Der Untergang der Isekai von stardustrose ================================================================================ Kapitel 5: Gebrochener Dämon ---------------------------- Die kalte Luft wandelte unseren Atem in kleine Wölkchen. Das Stampfen der Hufe unserer Pferde hallte als einziges Geräusch über die weitläufige Landschaft. Vor uns erstreckte sich eine Gebirgskette, der größte Berg in der Mitte ragte bis in die Wolken, man konnte seine Spitze nicht erkennen. Ich blickte in den Himmel. Über uns konnte ich die Silhouette von Yubel ausmachen, ihren Blick stets auf uns gerichtet. Seit zwei Tagen waren wir immer weiter gen Norden unterwegs, bald hatten wir unser Ziel erreicht. „Wie war es damals bei Euch?“ fragte ich um meine aufkommende Nervosität zu ersticken. Einen Augenblick überlegte Haou, schließlich schmunzelte er. „Ich fand es war die Hölle“ sagte er und lachte in sich hinein. Sein Schutzgeist tauchte an seiner Seite auf. „Der Aufstieg war furchtbar anstrengend und die Schutzgeister in den höher liegenden Gebieten waren so stark, dass ich flüchten musste, wenn sie mich angegriffen hatten. Mit meiner Ausbildung im Kampf und der Magie war ich damals noch nicht sehr weit, also wusste ich mich nicht gegen so starke Kreaturen zur Wehr zu setzen aber gefolgt sind sie mir glücklicherweise nie sehr weit. Aber als geflügelter Kuriboh mich ausgewählt hatte, war all die Anstrengung ganz vergessen. Als er sich mit mir verbunden hat, war das ein unglaubliches Gefühl.“ Es neigte seinen Kopf zu mir und sah mich amüsiert an. „Nervös?“ Ich schluckte trocken und nickte. Sein Lächeln wurde breiter. „Das ist völlig normal. Jeder, der dieses Ritual hinter sich hat, lügt, wenn er behauptet er wäre entspannt an die Sache rangegangen. Es ist einer der wichtigsten Augenblicke im Leben eines Dämons. Da darf man nervös werden. Aber du bist stärker als ich damals. Du wirst das schaffen.“ Ich seufzte lautlos und betrachtete die Zügel in meiner Hand. Haou hatte anscheinend keinen Zweifel an meinem Erfolg, anders als ich. Als wir abgereist waren, hatten Jesse und sein Onkel Meister Ares noch einmal betont, was für ein sinnloses Unterfangen diese Reise wäre. Als ob sich ein Schutzgeist für einen Menschen entscheiden würde. Meine Fähigkeiten waren auch nicht viel besser als die der meisten Schüler, und die hatten die Zeremonie zum größten Teil noch nicht hinter sich. Außerdem haben auch die Geister den Krieg miterlebt. Keiner von ihnen wird sich mit einem Feind verbinden wollen, denn etwas anderes waren die Menschen nicht. Ob ich auch so grausam wäre, wäre ich bei ihnen aufgewachsen? „Hier sollten werden wir unser Lager aufschlagen“ holte mich die Stimme Haous aus meinen Gedanken und ich sah mich um. Der Nebelberg war bereits in greifbarer Nähe und die Sonne schenkte dem Abendhimmel seine warmen Farben. Während der König die Pferde absattelte und an einem der wenigen Bäume festband, bauten Yubel und ich schweigend das Lager auf. „Hast du eigentlich auch einen Schutzgeist?“ fragte ich zögerlich in die Stille. Für einen Moment stoppte sie ihre Arbeit am Zelt und rührte sich nicht mehr. Es lag eine Trauer in ihrem Blick, die ich vorher noch nie bei ihr gesehen hatte. Schließlich schloss sie ihre Augen einen Moment und atmete hörbar aus. „Nein“ antwortete sie leise. In einer schnellen Bewegung machte sie das Zelt im Boden fest und stand auf. „Ich werde Feuerholz besorgen“ waren ihre letzten Worte, bevor sie mit einem Flügelschlag im Abendhimmel verschwand. Besorgt sah ich ihr hinterher. So kannte ich sie gar nicht. „Die Sache mit ihrem Schutzgeist hat sie bis heute nicht überwunden“ hörte ich Haous traurige Stimmte und drehte mich zu ihm. „Sie hatte also einen?“ fragte ich verständnislos. Soweit ich wusste banden sich Schutzgeister ein Leben lang an ihre Dämonen. Er nickte und ließ einen kleinen Stapel Holz in die Feuerstelle fallen. Während er es mit einem Zauber entflammte, sprach er weiter. „Sie war die einzige Dämonin die ich kannte, die sich mit einem Geist der Klasse S verbunden hatte.