Ein letztes Geheimnis von Sharry ================================================================================ Kapitel 50: Extrakapitel ------------------------ Extrakapitel – Zorro und Sanji im Kerker   Nach dem letzten Kapitel des 3. Teils   - Sanji – „Das hast du ja ganz toll hinbekommen! Hervorragend!“ „Gibst du jetzt etwa mir die Schuld?“, knurrte der Marimo nicht minder entnervt. „Du hast doch gesagt, dass ich nicht kämpfen soll!“ „Ja, weil wir mitten in der Stadt waren, du Vollidiot! Was meinst du, wie viele Verletzte es gegeben hätte, wenn du Vollhonk deine Schwerter gezogen hättest?“ „Und dank deines tollen Einfalls habe ich jetzt weder meine Schwerter noch sind wir am Strand, wo wir bei Sonnenaufgang sein müssen.“ Wütend wirbelte Sanji herum und wollte den anderen anschnauzen, dass er sich sehr wohl bewusst war, wo sie in ein paar Stunden zu sein hatten, doch dann sah er das Blut, welches durch die Bauchbinde des anderen sickerte, und entnervt verwarf er den Einwand. „Warum hast du das nicht verhindert?“, murrte er stattdessen nur und nickte zur Wunde. „Ich sagte, du sollst nicht kämpfen, nicht, dass du dich nicht verteidigen darfst.“ „Die Wache war so schwach, dass er sich beim Zustechen den Arm gebrochen hätte, wenn ich Haki angewandt hätte, und wäre ich ihm ausgewichen, hätte ich den Typen umgehauen, der mir die Handschellen anlegen wollte; so war es halt einfacher. Ist nichts zum drüber aufregen, nur ein kleiner Kratzer.“ „Tze.“ Leise vor sich hinfluchend, wandte Sanji sich um und begann durch den dunklen Kerker zu wandern. Die ganze Situation war verfahren und tatsächlich war die Fleischwunde des anderen keine seiner vorrangigen Sorgen, dafür hatte er schon zu viele deutlich schlimmere Verletzungen gesehen, die der andere unbeeindruckt überstanden hatte. Für Zorro war diese Wunde vermutlich wirklich nur ein kleiner Kratzer. Ein viel größeres Problem war, dass sie wohl aufgeflogen waren. Nein, das konnte nicht sein. Hätten die Wachen sie identifiziert, hätten sie Zorro und ihn nicht wie Kleinkriminelle ungefesselt in eine unbewachte Zelle geworfen. Nicht, dass Fesseln oder Ketten irgendeinen Unterschied machen würden, da sie beide sich problemlos befreien konnten. Das Problem war ein gänzlich anderes. „Weder die Mauern noch die Gitterstäbe wirken besonders robust“, murmelte der Marimo hinter ihm über Sanjis Flüche hinweg. „Denk ja nicht dran, Spinatschädel“, fauchte Sanji sofort. „Wir sind direkt unter der Stadt und die Wände sehen alles andere als stabil aus. Wenn wir nur einen Gitterstab zu sehr verbiegen, könnte die ganze Statik nachgeben und die Stadt über uns zusammenbrechen.“ „Meinst du, ich wüsste das nicht?“, entgegnete der andere grob. „Aber wir haben nicht mehr viel Zeit und sobald sie herausfinden, wer wir sind, haben wir ganz andere Probleme.“ Zorros Laune war noch schlechter als sonst und Sanji hatte eh schon das Gefühl, dass sie in seiner Anwesenheit immer ganz besonders schlecht war. Aber natürlich hatten sie beide Ruffys Befehl nicht widersprochen und nun mussten sie nur gucken, dass sie rechtzeitig zum vereinbarten Treffpunkt kommen würden, wo die anderen sie aufsammeln würden. Es war tatsächlich das erste Mal seit gefühlten Ewigkeiten, dass Zorro und er für längere Zeit unter sich waren. Früher war es anders gewesen, damals hatten sie oft mal Zeit für einen kleinen Plausch gehabt, früh am Morgen, nach Zorros Training, während Sanji das Frühstück vorbereitet hatte, oder spät am Abend, wenn Zorro Sanjis Nachtwache übernehmen würde, während er noch die Küche putzte, manchmal sogar, wenn sie zusammen einen Berg an schmutzigem Geschirr zu bewältigen hatten. Zu diesen Zeiten waren sie immer erstaunlich gut miteinander ausgekommen, über Sake, Kaffee oder Spülmittel, und Sanji hatte gedacht, dass sie einander doch ganz gut leiden konnten. Aber das war damals gewesen damals, bevor die Crew getrennt worden war. Seit sie alle wieder zusammengekommen waren, hatten Zorro und er sich oft in den Haaren gelegen und mittlerweile wusste Sanji auch warum, da Zorro irgendwann endlich reinen Tisch gemacht hatte. Danach hatten die Dinge sich etwas überschlagen. Während die anderen sich mit de Flamingo angelegt hatten, war Sanji beinahe zwangsverheiratet worden. Er hatte kaum mitbekommen, wie Zorro die Reverie und Eizens Putschversuch überstanden hatte, schließlich waren sie erst auf Wa No Kuni wieder aufeinandergetroffen und da hatte es wirklich keine Zeit für einen kurzen Plausch gegeben. Nicht, dass auch nur einer von ihnen nach einer Möglichkeit dafür gesucht hatte. Auch danach hatten sich die Ereignisse nicht deutlich beruhigt und so war es gekommen, dass sie nicht mehr wirklich miteinander gesprochen hatten, nicht so wie an jenem Morgen, als Falkenauge die Thousand Sunny verlassen hatte, und Sanji hatte das Gefühl, dass da noch Ungesagtes zwischen ihnen schwebte. Für ihn waren die Dinge zwischen ihnen noch nicht geklärt. Er nahm es Zorro immer noch übel, dass er ihnen damals nicht die Wahrheit gesagt hatte und Sanji für zwei lange Jahre davon hatte ausgehen müssen, dass der andere verstorben war. Auf der anderen Seite war Sanji sich auch sehr bewusst, dass er nicht viel besser gehandelt hatte mit seinen eigenen Geheimnissen und zumindest Zorro hatte ihm nicht einen Vorwurf deswegen gemacht, außer vielleicht die obligatorischen Bemerkungen, die gewohnheitsmäßig Pflicht zwischen ihnen waren. Dennoch war er Sanji gegenüber immer ganz besonders abweisend, deutlich feindlicher gestimmt als früher und das, obwohl Sanji das Recht hatte auf ihn sauer zu sein und nicht umgekehrt. Vielleicht irrte er sich aber auch nur und der Marimo hatte einfach beschissene Laune. Nicht, dass seine besser war. Sie mussten hier rauskommen – und zwar schnell – ohne direkt eine ganze Stadt plattzumachen und dass er gemeinsam mit dem Marimo in einem Kerker gefangen war, weckte bei ihm nicht die besten Erinnerungen. Misstrauisch wandte er sich halb um und bedachte die Wunde des anderen aus dem Augenwinkel, nur um sicherzugehen, dass sie nicht so schlimm sein konnte, wie die Verletzung damals. Er wusste immer noch nicht wirklich, wie es sein konnte, dass Zorro nach jener Verletzung und dem Feuer noch am Leben war, und er fragte sich, ob so etwas nochmal passieren konnte. Aber darauf ankommen lassen wollte er es nicht. Nein, egal wie er es drehte und wendete, sie mussten hier raus, aber Gewalt würde sie vermutlich nicht weit bringen. Sie mussten diese Zelle verlassen, ohne die wacklige Statik des Kerkers noch mehr zu gefährden. Sie brauchten einen Plan. Sanji brauchte einen… „Ich glaube, ich habe einen…“ „Nein!