Der Untergang der Isekai von stardustrose ================================================================================ Kapitel 27: Krisensitzung ------------------------- „So wie ich das sehe, bleiben uns zwei Möglichkeiten, wie wir den Plan meines Onkels zunichtemachen können.“ Jesse hatte auf meinem Schreibtisch Platz genommen, überkreuzte seine Beine. „Entweder ziehen wir ein weiteres Ratsmitglied auf unsere Seite, oder wir schaffen es in drei Tagen, Lymans Mörder zu fassen, sodass ich Stones Platz im Rat einnehmen kann.“ „Ich könnte den übrigen Mitgliedern drohen“ sagte Yubel lapidar. Einen skeptischen Blick konnte ich mir nicht verkneifen. „Dann wissen sie, dass ich verzweifelt bin. Das macht uns nur angreifbar. Mal davon abgesehen, dass wir nicht wissen, ob auch nur einer gegen Ares stimmen würde.“ „Dass Meister Damian und Madame Tredwell wirklich auf unserer Seite stehen, ist sicher?“ vergewisserte sich Jesse. Ich nickte, lehnte mich an die Brüstung des Bettes und verschränkte meine Arme. „Sie haben Yusei in den letzten Jahren gut genug kennengelernt. Sie schätzen ihn und seine Fähigkeiten und wissen, dass Ares‘ Plan mehr als übertrieben ist.“ „Gibt es ein Ratsmitglied, dass wir leicht auf unsere Seite ziehen können?“ fragte Yubel. Ich seufzte, lehnte meinen Kopf an die Brüstung und starrte an die Decke. Diese Frage hatte mich die gesamte letzte Nacht nicht schlafen lassen. „Reiji, Gozaburo, Nate, Stone, Ethan und Kurozaki stehen in dieser Angelegenheit hinter Ares. Crowler wird sich der Masse anschließen, ebenso wie Drake.“ „Was ist mit Valon?“ hakte Jesse nach. „Kann ich nicht einschätzen. Er ist eher ein stiller Beobachter und hatte mit Yusei noch nie zu tun.“ „Wenn er nachtragend ist, würde ich mich nicht auf Valon verlassen“ warf Yubel ein. Ich warf ihr einen fragenden Blick zu. „Was meinst du?“ „Wir kämpften damals im selben Trupp… Seine Söhne wurden vor seinen Augen von den Menschen getötet.“ Ich seufzte genervt und starrte wieder an die Decke. Nach der Aussage hatte ich keine Hoffnung ihn für uns zu gewinnen. Zwar konnte Yusei nichts für all das, aber er war ein leichter Sündenbock. Selbst ich hatte ihn bei unserer ersten Begegnung für den Tod meines Vaters verantwortlich machen wollen und ihn beinahe getötet. Dabei war er nur ein kleines Kind. „Ich werde bei Valon nachhaken.“ Jesses Stimme ließ mich zu ihm sehen. „Glaubst du wirklich, dass das erfolgsversprechend ist?“ Er zuckte mit den Schultern, grinste leicht. „Ich kam mit Yuseis Anwesenheit nie gut klar, das wusste jeder. Wenn selbst ich zu ihm stehe, warum nicht auch Valon?“ „Unterschätze niemals die Rache eines Kriegers“ gab Yubel zu bedenken. Jesse sah wieder zu mir. „Du hast gesagt, er wäre ein stiller Beobachter. Was, wenn er Yusei in den letzten Jahren ins Auge gefasst hat?“ „Bezweifle ich. Er hat sich mit den Aufbauarbeiten beschäftigt.“ „Aber du hast sie doch vor allem am Anfang besichtigt. Manchmal hast du Yusei dorthin mitgenommen.“ Ein belustigtes Schnaufen konnte ich mir nicht verkneifen. „Der ist ständig ausgerissen und hat sich die Umgebung angesehen.“ „Ich erinnere mich“ bestätigte Yubel wenig begeistert, was mich schmunzeln ließ. Wann immer Yusei geflüchtet war, durfte sie ihn im Auge behalten. Mehr als einmal hatte sie mich angezickt, dass sie kein Babysitter wäre. Jesse zuckte mit den Schultern. „Ein Versuch schadet nicht.“ „Gemäß dem Fall du schaffst es nicht, was dann?“ „Plan B.“ „Und der wäre?“ schaltete ich mich ein. „Lymans Mörder fassen.