Der Untergang der Isekai von stardustrose ================================================================================ Kapitel 20: Verhör ------------------ Das Knallen der Peitsche hallte an den kalten Steinmauern wider, die qualvollen Schreie zeugten von der Treffsicherheit des Kerkermeisters. Dutzende Male hatte er ihn zielgenau an ein und derselben Stelle am Rücken getroffen. Die Haut um die nunmehr offene Wunde war geschwollen, der eiserne Geruch seines Blutes stach mir in die Nase, gemischt mit dem salzigen Gestank seines Schweißes. Ein weiterer Schlag, ein lauter Schrei. Er versuchte Halt an den Ketten zu finden, die seine Arme seitlich vom Körper abstreckten. Ich hob die Hand, der Kerkermeister stoppte seine Folter, ließ den Gepeinigten zu Atem kommen. „Wer hat den Anschlag beauftragt?“ fragte ich ruhig. Ich hatte vergessen, wie oft ich diese Frage bereits gestellt hatte. Die Fesseln klirrten, als er sich soweit aufrichtete um mich ansehen zu können. Da war es wieder. Dieses süffisante Grinsen. „Wir können ewig so weitermachen, Bakura“ versprach ich, verschränkte dabei meine Arme. Seine braunen Augen formten sich zu Schlitzen, für einen Moment verschwand der selbstsichere Ausdruck darin. Doch schnell grinste er wieder hochmütig. „So, so. Unser ach so schlauer König hat meinen Namen herausgefunden.“ „Nicht nur das“ sagte ich, ging dabei auf ihn zu, sodass er seinen Kopf weiter nach oben neigen musste, um mich zu sehen. Diese demütigende Haltung, in der er sich befand, konnte er nicht ausstehen, soweit hatte ich ihn in den letzten Tagen bereits kennengelernt. „Du kommst aus einem der ärmeren Dörfer, die während des Krieges zerstört wurden. Schon vor dem Krieg warst du ein feiger Dieb, ohne Familie, ohne Freunde. Nicht einmal die Schutzgeister haben sich deiner erbarmt. Bis heute hat sich nicht viel geändert, meinst du nicht? Außer die Tatsache, dass du jetzt Mord dazu auflisten kannst.“ Knurrend spannte er seinen Kiefer an, sah mich von unten herauf an, als hätte er mich zu seinem nächsten Ziel auserkoren. „Das von einem Bengel, der nichts wert ist, ohne den scheiß goldenen Löffel in der Fresse!“ Ein Schatten schnellte an mir vorbei. Bakura gab einen erstickten Schrei von sich, während sich Yubels Hand immer enger um seine Kehle legte, seinen Körper hoch hob und ihm die Luft abschnürte. „Rede noch einmal so mit unserem König, und ich werde dir zeigen, was wahre Schmerzen sind!“ zischte sie wütend. Einen Moment lang beobachtete ich die Szenerie, ehe ich einschritt. „Yubel, noch brauche ich ihn lebend.“ Es dauerte einen Augenblich, doch dann löste sie sich von ihm, sodass er wie ein nasser Sack zu Boden fiel. Einzig seine Ketten hielten ihn in halbwegs aufrechter Position. Er hustete, spuckte mir sein Blut vor die Füße und sah keuchend zu mir auf. „Wer hat den Anschlag beauftragt?“ fragte ich wieder. Doch er schwieg eisern, sah mich nur hasserfüllt an. „Ich an deiner Stelle würde reden.“ Jesse trat an meine Seite, in seinem Gesicht ein siegessicheres Lächeln. „Schon morgen um diese Zeit ist Meister Damian mit einer netten Erfrischung fertig, die er einzig für dich gebraut hat. Mal sehen, wie viel von deinem Willen dann noch übrig ist.