So many more Feelings von Hypsilon ================================================================================ Kapitel 18: Achtsamkeit ----------------------- 2. September, Domino Für Otogi nahm der wohl schlimmste Monat in seinem Leben ein Ende. Und er hatte wirklich gedacht, er hätte im letzten Jahr schon einige dieser Sorte gehabt, zumal da der Monat der massiven Sehnsucht war, aber auch der der schrecklichen sexuellen Unerfülltheit und noch schlimmer der Juli, in dem er solche Angst um ihre Beziehung hatte, dass er schlussendlich im August den wohl dümmsten Move in seinem ganzen Leben gemacht hatte. Er hatte Bakura einen Heiratsantrag gemacht und der war wirklich nicht gut geplant, kam irgendwie aus der Hüfte und schlug absolut falsch auf. Nun ja, er hatte ihn auch nicht richtig behandelt, aber was sollte er tun? Er machte nun einmal nicht täglich Anträge dieser Art, Steueranträge vielleicht oder Anwerben für Geschäftspartner, aber vor diesem war er verdammt nervös und hatte damit wohl alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte. Zwar hatte Bakura das schlimmste Gefühl, diese endloswirkende Aussichtslosigkeit, aus der Situation genommen, indem er meinte, er würde so einem lahmen Antrag nicht annehmen. Trost. Ein bisschen, nicht viel. Aber gerade noch so viel, dass sie sicher nach Hause kamen, dafür zu wenig um einen richtig guten Monat gemeinsam zu verbringen. „Darf ich mir zum Geburtstag was wünschen?“, fragte Bakura am Morgen dieses Tages, als er bereits eine Weile wach in Otogis Arm lag. Sie hatten sich immerzu bemüht, alles so normal wie möglich zu machen und Innigkeit, Zuneigung und die Liebe, die sie ja trotz allem füreinander empfanden, auszutauschen, sie hatten einfach nur einen Rückschlag der kürzlichen Ereignisse erlitten. „Alles“, antwortete Otogi, strich seinem Freund langsam durchs Haar und hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Stirn. Er war ja verrückt nach diesem Jungen, deswegen konnte sich das alles ja auch so unkontrolliert aufschauckeln und ihn die Kontrolle verlieren lassen. „Lass uns den Streit und den Antrag vergessen.“ Der Wunsch überraschte Otogi nicht. Er stimmte ihn zwar traurig, aber er verstand es und er wollte ihn erfüllen. Den Streit wollte er zwar selbst dringlichst vergessen, weil er dumm war – Er, Otogi sowie der Streit. Das mit dem Antrag aber… nun ja, vermutlich war es zu ihrer beider Wohle, wenn sie so taten, als hätte es diesen verzweifelten Akt gar nicht gegeben. „Dann hab ich noch ‘ne Chance, es richtig zu machen“, sagte Otogi, ein verzweifelter Versuch, sich selbst die Stimmung zu heben. Funktioniert hatte es aber erst, nachdem Bakura süß wie eh und je lachte und zustimmend nickte. „Nur bitte nicht ganz so bald, ja?“, nahm er Otogi schließlich das Versprechen ab, die Sache ruhen zu lassen. Das nicht alles so einfach vergessen werden konnte, wussten sie zwar beide, dennoch nahmen sie sich an diesem Morgen vor, einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen. „Möchtest du auch dein geplantes Geschenk haben? Im Grunde hast du ‘nen Teil davon sogar schon begonnen“, schlug Otogi vor, Bakura stimmte sofort zu und ließ sich unter sanften Schmetterlingsküssen*) erklären, was sein Freund geplant hatte: Einen Tag, ganz nach Bakuras Wünschen. Er wollte lange im Bett bleiben? Gerne, Otogi würde ihn nach Strich und Faden verwöhnen. Er wollte gleich aufstehen und einen Shoppingtripp machen? Kein Problem. Frühstück im Bett, anschließende Dusche und dann auf ins Kaibaland? Auch das würde Otogi sofort arangieren, ebenso wie einen Tag mit ihren Freunden – die genau dafür auf Abruf saßen – oder einen Besuch im Spa, einen Masseur kommen lassen, Kino, einen Ausflug machen, Picknicken vielleicht? Alles, Otogi würde alles machen. Unter Kichern bei den kitzeligen Küssen, machte Bakura auch schon seinen ersten Ideen Platz. Er wollte den Tag auf jeden Fall noch für ein paar schöne prickelnde Dinge im Bett verbringen, danach eine Dusche nach welcher ein leckeres Frühstück warten würde – ob er dieses zuhause oder gar in einer kleinen Bäckerei, die Otogi sich empfehlen ließ bekommen würde, war ihm dabei egal – und anschließend wollte er etwas machen, mit dem Otogi nicht gerechnet hatte. Bakura wollte mit seinem Freund ins Auto steigen und einfach nur fahren. Er wollte mit ihm aus der Stadt raus, dann einen Punkt am Horizont ausmachen, sich zu diesem vor arbeiten und sehen, wie es war, wenn man einfach nur der Nase nach ging – oder in ihrem Fall eben fuhr. Die Idee gefiel Otogi wahnsinnig gut und machte sich auch direkt an die Erfüllung des ersten Teiles und des zweiten Teiles und des dritten und so weiter, bis sie schließlich noch am Vormittag im Auto saßen und fuhren. Im Kofferraum waren eine Decke und ein Picknickkorb verstaut, genauso wie ein kleines Gepäckstück mit Sachen, die man für eine Übernachtung oder zwei außerhalb brauchte. Otogi würde auch ein paar Tage mit Bakura fort bleiben, wenn dies hieß, dass er glücklich war. Außerdem war ihm eben bewusst, dass man, sobald man aus der Stadt war, ganz schön weit sehen konnte und dass eine Nacht wohl das Mindeste war und auch ein Picknick hielt er für wahrscheinlich, wie auch das Geburtstagskind. „Augen zu und zeigen?