. Isis stand hinter ihrem Tisch auf und versuchte aus dem aufgelösten Gewüt an Worten – die ja auch nicht in ihrer Muttersprache waren – schlau zu werden und zu erfahren, worum es überhaupt ging. Doch noch ehe Otogi sich zur Ruhe bekehren lassen konnte, wurde der ganzen Situation die Krone aufgesetzt. „‘sis“, der Klang der Stimme brachte Otogi sofort zum Verstummen und Umdrehen. Da stand er. Der Kerl, der es wagte, Hand… Lippen an seinen Freund zu legen und nun die Frechheit besaß, hier so seelenruhig dazuzukommen und ihm unter die Augen zu treten. „Otogi-kun“, entkam es diesem direkt gefolgt von einem gefiepten Ton und einem Schritt zurück. Otogi hatte einen größeren gemacht und hatte die Hand sofort am Kragen des Ägypters. Er zog ihn gefährlich nahe an sich heran und wollte lautstark von ihm wissen, was verdammt nochmal er dachte, was er hier eigentlich tat. Für Isis überschlugen sich die Ereignisse gerade, weswegen sie eiligst dem dritten Ishtar eine S.O.S. zukommen ließ und kurz darauf befanden sich sowohl Otogi als auch Marik im Klammergriff der starken Arme des Adoptivbruders der ehemaligen Gradwächter. „Und nun würde ich mir wünschen, dass wir in aller Ruhe darüber sprechen, was passiert ist“, sagte Isis als auf Geheiß auch Bakura zu der illustren Runde stieß. Im Grunde schien der Student ja geahnt zu haben, dass sein Freund etwas im Schilde führte, nachdem er gestern so abrupt aufgelegt hatte und dann für ihn unerreichbar war. Dass er aber nun wirklich hier war, in Ägypten, das freute und betrübte ihn zugleich. „Ich hab ihn gesehen und gespürt… den Ringgeist“, sagte Marik, Otogi blaffte dazwischen. „Zum Teufel mit diesem Ringgeist, du hast dich an meinen Freund rangemacht!“ Bakura wollte sich einmischen, wurde aber zum Schweigen gebeten, die beiden führten schließlich ein Wortgefecht durch, dass zu genau nichts führte. „Darf ich jetzt auch was dazu sagen?“, fragte Bakura und alle Anwesenden wandten sich zu ihm um. „Ich glaube, es war ein Streich der Geister, weil wir ihre Ruhestätte aus Neugier aufgesucht haben, ich habe immer großen Respekt vor solchen Orten, aber wir waren nicht dort um Respekt zu zollen, wir wollten einfach nur einen netten Abend haben und leider hab ich es zu wenig ernst genommen, das war dumm von mir“, erklärte der Jüngste und Marik seufzte. Er stimmte mit ein, dass es ihm da ähnlich ging, Otogi schnaubte, Marik streckte ihm sofort die Zunge raus, Otogi wollte schon zuschnappen, doch dann sprach Bakura weiter. Er erzählte, dass er die Präsenz des Ringgeistes gespürt hatte, aber nicht auf die Weise, wie es früher war, es war wie eine Kopie. „Die Geister lesen in unseren Gedanken“, erklärte Isis und erzählte davon, dass einer alten Übertragung nach die Toten den Zugang zum verborgenen (oder verdrängten) Gedächtnis hatten und sich daran nährten. Otogi schnaubte abermals. Er hatte eindeutig genug von diesem ganzen Ahnenzauberschwachsinn und ertappte sich dabei, dass er sich selbst mit Seto Kaiba verglich, der vor Jahren doch etwas ganz ähnliches sagte. Er legte sich die Hand aufs Gesicht, wischte angespannt darüber und sah schließlich zu seinem Freund. „Bitte sag mir, dass du nichts gefühlt hast“, bat er ihn schließlich. Er war müde, erschöpft und er konnte schlichtweg nicht mehr, er würde diesen Ausweg akzeptieren, wenn es denn einer war. Für Bakura würde er alles machen, sogar tote Seelen bekämpfen, aber er wollte jetzt erst einmal Gewissheit haben, dass alles in Ordnung war, auch wenn in ihm das absolute Chaos herrschte. „Natürlich nicht, sorry Marik, aber nein, ich liebe dich, Ryuji und ich habe das Gefühl, Marik hat das nur getan, weil er etwas in mir gesehen hat, was nicht da ist. Nicht mehr“, traf der Student den Nagel auf den Kopf. „Du hast nicht unrecht“, gestand Marik ihm zu und sprach weiter. Es war nicht wie damals, als er ihn noch am Flughafen zum Abschied geküsst hatte, es war so, wie er es sich an jenem Tag erwartet hatte, es aber nicht erleben durfte, weil Bakura eben nicht er war. Und diesmal, in der Nacht des 31. Oktobers war es so. Aber Marik wusste auch, dass es das letzte Mal war und er versprach Bakura und auch Otogi, dass er dem Weißhaarigen nie mehr zu nahe treten würde. Und dann war endlich Ruhe und Stille breitete sich in Otogis Kopf aus. Er wusste nicht genau warum, aber etwas in ihm sagte ihm klar und deutlich: Alles war okay. Oder war es nur die Hoffnung? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)