Inu no Game von Lady_of_D ================================================================================ Kapitel 20: ------------ Ich war heute nicht bei der Sache. Samstagabend, volles Haus und ich lief durch den Night Club, als wäre ich der einzige Mensch auf Erden. "Mieses Wochenende?", fragte mich Suzuki-senpai, während ich mir ein Glas Wasser aus dem Zapfhahn genehmigte. "Alles bestens", antwortete ich und schluckte die Flüssigkeit in einem Zug runter. "Kazuha, du musst nicht so tun, als sei alles okay. Aber wenn der Boss mitkriegt, dass du nicht bei der Sache bist…du hast echt Glück, dass er dich seit dem Smooth-Wednesday nicht mehr auf dem Kieker hat." "Ich weiß", seufzte ich. Tatsächlich war mein Boss für seine Verhältnisse recht nett zu mir gewesen. Es hatte nicht die übliche Standpauke gegeben, die er mir jedes Mal vor den Latz knallte, noch bevor ich überhaupt meine Schicht angetreten hatte. Ich wusste, dass ich das nur Kaiba zu verdanken hatte. Wenn auch nur ein schlechtes Wort gefallen wäre…na dann gute Nacht. "Ich werd' mich zusammenreißen." Damit richtete ich mich auf und ging an den nächsten Tisch. So wirklich besser wurde es nicht. Zwar stieß ich niemanden um oder verschüttete einen Drink, aber konzentriert sah definitiv anders aus. Das merkte ich an dem Trinkgeld - meine eigentliche Einnahmequelle. Die Bezahlung war bloß mittelmäßig, doch wer seinen Job gut machte, konnte ein saftiges Trinkgeld abkassieren. Das hatte ich gleich am ersten Tag gelernt. Etwas genervt zählte ich mein Trinkgeld zusammen. Nicht einmal das hatte ich heute gut hinbekommen. Im Mitarbeiterbereich wechselte ich die Kellnerinnen-Uniform gegen mein übliches Outfit aus Jeans und blauem T-Shirt. "Gratuliere, Jonouchi." Tsubaki, unsere Mitarbeiterin des Monats, wie sie hintenrum genannt wurde, knöpfte sich die Bluse zu. Dass wir uns während der Schicht abklatschten, war schon sowas wie Routine. Wir hatten bisher nur einmal wirklich miteinander gearbeitet und das eine Mal hatte uns beiden gereicht. "Wie ich hörte, sollst du den Platin Bereich jetzt öfter übernehmen. Du musst ja einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben." Ich wusste, was Tsubaki von mir wollte. Als eigentliches Steckenpferd des Night Clubs wollte sie mit niemandem den Platz teilen. Sanji meinte einmal, dass Tsubaki selbst ein paar krumme Dinger am Laufen hätte und sich deshalb so ins Zeug legte, den Platin Bereich bedienen zu dürfen. Ehrlich gesagt, hielt ich nicht viel von diesen Gerüchten und selbst wenn, war es mir egal, was Tsubaki hinter verschlossenen Türen trieb. "Mal sehen", antwortete ich und warf mir den Rucksack um die Schulter. "Wie ich hörte, gehörte zu deinen Gästen Seto Kaiba. War der nicht mal in deiner Klasse?" "Was willst du, Tsubaki?" "Gar nichts. Ich habe mich nur gefragt, wie du plötzlich zum heimlichen Liebling unseres Bosses werden konntest. Vor zwei Wochen konntest du noch nicht mal ein Glas geradehalten." "Ich bin ganz sicher nicht sein neuer Liebling. Wenn du aber ein Problem mit mir hast", ich kam auf sie zu, "dann sag' es mir direkt und hör' auf, mit diesen falschen Anschuldigungen um dich zu werfen. Ich kann solche Zickereien nicht ab." "Das sollte keine-" "Schon gut", ich lächelte, "ich kann dich auch nicht leiden. Aber machen wir doch das beste draus. Wir wollen doch beide einen guten Job machen." "Ähm, ja." "Und keine Angst", sagte ich und lief Richtung Tür, "du bist immer noch unsere Nummer eins." Frische Luft! Die hatte ich mehr als bitter nötig. Tsubaki brauchte ich nicht auch noch als Feind. Ich streckte mich und trat den Rückweg an. Es war kurz nach ein Uhr, ich war hellwach und wollte noch nicht zurück in die Kaiba-Villa. Seit gestern Abend hatte ich ein seltsames Gefühl, was Seto Kaiba und mich betraf, und ich wusste nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Den ganzen Abend hatte ich an diesen kurzen, intimen Moment gedacht. Kaiba war immer so berechenbar, aber jetzt gerade fing ich an, mehr in diesen arrogante Geldsack zu sehen als das, was er uns allen in all der Zeit verkauft hatte. Vielleicht hatte Yugi recht. Vielleicht steckte in Kaiba eine verborgene Seite - eine gute Seite. Ich lief weiter um den Night Club herum. Dorthin, wo ich mein Fahrrad zurückgelassen hatte. Ein großer, dunkler Schatten stand direkt davor. Zwei Meter vorher blieb ich stehen, schaute hinauf in das Vertraute Gesicht meines ehemaligen Klassenkameraden aus der Mittelschule. "Jonouchi", sagte Hirutani und grinste mich an. Von der Seite tauchten ein paar weitere Kerle auf. Den ein oder anderen kannte ich noch von früher, aber ein fröhliches Wiedersehen war das nicht. Besonders nicht für mich. "Was machst du hier, Hirutani?" Ich verschränkte die Arme vor der Brust. "Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass du hier arbeiten sollst. Hätte ich dir gar nicht zugetraut." "Du kennst mich auch nicht." "Das sehe ich anders." Er legte den Kopf schief. "Ich kenne dich sogar sehr gut, Jonouchi. Besser als die meisten. Ich weiß, wie du wirklich bist, Jonouchi. Egal, wie sehr du versuchst, jemand anderen zu spielen, du bleibst meine rücksichtslose Schlägerbraut." "Was willst du, Hirutani? Ist das hier wieder einer deiner dämlichen Versuche, mich wieder in deine Gang aufzunehmen?" "Ich bin nur hier, um hallo zu sagen." Er breitete die Arme aus, als wollte er mich umarmen. Mir kam fast das Kotzen. "Schließlich bist du neulich einfach so davongelaufen. Das hat mich ganz schön gekränkt, Jonouchi." Neben Hirutani standen zwei Muskelprotze, die ihre Finger knacken ließen. Als ob mich so ein Gehabe beeindrucken würde! "Wenn du mich gesehen hast", sagte ich, "dann frage ich mich, warum du hier bist. Selbst dir sollte klar sein, dass ich keinen Bock habe, mich mit dir zu unterhalten…oder wie auch immer du das hier nennst." Ich deutete auf seine Männer. Keiner von denen sah so aus, hätten sie noch nie ein Mädchen geschlagen. "Du solltest mich kennen, Jonouchi. Ich renne nicht davon. Auch nicht vor dir." Dann gab er seinen Männern das Signal. Sie stürmten auf mich zu, die beiden vorderen zuerst. Ich nahm meinen Rucksack von der Schulter und schleuderte ihn dem ersten ins Gesicht. Der Zweite bekam meinen Kinnhaken zu spüren. Im Hintergrund hörte ich Hirutanis Lachen. "Immer noch so zäh. Schade, dass du nicht für mich arbeiten willst." "Ich arbeite nicht für Affen", entgegnete ich und drückte der nächsten Hohlbirne meinen Ellenbogen in den Magen. Nacheinander fielen die Schwachmaten um wie Dominosteine. Blieb nur noch ihr Anführer übrig. Ich wollte mich gerade auf Hirutani stürzen, als der Glatzkopf eine Waffe aus seiner Jackentasche zückte und damit direkt auf meinen Kopf zielte. Sofort blieb ich stehen. "Was soll der Scheiß?!", blaffte ich ihn an. Ich klang gefasst, dabei fühlte ich mich alles andere als das. Nicht, solange die Knarre mir das Hirn rauspusten konnte. "Was ist denn los, Jonouchi", feixte Hirutani. "Brauchst du neuerdings dieses Ding, um mich fertig zu machen?!" "Ich will dich nicht fertigmachen, Jonouchi. Ich habe ganz andere Pläne mit dir." "Und welche sollen das sein?" Diese Stimme. Ich bewegte meine Augen. Hinter Hirutani tauchte ein weiterer Schatten auf. Es war Kaiba. Ich riss die Augen auf. "Was ist das denn für ein Vogel?", Hirutani drehte sich zu Kaiba. Statt einer Antwort schwang der Braunhaarige seinen silbernen Koffer, dass die Waffe im hohen Bogen aus unserem Sichtfeld verschwand. Ohne Luft zu holen, holte er ein zweites Mal aus. Das Metall knallte an Hirutanis Kopf. Wie eine umgestoßene Säule fiel dieser zu Boden. Perplex starrte ich auf die regungslose Gestalt, aus dessen Schläfe Blut sickerte. "Scheiße, ist er Tod?!", platzte es aus mir heraus. Nicht, dass ich zum ersten Mal Blut gesehen hätte. Aber wenn jemand wie Hirutani Mucksmäuschenstill blieb, war das schon ein Moment, in Panik zu geraten. Kaiba schien da anderer Meinung. Lässig spazierte er um den Anführer herum. "Ist das so wichtig?" "Äh...ja, Mann!" Jetzt sah Kaiba zu Hirutani herunter. Nicht, dass er irgendwie geschockt wäre. Im Gegenteil. "Der ist nur ausgeknockt", sagte er und zückte ein Smartphone aus seinem Mantel. "Kümmert euch darum." Mehr sagte er nicht. Er legte auf und drehte sich zu mir. "Was zum Henker machst du hier, Kaiba?!" Meine Augen waren noch immer weit aufgerissen. Ich konnte