“, knurrte er direkt mit einer verwerfenden Handbewegung. „Koch, was soll der Scheiß? Wir müssen hier raus und ich habe…“ „Ist mir egal was du hast oder nicht. Wir machen es nicht auf deine Weise und damit Basta!“ Nun stieß der andere sich von der Wand ab und kam auf ihn zu. „Was ist dein verdammtes Problem?! Seit wir unterwegs sind, benimmst du dich noch mehr wie ein Arsch als sonst schon, und jetzt machst du hier grundlos so einen…“ „Grundlos?! Grundlos?!“ Er fingerte nach seinen Zigaretten, aber natürlich waren sie ihm abgenommen worden. „Sag bloß, dir kommt die gesamte Situation nicht auch beschissen bekannt vor?“ Die Miene des anderen verriet nichts. „Wovon redest du? Echt, manchmal weiß ich echt nicht, was in deinem Hirn vor sich geht.“ „Das sollte wohl eher ich sagen“, murrte Sanji und verschränkte die Arme in Ermangelung seines notwendigen Nikotins. „Ernsthaft, der Kerker, du und ich, ohne die anderen, du verletzt; klingelt da nichts bei dir?“ Nun rollte der andere mit dem Auge. „Koch, wie lange willst du mir das mit der G6 noch vorwerfen? Ich hab’s dir doch erklärt, es gab damals keine andere…“ „Es ist mir egal, und auch wenn du’s noch hundert Mal sagst. Wir machen es auf meine Art oder wir machen es gar nicht, verstanden?“ Knurrend wie ein wildes Tier, stieß der andere Luft durch die Nasenlöcher aus. „Und was ist dein Plan?“, fragte er dann zwischen zusammengebissenen Zähnen. Da lag das Problem. Sanji hatte keinen Plan. Er konnte sich keinerlei Manipulation ihres Gefängnisses vorstellen, durch die sie nicht die Statik gefährden würden und sie hatten sich nicht extra gefangen nehmen lassen, nur um die Stadt jetzt doch in Schutt und Asche zu legen, wenn sie alles einstürzen lassen würden. Schließlich waren sie nicht Franky, er hätte vielleicht abschätzen können, wie viel diese wackligen Mauern aushalten konnten; für Sanji jedoch grenzte es einfach nur an ein Wunder, dass man die Türen überhaupt öffnen und schließen konnte, ohne dass alles zusammenbrach. „Du hast keinen“, stellte Zorro somit zutreffend fest. Aber Sanji war sich der Verantwortung, die er trug, sehr bewusst. Sie waren auf sich allein gestellt, die ganzen letzten Tage schon waren sie nur auf sich gestellt gewesen, und dieses Mal würde Sanji verhindern, dass Zorro etwas passieren würde. Dieses Mal würde er Zorro beschützen, so wie er ihn die letzten Tage aus Argusaugen beobachtet hatte. Mochte sein, dass der andere sich entwickelt hatte, jetzt auch ab und an mal mit der Sprache rausrückte, wenn es sein musste, sich zumindest diesem verfluchten Falkenauge ab und an anvertraute, aber das alles änderte nichts daran, dass Sanji ihm letzten Endes nicht vertraute. Erst recht jetzt, wenn es nur sie beide waren; er hatte die Sorge, dass wenn er den anderen nur eine Sekunde aus den Augen verlieren würde, dass dann etwas passieren konnte, dass Zorro etwas passieren konnte. Und Sanji konnte es nicht noch einmal; er würde Ruffy nicht noch einmal sagen können, dass sie Zorro verloren hatten, dass sie ihn verloren hatten, nur weil Sanji ihn nicht hatte beschützen können. Er wollte Zorro vertrauen, so wie die anderen es spätestens seit dessen Eingeständnis wieder taten, aber er konnte es nicht und wahrscheinlich lag es daran, dass Zorro ihm auch nicht vertraute. „Okay“, sprach der Marimo nun und er klang ungewöhnlich gesittet, als wenn er ganz deutlich keinen Streit provozieren wollte, „was muss ich tun, damit du dir zumindest meinen Vorschlag anhörst?“ Einen Moment musterten sie einander nur. Das war der Zorro, den Sanji noch am wenigsten kannte, der erwachsene, diplomatische. Es war der Zorro, den Robin wohl schon immer in ihm gesehen und den Falkenauge vermutlich in mühsamer Kleinarbeit ausgegraben hatte. Er kam nur selten zum Vorschein und Sanji musste gestehen, dass es ihn immer etwas irritierte, wenn der andere nicht auf seine Provokation einging, sondern einen Schritt zurückmachte und nach pragmatischen Lösungen suchte. Es passte nicht zu der Art, wie sie sonst miteinander umgingen und es war ungewohnt für Sanji, wenn der andere ihm keine Gegenwehr bot. Gleichzeitig zwang dieses besonnene Verhalten des anderen ihn dazu, ähnlich rational zu agieren, weil sonst er wie der unreife Blödmann daherkommen würde, welcher der Marimo doch eigentlich war. „Ich weiß es nicht“, gestand er dann ein und raufte sich die Haare. „Mann, ich weiß doch auch, dass du nicht absichtlich so bist. Ich weiß doch, dass du auch nicht unbedingt vorhast draufzugehen, aber verdammt nochmal, manchmal würde ich echt gerne wissen, was in deinem verdammten Moosschädel vor sich geht. Ich verstehe dich einfach nicht.“ Der Marimo stöhnte leise auf und schritt zur Wand zurück, wo er sich niederließ und die Unterarme auf den aufgestellten Knien ablegte. „Tja, da kann ich dir auch nicht wirklich helfen, Koch. Ich denke, du musst halt einfach damit klarkommen, dass wir unterschiedlich sind und ich anders ticke als du.“ Er zuckte mit den Schultern und schenkte ihm ein halbes Grinsen. „Aber ich kann dir versichern, dass ich nicht vorhabe, hier draufzugehen.“ Doch Sanji wurde plötzlich bewusst, dass es ihm nicht darum ging, dass er den anderen generell nicht verstand, er wollte nur eine Sache verstehen. Vielleicht… vielleicht wenn er diese eine Sache verstand, vielleicht konnte er Zorro dann auch wieder etwas mehr vertrauen. „Sag mir, warum du damals nicht zurückgekommen bist, und ich höre mir deinen Plan an.“ Verwundert neigte Zorro den Kopf zur Seite, nach einer Sekunde schien er zu erfassen, wovon Sanji sprach. „Koch, jetzt ist echt nicht der richtige Zeitpunkt für sowas und wir haben das damals doch zur Genüge…“ „Haben wir nicht“, unterbrach er den anderen, allerdings sachlich, ohne jede Angriffslust. „Ich weiß, dass du damals nicht die ganze Wahrheit gesagt hast. Du hast zwar gesagt, dass es daran lag, weil du zu schwach warst und dich noch nicht in deinen echten Körper zurückverwandeln konntest, aber ich erinnere mich noch daran was Falkenauge gesagt hat - die Sache mit dem Stein und dem Fenster – und ich habe es zwar damals gut sein lassen, weil wir wirklich genug andere Probleme wegen dir an der Backe hatten, aber ich habe es nicht vergessen.“ Es machte ihm beinahe Angst, wie ausdruckslos Zorro ihn gerade anstarrte, von seinem halben Grinsen war nichts mehr geblieben. „Du hast zwar damals gesagt, dass du keinen guten Grund hattest, aber das glaube ich dir nicht; irgendeinen Grund muss es gegeben haben und den will ich wissen, selbst wenn er beschissen sein sollte. Also? Was ist der wahre Grund, warum du damals nicht zurückgekommen bist und uns noch nicht mal die Wahrheit gesagt hast?“ Eine Sekunde lang hallten diese Worte zwischen ihnen in dieser dreckigen Zelle, wie damals, vor so langer Zeit. „Es lag an dir.