So many more Feelings von Hypsilon ================================================================================ Kapitel 14: Stolz ----------------- Mai, Domino Natürlich hatte Otogi nach dieser Nachricht nicht einfach weitergeschlafen. Er konnte nicht einmal mehr daran denken, ein Auge zuzumachen und war nach etlichen Versuchen, eine brauchbare Text-Nachricht zu verfassen, zerschmettert aus dem Bett gesprungen und in seine Sportsachen geschlüpft um sich die Wut – vorrangig auf sich selbst – wegzulaufen. Wie konnte er nur so dumm sein und einer der treuesten und gutmütigsten Seelen, die er kannte, so etwas Schreckliches vorwerfen? „Vollidiot“, betitelte er sich selbst während dem Lauf, beim Duschen, nach dem ersten Kaffee und auch nach dem vierten am frühen Nachmittag. Die nächsten Wochen vergingen in stetiger Sorge, dass jemand etwas Dummes machte. Vorrangig hatte er diesen Part einem gewissen blonden Ägypter zugeschrieben, denn er wollte vertrauen. Er wollte Bakura mit jeder Faser seines Körpers vertrauen und er wollte sich aufrichtig entschuldigen. Aber außer einem knappen Danke auf seine Nachricht, dass Bakura und Marik einen gemütlich absolut ereignislosen Nachmittag miteinander verbracht hatten, hatte er nichts geschafft. Es herrschte bittere Funkstille, etwas, was sie zuletzt hatten, als Bakura in den Ferien damals mit seinem Vater lange weg war, noch bevor Otogi ihm gebeichtet hatte, wie es um seine Gefühle stand. Diese gnadenlosen Gefühle, die ihn nun den letzten Nerv raubten, weil sich sein Stolz so querstellte. Es wäre einfach, sich zu entschuldigen, sich einzugestehen, dass man falsch gehandelt hatte, aber für Otogi glich das einer untragbaren Niederlage, die er noch nicht bereit war, zu akzeptieren. „Ich würde es wirklich schätzen, wenn du mit deiner Aufmerksamkeit hier wärst, Otogi-san…“, mahnte Seto Kaiba, der sich extra Zeit genommen hatte um sich mit dem Spieleentwickler zu treffen und über eine Zusammenarbeit zu sprechen. „Natürlich, Kaiba, bitte entschuldige“, sagte Otogi und versuchte sich mit dem Thema ihres Zusammenseins abzulenken. Tatsächlich funktionierte das auch sehr gut, er und Seto Kaiba waren in diesen Belangen genau auf einer Wellenlänge und standen einander auch intellektuell in nichts nach. Otogi wollte in ihrem besprochenen Projekt eine ganz neue Spielweise vorstellen und die Kaiba Corporation sollte für die Digitalisierung und Entwicklung der KI zuständig sein. Über das Gespräch hinweg, in dem sie beide irgendwann wild auf einem Whiteboard herumkritzelten, schaffte Otogi sogar etwas, er nie erwartet hatte von Seto Kaiba zu erhalten: Lob und Begeisterung. „Ich kanns wirklich kaum erwarten, damit zu beginnen, lass uns nächste Woche für den Projektplan treffen, meine Assistentin schickt dir einen Termin“, sagte der CEO und erhob sich nachdem er seinen Aktenkoffer zugemacht hatte. Einmal wandte er sich noch zu Otogi um, der sich für seine Zeit bedanke. Höflich nickte er ihm zu und ihre Wege trennten sich wieder. Zumindest für die folgenden Tage. Den Abend dieses frühsommerlichen Mai-Tages verbrachte Otogi bei Honda und Shizuka, sich darüber zu monieren, wie er und Bakura miteinander verblieben sind. Mit Hondas Zuspruch hatte er eigentlich fest gerechnet, da dieser doch damals bei diesem Abschiedskuss dabei war, aber dem war nicht so. „Du kannst nicht für Dinge auf ihn sauer sein, die er gar nicht tut, selbst wenn Marik was versuchen würde, glaubst du wirklich, Bakura würde das zulassen?“, fragte er ihn und sah ihn wie auch Shizuka regelrecht vorwurfsvoll an. „Nein, natürlich nicht, aber was wenn-“, Otogi stockte im Reden. Honda wusste wohl genau, worauf er hinauswollte, denn er redete ihm vor, dass wenn Bakura darauf anspringen würde, dann hätten die beiden sowieso ein anderes Problem. „Alter, soll mich das besser fühlen lassen?“, fragte Otogi und schlug sich die Hand verzweifelt ins Gesicht. Angespannt rutschte die Hand immer weiter hinunter, bis er schließlich Zeigefinger und Daumen an seinem Kinn zusammenführte und danach ins Nichts fahren ließ. So hatte Honda das nicht gemeint, bekräftigte dieser, dann mischte sich Shizuka ein und erklärte dem Jungunternehmer, dass ihr Mann eigentlich hervorheben wollte, dass die beiden doch eine innige Verbindung hatten und mehr waren, als ein einfaches Paar in dem einer den anderen betrog. Das hatten sie doch alle schon deutlich gesehen bei all den Veranstaltungen, denen sie in unterschiedlichen Konstellationen beigewohnt hatten und beobachten konnten, wie kalt sie gegenüber eindeutigen Angeboten waren. „Außerdem hat Bakura Marik doch abgewiesen damals, da ist nichts, Kumpel. Vertrau ihm“, forderte der Brünette und Otogi resignierte. Vermutlich hatten