“ Erstaunt betrachtete ich den König und setzte mich zu ihm an das knisternde Feuer. Das Licht warf tanzende Schatten in die Umgebung, doch ich betrachtete nur Haous trauriges Gesicht. Anscheinend war er mit seinen Gedanken in diesem Moment an einem anderen Ort. „Ich war noch sehr klein als all das passierte“ sprach er schließlich leise weiter. „Mein Vater hatte mir die Geschichte einmal erzählt. Yubel war damals eine gewöhnliche Dämonin. Ohne Schwingen oder besondere Fähigkeiten. Wenn ich recht überlege, sah sie deiner Freundin Mana ganz ähnlich. Als sie 50 Jahre alt wurde, schickten ihre Eltern sie auf den Nebelberg. Dort hatte sie sich gegen jeder Erwartung mit einem mächtigen Drachen verbunden.“ Ein leidender Ausdruck schlich sich in Haous Augen. „Drachen sind für uns heilige Geschöpfe, doch aus irgendeinem Grund verschwanden sie nach und nach. Yubel hatte sich mit dem letzten Drachen verbunden, der in unserer Welt existierte. Dem Regenbogendrachen.“ Ein kleines Schmunzeln legte sich einen Augenblick lang auf seine Lippen. „Sie war stolz und glücklich ein so wunderbares Geschöpf an ihrer Seite zu wissen. Die beiden waren ein Herz und eine Seele. Sie wurde als Stolz des Landes im Palast aufgenommen und einem intensiven Training unterwiesen. Als rechte Hand des Königs, meines Vaters. Sie wurde zu seiner engsten Vertrauten und für meine Mutter war sie wie eine Schwester. Kurz nach meiner Geburt änderte sich jedoch alles. Mein Onkel war eifersüchtig auf mich, weil er in der Thronfolge nicht mehr der nächste war. Also ließ er eines Nachts ein Attentat auf mich verüben, als mein Vater eine Weile nicht im Palast war.“ Seine Haltung wurde immer verkrampfter. Er legte die Arme schützend um seine angewinkelten Beine. Seine Stimme wurde leiser. „Meine Mutter starb bei dem Versuch mich zu beschützen. Durch den Tumult wurde Yubel als erste alarmiert und konnte den Attentäter aufhalten, bevor er auch mich umgebracht hätte. Als die Wachen den Raum betraten, war der Angreifer gelähmt und Yubel lag mehr tot als lebendig neben meiner Mutter und hielt mich schützend in ihren Armen. Die Heiler versuchten tagelang sie zu retten, doch sie konnten nichts für Yubel tun. Mein Vater war verzweifelt und suchte Rat bei den Weisen. Er hatte schon meine Mutter verloren und wollte seine engste Vertraute nicht auch noch missen. Die Weisen sagten ihm es gäbe einen Weg sie zu retten, doch es hätte einen hohen Preis. Mein Vater stimmte ohne zu zögern zu, also vollzogen die Weisen ein uraltes Ritual.“ Haou schloss die Augen und atmete tief durch. Sein Blick wanderte in den sternklaren Himmel. „Um Yubels Leben zu retten, opferten sie ihren Schutzgeist und setzten dessen Herz in ihren Körper.“ Meine Augen weiteten sich überrascht. Wenn sie ihren Schutzgeist so geliebt hatte, wollte ich mir nicht vorstellen, wie es sein muss, einen jahrelangen Freund plötzlich zu verlieren, damit man selbst weiterleben konnte. „Sie hatte schwer damit zu kämpfen“ bestätigte Haou meine Vermutung, während er noch immer gen Himmel sah. „Das Ritual war zwar ein voller Erfolg, doch Yubel änderte sich dadurch. Ihre Gestalt passte sich der eines Drachen an, ihre Fähigkeiten stellten die der anderen in den Schatten, doch ihr Herz war gebrochen. Jahrzehntelang teilte sie sich mit ihrem besten Freund einen Körper und plötzlich war sie allein. Die Einsamkeit fraß sie allmählich auf.“ Haous Blick richtete sich wieder auf mich. „Der einzige Sinn in ihrem Leben ist es seitdem, meinen Vater und mich zu schützen. Als mein Vater im Krieg gefallen war, richtete sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf mich. Deswegen ist sie manchmal so gebieterisch. Ich glaube, würde sie mich auch noch verlieren, würde sie das an den Rand des Wahnsinns treiben. Der Verlust ihres Drachen nagt auch heute, hundert Jahre später, noch an ihr. Sobald ich das Thema anschneide, flüchtet sie. Deswegen sprechen wir nicht darüber.“ „Entschuldigt bitte“ sagte ich betrübt. „Das wusste ich nicht.“ Ein trauriges Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Woher auch? Zerbrich dir darüber nicht den Kopf, nur sprich das Thema lieber nicht mehr an. Es fügt ihr nur unnötig weiteren Schmerz zu.“ Ich nickte, auch wenn ich mir nicht sicher war, dass das wirklich der beste Weg war mit der Sache umzugehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)