“ Eine Gänsehaut glitt Sanji über den Körper, als hätte er diese Antwort schon fast erwartet. „Du warst der Grund, warum ich damals weder zurückgekommen bin noch euch die Wahrheit gesagt habe.“ Unter anderen Umständen hätte Sanji mit einem giftigen Kommentar reagiert, um zu überspielen, wie sehr ihn diese Anschuldigung verletzte, aber so wie Zorro zu ihm aufsah, so wie er klang, wie er es gesagt hatte, war es ganz deutlich, dass er Sanji nicht einfach irgendetwas an den Kopf warf, sondern dass es die Wahrheit war; eine Wahrheit, die Zorro vielleicht sogar lieber verschwiegen hätte. Schwer schluckend wandte Sanji den Blick ab und nickte. Er hatte es ja auch unbedingt wissen wollen, selbst schuld. „Okay“, murmelte er und biss sich auf die Unterlippe, stemmte die Hände gegen die Hüfte und versuchte, diese Aussage erst einmal einfach zu akzeptieren. „Warum? Was habe ich getan? Weil ich Falkenauge angegriffen habe?“ „Was? Nein, das war zwar dumm, aber… was auch immer…“ Leise seufzte der andere und Sanji sah ihn wieder an. Zorro betrachtete seine gefalteten Hände und so wie er da saß, auf dem Boden, den Kopf gesenkt im dämmrigen Licht, ohne diesen genervten Gesichtsausdruck, ohne dieses kampfeslustige Grinsen, wirkte er nachdenklich und deutlich verletzlicher, als Sanji sich eingestehen wollte. Du denkst, ich hatte es leicht? Er musste an ihren Streit denken, damals im Ausguck und wie unglaublich wütend sie beide damals gewesen waren, wie unglaublich verletzend und unglaublich verletzt. Sanji hatte damals nur sehen können, was sie alle durchgemacht hatten, weil Zorro nicht dagewesen war, sie im Stich gelassen hatte, aber er hatte nie wirklich darüber nachgedacht, was es wohl für Zorro bedeutet haben musste, wie diese Zeit für ihn wohl gewesen war, wie es für ihn wohl gewesen war von ihrer Niederlage auf dem Sabaody Archipel in der Zeitung zu lesen, unwissend, ob sie überlebt haben könnten. Noch immer tat Sanji sich schwer zu akzeptieren, dass Zorro und Lady Loreen ein und dieselbe Person sein sollten – was auch daran lag, weil dieses Thema seitdem gerade vom Marimo selbst gemieden wurde und Sanji es deshalb nur zu gerne verdrängte – und vielleicht hatte er deshalb nie darüber nachgedacht, was Zorro in diesem einen Monat, nachdem er gerade irgendwie den traumatischen Sturz der G6 überlebt hatte und von ihnen allen getrennt gewesen war, auch noch in einen fremden Körper gefangen auf die Hilfe seines größten Rivalen angewiesen, wohl hatte durchmachen müssen. „Du hattest vor zurückzukommen, oder?“, fragte Sanji in die Stille. „Deshalb warst du damals auf Sarue, weil du zurückkommen wolltest.“ „Natürlich!“ Zorros tiefe Stimme bebte in den Wänden nach und er ballte seine Hände zu Fäusten. „Natürlich wollte ich zurück!“ Dann lehnte er mit geschlossenem Auge den Kopf in den Nacken und seufzte erneut. „Ach, was soll’s? Ja, ich wollte natürlich zurück, aber das ist nur die halbe Wahrheit.“ Erneut seufzte er und für einen Moment sagte er gar nichts, als würde er nach den Worten suchen, die Sanji von ihm erfragte, dann zuckte er leicht mit den Schultern. „Ich hatte zwar von Anfang an vor zurückzukehren, aber ich hatte auch echt Schiss davor, wie ihr reagieren würdet. Lady Loreen ist… ich habe mich nie wirklich mit diesem Körper angefreundet, und damals erst recht nicht. Dulacre mag irgendeinen Sinn darin sehen, für mich ist es nur nervig und ich habe auch keinen Bock nach einem tieferen Sinn zu graben. Aber deswegen… war es echt nicht einfach. Ich dachte, dass ihr… dass ihr mich so nicht mehr gebrauchen könntet, mich nicht mehr dabei haben wollen würdet, und ich…“ Ein kalter Schauer lief Sanji über den Rücken, während der andere abbrach und er erst jetzt auch nur annähernd erkannte, was Zorro wohl gedacht und gefühlt haben musste, damals auf Sarue, damals, als sie sich auf dem Sabaody Archipel wiedergesehen hatten und damals, als er entschieden hatte, sie endlich einzuweihen. „Aber natürlich wollte ich zurück und natürlich weiß ich, wie schwachsinnig diese Zweifel waren. Ich weiß doch, dass keiner von euch so tickt. Doch selbst wenn, nichts davon hätte mich davon abhalten können zurückzukommen.“ Nun klang er wieder mehr so wie Sanji ihn kannte. „Selbst das Risiko, dass ich vielleicht nie mehr meinen ursprünglichen Körper zurückerhalten würde, wenn ich zu euch zurückkehren würde, war mir egal gewesen.“ Sanji sah den anderen an. „Wa..was? Was meinst du damit?“ Zorro zuckte nur mit den Schultern. „Es ist etwas zu kompliziert, um es zu erklären – um ehrlich zu sein, verstehe ich es selbst nicht ganz – aber wäre ich damals auf Sarue wieder zurückgekommen, dann hätte ich mich vielleicht nie mehr zurückverwandeln können, weil ihr noch nicht stark genug wart, um mich zu beschützen.“ Kurz rieb Zorro sich den Nacken, aber bevor Sanji auch nur über diese Bombe nachdenken konnte, sprach er schon weiter: „Aber auch das war mir egal, das kannst du mir glauben. Ich… Ich wollte so sehr zurück, dass ich alles in Kauf genommen hätte, um wieder mit an Bord zu können.“ Dieses Geständnis machte es beinahe noch schwerer für Sanji. Selten sprach Zorro so… einfach so, wie er es gerade tat, benannte so schonungslos direkt seine Gedanken und Emotionen, wie er immer schonungslos direkt war. Sanji hätte nie gedacht, dass Zorro so deutlich sagen würde, wie wichtig ihm die Crew war und wie sehr er hatte zurückkommen wollen. Jetzt tat seine Anschuldigung von vorher, die nicht mal als Anschuldigung gemeint war, noch mehr weh. „Und… und dennoch bist du nicht zurückgekommen… wegen mir?“ Zorro nickte sachte. „Warum? Was habe ich getan?! Wenn… wenn du doch so entschlossen warst – sogar deinen eigenen Körper aufgegeben wolltest - wie konnte ich dann in der Lage sein… was habe ich getan?“ Und dann verstand er. „Warte! Du sagtest, weil wir nicht stark genug gewesen wären, um dich zu beschützen. Ist das der Grund? Weil ich damals zu langsam war? Weil du eingreifen musstest, um Ruffy zu retten? Weil ich versagt hatte?“ „Was? Nein.“ Der andere schüttelte den Kopf. „Hör mal, Koch. Das damals, dass ich dir den Schutz der Crew aufgebürdet und dir das im Nachhinein vorgehalten habe, das war nicht fair von mir. Ich hätte dir das nicht sagen…“ „Was war es dann?“, unterbrach Sanji ihn ungehalten. Es war ihm ziemlich egal, was der andere ihm gesagt und besser nicht gesagt hätte. Er wollte wissen was er getan hatte, was er getan haben könnte. Was könnte Sanji schon getan haben, um den unbeugsamen Willen ihres Schwertkämpfers zu beugen? Dazu war er doch gar nicht in der Lage. Dazu war niemand in der Lage. Für gefühlte Minuten starrte Zorro nur seine Fingerknöchel an, doch dann begegnete er endlich Sanjis Blick, so wie er ihm nie auswich. „Es lag daran, wie du mich angesehen hast.