“ Yubel rollte mit den Augen. „Was glaubst du, versuchen wir seit zwei Wochen? Es gibt im Moment keine Spur zu ihm.“ „Und wenn wir ihm eine Falle stellen?“ „Wie?“ fragte ich, sah Jesse interessiert an. „Du hast doch noch den Dolch, oder?“ Ich nickte zur Bestätigung. „Wir sagen, dass die Untersuchungen abgeschlossen wären und geben ihn an seine Angehörigen.“ „Damit die nächsten Unschuldigen abgeschlachtet werden?“ fragte Yubel skeptisch. „Was hast du dann vor?“ hakte ich nach. „Wir fälschen die Koordinaten und schicken Späher an ebendiese Stelle. Das Erithgebirge würde sich anbieten. Dort zieht es nur selten Wanderer hin, und das nächste Dorf ist einen Tagesmarsch entfernt.“ „Keine üble Idee“ gab ich zu. „Aber er wird sicher wieder jemanden wie Bakura anstellen, um seine Drecksarbeit zu erledigen.“ Jesse schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Den Dolch zu besorgen ist eine Sache, aber was immer sich bei den Koordinaten befindet ist wichtig genug, um dafür zu töten. Das wird er niemand anderem überlassen.“ „Das sind mir zu viele Spekulationen“ gab Yubel zu bedenken. „Außerdem müsste es in den nächsten drei Tagen passieren.“ „Von unserer viel zu kurzen Frist abgesehen, ist es dennoch ein guter Plan. Aber das Pergament und die Koordinaten müssen täuschend echt aussehen. Meinst du, du bekommst das hin?“ „Ich kenne da jemanden“ flötete Jesse. Yubel warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Du willst das jemand anderem überlassen?“ „Sie ist vertrauenswürdig, glaub mir.“ Fragend zog ich eine Augenbraue in die Höhe, doch das ließ ihn nur grinsen. „Wo ist er?“ „Der Dolch?“ vergewisserte ich mich. Er nickte zur Antwort. Ich stieß mich vom Bett ab und lief zu meinem Schreibtisch. „Ernsthaft?“ kommentierte er, als ich die Schublade öffnete. Ich lächelte nur schelmisch. „Versuch ihn an dich zu nehmen.“ Skeptisch sah er erst zu mir, dann zur Schublade, in der der Dolch lag. „Was passiert dann?“ Yubel stieß ein amüsiertes Glucksen aus, was Jesse nur noch mehr zu verunsichern schien. Bevor er auf die Idee kam, tatsächlich nach dem Dolch zu greifen, betätigte ich einen kleinen Schalter an der Unterseite der Schublade. „Du würdest die nächsten paar Minuten zuckend am Boden liegen. Außerdem würde ich gewarnt werden, sollte der Mechanismus aktiviert worden sein.“ „Seit wann hast du sowas?“ „Erinnerst du dich noch an den kleinen Freund von Yusei?“ „Der mit den bunten Haaren? Dunkel, ja.“ „Sein Großvater ist ein begnadeter Bastler, wird in der Stadt jedoch dafür belächelt. Allerdings sind nicht all seine Erfindungen zum Scheitern verurteilt. Das hier ist der Beweis.“ „Wie bist du darauf gekommen, wenn er in der Stadt belächelt wird?“ Ich lächelte, griff nach dem Dolch und wog ihn in meinen Händen. „Yusei hat mir vor einigen Monaten ganz begeistert von Salomons Werkstatt erzählt. Sein Freund hatte ihn zum Abendessen eingeladen, da hat er sich alles ansehen können.“ Doch mein Lächeln erstarb, als ich daran dachte, dass ich ihn in wenigen Tagen verlieren könnte. Jesses Plan war gut, keine Frage, aber uns fehlte die Zeit. „Was, wenn es Ares war?“ holte mich Yubels Stimme aus meinen Gedanken. Ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, was sie meinte, aber Jesse war schneller. „Nein“ seufzte er, sah Yubel durchdringend an. „Mein Onkel mag nicht der umgänglichste Zeitgenosse sein, aber er ist kein Mörder.“ „Ich muss Jesse zustimmen. Wir sollten das als zwei separate Fälle behandeln.“ „Ich würde es nicht gänzlich ausschließen.