noch nicht fassen, was da gerade abgegangen war. "Wonach sieht es denn aus?", fragte Kaiba. Warum der Typ mir auch nie vernünftig antworten konnte. "Na zum Tanken ganz sicher nicht." Ich schaute auf die verlassene Straße. Nur mein Fahrrad und ein Stück weiter hinter stand ein schwarzer Kombi. "Witzig, Jonouchi. Aber ich bin nur hier, weil du so lange getrödelt hast." "Was?! Ich hab doch gesagt, dass ich arbeiten muss." "Deine Schicht geht bis halb eins. Wir haben es jetzt kurz vor zwei. Bei dem Tempo, das du mit dem Fahrrad zurücklegst, brauchst du circa zwanzig Minuten." "Und wenn ich nicht sofort zurück wollte?" "Ich wusste, dass du noch hier bist", er schob einen Finger unter mein Hundehalsband, "ich hab dich nämlich mit einem Peilsender ausgestattet." "Ist das dein ernst?!" "Falls mein Hündchen ausreißt, muss ich es doch wiederfinden können." "Du", knurrte ich, "das ist doch…" Mir blieb die Wut im Hals stecken. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und biss die Zähne zusammen. "Hör' auf zu schmollen, Jonouchi", sagte Kaiba und wandte sich zum Gehen, "und komm' jetzt mit nach Hause. Mach' dir keine Gedanken um diese Affenbande." Kurz blieb ich einfach nur auf der Stelle stehen. Er hatte gesagt, dass ich nach Hause kommen sollte…sicher, es war sein Zuhause und ich musste da jetzt nichts hineininterpretieren. Aber das Wort löste schon etwas bei mir aus. Verfluchter Seto Kaiba! Auf Abstand folgte ich Kaiba zu den Kombi. Isono oder ein anderer Mitarbeiter der Kaiba Corp. würde sich wohl wieder um mein Fahrrad kümmern. Dass mir jemand mein Zeug hinterhertrug, konnte ich ja so gar nicht ab. Aber es brachte nichts, mit Kaiba zu diskutieren. "Verrätst du mir, woher du diesen Affen kennst?", fragte Kaiba, nachdem wie die Hauptstraße verlassen hatte und Richtung Landstraße zu steuerten. "Affe trifft es sehr gut", entgegnete ich und lehnte mich an der Fensterscheibe an, dass ich von der Seite Kaiba beobachten konnte, wie er sich ganz auf den Straßenverkehr fokussierte. Ich stieß einen tiefen Atemzug aus und begann zu erzählen: "Das war Hirutani. Ein Klassenkamerad aus der Mittelschule, mit dem ich öfter abhing…naja", ich lächelte schwach, "um ehrlich zu sein, war es mehr als das. Schon in der Mittelschule hatte er seine eigene Gang. Er hatte viele Leute, die für ihn gearbeitet haben. Sie haben in den Schulen mit Alkohol, Messern und anderen Nahkampfwaffen gedealt. Aber ihre eigentliche Einnahmequelle waren andere Mittelschüler. Nerds und andere, die klein und schwach waren - sie alle wurden gnadenlos geschröpft. Das war auch der Grund, warum ich nicht mehr mitmachen wollte. Ich bin ausgestiegen, als es zu krass wurde. Ich hab mich zwar damals viel geprügelt, aber das waren alles Kerle, die genauso stark waren wie ich." Die Hand zur Faust geballt, starrte ich nach draußen. "Früher dachte ich, Hirutani und ich wären uns ähnlich. Zwei Schüler, die dasselbe Leben führen. Er hatte mir das Gefühl gegeben, nicht allein zu sein…zumindest dachte ich das eine Weile. Es war gut, dass ich die Schule gewechselt habe. Bestimmt wäre ich zu ihm zurückgekommen. Wer weiß, was dann aus mir geworden wäre." Ich schüttelte den Kopf. "Dass ich nicht zu so einem Scheusal wie Hirutani geworden bin, habe ich meinen Freunden zu verdanken. Ganz besonders Yugi." Ich schmunzelte. Die Erinnerung daran, wie ich mich mit dem Bunthaarigen angefreundet hatte, tauchte vor meinem geistigen Auge auf. "Ich weiß, du hältst nicht viel von Freundschaft, aber manchmal braucht es Menschen in seinem Leben, die einen das eigene Spiegelbild vor Augen führen, und Yugi hat mir damals die Augen geöffnet." Nachdem wir fast die Kaiba-Villa erreicht hatten, drehte ich mich noch einmal zu Kaiba. Es lag eine druckende Stille zwischen uns und aus seinem Gesicht konnte ich nicht erkennen, was in ihm vorging. "Ich hab' dich mit meinem Gequatsche zu Tode gelangweilt, stimmt's?" Ich grinste schief, wollte die Stimmung etwas auflockern. Der Wagen hielt. "Nein", sagte er und schaltete den Motor aus, "du hast mich nicht gelangweilt." Mit diesen Worten öffnete er die Wagentür und stieg aus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)