So many more Feelings von Hypsilon ================================================================================ Kapitel 16: Vertrauen --------------------- Juli, Domino Seit der Sommersonnwende und einem kurzen Telefonat, das Otogi nach den Worten „Es tut mir leid“ abrupt beendet hatte, herrschte wieder Funkstille zwischen ihm und Bakura. Der Aschenbecher am Balkon wurde statt wöchentlich nun täglich geleert, Konversationen, die in die Richtung seines Wohlergehens gingen, wurden sofort abgewendet, Otogi verließ sogar einmal ein gemütliches Beisammensitzen bei Yugi, als Jonouchi einfach nicht locker lassen wollte. Trost fand der Jungunternehmer nur noch in seiner Arbeit und den Terminen mit Kaiba, die immer mit neuem Tatendrang einhergingen. Wie sagte man so schön? Kreative Köpfe waren am genialsten, wenn sie litten. Otogi litt ungemein. So sehr, dass es sogar dem fiesen Eisklotz – Jonouchis Worte, nicht Otogis – auffiel. „Es ist mir reichlich egal, was bei dir privat passiert, aber ich möchte nicht eines Tages eine üble Überraschung in unserer Zusammenarbeit erkennen, weil sich plötzlich etwas ändert. Ich hoffe also, es geht dir nicht zu beschissen und ich kann bis Ende des Jahres noch mit deinem aktuellen Zustand rechnen“, sagte er, worauf Otogi nur lachen konnte. Bis März nächsten Jahres spätestens konnte Kaiba versichert sein, dass sich nichts ändern würde. Etwas nervös war er bei der Beantwortung dieser getarnten Frage dennoch. Nicht, weil er eine Nachfrage erwartete, auch nicht wegen eventuellem Mitleid, das wusste er, würde er von Seto Kaiba nie bekommen. Aber seine letzte Zigarette war bereits über eine Stunde her, weswegen er auch gleich um Unterbrechung bat, diesem Drang nachzugehen. „Tu, was du nicht lassen kannst“, ließ Kaiba ihn gehen und wischte auf dem Tablett durch ihre Entwurfsseiten. Ende des Monats sollte alles fertig dokumentiert sein und sie würde mit August endlich in die Produktion gehen. August, der Monat in dem Bakura wieder kommen würde und Otogi tatsächlich vom Projekt eine Weile eine Ruhe haben würde, da sich um die weitere Entwicklung vorerst die Kaiba Corporation kümmern sollte, Mitte September war dann der nächste Meilenstein gesetzt und es ging um die grafische Oberfläche, wo auch Otogi wieder viel zum Fortschritt beitragen würde. Die Zigarette schmeckte gar nicht, sollte sie auch nicht. Sie musste ihn nur ablenken davon, dass er Textnachrichten schickte, die davon zeugten, er habe Recht gehabt, er hätte es ja gesagt und vielleicht noch den ein oder anderen Vorwurf nachschicken würden. Nein, er klammerte sich fest an Hondas Rat, der vorsah, keine Nachrichten aus Wut zu schreiben. Stattdessen sammelte Otogi diese Empfindungen stets zusammen und schrieb am späten Abend Nachrichten in denen stand: Ich liebe dich Du fehlst mir Oder Ich hoffe, dir geht es gut Zurück kam nicht immer etwas und wenn, dann waren es ebenso knappe Worte. Otogi wusste genau, dass Bakura eingeschnappt war, er selbst war enttäusch, wütend, traurig, verzweifelt und er fühlte sich verloren. „Hätte nie gedacht, dass ich jemals auf sowas reinfalle, Liebe“, sagte er eines Abends zu Jonouchi, der auf Besuch war mit ihm am Balkon ein Bier trank. „Ich vermisse sogar, dass er wie ein Gestörter am Etikett zupft, wenn es sich nicht einfach lösen lässt“, schnaubte er und spielte sich schließlich selbst mit dem Eck des Aufklebers. Jonouchi konnte gerne eine Futzelwirtschaft veranstalten, schlug er ihm vor, doch Otogi lehnte dankend ab. „Aber ich glaube nicht, dass es ein Reinfall ist, ihr zwei seid doch so toll zusammen“, versuchte Jonouchi die kürzlichen Worte negieren. Otogi zog die Mundwinkel amüsiert hoch. Eine Weile sprachen die beiden noch darüber, was man in einer Beziehung bereit war, zu akzeptieren, zu verzeihen und was man vielleicht erst gar nicht wissen wollte, da kam Jonouchi mit der dümmsten und gleichzeitig besten Idee, die er in den letzten Jahren hatte. „Mach das Ding doch klar, heirate ihn… oder frag ihn lieber erst Mal“, war die Aussage, die Otogi seinen soeben getätigten Schluck unter schrecklichem Husten auf die wohl unangenehmste Weise seine Speiseröhre hinunter bringen ließ, die er sich je hätte vorstellen können. „Sag mal… hast du… sie noch alle?