“ „Aber schieß dich nicht auf ihn ein“ gab ich zu bedenken. „Ich will, dass du objektiv bleibst.“ „Schon klar, das werde ich. Ich sage nur, dass wir die Möglichkeit nicht ausschließen sollten.“ Ich nickte, wandte mich an Jesse. „Weißt du in etwa, wie lange du für die Fälschung brauchen wirst?“ „Ein paar Stunden.“ „Beeil dich“ sagte ich, drückte ihm den Dolch in die Hand. „Und pass auf, dass dich niemand damit sieht.“ „Keine Angst. Soll ich trotzdem mit Valon reden?“ Ich sah zu Yubel. „Es wäre besser, du würdest das übernehmen. Immerhin habt ihr auf dem Schlachtfeld gekämpft, das schweißt zusammen.“ „Wo ich dabei bin, kann ich Crowler und Drake einheizen.“ „Nein, lass es. Das wird nichts bringen.“ „Schön, wie Ihr wollt“ sagte sie, zuckte mit den Schultern. ~*~ Nervös betrachtete ich den Dolch in meiner Hand. Das Pergament, das Jesse hatte fälschen lassen, sah perfekt aus. Die Koordinaten würden den Mörder auf eine kleine Ebene im Erithgebirge führen. Die Eisenkugel war zurück an ihrem Platz, niemandem würde auffallen, dass sie einen Mechanismus ausgelöst hatte. Aber es bereitete mir Bauchschmerzen, an wen ich den Dolch nach Lymans Tod aushändigen sollte. Ich seufzte und steckte den Dolch ein, dann klopfte ich dezent an die schwere Holztür. Einen Augenblick später wurde sie geöffnet und der altbekannte Duft nach Kräutern und Ölen wehte mir entgegen. Überrascht blinzelte Madame Tredwell mich an, ehe sie sich knapp verbeugte. „Was kann ich für Euch tun, mein König?“ „Habt Ihr einen Augenblick?“ „Für Euch immer“ erwiderte sie mit einem Schmunzeln und trat beiseite, damit ich eintreten konnte. Plötzlich kam mir der Plan doch zu riskant vor. Das letzte was ich wollte war, dass auch Madame Tredwell angegriffen werden könnte. Und alles nur wegen dieses verfluchten Dolches. „Welches Anliegen führt Euch zu mir?“ holte mich ihre Stimme aus meinen Überlegungen. „Es geht um Lyman.“ Augenblicklich meinte ich Schmerz in ihrem Gesicht zu lesen. „Gibt es etwas Neues zu seinem Tod?“ fragte sie vorsichtig. „Nein, leider nicht. Allerdings habe ich erfahren, dass er Euch den hier hinterlassen wollte.“ Mit diesen Worten holte ich den reichlich verzierten Dolch heraus und reichte ihn ihr. Überrascht betrachtete sie ihn. Nahm ihn behutsam, als wäre es ein wertvoller Schatz, an sich. „Mir?“ fragte sie verwundert. Lächelte aber. „Aber ich verstehe nicht. Warum jetzt?“ „Wir haben angenommen, dass er in dem Fall eine wichtige Rolle spielen würde. Schließlich hatte Bakura ihn bei sich, als wir ihn schnappen konnten. Aber es ist nur ein gewöhnlicher Dolch, und Lyman wollte, dass Ihr ihn erhaltet.“ Ein warmes Lächeln legte sich auf ihre Lippen, während sie den Dolch noch immer betrachtete. „Dieser Dolch ist vieles, aber sicher nicht gewöhnlich.“ Überrascht betrachtete ich sie. Weiß sie etwa von dem Mechanismus? „Wie meint Ihr das?“ fragte ich vorsichtig. Ballte unwillkürlich meine Hand zur Faust. „Er ist seit Jahrtausenden im Besitz seiner Familie. In diesem, für manche unbedeutend wirkenden, Metall steckt so viel Geschichte.“ Schnell entspannte ich mich wieder. So meinte sie das also. „Seht Ihr diese Kerbe hier?“ fragte sie und deutete auf eine winzige Unebenheit nahe des Stoßleders. „Lyman hat mir mal erzählt, dass das am Anfang des ersten Krieges passiert ist. Als die Schutzgeister in unsere Welt kamen. Sein Vorfahr hat sich vom Rücken seines Drachen aus auf einen besessenen Dämon gestürzt und ihn enthauptet. Dabei wurde das Stoßleder beschädigt.