Inu no Game von Lady_of_D ================================================================================ Kapitel 13: ------------ Ich stand die zwei Meter von ihm entfernt und erwiderte seinen Blick. Selbst im Dunkeln blitzten seine Augen gefährlich auf. Das Licht über seinem Kopf verstärkte die Dramatik nur noch mehr. So wie er sich den ganzen Abend über verhalten hatte, hatte ich keine Lust mit ihm zu reden oder mich von ihm weiter herumkommandieren zu lassen, weil ihm scheinbar einer abging, wenn ich mich scheiße fühlte. Nein, ich hatte jetzt keinen Bock auf Seto Kaiba und seine Tyranneien. Er schien begriffen zu haben, dass ich kein Beifuß gab, ihm nicht wie ein braves Hündchen hinterher hechelte. Darum stieß er sich vom Laternenmast ab und marschierte auf mich zu. "Einsteigen", zischte Kaiba. Er hatte unter meinen Arm gegriffen, zog mich zu sich heran. "Und mein Fahrrad?" Mehr schaffte ich nicht zu sagen. Seine Nähe, der Blick, seine ganze Haltung - irgendwas war anders und ich schob meinen Ärger fürs erste beiseite. "Dein Fahrrad ist mir scheißegal", fluchte Kaiba und zerrte mich Richtung Gehsteig, wo seine Limousine bereitstand. "Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen!?" "Vorsicht, Jonouchi", er schubste mich regelrecht in den Wagen, "du solltest jetzt lieber ganz still sein." "Wenn es um vorhin ging: das ist mein Job, okay? Außerdem waren-" "Denkst du, das interessiert mich?!" Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Kein wirklich beruhigendes Lächeln. "Du lernst einfach nicht dazu, was, Jonouchi?" Er klopfte einmal hart auf die dunkle Scheibe. Der Fahrer fuhr das Plexiglas herunter und Kaiba blaffte seinen Chauffeur an, dass er unverzüglich anhalten sollte. Ich sah aus dem Fenster. Wir waren noch nicht einmal aus dem Viertel raus. Vielleicht wollte mich Kaiba aus dem Wagen schmeißen. Mir würde das nichts ausmachen. Zu Fuß könnte ich zurück zum Club laufen, mir mein Fahrrad schnappen und nach Hause fahren. Mein Vater war mittwochs eh nie zu Hause und selbst wenn, machte es keinen Unterschied. Seit Seto Kaibas Männer meinem Alten einen Besuch abgestattet hatten, hatte dieser mir nicht einmal mehr ins Gesicht sehen können. War schon eine schräge Situation gewesen, als ich wegen meines Mitarbeiterausweises doch in meine Wohnung zurückkehren musste und mein Alter sich die meiste Zeit auf dem Klo verschanzt hatte. Was in unserer Bude auch passiert war (Gewalt konnte es nicht sein, denn dafür sah der Mann nicht genug demoliert aus), es hatte etwas mit ihm gemacht. Ob auf Dauer - das würde sich noch zeigen. Also, warum nicht einfach zurück nach Hause radeln. Wer sagte, dass ich Kaibas Befehlen hörig sein musste? Ich war immer noch ein freier Mensch und konnte tun und lassen, was ich wollte… "Aussteigen", sagte der Braunhaarige. Ich stieg also aus. Zu meiner Überraschung machte es mir Kaiba nach. "Was wollen wir hier?" Ich kapierte nicht, was in seinem Kopf vorging. "Du hast heute eine Grenze überschritten…", Kaiba stockte. "Scheinbar kann man es dir nur auf diese Weise beibringen." Er hielt mich am Handgelenk fest und steuerte das Motel auf der anderen Straßenseite an. In mir flackerten viele kleine Fragezeichen auf, hauptsächlich wegen Seto Kaibas unberechenbarer Art. Das passte einfach nicht zu diesem selbstverliebten Perfektionisten. Ohne die Rezeptionistin zu grüßen, verlangte er nach einem Zimmer. Wie ein verängstigtes Reh übergab sie ihm dem Schlüssel, Kaiba knallte das Geld auf den Tisch, schnappte