“ Verwirrt machte Sanji einen Schritt zurück. Damit hatte er nicht gerechnet, er hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Er hatte mit einem weltbewegenden Geständnis gerechnet, mit einem Vorwurf, der seine Welt bis in die Tiefen erschüttert hätte, doch nicht mit so etwas… Lächerlichem. Er hatte keine Ahnung, wovon der andere sprach. Wann sollte er ihn wie angesehen haben? „Wa… was?“ Der andere musste ihn doch verarschen! Dennoch Zorro nickte nur und sein Blick war bitterernst, sein Mund nur eine dünne Linie und seine Schultern waren so angespannt wie selten, wenn sie miteinander stritten und gerade wollten sie ja noch nicht mal miteinander streiten. Er wirkte nicht so, als ob er Sanji zum Narren halten wollte. „Als ich deinen Angriff unterbrach und… du auf dem Boden lagst, da hast du…, ach verdammte Scheiße.“ Laut stöhnte der andere auf und rieb sich durchs Gesicht, schien sich zusammenzureißen. „Du hast mich angesehen, wie Ruffy ein Stück Fleisch ansieht und das… das war mehr als beschissen, Koch.“ Sanji erinnerte sich an jenen Moment. Er wusste noch genau, wie Lady Loreen – Zorro! - ihn zurückgeworfen hatte. Hart war er auf den Planken der Thousand Sunny aufgeschlagen, diese zierliche Person über sich, und dann hatte Sanji diesen wilden Blick und dieses wunderschöne Gesicht… „Was redest du da?“, murrte Sanji und verschränkte abwehrend die Arme. „Ich meine, ich wusste nicht, dass du es warst, aber ich war einfach nur überwältigt von ih… deiner Schönheit – Uah, dass ich so etwas mal sagen würde - und ich…“ „Aber das ist es doch, Koch“, entgegnete Zorro, klang dabei sowohl entnervt als auch leicht frustriert. „Du hast mich angegafft wie ein Stück Fleisch, wie irgendetwas – keine Ahnung – du hast mich angegafft, anstatt mich anzusehen.“ „Hä?“ Sanji verstand kein Wort. Zorro seufzte. „Als ich angriff, hast du nicht mich gesehen, einen Angreifer, einen Gegner, einen Menschen. Alles was du gesehen hast, war, dass ich… hübsch war, dass ich eine Frau war. Du hast nicht mich als Mensch gesehen, sondern nur als eine Frau, die du begehrenswert findest, so wie Ruffy ein Stück Fleisch begehrenswert findet.“ Sanji versuchte zu begreifen, aber er verstand kein Wort. „Also erstens“, murrte er auch dementsprechend unzufrieden, weil er sich nicht irgendwelche haltlosen Vorwürfe lassen machen würde. Er konnte hinnehmen, dass er vielleicht eine Mitschuld daran trug, dass Zorro ihnen nicht die Wahrheit gesagt hatte, weil er vielleicht auch nicht immer besonders sensibel reagiert hatte, aber er würde sich nicht für dumm verkaufen lassen. Sollte Zorro sich doch eine bessere Ausrede einfallen lassen, als dass Sanjis Blick ihn verunsichert hätte. „Ich wusste nicht, dass du das warst, sonst hätte ich nie so etwas gesagt. Zweitens, ich gaffe nicht wie Ruffy vor einem Stück Fleisch, ich erfreue mich lediglich an der Schönheit des zarten Geschlechts und…“ „Koch“, stöhnte der andere auf, „du magst es anders nennen, aber es ist das Gleiche und es ist mir egal wie du es nennst, ich fand es beschissen unangenehm und ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer es angenehm findet.“ Sanji wollte etwas erwidern, aber Zorro sprach weiter: „Echt mal, mir gingen an diesem Tag ein paar echt heftige Gedanken durch den Kopf und ich hatte wichtige Dinge mit euch zu besprechen. Ich habe dich in jenem Moment vor Dulacre gerettet und war gedanklich kurz davor, euch die Wahrheit zu sagen, musste euch überzeugen, dass ich nicht gestorben war, obwohl genau das passiert war und ihr das alles gesehen habt. All das ging in mir vor. Aber all das, worauf du geachtet hast, war mein Aussehen. Ich war an jenem Tag nicht da, damit du dich an der Schönheit des zarten Geschlechts erfreuen konntest, aber das war dir so wichtig, dass es dir egal war, warum ich an jenem Tag da war, warum ich dich aufgehalten habe. Dir war sogar egal, was ich dir gesagt habe. Du hast mich überhaupt nicht wahrgenommen, du hast nur meinen Körper gesehen, und ja, das hat mich irgendwie verunsichert. Nein, wenn ich ehrlich bin, nicht nur verunsichert; dieser Blick von dir hat mir richtig Schiss eingejagt.“ „Wa… was?“ Zorro war niemand, der sich verunsichern ließ, der vor irgendetwas Schiss bekam. Nein, das hier musste die dümmste Ausrede sein, die der andere sich je hatte einfallen lassen. Sanji hatte keine Ahnung, wovon Zorro redete, was es mit diesem Blick auf sich haben sollte, warum der andere da so viel hineininterpretierte, obwohl es nicht viel mehr als das gewesen war, ein Blick. Es war das Dümmste, das Lächerlichste, was Sanji je gehört hatte. Aber genau, weil es so lächerlich war, so dumm war, weil es überhaupt nicht zu Zorro passen wollte, genau deshalb hatte Sanji das Gefühl, dass er es ernst nehmen musste. Nur so konnten sie endlich aufarbeiten, was damals passiert war, was damals zwischen ihnen zerbrochen war. „Koch“, murrte der Marimo nun und seufzte erneut. „Denk doch mal einen Moment nach. Wenn ich dich angreifen würde, hier und jetzt, du würdest mir aber so was von deinen Absatz ins Gesicht drücken. Aber als ich dich als Lady Loreen angegriffen habe, warst du wie weggetreten. Selbst, wenn du wüsstest, dass ich es bin, würdest du dich wehren? Würdest du dich ablenken lassen, wenn mir aus Versehen die Brust aus dem Hemd rutscht?“ Sanji konnte nicht verhindern, dass er alleine bei der Vorstellung errötete. Die Vorstellung, dass Lady Loreen – Zorro! – ihn angriff und er zurücktreten würde, war… und dann würde der Bu… der Bu… der Busen! „Dachte ich mir“, bemerkte der andere trocken, während Sanjis Wangen heiß wurden. „Du hättest mich nicht mehr behandelt wie sonst auch, Koch, und auch wenn die anderen sich irgendwann damit arrangiert hätten, ich hätte mich nie damit abgefunden, dass du dich mir gegenüber anders verhältst. Ich weiß nicht, wie Nami und Robin es aushalten, wenn du sie so angaffst, aber ich bin nicht dafür da, dass du dich am Anblick meines Körpers erfreuen kannst. Die Vorstellung, dass du mir nicht zuhörst, wenn ich dir was sage, weil dich mein Busen ablenkt, oder dass du nicht mit mir kämpfst, weil mein Körper vom zarten Geschlecht ist… alleine die Vorstellung ist schon echt das Letzte.“ Zorro schnaubte leise. „Egal was ich tue, Lady Loreen werde ich nicht mehr los und das finde ich ziemlich beschissen. Aber damals wusste ich noch nicht mal, wann und ob ich meinen Körper wiederkriegen würde, und das war für mich echt noch viel beschissener. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es sich anfühlt den eigenen Körper zu verlieren und plötzlich in einem komplett anderen Leben zu sein, in einem Körper, der nichts mit dem zu tun hat, was man erlebt hat, der den eigenen Erinnerungen komplett widerspricht, und als goldenes Krönchen wird man dann auch noch wie ein komplett anderer Mensch wahrgenommen." Schwer seufzte er auf und schüttelte den Kopf. „In all der Zeit hat Dulacre mich nie anders behandelt – selbst, nachdem ich mich verwandeln konnte – manchmal vergesse ich in seiner Gegenwart sogar, dass ich in jenem Körper bin. Ich vergesse, dass ich in einer Gestalt bin, die allem widerspricht, für das ich stehe. Aber du… du bist das genaue Gegenteil. So wie du mit Nami und Robin umgehst, so wie du manchen Frauen hinterhersabberst. Du gibst mir das unangenehme Gefühl jenes Körpers, selbst wenn ich in meinem bin.“ Obwohl Sanji nicht wirklich verstand, trafen ihn die Worte des anderen hart. Die Vorstellung, dass sein Verhalten, dass alleine sein Blick, ausreichen konnte, damit ein Crewmitglied sich nicht wohl in seiner Gegenwart fühlte, schockierte ihn zutiefst. Mehr noch, weil es Zorro war, der sich aus den Meinungen anderer eigentlich nie viel machte. Er selbst hatte seine kurze Zeit in Namis Körper trotz mancher Einschränkungen als absolut beglückend empfunden und es war ihm überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass dieser andere Körper Zorro so sehr belastete. Wenn Sanji ganz ehrlich war, tat er sich schwer zu erfassen, warum Zorro seinen Umgang mit dem weiblichen Geschlecht als so unangenehm empfand, aber das war ihm gerade eigentlich egal. Irgendwann später würden sie es ausdiskutieren können. Aber gerade musste er es akzeptieren, musste einfach versuchen zu akzeptieren, dass sein Verhalten – warum auch immer – für Zorro unangenehm war, gerade weil er es nicht verstand. Nachdenklich sah er zu dem anderen hinab, nicht sicher was er sagen sollte, aber Zorro sprach weiter: „Aber natürlich warst es nicht nur du. Ihr alle wart es. Nachdem du so beschissen reagiert hast, habt ihr alle mich plötzlich anders behandelt, so wie alle anderen Menschen mich als Loreen behandelt haben. Was ich sage, wird überhört. Wenn ich wütend werde, bin ich süß und niemand nimmt mich ernst. Niemand traut mir zu, ein guter Kämpfer sein zu können, man unterschätzt mich und sieht mich noch nicht mal als Gegner an.“ Erneut stöhnte Zorro auf. „Es ist so frustrierend Lady Loreen zu sein und ich fühle mich manchmal so hilflos in jenem Körper, weil niemand mich für voll nimmt und… ihr habt das auch nicht. Ihr habt nur noch Dulacre als Gegner wahrgenommen – obwohl ich dich doch problemlos umgehauen hatte – und mir habt ihr nicht zugehört, nicht ein Wort zugehört, habt einfach über mich hinweggesprochen und ich konnte mir kaum Gehör verschaffen. Ich war erstarrt und keiner von euch hat mich gesehen, ihr habt alle nur Lady Loreen gesehen, die kleine, hübsche Lady Loreen.“ Für einen Moment war es absolut still zwischen ihnen, während Zorro leise seufzte und seine Handfläche begutachtete. „Aber ich muss auch akzeptieren, dass Dulacre Recht hat. Ihr hattet noch nicht mal die Chance alles zu verarbeiten und mich so wie immer zu behandeln, weil ich euch ja nicht die Wahrheit gesagt habe. So wie ich, so musstet ihr euch natürlich erstmal dran gewöhnen. Aber du weißt die Wahrheit ja mittlerweile, und daher kannst du mir auch zeigen, dass ich mich geirrt habe.“ Laut ausatmend erhob Zorro sich, klang immer noch so ruhig und gefasst, obwohl es Sanji so schwer fiel, ihn zu verstehen. „Ich denke, ich war jetzt ausführlich genug, und so langsam rennt uns auch die Zeit weg, daher werde ich dir jetzt auch meinen Plan sagen, so wie wir es abgesprochen hatten.“ Langsam sah Sanji auf. Für einen Moment hatte er ganz vergessen, wo sie hier waren und weshalb Zorro ihm das alles gesagt hatte. „Okay“, murmelte er und nickte, „ich höre.“ „Um ehrlich zu sein, ist es kein besonders ausgefuchster Plan“, murrte Zorro und seine Stimme war wieder so rau und emotionslos wie sonst auch, als hätte er das vorherige Thema einfach abgeschlossen. „Ich quetsche mich durch die Gitterstäbe, überwältige die Wachen auf der anderen Seite der Türe, stehle den Schlüssel und hol dich dann auch raus.“ Verwirrt hob Sanji eine Augenbraue an und musterte den anderen. Wie wollte dieser Schrank von einem Kerl sich zwischen Gitterstäben hindurchzwängen, die selbst für… Oh! „Du willst dich verwandeln?“ Nun zeigte der andere ihm ein halbes Schmunzeln. „Naja, so passe ich nicht durch“, entgegnete er, „aber ja, ich denke, als Loreen müsste es klappen, schließlich habe ich deutlich weniger Oberweite als Nami. Zum Glück, das wäre so nervig beim Kämpfen.“ Noch eine Sekunde dachte Sanji nach. Es war nicht wie bei der G6, es war ein simpler Plan, ohne große Fallstricke, die Zorro vor ihm verbergen konnte, daher gab es nicht viel zu überlegen. „Okay, lass es uns so…“ „Warte, Koch, ich bin noch nicht fertig“, unterbrach der Spinatschädel ihn und zögerte dann jedoch, was Sanji gerade überhaupt nicht gebrauchen konnte. Er mochte nicht, wenn Zorro unsicher war, hatte es nie gemocht, aber ganz offensichtlich hatte selbst ein Lorenor Zorro Ängste. Sanji würde also auch damit klarkommen müssen, irgendwie. „Okay“, sagte er also nur und verschränkte die Arme. Zorro nickte und tat es ihm gleich. „Um es auf den Punkt zu bringen. Meine letzte Verwandlung liegt schon zu lange zurück, deshalb werde ich mich wahrscheinlich bis Sonnenaufgang nicht zurückverwandeln können.“ „Okay“, wiederholte Sanji achselzuckend. Er hatte keine Ahnung, wie die Verwandlung funktionierte und welch seltsamen Regeln sie unterlag, aber wenn Zorro es sagte, dann würde er ihm glauben; ihm blieb auch nicht viel anderes übrig. Nach einer Sekunde kapierte er, dass es das erste Mal seit Sarue sein würde, dass Zorro ihm als Lady Loreen gegenüberstehen würde. „Die Sache ist die“, sprach Zorro weiter und nickte zu seinem verfärbten Bauchwickel hinunter, „dieser Kratzer könnte für mich dann ein Problem darstellen. Ich denke, ich sollte es schaffen die paar Wachen zu überwältigen, aber um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ich dir danach noch eine große Hilfe sein werde. Als Loreen bin ich eh nicht so stark und diese Wunde wird mich wahrscheinlich doch etwas mehr zwicken, als ich wahrhaben möchte.“ Eine Gänsehaut glitt über Sanjis Rücken. Damals hatte Zorro ihm nichts gesagt, damals hatte er so getan, als wäre seine Verletzung nichts, was er nicht irgendwie händeln könnte. Aber für Emotionen war hier kein Platz, er musste pragmatisch denken. „Wird sie für dich lebensbedrohlich sein?