“ „Euer Gesöff könnt ihr behalten“ keuchte er. Jesses Lächeln wurde breiter. „Lebend kommst du hier so oder so nicht raus. Aber du hast die Wahl. Sag uns, was wir wissen wollen und es ist schnell und ohne weitere Schmerzen vorbei. Sträub dich weiter und du wirst dir wünschen, dass wir so nett mit dir umgehen wie in den letzten Tagen.“ Er schnaubte. „Als ob ein Grünschnabel wie du wüsste, was echte Qualen sind. Das hier ist ein schlechter Witz!“ „Also der Erfrischungsdrink“ sagte Jesse fast schon euphorisch. Ich seufzte lautlos. Meister Damians Trank war unsere letzte Möglichkeit mehr herauszufinden, aber alles in mir sträubte sich, ihn einzusetzen. Das Gebräu machte sein Opfer willenlos, trieb es mit Halluzinationen in den Wahnsinn, bis auch der letzte Lebenswille ausgesaugt wurde und man sich nur noch den Tod herbeisehnte. Währenddessen bekam man aber rein akustisch alles von der Außenwelt mit, sodass ein Verhör noch immer möglich war. Mein Vater hatte dieses Mittel selbst im Krieg abgelehnt, und auch ich wollte es eigentlich vermeiden. Aber wir hatten keine Wahl. Bakura zu fangen war nicht schwer. Noch am selben Abend des Mordanschlags auf Lyman, hatten wir ihn in der Innenstadt festnehmen können, aber seitdem weigerte er sich vehement auch nur eine unserer Fragen klar zu beantworten. Dass er allerdings nicht selbst der Drahtzieher hinter dem Anschlag war, hatte er uns unfreiwillig Preis gegeben. „Macht doch was ihr wollt“ murmelte Bakura, ließ erschöpft den Kopf hängen. Ich war mir nicht einmal sicher, ob er diese Tortur überhaupt überleben würde, bevor wir alle Antworten hätten. „Machst du hier weiter?“ fragte ich an Jesse gewandt. „Die Ratsversammlung beginnt bald.“ Er nickte und gab dem Kerkermeister das Zeichen, weiterzumachen. Noch während Bakuras Schreie durch die Zelle hallten, ging ich zur Tür. „Warte“ keuchte es zwischen zwei Schlägen hinter mir. Verwundert drehte ich mich zu dem Gefangenen. Die Peitsche verstummte. „Es hat einen Grund, dass… dass ich den Dolch mitgenommen habe…“ „Und welchen?“ fragte ich. „In… In ihm… Bitte lasst mich gehen… Ich hatte nichts damit zu tun!“ Ich verdrehte die Augen und schritt aus der Zelle. Seine gespaltene Persönlichkeit machte das Verhör auch nicht einfacher. ~*~ Wenig später saß ich am Schreibtisch meiner Gemächer und hatte das Kinn auf meine Hand gebettet. Mit der anderen wog ich den Dolch hin und her. Irgendeinen Grund hatte er zwangsläufig, dieses alte Ding mitzunehmen. Und ganz sicher war es nicht sein materieller Wert. Der goldene Knauf war zerkratzt und bestückt mit kleinen Edelsteinen unterschiedlicher Farbe. Eine größere, halbrunde Kerbe zeugte davon, dass bereits ein Stein fehlte. Die Klinge war stumpf und gebogen, setzte an kleinen Stellen bereits Rost an. Es brauchte sicher einiges an Kraft, Lyman damit von hinten zu erstechen. Ich ließ die Waffe auf die Tischplatte fallen und fuhr mir genervt durchs Haar. ‚In ihm‘, was hat das zu bedeuten? Ich habe dieses verdammte Ding untersuchen lassen, aber der Knauf ist nur gewöhnliches Eisen mit einem Goldüberzug. Am Ende war es nur das Gefasel eines Verrückten. Seufzend stand ich auf, um mich für die Versammlung fertig zu machen, da klirrte es hinter mir. Verwundert drehte ich mich um. Der Dolch lag auf dem Boden. Ich musste ihn fallen lassen haben. Als ich einen Schritt nach vorn setzte, trat ich versehentlich etwas mit dem Fuß beiseite. Verwundert betrachtete ich