sich den Schlüssel und zog mich weiter durch den Flur. Ich fragte mich, wie wir zwei für sie ausgesehen hatten. Kaiba ging dermaßen ruppig mit mir um und ich schnauzte ihn von der Seite wie ein Straßenschläger an - wie ein schräges Pärchen mit Vorliebe für Versöhnungsex. Vielleicht dachte sie aber auch, dass unser Verhalten eine Art Rollenspiel war. Meine schwarze Bluse aus dem mein halber Ausschnitt guckte und dazu Kaibas Anzug ala Geschäftsmann - wenn das nicht nach >Chef vögelt Sekretärin< schrie. Rein da!" Kaiba streckte seinen Arm aus und zeigte in das schäbige Zimmer. Was für einen Einfall hatte er jetzt schon wieder?! Erst einmal schlug er die Tür zu. Ich suchte mir eine gute Position und stemmte die Hände in die Hüften. "Wird das hier irgendso 'ne kranke Sexnummer?!", fragte ich. "Du hast nicht das Recht, mich auch nur irgendwas zu fragen!" Er kam einen Schritt auf mich zu. "Du glaubst doch nicht, dass ich dir das durchgehen lasse?!" "Wenn du-" Aber er ließ mich nicht ausreden. "Niemand", seine Stimme brodelte, "hörst du! Niemand dringt ungestraft in meine Privatsphäre ein! Auch nicht so ein dummer Köter wie du." "Ich", endlich machte es bei mir Klick. Plötzlich ergab sein ganzes Verhalten einen Sinn. "Wage es nicht, mich anzulügen, Jonouchi. Ich weiß, dass du in meinem Zimmer herum geschnüffelt hast." "Es stimmt, ich war in deinem Zimmer", gestand ich kleinlaut. "Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist, und es tut mir auch wirklich leid. Aber ich schwöre, ich habe nirgendwo rein gesehen. Ich war nur kurz drin und-" "Und das soll ich dir glauben?!" "Ehrlich, ich wollte deine Privatsphäre nicht verletzen." Kaiba glaubte mir nicht. Das konnte ich in seinem Gesicht ablesen. Gerade steckte darin so viel Wut und Hass. Ich fühlte mich elend. Dass Kaiba verletzt war, konnte ich verstehen, und es war sein gutes Recht, wütend und aufbrausend zu sein. "Es tut mir leid", wiederholte ich verzweifelt, damit er endlich aufhörte, mich mit diesen eiskalten Augen anzusehen. Ich wollte, dass er mir glaubte, dass er sich besser fühlte. "Ich habe nichts gesehen, wirklich." "Zieh' dich aus", sagte er bloß, und weil ich irgendetwas tun wollte, das ihm ein gutes Gefühl gab, zog ich mich ohne Diskussionen aus. Ich knöpfte die Bluse auf, streifte mir die schwarze Stoffhose ab und legte beides auf die Bettkante. Kaiba beobachtete mich stumm dabei, seine Laune hatte sich nicht gebessert. Auch nicht als ich vollkommen entblößt vor ihm stand. Der Hass wollte einfach nicht verschwinden, dass er sich tief in meine nackte Haut einbrannte. "Dreh' dich um und dann in die Hocke mit dir." Ich gehorchte. Auch wenn es mir schwer fiel, ruhig zu bleiben. Sein Tonfall war auf einmal so gefühllos, dass es mir eiskalt den Rücken runter lief. Es raschelte und klackte, während ich auf die graue Tapete starrte. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete, und langsam begann ich meine willenlose Bereitschaft zu bereuen. "Weißt du, was mit Hunden passiert, die unartig gewesen sind?" Kaiba hantierte an meinem Halsband. "Ich weiß nicht", antwortete ich, "Leckerli-Verbot?" Es war echt nicht meine Absicht, sarkastisch zu sein. Aber im Moment wäre wohl jede Antwort eine falsche. Zumindest, wenn ich Kaibas Tonfall richtig interpretierte. "Und wenn das Hündchen richtig unartig war?" Das Halsband lockerte sich. Zuerst dachte ich, er würde es abmachen. Es war ein unangenehmes Gefühl, wie daran gezogen und gezerrt wurde. Nicht, dass er mich