“, fragte er ernst nach und entschied jedwede Gefühle auf später zu verschieben, jetzt musste er logisch handeln. Zorro zuckte nur mit den Achseln. „Ich sag jetzt erstmal nein. An sich ist sie nicht problematisch, aber ich kann in diesem Körper einfach nicht so viel Blut verlieren, wie normalerweise, ohne dass es nervig wird, daher wäre zu viel Bewegung wohl kontraproduktiv. Ich kann die Wunde mit Rüstungshaki etwas abdichten, aber das hilft auch nur bedingt; irgendwann könnte der Blutverlust ein Problem werden, falls ich mich doch länger nicht zurückverwandeln können sollte, beziehungsweise je nachdem ob die andere pünktlich sein werden oder nicht.“ Sanji nickte erneut. „In Ordnung, das heißt sobald du die Tür aufgeschlossen hast, übernehme ich und stelle sicher, dass wir deine Schwerter und meine Zigaretten einsammeln und dass wir rechtzeitig zum Strand kommen, damit du nicht eine Grenze überschreitest, die es doch gefährlich macht.“ Nun nickte Zorro und sah ihn überraschend eindrücklich an, eigentlich hatte Sanji mit lautstarkem Widerspruch gerechnet, wie er es von dem Marimo nun mal gewohnt war, aber es wäre nicht das erste Mal am heutigen Tag, dass der andere ihn überraschen würde. „Ich verlass mich auf dich. Wie gesagt, ich werde im Zweifel auf dich angewiesen sein.“ Für eine Sekunde sahen sie einander an und Sanji verstand, dass Zorro damit etwas anderes meinte, als er sagte. Er wollte etwas entgegnen, doch dann begann Zorro plötzlich die rote Scherpe abzuwickeln. „Ähm, was machst du da?“ „Na, wonach sieht es denn aus? Ich werde mich jetzt verwandeln, also dreh dich um, Koch.“ „Tze, ich hätte dich nicht für so prüde gehalten“, versuchte Sanji seine errötenden Wangen zu überspielen, was der andere nur mit einem Augenrollen quittierte. „Bin ich auch nicht. Aber so wie du jetzt schon wieder guckst, werde ich nicht riskieren, dass dieser Abklatsch eines Plans schiefgeht, weil du mir wegen Nasenblutens abkratzt. Also dreh dich um.“ „Ich denk ja nicht dran, mir hier…“ „Koch“, seufzte der Marimo und hielt in seiner Tätigkeit inne, um ihn anzusehen, „wir können meinetwegen nachher in aller Ausführlichkeit diskutieren, warum du ein Spanner bist, aber hier und jetzt läuft uns die Zeit davon, also lass uns einfach voran machen, okay?“ Da war er wieder, rationaler Zorro, Sanjis neuer Erzfeind. Schnaubend wandte er sich um und verschränkte die Arme. „Mir musst du das nicht sagen“, murrte er dann und begann leise mit dem Fuß zu einem unbestimmten Takt zu klopfen, „um ehrlich zu sein, habe ich die Hälfte von dem, was du eben gesagt hast, nicht kapiert. Ich weiß immer noch nicht, warum du aus einem einzigen Blick so eine große Sache machst. Aber weil es für dich anscheinend ein Problem ist und wir gerade wirklich nicht die Zeit haben das auszudiskutieren, akzeptiere ich das und streite jetzt eben nicht mit dir. Du brauchst also hier nicht so zu tun, als würde ich unsere Zeit vergeuden, nachdem du dich gefühlt eine halbe Ewigkeit über mich ausgelassen hast, und mir jetzt auch noch spannen zu unterstellen ist ziemlich unverschämt von dir. Außerdem hast du eine deutlich kleinere Oberweite als Namilein oder Robin-Schätzchen, also eh nicht viel zum Bewundern.“ Er erwartete einen schneidenden Kommentar und war überrascht, als nichts kam. „Was denn? So eine Aussage stört dich weniger, als wenn ich dich anschaue? Mann, ich weiß nicht, ob du dumm oder kompliziert bist. Keine Ahnung wie Falkenauge und Ruffy mit dir klarkommen.“ Wieder erhielt er keine Antwort und entnervt nahm er das als Zeichen, dass er schweigend warten sollte. Weiterhin klopfte er seinen Takt. „Wie lange brauchst du eigentlich für die Verwandlung?“, fragte er nach einigen langen Sekunden. Als er wiederum keine Antwort erhielt, wurde es ihm zu bunt. „Antworte oder ich dreh mich um, Marimo.“ Keine verdammte Antwort! Aufstöhnend, was er denn nun schon wieder angestellt haben sollte, dass der andere ihn mit Schweigen strafen wollte, wirbelte er herum. Und starrte eine Wand an. Zorro war weg. Direkt vor Sanji standen die Stiefel des anderen, bedeckt von Hose und Bauchwickel, aber Zorro war weg. Er schritt zu den Gitterstäben hinüber und sah zu der kleinen Türe am weit entfernten Ende des Flures die paar Treppenstufen hoch, durch die der andere wohl hindurch war. Dann fiel sein Blick auf einen der Stäbe, auf dem ein blutiger Handabdruck prangte. Worüber auch immer sie sich uneinig waren, all das änderte nichts daran, dass Zorro gerade als Lady Loreen da draußen verletzt einen Schlüssel suchte, um Sanji zu befreien. Sich die Haare raufend betrachtete er die zurückgelassenen Kleidungsstücke des anderen, ehe er hinüberging und die Hosenbeine an den Stiefeln festknotete, ehe er den vollgebluteten Bauchwickel sich überzog. Zu seiner Überraschung passte sich das hässliche Accessoire seinem Körper an und rutschte selbst nach ein paar Probehüpfern nicht herab. Dann hörte er das Knirschen einer Türe und im nächsten Moment eilte ein grüner Blitz an seiner Zelle vorbei und kam rutschend zum Stehen. Vor ihm stand Lady Loreen und genau wie damals auf Sarue sah sie ganz anders aus als auf den Bildern der Zeitung, während sie mehrere Schlüssel eines Schlüsselbundes ausprobierte und dabei leise vor sich hingrummelte. Es waren die Klamotten vom Marimo, aber sie sahen so anders aus. Die welligen, grünen Haare waren mit einem schwarzen Band gebändigt, der hässliche, grüne Mantel verdeckte wie ein übergroßes, langes Kleid den zierlichen Körper, bis hinunter zu den Füßen, die in schwarzen Schläppchen steckten, die Sanji von Tänzern kannte. Die rote Scherpe war eng um den kompletten Oberkörper gewickelt, hielt den viel zu großen Mantel an Ort und Stelle, und wäre es nicht für diese eine dunklere Stelle, hätte Sanji wohl die Verletzung ganz vergessen. Dann sah sie ihn mit diesen durchdringenden, grünen Augen an und plötzlich wurde Sanji bewusst, dass da vor ihm nicht Lady Loreen, sondern Zorro stand. Im nächsten Moment konzentrierte sich dieser einschüchternde Blick wieder auf das Schloss, welches Sanji von der Freiheit trennte und er bemerkte die kleine goldene Kette, die drei goldenen Ohrringe. „Genug gestarrt?“ Wie konnte eine so sanfte Stimme so hart und rau klingen? Glücklicherweise bewahrte ein leises Klicken Sanji davor, eine Antwort zu geben. Schnell beugte er sich hinab und warf sich die Hose des anderen samt Stiefeln über die Schultern, während die Tür aufging. Als er hinaustrat konnte er nicht verhindern zu bemerken, wie klein sie – er! – im Verhältnis war. Eigentlich waren der Marimo und er fast gleichgroß. Nun jedoch mussten diese stechenden grünen Augen zu ihm aufschauen und obwohl Sanji das eigentlich Genugtuung verschaffen sollte, tat es das nicht. Es war ein schönes Gesicht, aber wenn er ehrlich war, konnte er nun sehen, warum Lysop sie für Geschwister gehalten hatte. Ja, die Augenpartie war ganz anders, viel kindlicher, der Kiefer deutlich runder, die Haut heller, aber die gleiche gerade Nase, der gleiche schmale Mund, der gleiche durchdringende Blick, die gleichen Furchen auf der Stirn. Unbeeindruckt hielten ihm diese Augen stand, während Sanji nicht anders konnte, als dieses Gesicht nach Vertrautem und Fremdem zu mustern. Er wollte sich bemühen, wollte Zorro in diesem Körper sehen, aber es war schwierig. „Kannst du es sagen?