“, fragte er kurz darauf außer Atem, den er beinahe verloren hatte. Jonouchi zuckte nur mit den Schultern. War doch klar, wenn Bakura einen Ring am Finger tragen würde, dann wäre das eine deutliche Markierung und niemand würde versuchen, ihn wegzuschnappen. Otogi fasste sich angestrengt an die Stirn. Das war ein absolut dummer Grund, jemanden einen Antrag zu machen. „Aber du liebst ihn und du willst dein Leben mit ihm verbringen und es macht dich absolut miserabel, wenn er nicht da ist“, fasste Jonouchi kurz zusammen. Otogi konnte nicht wiedersprechen, auch wenn er es versuchte, doch ihm klappte der Mund im Ansatz zu. Die Glasflasche wurde wieder am Tisch abgestellt, zu viel war davon in seine Luftröhre geraten, dass er das Weitertrinken lieber aussetzte. Dieser bekloppte Vorschlag beschäftigte den Spieleentwickler aber bis in die Nacht und auch die darauffolgenden Tage, so lange, bis er sich eine Frage stellte. Woran lag es denn, dass er Bakura keinen Antrag machen wollte? Natürlich waren es die frischesten Ereignisse im Ausland und die aufgestauten Gefühle, die ihn ärgerlicherweise mit seiner ebenso aufgestauten Libido nur noch durcheinander brachten. Also, was hinderte ihn? Die Antwort war einfach: Vertrauen. Nicht gegenüber Bakura. Er vertraute ihm doch. Wem er nicht vertraute, war dieser Kerl, der seinem Freund zu nahe kam und im Grunde jeder andere Mensch, der erkannte, wie besonders und wundervoll Bakura war. Otogi war klar, dass es immer wieder Männer geben würde und auch Frauen, die einen Narren an dem hübschen Studenten fressen würden und wer war er, dass er es ihnen verübeln konnte? Es glich einem Wunder, dass ihm selbst hier nicht die halbe Stadt nachstellte – gut, auf der Schule genoss er einen ähnlich hohen Aufmerksamkeitsfaktor wie Otogi selbst, aber das wollte dieser mal lieber verdrängen. Er wusste aber auch, dass Bakura seine Ausstrahlung nicht ändern konnte, er war nun einmal so wie er war und genau für das liebte ihn Otogi so sehr. Bakura war immer so unbekümmert und ehrlich und hatte diesen ganz eigenartigen schwarzen Humor, der gekoppelt mit seinem unschuldigen süßen Lächeln nur noch skurriler wurde. Otogi liebte Bakura für jede seiner Eigenheiten, wie dieses Etikettenreißen, dem nervösen Spielen mit den Haarspitzen, wenn sie auf etwas warteten und dem schrecklichen Geräusch, dass er mit seinen Zähnen machte, wenn er wirklich tiefenkonzentriert war. Und er vermisste alles, was ihre Beziehung ausmachte. Dass er mit Bakura die neuesten Gruselfilme schaute und dabei die meiste Zeit hinter seinen Fingern verbrachte und dass dieser wiederum vollkommen entspannt auf seinem Schoß schlief, wenn der Jungunternehmen den neuesten Teil der Fast and Furious Reihe über die Leinwand flimmern ließ. Die leisen Schmatzgeräusche, die er machte, wenn er mit dem Gesicht direkt an seinem Ohr schlief und wie er sich freute, neben ihm aufzuwachen, wenn er bei ihm übernachtet hatte und das auch tagtäglich machte, seit sie zusammen wohnten. Otogi sehnte sich nach dem Lachen, das mit den Sekunden immer leiser wurde und schließlich in einem verspielten Knabbern an den Lippen endete, weil Bakura meinte, dass er zu ungehalten war. Er wollte es wieder erleben, wie sich der Jüngere in Erzählungen – meistens von Horrorgeschichten- reinsteigern konnte und wie er Tag ein Tag aus überlegte, sein Frühstück auf ein neues Level zu bringen und schließlich doch wieder bei einer Schüssel seiner Lieblingscerialien blieb und er wollte nichts mehr als dieses Funkeln wieder in seinen Augen zu sehen, wenn er ihm sagte, dass er ihn liebte… Und er wusste, dass er ihm vertrauen konnte. Immer. „Und warum glaubst du, dass mich das auch nur im Geringsten interessiert?“, fragte Kaiba, der zu seinem ganz eigenen Unglück genau die Person war, die Otogi gegenüber saß, als diesem klar wurde, dass er Jonouchis Vorschlag durchziehen sollte. Er war von der Realisierung so überrannt worden, dass er sie direkt aussprechen musste. Dass er ausgerechnet mit Kaiba in einem Raum saß, war natürlich nicht die beste Situation, aber im Grunde war es doch nicht so schlimmer oder? Immerhin verband sie etwas. „Ich dachte, wir wären Freunde“ – „Wir sind Freunde, Geschäftsfreunde“, erklärte Kaiba, dem die Definition von Freundschaft wohl immer noch so fern lag, wie vor einigen Jahren. „Aber… ich gratuliere dir, wenn er ja sagt?“, fragte er und Otogi nickte. Fast konnte er beobachten, wie sich ein stolzes Lächeln auf Kaibas Lippen bildete, dann gingen sie ihrem Termin weiter nach. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)