So many more Feelings von Hypsilon ================================================================================ Kapitel 15: Ticks ----------------- Juni, Kairo Im Juni war es wohl eindeutig höchste Zeit, eine Sonnenbrille zu erstehen, denn Bakura konnte sich das Tuch, das er zum Schutz vor einem Sonnenstich trug, gar nicht mehr weit genug ins Gesicht und über seine Augen ziehen um sie vor der blendenden Sonne zu schützen, die sich schier überall wiederszupiegeln schien. Ein Problem, das er jeden Moment am Wochenmarkt mit Marik lösen wollte. Die beiden trafen einander immer öfter und auch, wenn Bakura bewusst war, dass der junge Mann keinerlei japanische Wurzeln hatte, fühlte er in seiner Gesellschaft diese Geborgenheit, die er mit seiner Heimat verband. Er verstand sich einfach wahnsinnig gut mit ihm und genoss es, mit ihm in seiner Muttersprache zu reden und Ähnlichkeiten in gewissen Ticks zu erkennen. So bemerkte er bei ihrem ersten Treffen vor ein paar Wochen mit einem Schmunzeln, dass auch Marik seine Finger wohl immer irgendwie beschäftigt haben musste. Das Etikett des Cola-Fläschchens war binnen kürzester Zeit feinsäuberlich abgezogen und wurde über den Abend hinweg mehrfach gefalten, wieder glatt gestrichen, zusammengerollt, wieder auf, wieder zu, gefalten, geglättet… Otogi wäre ausgerastet, das wusste Bakura genau. Ähnlich war es auch, als sie an diesem besonders heißen und sonnigen Juni-Tages, als die Freund bei einem Händler stehen blieben und Bakura ein oder andere Sonnenbrille unter Begutachtung nahm. Marik stand neben ihm und spielte wie nebenbei mit einer der angebotenen Brillen: klappte die Bügel auf, wieder zu, wieder auf. Die Sonnenbrille wurde gedreht, mal an beiden Bügeln und einfach nach oben und nach unten gewippt, oder auch an einem Bügel um sie mehr oder weniger wild im Kreis zu drehen, bis er etwas harscher darauf hingewiesen wurde und das gute Stück nach einem kurzen Zusammenzucken wieder an seinen Platz legte. Bakura kicherte amüsiert und entschied sich dann für seinen künftigen Sonnenschutz. Runde dunkle Plastikgläser, zartes weißes Gestell, perfekter Sitz auf der Nase und im Vergleich zu Mariks cooler spiegelnder Fliegerbrille etwas ganz Anderes eben. „Ich finde, sie steht dir hervorragend, passt gut zu deinem runden Gesicht“, sagte Marik und Bakura freute sich darüber, dass seine Begleitung das so direkt aussprechen konnte. In Japan hätte sich wohl niemand getraut, ihm zu sagen, er habe ein rundes Gesicht, weil man davor scheute, ihn zu beleidigen. Aber Bakura wusste ja, dass sein Gesicht entgegen vieler anderer eben eher rund war und sah das auch gar nicht als Beleidigung. Man sagte ihm damit ja nicht, dass er dick war. Das wäre sowieso an den Haaren herbeigezogen. „Deine macht dich dafür umso cooler“, sagte er ehrlich zu Marik. Dieser legte sich die Hand etwas verlegen in den Nacken und lachte nur verhalten eine knappe Danksagung. Tja, das mit den Komplimenten war er wohl noch immer nicht gewohnt und das obwohl Jonouchi bei den letzten Treffen – zwar waren die auch schon wieder lange her – immer wieder einen coolen Spruch über Mariks lässiges Auftreten auf den Lippen gehabt hatte. Lieber lotste ihn Marik zu seinem Motorrad um ihren kleinen Tripp ans Nilufer zu beginnen. Seit sie sich regelmäßig trafen, hatte Bakura schon einige Schänken dank ihm kennengelernt. Mal gab es richtig leckeres Essen und andere Male waren die Cocktails im Vordergrund und auch eine Tapasbar war dabei, die Bakura besonders gerne mochte. An diesem Nachmittag hatte Marik ein ganz besonderes Ziel. Eine Bar am Rande der Stadt mit der perfekten Aussicht auf den Nil an der Stelle, wo das Nilfeuer betreffend der Sommersonnwende entzündet werden sollte. Am meisten freute sich Bakura aber auf die Fahrt mit dem Motorrad, das hatte er bei seinem letzten Besuch in diesem Land sehr genossen, auch wenn die Gründe seiner Anwesenheit damals ganz andere waren. Bedrückendere und angsteinflößende. Auch der Hintergrund der letzten Motorradausfahrt war ein dunkler, umso mehr freute sich der Geschichtsstudent nun über die Unbekümmertheit ihrer kleinen Reise. Bald schon spürte er den Fahrtwind in seinem Haar, das aufregende Gefühl