“ Ein kleines Schmunzeln schlich sich in mein Gesicht. Enthauptet mit einem Dolch? Das war sicher nur eine Legende seiner Vorfahren. „Ihr glaubt mir nicht“ bemerkte sie belustigt. „Ich kann es mir nur schwer vorstellen“ gab ich zu. Ein kleines Lachen entwich ihr. „In Legenden, so unglaublich sie zu sein scheinen, steckt immer auch ein bisschen Wahrheit… Das hat Lyman immer gesagt.“ Ich seufzte lautlos, nickte. Ja, das klang nach ihm. „Es tut mir leid, dass Ihr ihn so sehen musstet.“ „Ihr ebenfalls“ erwiderte sie traurig. „Aber ich versuche ihn so wie er war in Erinnerung zu behalten. Die Geschichte lehrt uns, dass schreckliche Dinge immer wieder passieren. Aber ich werde nach vorn sehen und die Zeit mit ihm wie einen Schatz in meinen Erinnerungen aufbewahren.“ Den Dolch drückte sie an ihre Brust, mit der anderen hielt sie sich den Bauch. Tränen standen in ihren Augen, die sie verbissen zurückhielt. Die Wunden waren noch immer frisch. Vor allem sie litt unter dem Verlust unseres alten Freundes. „Das würde ihn sicher glücklich machen“ erwiderte ich. Sie nickte, schluckte die aufkommenden Tränen herunter. „Ich danke Euch.“ Doch ich wehrte ab. „Ich bin nur seinem letzten Wunsch nachgekommen. Gebt gut auf ihn acht, und… sollte irgendwas damit passieren, gebt mir bitte Bescheid.“ „Wie meint Ihr das?“ „Lymans Mörder ist noch immer auf freiem Fuß. Wenn der Dolch widererwartend wichtig für ihn sein sollte, passt bitte auf Euch auf. Euch auch zu verlieren wäre ein großer Verlust für unser Land. Die Waffe mag für Euch von Wert sein, aber bitte beschützt ihn nicht bis zum Tod.“ Sie nickte irritiert, betrachtete noch einmal ihren Schatz. Fuhr bedächtig über die kleinen Edelsteine. „Ich behalte es im Hinterkopf.“ ~*~ Am frühen Abend lief ich über den Platz zum Nebenkomplex, um mein Versprechen Yusei gegenüber einzulösen. Die tief stehende Sonne warf bereits lange Schatten über den Rasen. Ich atmete tief durch. Die Weichen waren gestellt. Als ich den Dolch mit den gefälschten Koordinaten zu Madame Tredwell gebracht hatte, war ich extra einen Umweg gegangen und hatte ihn gut sichtbar in meiner Hand. Es war also kein Geheimnis, dass er nun im Besitz unserer Hofzauberin war. Yubel hatte mit Valon gesprochen und Jesse mit Drake. Beide versicherten, dass sie darüber nachdenken würden, gegen den Antrag von Ares zu stimmen. Sicher war also noch immer nichts. Frustriert schritt ich durch den Eingang, der mir von den Wachen geöffnet wurde. Jetzt konnten wir nur abwarten, und das machte mich nervös. Überhaupt etwas unternommen zu haben, sollte mich beruhigen, machte das bedrückende Gefühl in meiner Brust aber nicht besser. Es war alles noch zu ungewiss. Kurz klopfte ich an der Tür, trat aber sogleich ein. Doch der Anblick, der sich mir bot, irritierte mich. Yusei saß mit freiem Oberkörper auf seinem Bett und lachte ausgelassen. Das allein löste ein wohliges Gefühl in mir aus, ließ mein Herz schneller schlagen und mich die Szenerie einfach nur beobachten. Ihm gegenüber, auf einem Stuhl, saß ein betagter Dämon und lächelte selig. Er hielt ein Tuch in der Hand und tupfte damit über Yuseis Schulter. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie gerötet war. Als Yusei mich bemerkte, erstarb sein schönes Lachen, doch noch immer sah er mich belustigt aus seinen warmen Augen an. Ein leichter Rotschimmer zierte seine Wangen. Irgendwie wirkte er ertappt. Auch der ältere Heiler sah mich an, verbeugte sich so tief, wie es ihm sein krummer Rücken erlaubte. „Guten Abend, mein König. Ich bin gleich fertig, dann gehört er ganz Euch.