die beiden recht. Natürlich hatten sie recht. Womit Otogi nun noch zu knabbern hatte, war die Überwindung, diese Fehleinschätzung zuzugeben. Seinen Stolz beiseite zu schieben und Bakura zu schreiben und sich zu entschuldigen. Aber eigentlich wollte er das persönlicher machen, so persönlich, wie es gerade nun Mal ging. Weg kam er aus Japan nun nicht, wo sich die Termine mit Kaiba häufen würden und er mit dem neuen Projekt wieder tiefer in die Arbeit stürzte, als es ihm in spätestens einem Monat lieb war, wenn er merkte, dass der Kontakt zu seinem Freund wieder betrübt wurde. Video-Call? Heute 18:00 deine Zeit? Die Nachricht an Bakura war raus und würde für Otogi bedeuten, dass er um 1:00 in der Nacht mit seinem Freund einen Video-Call haben würde, denn kurz darauf kam ein knappes OK zurück. Besonders viel Mut machte die Kürze zwar nicht, aber immerhin würden sie noch in den folgenden Stunden miteinander reden. „Bleib ruhig“ – „Sei einfühlsam“ – „Zeig ihm, dass es dir wirklich leid tut“ – „Und, dass du ihm vertraust“ – „Scheiß bitte auf deinen Stolz“ Die beiden meinten es nur gut mit ihm, trafen aber mitten ins Schwarze. Er war ein unheimlich stolzer junger Mann und diese Tatsache stand ihm bei der ganzen Situation wohl am meisten im Weg. Zur ausgemachten Zeit drohte es Otogi das Herz zu zerreißen als er mit dem Laptop an der Kücheninsel stand und in der Videotelefonie-Applikation den Button gedrückt hatte, der den Call startete. Das künstliche Geräusch des Durchwählens machte die Aufregung so viel größer, seine Hände wurden schwitzig und er verhaspelte sich beinahe bei seiner Begrüßung, als dieser unerträgliche Ton endlich verstummte und Bakuras hübsches Gesicht endlich den Bildschirm füllte: „Ryou“ „Hey…“, kam es zögerlich über die Lautsprecher, Otogi hätte der Klang der Stimme beinahe das Herz gebrochen, aber auch er zögerte. „Du siehst gut aus-“ – „Lass den Smalltalk und komm bitte zur Sache, ich hab morgen eine Prüfung und muss noch lernen“, unterbrach ihn Bakura direkt mit dem Wunsch auf den Punkt zu kommen. Gut, damit hatte Otogi ja sogar gerechnet. Natürlich musste Bakura lernen, Bakura musste immer lernen. Auch hatte er vermutet, dass er den Smalltalk ausweichen würde, dass es aber so harsch kommen würde, überraschte den Jungunternehmer. Am liebsten hätte er ihm das direkt wieder vorgeworfen, aber Honda und Shizuka hatte ihm geraten ruhig und einfühlend zu sein. Ach wäre das nur nicht so schwer… Hatten die beiden denn gewusst mit wem sie sprachen? Wussten sie, sonst hätten sie es nicht mit so viel Nachdruck gesagt. „Natürlich, ich möchte dich nicht aufhalten“, sagte er etwas gedrückt, holte tief Luft und schob all seinen Stolz beiseite und holte stattdessen den Mut heraus. „Es tut mir leid“, fing Otogi an und erklärte Bakura, dass er seine eigene Eifersucht meinte. Er sagte ihm, dass Bakura nichts dafür konnte und dass er ihm nie einen Grund gegeben hatte, dass es angebracht war. Es war auch nicht in Ordnung den Jüngeren so anzufahren und ihm Vorwürfe für einer anderen Person Gefühle zu machen und er sagte ihm, dass er wusste, dass Bakura ihm treu war und vertrauenswürdig. Otogi wusste auch, und das sagte er ihm, dass seine Unsicherheit eigentlich eine Beleidigung Bakura gegenüber war, dem stimmte der junge Mann auf der anderen Leitung sehr deutlich und bestimmt zu. In Bakuras Stimme lag viel Ärger, aber Otogi merkte, dass er sich ebenso mühte, ruhig zu bleiben. Ihr Gespräch wurde weitergeführt, wenngleich es auch mehr ein einseitiger Monolog der Entschuldigung des Schwarzhaarigen war. Bakura nickte andächtig und annehmend, wie Otogi für sein Verhalten, seine unterschwelligen Vorwürfe und seine sture Art einstand und es ehrlich bedeuerte. „Vergiss deinen Stolz nicht, den du über mich stellst“, forderte Bakura, hatte dabei aber bereits ein mildes Lächeln aufgesetzt. Otogi schnaubte, mühte sich ebenfalls eines Lächelns und nickte. Sein Freund hatte recht und das gestand er ihm zu, dennoch wollte er hervorheben, dass er doch wusste, mit wem er es zu tun hatte. Das wiederum gestand ihm Bakura zu. „Danke, dass du über deinen Schatten gesprungen bist, du hast mir wirklich weh getan“, sagte der Geschichtsstudent. Das so zu hören, fand Otogi natürlich nicht schön. Er wollte ihm nie weh tun oder ihn beleidigen, schon gar nicht aus seinem verletzten Ego heraus. „Du fehlst mir“, sagten sie einander schließlich und verharrten eine Weile, in der sie den jeweils anderen nur über den Bildschirm ansahen. Otogi seufzte. Etwas mehr als einen Monat noch, dann würde der Jüngere für die Ferien nach Hause kommen. „Du solltest lernen“ – „Sollte ich wohl… Schlaf schön, ich… liebe dich“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)