die ovale Goldkugel, die langsam über den Boden rollte. Das ist doch das Endstück des Knaufes. Seltsam. Sollte es nicht in einem Guss gefertigt worden sein? Ich hob die Kugel auf, betrachtete sie von allen Seiten. Sie war absolut ebenmäßig. Wie kann Eisen so glatt abfallen? Das ist nicht möglich. Noch einmal betrachtete ich den Dolch, während ich ihn aufhob. Fuhr mit dem Daumen über die ovale Kerbe. Ich stutzte. Ob das passt? Zögerlich setzte ich die Kugel in die Kerbe, drehte sie einige Male, bis es schließlich passte. Tatsächlich. Als wäre sie für die Kerbe geschaffen. Ohne darüber nachzudenken, übte ich Druck auf die Kugel aus, bis es klickte und die Klinge sich ein Stück herausschob. Mein Puls erhöhte sich schlagartig. Was ist das für ein Mechanismus? Ich zog an dem verbogenen Metall, löste die Klinge vom Knauf. Überrascht drehte ich das vergoldete Metall in meiner Hand, betrachtete den Hohlraum, in dem vorher die Klinge steckte, doch ich entdeckte nichts. Irgendetwas muss es doch damit auf sich haben. Mein Blick wanderte zu der Klinge. Am Griffstück, das vorher im Knauf steckte, war ein kleiner Schlitz. Eine vergilbte Ecke lugte hervor. Ich ließ den Knauf auf den Tisch fallen und zog vorsichtig an der kleinen Ecke. Stück für Stück holte ich eine Art Pergament hervor. Klirrend fiel auch die Klinge auf den Tisch und ich entfaltete den Zettel. Doch was ich sah, verwunderte mich. Es dauerte einen Moment, in dem ich die Zahlen vor mir anstarrte und versuchte mir darauf einen Reim zu machen, doch dann traf es mich wie ein Blitz. Schnell rannte ich zur Tür und riss sie auf. An der gegenüberliegenden Wand stand Yubel, die mir seit dem Anschlag nicht mehr von der Seite gewichen war. Alarmiert betrachtete sie mich. „Was ist passiert?“ Kurz sah ich mich um und winkte sie in meine Gemächer. Als sie bei mir war, schloss ich die Tür hinter mir. „Haou, was ist los?“ drängte sie erneut. „Wonach sieht das für dich aus?“ fragte ich aufgeregt und hielt ihr das Pergament entgegen. Sie sah mich verwirrt an und nahm das Schriftstück an sich. „Koordinaten?“ Ich nickte. „Aber wo habt Ihr die her?“ Ich senkte die Stimme. „Das Pergament steckte in der Klinge des Dolches.“ Überrascht betrachtete sie mich und sah wieder auf das Schriftstück. „Also war es das, was dieser Dieb wollte?“ „Keine Ahnung. Vielleicht. Wir müssen noch einmal mit ihm reden.“ „Und die Ratsversammlung?“ gab sie zu bedenken. „Das hier ist wichtiger!“ „Ihr seid der König! Ihr müsst zu dieser Versammlung.“ „Dann wird sie eben verschoben“ entgegnete ich genervt. Sie atmete angespannt aus. „Wollt ihr die Sache unter Verschluss halten?“ „Ja“ antwortete ich konfus. War das nicht offensichtlich? „Dann geht zu der Ratsversammlung. Es würde nur Aufsehen erregen, wenn Ihr dem nicht beiwohnt.“ Ich wollte etwas erwidern, doch sie hatte Recht. Der Hälfte des Rates vertraute ich nicht mehr, und der einzige, der uneingeschränkt hinter mir stand, war Lyman. Ich seufzte. „Na schön. Dann werde ich nach der Versammlung mit ihm reden. Kannst du in der Zwischenzeit rausfinden, wo diese Koordinaten hinführen?“ „Natürlich.“ „Gut, aber beeil dich. Ich will diese Versammlung schnell hinter mich bringen und dann mit Bakura reden. Vielleicht können wir uns den Trank dann sparen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)