“ „Was ist passiert?“ fragte ich. Wenn Yusei so lachen konnte, war es sicher nicht schlimm, doch es irritierte mich, wie er sich hier drin verletzen konnte. Der Heiler lächelte wissend und zwinkerte Yusei unauffällig zu. Zumindest glaubte ich, dass er es vor mir verbergen wollte. Dann sah er mich an. „Euer Schützling wollte seine Magie trainieren, dabei gab es einen kleinen Zwischenfall. Es ist aber nichts Nennenswertes passiert, das Feuer hat ihn lediglich gestreift.“ „Feuer?“ vergewisserte ich mich irritiert. Yusei nickte. „Madame Tredwell sagte, dass die Begabung für jedes Element von Dämon zu Dämon unterschiedlich ist. Also wollte ich den einfachsten Zauber jedes Elements austesten, um zu sehen, wo meine Begabung liegt.“ „Lass mich raten: Feuerzauber sollten wir noch üben?“ hakte ich mit einem kleinen Schmunzeln nach. Der Heiler legte das Tuch in eine Schale Wasser auf dem Nachttisch, nahm stattdessen seinen Gehstock in die Hand und stand auf. Dabei hatte er immer noch dieses herzliche Lächeln im Gesicht, das mich an irgendetwas erinnerte. „Meiner bescheidenen Meinung nach, war es für den Anfang sehr gut. Er muss nur den Energiefluss richtig bündeln. Wenn Ihr mich entschuldigt, ich werde etwas Nachtschattenöl für seine Haut holen.“ Ich nickte, und machte dem alten Mann etwas Platz, sah ihm einen Augenblick hinterher. Ich kannte ihn, konnte ihn aber nicht einordnen. Ohne weiter darüber nachzudenken, nahm ich Yusei gegenüber auf dem Stuhl Platz und zog eine Augenbraue in die Höhe. „Worüber hast du so gelacht?“ wollte ich wissen. Dass es etwas mit dem verpatzten Zauber zu tun hatte, konnte ich mir nicht vorstellen. Wieder sah er mich ertappt an, grinste schief. „Versprecht mir bitte, dass er keinen Ärger dafür bekommt.“ Skeptisch betrachtete ich ihn, nickte aber. Also setzte er zu einer Erklärung an. „Wir haben uns über Euch unterhalten, da hat er mir eine Geschichte von früher erzählt… Als Ihr als Kind in der Schlossküche wart, und eine Pastete zubereiten wolltet.“ Ich schnaufte belustigt und fuhr mir mit der Hand durchs Haar. Daher kam mir der Alte so bekannt vor. Er war damals der Küchenchef. „Ich erinnere mich. Alle waren begeistert vom kleinen Prinzen, der seinem Vater selbst etwas zubereiten wollte, und haben mich in höchsten Tönen gelobt. Nur er hat mir die Wahrheit gesagt, dass meine Pastete furchtbar schmeckte, und dafür war ich ihm im Nachhinein dankbar.“ Yusei versuchte erfolglos ein leises Lachen zu unterdrücken, doch es ließ mich unwillkürlich schmunzeln. In letzter Zeit war dieser Anblick viel zu selten gewesen. „Es tut mir leid, aber ich kann mir Euch in einer Küche nicht vorstellen.“ Ich neigte meinen Kopf zur Tür. In diesem Moment trat der alte Mann ein. Mein Lächeln wurde breiter. „Nachdem er mir gezeigt hatte, wie es ging, schmeckte sie nicht übel. Aber seitdem habe ich die Küche nicht mehr betreten.“ „Auf das Ergebnis konntet Ihr stolz sein, mein König“ erwiderte er belustigt und kam mit einem kleinen Tontopf näher. „Es war bedeutend besser als Euer erster Versuch.“ Das war auch nicht schwer. Nachdem ich sie selbst probiert hatte, musste ich tatsächlich zugeben, dass sie furchtbar schmeckte. Yusei ging auf ihn zu, und nahm ihm das Gefäß aus den Händen, damit er sich besser auf seinem Stock abstützen konnte. „Warum wolltet Ihr sie eigentlich selbst zubereiten?