“, fragte Bakura, doch Otogi lehnte ab. „Du willst nicht, dass ich beim Fahren die Augen schließe, such du dir was aus, was dich anspricht, sieh dich um und ihr fahre“, schlug er vor und Bakura sah bei allen Fenstern des Wagens hinaus. Wie ein kleines Kind, das mit seinen Geschwistern gerade ‘Ich seh etwas, was du nicht siehst‘ spielte, auf der Suche nach dem passenden Ding. „Da hin“, sagte er schließlich und deutete an Otogi vorbei schräg nach rechts. Otogi sah in die Richtung und soweit der Verkehr es erlaubte, erkannte er dort folgendes: Ein Berg neigte sich zu Grunde und hatte an einer Stelle einen deutlichen Einbruch. „Willst du genau dort hin oder einfach sehen, was danach kommt?“, fragte er Bakura und wechselte erst einmal die Spur um schneller fahren zu können. „Beides?“, kicherte Bakura und Otogi verstand sofort. Erst einmal diesen Punkt erreichen und wenn sie dann eine tolle Aussicht auf etwas haben würden, dann ging die Reise weiter. Das war auf jeden Fall etwas, was er noch nie gemacht hatte, was ihn ob der Ungewissheit richtig verunsicherte, weil Otogi immer verplant war und immer wusste, was als nächstes zu tun war. Tja, es schien ja fast eine Spezialität von Bakura zu sein, ihn immer wieder in Situationen zu bringen, die er absolut nicht unter Kontrolle hatte, zum Glück hatte er jetzt das Lenkrad in der Hand und diesen wundervollen Jungen neben sich. Während der Fahrt nahm Bakura so viel von der Umgebung auf wie nur möglich, vor allem ab dem Moment, wo sie von der Autobahn abfuhren und nach einem kurzen Stopp, die Notdurft zu verrichten und sich To-Go etwas Kleines zu essen mitnahmen – man wusste ja nicht, wie lange es noch dauern würde, bis sie an ihr Picknick kamen. Sie fuhren durch kleine Dörfer aber auch durch die ein oder andere größere und kleinere Stadt und Bakura schien alles davon zu genießen. Gesprochen wurde vorrangig über das aktuell Gesehene. Irgendwann begannen sie darüber zu grübeln, wie die Leute in der momentanen Umgebung drauf waren und ob es Dorffeste gab, auf die sie einmal gehen würden – Otogi lehnte vorzeitig sofort ab, Bakura hingegen mochte die Idee. Und irgendwann, die Dunkelheit war bereits eingebrochen, erreichten sie exakt den Punkt, den Bakura auserkoren hatte: Ein Bergtal mit einer unglaublichen Aussieht auf das Meer dahinter. Otogi erkannte einen Leuchtturm, den Bakura sofort spektakulär fand. Natürlich wollte er dort hin und er wollte hochgehen und er wollte weit aufs Meer hinaussehen. Alles Wünsche, die Otogi ihm mit Freuden erfüllen würde. Ihr schlussendliched Ziel hatte also ein deutliches Gesicht. Otogi stand mit seinem Freund an dessen Geburtstag fern von Zuhause hoch oben auf einem Leuchtturm an der Reling und sah mit ihm noch viel weiter. Der Wind zog ihnen um die Ohren, aber es störte sie nicht, weil sie genossen, was sie mit Geduld erreicht hatten und wie wunderschön die Aussicht sogar in der Nacht war. Es hatte etwas Magisches, wie das Licht des Leuchtturms an ihnen vorbei hinaus aufs Meer leuchtete und man den Wellen beim Näherkommen zusehen konnte. Das Rauschen des Meeres war deutlich zu hören und beruhigte vor allem Otogi auf eine Art und Weise, die er noch gar nicht kannte. „Das wäre doch ein toller Start für morgen, wir setzen uns an den Strand, meditieren und lauschen dabei dem Wellengang“, schlug Bakura vor und Otogi nickte. Er erinnerte sich an diesen Abend, an dem Bakura bei ihm war, noch vor ihrer Beziehung, und er ihm das Meditieren näher gebracht hatte. Er erinnerte sich auch ganz genau daran, dass das der Moment war, wo sein Bewusstsein auf seine Gefühle für Bakura aufmerksam wurde. Es wäre damals leicht gewesen, ihn einfach zu küssen, aber es wäre genauso einfach gewesen, ihn zu verschrecken, wie er meinte, es mit seiner Geste getan zu haben. Jetzt war es dafür umso unkomplizierter und unverfänglicher, einfach den Druck seiner Hand auf Bakuras Schulter zu verstärken und ihn zu sich zu ziehen und ihn in einen gefühlvollen Kuss zu verwickeln. Und tatsächlich hatten sie an diesem Punkt beide absolut vergessen, wie schwer sie es sich gemacht hatten. Gerade eben und in der Vergangenheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)