von Abenteuer in seinem Bauch und die wohltuende Nähe zu dem Ägypter um dessen Taille er die Arme geschlungen hatte und sich von hinten eng an seinen Rücken presste. Coolness, Spaß und Begeisterung dahingestellt, Sicherheit ging vor und mit diesem festen Griff fühlte er sich sicher. Anschnallen konnte er sich auf dem Zweirad nun mal nicht, für den Schutz seines Kopfes diente anstatt des Tuches nun ein Zweithelm, den ihn Marik mit einem zarten Lächeln aufgesetzt hatte. Fast schon widerwillig stieg Bakura nach der Fahrt, in der er den Kopf seitlich an Mariks oberen Rücken gelegt und die Umgebung bewundert hatte, vom Motorrad und nahm auch den Helm ab. Die gefährliche Mittagssonne war schon lange vorüber, weswegen es nun nicht mehr notwendig war, seinen Kopf mit Stoff zu bedecken, also blieb er bei seiner neuen Sonnenbrille, denn hell war es immer noch sehr, trotz vorangeschrittener Stunde. Aber sie hatten nun einmal auch gerade den längsten Tag des Jahres. Auch Marik stieg mit einem coolen Schwung von der Maschine und verstaute die beiden Helme in den Seitentaschen. Nicht weit von ihnen entfernt konnten sie bereits erkennen, wie die Vorbereitungen für das große Feuer getätigt wurden. Holz wurde aufgestellt, lange Scheite formten zum Boden ein Dreieck, Heu wurde für schnelle Brennbarkeit gestreut und der unmittelbare Bereich um die Stelle wurde mit Steinen abgedeckt um ein Lauffeuer zu vermeiden. „Möchtest du helfen?“, fragte Marik und winkte Bakura schnellen Schrittes direkt weiter. Wie bitte? Sie durften helfen? Natürlich willigte er sofort ein, das war genau der Teil Kultur, den er kennenlernen wollte. An der geplanten Feuerstelle angekommen, wurden sie auch schon direkt eingewiesen und griffen den anderen Arbeitern tatkräftig unter die Arme. „Isis hat organisiert, dass wir mitmachen können, das Museum hat immer überall die Finger drinnen“, erklärte Marik und Bakura nickte anerkennend. Es war nicht selbstverständlich, dass sie das hier erleben durften, das war ihm klar, umso mehr freute er sich, als sie alle nach getaner Arbeit einen großen organisierten Scheiterhaufen betrachten konnten. Nun konnte Bakura auch von sich behaupten, dass er neue Fertigkeiten im Feuer machen – oder eher vorbereiten – gesammelt hatte, das lernte man auf der Uni nicht. „Letztes Jahr habe ich mit Isis und Rishid meine letzten Erinnerungen an diese dunkle Zeit verbrannt“, sagte Marik etwas in Gedanken, als die beiden zum Einbruch der Nacht mit einem Softdrink am Dach eines Gasthauses standen und nicht unfern von der Feuerstelle das Entflammen beobachteten. „Das heißt, du konntest nun richtig abschließen?“, fragte Bakura, sah Marik dabei aber nicht an, weil er viel zu gefesselt von dem Anblick der züngelnden Flammen war. „Mhm“, kam es von Marik, der wiederum mit seinem Blick auf Bakura hing, unbemerkt von diesem. „Ich bin sehr froh, dass es dir besser geht und dass du wieder lächeln kannst, das ist mir bei unserem ersten Treffen hier direkt aufgefallen“, sagte Bakura, mit den Augen weiterhin beim Feuer. Marik stimmte ein. Auch er war froh, dass er sich aus dieser Depression hatte befreien können. Es war kein leichter Weg und lange hatte es auch gedauert. Und er würde Bakura wohl immer dankbar dafür sein, dass er damals mit ihm den ersten Schritt getätigt hatte. „Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass ich mich über deine Gesellschaft freue“, sagte Marik und legte Bakura den Arm um die Schulter, dieser lehnte sich ein wenig zu ihm und genoss mit der aufkommenden Kälte der Nacht die Wärme seines guten Freundes. „Ich freue mich auch sehr über deine Gesellschaft, seit wir uns treffen, fühl ich mich nicht mehr so alleine hier. Es wäre nur toll, wenn Ryuji endlich Vertrauen fassen würde“, erwiderte Bakura und seufzte. Er erzählte von dem Streit und der Versöhnung und dass ihm Otogi zwar sein Vertrauen ausgesprochen hatte, er ihm aber nicht glaubte. Dabei sah er schließlich doch in Mariks Gesicht, das durch das große Feuer in ein warmes Orange getaucht war und eine angenehme Ruhe und diese wohlige Geborgenheit ausstrahlte. „Dein Freund wäre ein dummer Mann, würde er mir vertrauen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)