“, fragte er. „Kannst du mir jetzt noch mal die Wahrheit sagen?“ Leicht wippte das Haar, als der andere den Kopf zur Seite neigte. „Was meinst du? Dass ich ich bin?“ Sanji nickte, woraufhin ein dreckiges Grinsen die Gesichtszüge verdunkelte und plötzlich war es eindeutig Zorro. „Tze, was auch immer. Ich bin Lorenor Zorro, zukünftiger bester Schwertkämpfer der Welt.“ Er klang so anders, diese sanfte Stimme, und dennoch war er es, musste er es sein. „Okay“, murmelte Sanji und holte tief Luft. „Du hast deinen Teil erfüllt, ab hier übernehme ich.“ Ihm entging nicht, wie der Marimo unauffällig den Unterarm gegen seinen Bauch gedrückt hatte, um den Schmerz durch Druck zu verdrängen und die Blutung zu verringern, und er bemerkte auch die feinen Schweißtropfen im Haaransatz. Sanji fällte eine Entscheidung. „Ich werde dich jetzt hochheben“, warnte er vor, anstatt es einfach zu tun und eine handfeste Auseinandersetzung zu riskieren, die dem anderen mit Sicherheit nicht guttun würde. „Was?“, knurrte der andere sogleich und klang deutlich mehr wie Zorro, als Sanji erwartet hatte. „Wag es nicht!“ „Wir haben keine Wahl“, entgegnete Sanji entschieden, „und um ehrlich zu sein, fehlt mir jetzt die Zeit, das mit dir durchzudiskutieren.“ Im nächsten Moment packte er dann doch den anderen, der sich natürlich lautstark wehrte, und hob ihn hoch. „Lass mich runter!“, befahl der andere in einer vertrauten herrischen Art, als Sanji diesen schmächtigen Körper an seine Brust drückte und losrannte. „So können wir doch nicht kämpfen.“ „Oh, unterschätz mich nicht, Marimo“, entgegnete er unbeeindruckt und dankbar darüber, dass der andere trotz dieser engelsgleichen Stimme so klang wie immer. „Außerdem sind wir so viel schneller, als wenn ich mich deinen hinkenden Schritten anpassen müsste. Also stell dich nicht so an und überlass den Rest mir; so hatten wir es doch abgemacht.“ Im nächsten Moment hatte er die nur angelehnte Türe erreicht und sprang hinaus in den Flur. Dort bot sich ihm ein Bild des Chaos. Ein paar Dutzend Soldaten lagen über den Boden verstreut, manche wimmerten leise vor Schmerz, die meisten waren jedoch bewusstlos oder Schlimmeres. Ohne innezuhalten, sprang Sanji über sie hinweg und jagte weiter, doch aus dem Augenwinkel lag sein Blick auf dem grünen Schopf des anderen, der sich nun zahm von ihm tragen ließ, auch wenn er leise vor sich hingrummelte. Dass Zorro selbst als Loreen nicht schwach sein würde, überraschte ihn nicht wirklich und diese Soldaten waren mit Sicherheit keine Elite, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass der andere mit so vielen hätte kämpfen müssen. Zorro war zwar schnell gewesen, aber für seine Verletzung war es mit Sicherheit nicht gut. „Sag mal“, murrte Sanji und sprang eine Treppe nach oben. Bei ihrer Verhaftung hatte er gesehen, wo ihre Sachen hingebracht worden waren, und er meinte, dass es im Erdgeschoss gewesen war. „Kannst du jetzt besser abschätzen, wie gut du das aushalten wirst? Es scheint mehr zu bluten als eben, oder?“ Er wusste, dass der andere ihn wütend niederstierte, aber konnte darauf nicht reagieren, als sich ihm mehrere Feinde in den Weg stellten und Sanji sie in schnellen Bewegungen ausknockte, immer darauf bedacht, sein Crewmitglied nicht mehr durchzuschütteln als nötig. Es war eigenartig. Damals im Kampf mit Kaido, Big Mom und Konsorten hatte Sanji ihn auch in Sicherheit bringen müssen und damals war er schwer verletzt gewesen, deutlich schwerer als jetzt, aber damals hatte Sanji sich nicht so viele Sorgen gemacht wie gerade, lag es vielleicht am Körper des anderen? Konnte dieser Kratzer für Lady Loreen wirklich so viel gefährlicher sein als für Zorro? „Es wird schon gutgehen“, murmelte der andere seltsam zurückhaltend, als würde er über genau dasselbe nachdenken. „Wie gesagt, es ist nicht schlimm, blutet halt jetzt mehr als vorher, aber nichts, was ich nicht aushalten könnte.“ „Wirst du es bis zum Sonnenaufgang durchhalten? Bis Chopper da ist?“, fragte er direkt und ohne Umschweife. Er wollte keine Schonkost, wie damals auf der G6 und das wollte er Zorro auch ganz deutlich zeigen. Der andere schnalzte mit der Zunge: „Tze, so schwach bin ich dann auch wieder nicht, Koch“, knurrte er. „Ja, es ist nervig, aber vergiss nicht, wer mich ausgebildet hat. Dieser Kratzer wird mich nicht umbringen.“ Das war eine Aussage, mit der Sanji was anfangen konnte. Im nächsten Moment trat er eine Türe ein und fand wonach er gesucht hatte. Die Schwerter des anderen lagen offen zur Schau auf einem ansonsten leeren Tisch und ein zweiter Blick zeigte Sanji auch seine begehrten Zigaretten auf einer Ablage an der Wand. „Lass mich runter“, murrte der andere in seinen Armen, aber Sanji dachte gar nicht erst daran. „Nein“, widersprach er, „je mehr du dich bewegst, desto mehr Blut wirst du verlieren, oder nicht?“ „Tze.“ Auch das klang verdächtig deutlich nach seinem Liebglingsfeind. Vorsichtig manövrierte Sanji den anderen auf einen Arm, damit er sich die Schwerter, die der andere ihm widerstrebend reichte, in die Schlaufen des Bauchwickels stecken konnte. Dann packte er seine Zigaretten und war schon wieder halb auf dem Weg nach draußen. „Warte“, knurrte der andere und zog an seinem Kragen, „die Teleschnecke!“ Mitten im Laufen blieb Sanji stehen und sah erst zu dem anderen hinab und folgte dann dessen Blick. Dort, auf der gleichen Ablage, auf der seine Zigaretten gelegen hatte, hockte eine kleine weiße Teleschnecke und schlummerte vor sich hin, so zusammengekauert, als hätte sie kalt. Mit einem zweiten Seitenblick auf Zorro rannte Sanji zurück hinein und griff nach dem winzigen Tierchen, steckte es sich in die Hosentasche und eilte dann erneut davon. Es überraschte ihn, wie zahm Zorro in seinem Arm war. Er hatte eigentlich damit gerechnet, dass der andere sich deutlich mehr sträuben würde, und er fragte sich, ob es ein schlechtes Zeichen war, dass Zorro nichts dergleichen tat. Immer wieder warf er einen kurzen Blick auf den anderen hinab, der sich wiederstandlos von ihm tragen ließ, den Kopf gesenkt, sodass Sanji sein Gesicht nicht sehen konnte. Aber was auch immer in ihm vorging, Sanji hatte andere Dinge, auf die er sich konzentrieren musste. Immer wieder tauchten Soldaten und Wachen vor ihnen auf, aber keiner von ihnen stellte auch nur eine richtige Bedrohung dar. Das hier war keine Marinehochburg, erst recht kein Impel Down, die Frage war