“ fragte er dabei interessiert. „Zur Feier der hundertjährigen Herrschaft meines Vaters. Es sollte eine Überraschung werden.“ „Oh, und die ist Euch gelungen. Ich sehe Euren Vater heute noch mit diesem fröhlichen Gesicht vor mir.“ Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen. Er hatte recht. Es war eine wirklich schöne Erinnerung an ihn. „Ich erledige den Rest.“ „Sehr wohl“ erwiderte er und verbeugte sich knapp. Als wir wieder allein waren, zog ich Yusei an seinem unverletzten Arm sanft zu mir. Perplex ließ er es geschehen und landete auf meinem Schoß. Dabei nahmen seine Wangen wieder diese herrliche rot Nuance an. Meine Hand ruhte auf seiner Hüfte, um ihn zu stützen, meine andere legte ich an sein Kinn und konnte ein kleines Grinsen nicht unterdrücken. „Ist dir das unangenehm?“ fragte ich leise. Sanft strichen meine Finger über seinen Hals, was ihn erschaudern ließ. Ich spürte seinen aufgeregten Herzschlag. „Nein“ flüsterte er. Kam mir dabei langsam näher und legte seine Lippen auf meine. Zu gern erwiderte ich diesen unschuldigen Kuss, war gleichzeitig überrascht, dass er selbst die Initiative dazu ergriff. Doch bevor ich mich ganz darin verlor, löste ich ihn von mir. Enttäuschung meinte ich in seinem Gesicht zu lesen. Ein wenig amüsierte es mich. „Zuerst kümmern wir uns um deine Schulter“ sagte ich und nahm den Tontopf aus seinen Händen. Ich benetzte meine Finger mit dem kühlenden Öl und trug es vorsichtig auf. Kurz zuckte er bei der Berührung zusammen, entspannte sich aber schnell wieder. Ein erleichtertes Seufzen war zu hören. Die gerötete Haut war warm und trocken. „Morgen sollte nichts mehr zu sehen sein. Aber warte mit deinem Training bitte, bis Madame Tredwell sich wieder um deine Ausbildung kümmert. Dieses Zimmer ist denkbar ungeeignet für solche Experimente.“ „Es tut mir leid“ murmelte er und senkte den Blick. Ich stellte das Gefäß auf den kleinen Nachttisch neben die Wasserschale, ließ den Deckel unbeachtet daneben liegen. Dann hob ich sein Gesicht am Kinn zu mir. „Muss es nicht. Ich kann mir vorstellen, dass dir hier drin schnell langweilig wird, aber ich will nicht, dass dir etwas passiert.“ Er nickte scheu, schenkte mir ein kleines Lächeln, das mich meinen Herzschlag etwas mehr spüren ließ. „Verstehe. Ich verspreche es.“ „Das wollte ich hören“ sagte ich zufrieden. „Hattest du bis auf dein kleines Feuerdebakel Erfolg?“ „Hm. Das Einzige, was ich wirklich kontrollieren konnte, war ein Lichtzauber. Bei den übrigen Elementen habe ich Schwierigkeiten die Energie zu bündeln. Entweder nimmt sie überhand, wie bei Feuer und Wasser, oder sie zerstreut sich diffus und ich kann den Zauber gar nicht wirken.“ Ich schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, um seine Enttäuschung zu mildern. „Darauf lässt sich aufbauen. Der alte Mann hatte recht. Für deinen ersten Versuch hast du dich sehr gut geschlagen. Und das allein. Du kannst stolz auf dich sein.“ Wieder ein Nicken. Ein seliger Ausdruck lag in seinem Gesicht. „Danke.“ Ich führte sein Gesicht zu mir, um seine Lippen erneut für mich einzunehmen. Schon als ihn habe lachen hören, als ich das Zimmer betreten hatte, war mein Vorsatz ihn auf Abstand zu halten verflogen. Vielleicht wäre es besser gewesen, doch ich konnte nicht. Spätestens als er sich zufrieden seufzend an mich schmiegte, war es um mich geschehen. Er hatte mich voll und ganz um den Finger gewickelt, und ich konnte nicht sagen, wie lange ich schon so für ihn fühlte. Ich wollte nur, dass es nie verging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)