würgte - das sah ich schon mal als Pluspunkt. An meinem Hals wurde es einfach nur unglaublich schwer, als hätte er mir Gewichte dran gepackt. "Ich verrate es dir, Jonouchi", antwortete Kaiba, weil ich nur den Kopf schüttelte. "Es wird ausgesetzt." Metall klirrte auf Metall, ich hörte, wie er an der Heizung fummelte und drehte meinen Kopf. Eine etwa ein Meter lange Kette verband mich mit dem Heizkörper. Die Kette endete an meinem Halsband, Kaiba hatte sie so präpariert, dass sie mit dem dort eingebauten Schloss verbunden war. "Was hast du vor?" Mit aufgerissenen Augen sah ich hoch zu Kaiba. Doch der hatte wieder mal auf stumm geschaltet. "Kaiba, was…du wirst doch jetzt nicht gehen…?!" Genau das tat er. Er drehte sich um, schritt zur Tür. "Du kannst nicht einfach…Kaiba! Lass' mich hier nicht allein…ich…" Gnadenlos wurde ich ignoriert. Neben der Tür betätigte er den Schalter und knipste das Licht aus. Wie auf Knopfdruck schnürte sich meine Kehle zu. Die Tür zugeschlagen, war auch der letzte Lichtstrahl erloschen. Kälte und Dunkelheit, wo ich auch hinsah. Die Vorhänge waren auch noch zugezogen, nicht einmal der Mond drang zu mir durch. Keuchend sackte ich zusammen, umfasste mit beiden Händen mein Gesicht, um wenigstens etwas außer dieser Kälte zu spüren. Das Gefühl, das es in mir auslöste, diese Erinnerungen, die plötzlich auf der Oberfläche aufgetaucht waren - sie kamen wie harte Schläge auf mich zu. Ich schloss die Augen. "I-ich bin dran", spricht da jemand mit meiner Stimme. Meine Hände bewegen sich. Ich zittere, kann kaum die Luft um mich herum aufnehmen. Brennend frisst sich die Leere in mein Innerstes. Ich schwitze, dabei ist mir so unfassbar kalt. "Ra ist nicht länger auf Mariks Feld." "Wenn sie Marik angreift, hat sie gewonnen!" "Jonouchi!" "Sie hat einen Gott besiegt?!" Diese Stimmen. Woher kenne ich sie? Mir wird der Boden unter den Füßen entrissen. Dunkelheit breitet sich aus. Ich falle, kann mich nicht dagegen wehren. Schmerzen existieren nicht länger. Genauso wie alles andere. Nur die Schatten, die bleiben. Tiefer und tiefer ziehen mich die Schatten in die Finsternis. Sie tragen Ketten, schwere, kalte Ketten, die sich um meine Hand- und Fußgelenke wickeln. Sich dagegen zu wehren, ist sinnlos. Ich kann mich nicht bewegen. Mein Körper löst sich auf, hört einfach auf zu existieren, bis nur noch die Seele übrig bleibt. Auch sie wird von den Ketten hinunter gerissen. Alle Gefühle wurden mir genommen - außer eines: Angst. Je mehr sich die Schatten ausbreiten, umso stärker wird sie. Sie beherrscht meinen Geist, lässt mich in Einsamkeit ertrinken. Es gibt kein Entkommen vor ihr. Sie wird mich so lange beherrschen, bis auch ich aufhören würde zu existieren… Erst als das schwache Licht durch den winzigen Spalt der Tür durchkam, kehrte ich in die Realität zurück. Da stand Kaiba am Türrahmen. Er ließ noch mehr Licht in das Zimmer. Seine Augen sahen jetzt zu mir, dem geschrumpften Klumpen Fleisch, zu dem ich geworden war. "Du-" Meine Lippen bebten. Ich biss mir auf die Unterlippe, aber die Tränen hatten sich bereits einen Weg aus meinen Augen gebahnt. "Du hast mich hier einfach sitzen lassen!", schrie und heulte ich, ohne einmal Luft zu holen. "Du hast keine Ahnung…ich… ich dachte, du kommst nicht mehr zurück." Durch den Schleier meiner Tränen sah ich Kaibas Gesicht. Da war kein Hass mehr, keine Wut. Zum ersten Mal sah ich etwas Neues - Unsicherheit. Er starrte auf mein Gesicht, auf die verquollenen Augen, die verrotzte Nase, und er verstand nicht, was ich da tat, noch warum ich es tat. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich vor jemandem mal so geheult hatte. Dass es dann ausgerechnet vor Seto Kaibas sein musste… "Tu das nie wieder!" Ich wischte mir über die Augen wie ein kleines Kind, das vor der Dunkelheit Angst hatte. Aber genau das war ich in dem Moment. Dieses Erlebnis hatte die traumatischste Erinnerung meines Lebens wach gerufen. Niemand hätte ahnen können, dass mich die Vergangenheit einholen könnte. Schon gar nicht Kaiba. Der Braunhaarige kam langsam auf mich zu. Bleich war er geworden, aber vielleicht lag das auch nur an der miserablen Beleuchtung. Er bückte sich zu mir herunter. In seinem Blick sah ich das schlechte Gewissen. Dass Kaiba überhaupt so etwas hatte… Seine Hand streifte mein Gesicht. Mit dem Daumen wischte er mir die Tränen von der Wange. "Nicht weinen", sagte er. So unbeholfen hatte ich Kaiba noch nie erlebt. Aber er schaffte es, mich zu beruhigen, obwohl keiner von uns beiden zu wissen schien, wie er das angestellt hatte. Ich hörte auf zu weinen, schniefte und atmete tief durch. Während ich mir die Nase mit dem Unterarm abwischte, schnallte mir Kaiba die Kette ab. "Leg' dich schnell ins Bett", er redete ruhig und zeigte aufs Bett. Die Decke hatte er zusammengeschlagen, dass ich mich nur noch reinlegen musste. Vorsichtig kroch ich hinein. Das Bett knarrte bei jeder Bewegung. Sobald ich den Kopf aufs Kissen gelegt hatte, deckte mich Kaiba zu. Ganz fest lag der Stoff an meinem Körper, dass ich mich kaum noch bewegen konnte. Mich störte es nicht. Im Gegenteil; es erinnerte mich an früher. So hatte mich meine Mutter immer zugedeckt, wenn es Winter war und die Heizungen ausgefallen waren. Wie lange das wohl her war? Als nächstes lief Kaiba auf das Fenster zu. Einmal die Vorhänge aufgezogen, riss er das Fenster bis zum Anschlag auf. Die frische Luft tat gut. "Besser?", fragte Kaiba und setzte sich neben mich aufs Bett. "Ja." Ich nickte, richtete mich ebenfalls auf und drückte meinem Gesicht ein gequältes Lächeln auf. "Ich bin ein großer Schisser, das ist alles." "Lass gut sein. Ich erkenne ein traumatisiertes Gesicht. Wir müssen jetzt nicht auf heile Welt machen." "Sagt der Kerl, der bis zum Schluss seine fünftausend Jahre alte Vergangenheit geleugnet hat." "Wenn irgend so eine Ägypten-Tante bei dir anruft und behauptet, du wärst in deinem ersten Leben ein Hexenmeister gewesen, dann glaubst DU das ja auch sofort, Jonouchi. Kein Wunder, dass ständig die Welt vor dem Abgrund stand." Er verdrehte die Augen. Er. Seto Kaiba. Fast hätte ich vor Lachen los geprustet; wenn die Situation nicht schon makaber genug gewesen wäre. So absurd es klang, aber Kaiba hatte es geschafft, meine finsteren Gedanken zu vertreiben. Zugegeben, er war nicht ganz unschuldig an meinen Flashback gewesen. Das war aber inzwischen zweitrangig geworden. Laut gähnte ich in meine offene Handfläche. "Darf ich etwas die Augen zumachen", murmelte ich und war bereits am Wegnicken. "Ja", antwortete Kaiba. Mir fielen sofort die Augen zu. "Und", nuschelte ich, "darf ich meinen Kopf noch ein wenig auf deinen Schoß legen? Solange, bis ich nicht mehr so friere?" Seine Antwort kam verzögert: "Aber nur, weil du so süß gefragt hast. Gewöhn dich nicht dran." "Du hast mich süß genannt", schmatzte ich zufrieden und ließ meinen Kopf auf seinen Schoß fallen. "Gute Nacht, Kaiba-dono." "Gute Nacht, mein verletzliches Hündchen." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)