nicht, ob sie entkommen würden, sondern nur, ob sie es schafften, dabei möglichst wenig Schaden und Aufmerksamkeit zu verursachen. Irgendwann hatte er es zum großen Tor geschafft und in einem eleganten Sprung setzt er sich darüber hinweg, flüchtete in die Dunkelheit, sein Crewmitglied sicher in seinen Armen. Der Himmel war pechschwarz, erhellt von wenigen Sternen und einem abnehmenden Mond. Sanji hatte keine Ahnung wie spät oder früh es war. Er wusste nur, dass es Nacht war, während er durch den fremden Wald jagte, den Fluss entlang, von dem er wusste, dass er im Meer münden würde. Glücklicherweise hatte er sich die Karte vor ihrem Auftrag gut eingeprägt und wusste genau, wo er hinmusste. Am Anfang waren sie noch verfolgt worden, aber Sanji hatte die Verfolger schnell hinter sich gelassen. Es schien ausnahmsweise wirklich mal alles gut gegangen zu sein. „Ich denke, wir haben sie abgehängt“, murmelte er leise und verringerte sein Tempo, „und es sollte nicht mehr weit zum Strand sein. Wir sollten es rechtzeitig schaffen. Wie geht es dir?“ Als er keine Antwort erhielt, beäugte er den anderen argwöhnisch. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Zorro seinen Kopf gegen Sanjis Brust gelegt hatte und nach einer Sekunde des Schreckens stellte Sanji aufatmend fest, dass er wohl nur schlief, wie er es immer tat, um sich von Wunden zu erholen. Die großen, kindlichen und dennoch so ernsten Augen waren geschlossen, gleichmäßig glitt der Atem über die schmalen Lippen. Sanji blieb stehen und betrachtete den anderen in seinem Arm. Dieses unschuldige Gesicht sollte Zorro sein? Schlafend sah er noch lieblicher und sanftmütiger aus als auf den Zeitungsbildern, vielleicht lag es nur am dürftigen Licht der Nacht. Der schmächtige Körper war federleicht in Sanjis Arm, während ein Arm weiterhin auf die Scherpe presste; der Fleck war mittlerweile deutlich größer als zuvor. Langsam ging Sanji weiter, den Blick weiterhin auf die junge Frau in seinem Arm, die in Wirklichkeit keine Frau war und friedvoll schlief. Dann rutschten seine Augen hinunter, auf die delikate Goldkette. Sanji war sie vorher nie aufgefallen, aber als er den anderen auf Wa No Kuni wiedergetroffen hatte, hatte er sie bemerkt, und Sanji brauchte nicht zu fragen, von wem sie war. Er hätte den Marimo nie für so kitschig gehalten, aber irgendwie fand er es auch süß, dass selbst ihr missmutiger Schwertkämpfer an Dingen festhielt. Dann glitt Sanjis Blick weiter nach unten. Die Scherpe war während der eiligen Flucht leicht verrutscht und sicherte den Ausschnitt des anderen nicht mehr ansatzweise so gut, wie wohl beabsichtigt. Wenn Sanji den Knopf nur ein bisschen neigen würde, könnte er… Aber ich bin nicht dafür da, dass du dich am Anblick meines Körpers erfreuen kannst. Was tat er da? Zorro war in seinem Arm vor Erschöpfung eingenickt, blutete und war verletzt, vertraute ihm ausnahmsweise mal genug, um sich von ihm helfen zu lassen, hatte ihm ausnahmsweise mal die ganze Wahrheit gesagt, und alles woran Sanji dachte, waren seine…? Seufzend sah er wieder auf den Weg vor sich. War es das, was Zorro gemeint hatte? War es so ein Blick gewesen? Ein Blick, währenddem Sanji alles andere vergessen hatte, nur um einen Blick auf einen Körper erhaschen zu können? Aber wem würde das schon wehtun? Es war nur ein Blick? So wie er sich an einem Gemälde erfreuen würde, es war in keinem Sinne herablassend gemeint und es war nicht so, als würde ein kleiner Blick ihre Sicherheit gefährden. Warum also hatte Zorro so ein riesiges Problem damit? Ausgerechnet Zorro, der schonmal gerne halbnackt übers Deck lief, wenn er vergessen hatte, Klamotten mit ins Bad zu nehmen? Er war verwirrt, mehr als verwirrt. Was war sein Anteil an der Geschichte, was Zorros? Was war nur ein dummes Missverständnis? Was war Zorros Problem und was war Sanjis? Plötzlich brach vor ihm der Wald ab und alles, was er sah, war das nachtschwarze Meer und dort, am Horizont, spendete ein sanfter Silberstreif etwas Licht in dieser dunklen Welt. Sanji entschied, dass all diese Dinge bis später warten konnten, nun zählte es erstmal, dass sie es sicher zum Strand schaffen würden und dass die anderen bald kommen würden, damit Chopper wie üblich Zorro verarzten konnte. Erneut blickte er zu dem anderen hinab, während er die letzten Bäume hinter sich ließ und über steinigen Boden bergab dem Meer entgegenschritt. Zorro schlief immer noch, als ob ihn nichts wecken könnte, gleichzeitig verunsicherte Sanji, dass der dunkle Fleck immer größer zu werden schien. Erneut verlagerte er das Fliegengewicht des anderen auf eine Hand, mit der anderen griff er nach dem dünnen und überraschend kühlen Handgelenk des anderen – streifte dabei kurz dessen Schwerter – und fühlte den Puls. Beruhigt verteilte er das Fliegengewicht wieder auf beide Arme; der Herzschlag des anderen war so ruhig und stark wie eh und je. Sanji brauchte sich keine Sorgen machen, Zorro war stark, ganz gleich des Körpers. Am Strand angekommen suchte er eine windgeschützte, trockene Stelle zwischen den mannshohen Steinen und legte den schlafenden Zorro dort ab, ehe er Bauchwinkel und Jackett auszog. Hose, Stiefel und Bauchwinkel samt Schwertern legte er neben den anderen ab – bemerkte mit einem leisen Seufzen, dass sich das Blut von der Innenseite des seltsamen Kleidungsstücks auf seine Hose und Hemd abgerieben hatte – und nach einer Sekunde des Nachdenkens entschied er, doch den anderen mit seinem Jackett zuzudecken. Ja, ihm war sehr bewusst, dass er das wohl nie getan hätte, wenn Zorro in seinem Körper gewesen wäre, aber er meinte auch Gänsehaut beim Pulsfühlen bemerkt zu haben und da er nicht wusste, ob Zorro in dieser Gestalt schneller fröstelte oder sich erkältete und da der andere nun mal verwundet war, war es Sanji egal, ob es ihm missfallen würde, oder nicht. Sich die Haare raufend kletterte er auf einen Stein hinauf, von wo er sowohl sein Crewmitglied als auch das Meer und die Umgebung gut im Blick hatte, und zündete sich eine wohl verdiente Zigarette an. Nicht alles war perfekt gelaufen, aber sie hatten den kleinen Jungen sicher zurück in seine Heimat gebracht, ohne als Piraten enttarnt zu werden, und hatten es rechtzeitig ans andere Ende der Insel geschafft – was beim Orientierungssinn des Marimos schon an ein mittelgroßes Wunder grenzte – sodass man durchaus sagen konnte, dass sie ihren Auftrag erfolgreich erfüllt hatten. Auf die kleine Komplikation am Ende hätte er verzichten können, aber wer wusste, wofür es gut war. Seufzend entschied er in den nächsten Tagen einen ruhigen Moment zu nutzen, um mit Robin über die Worte des Säbelrasslers zu reden. Vielleicht konnte sie ihm helfen, Zorro ein bisschen besser zu verstehen, so wie sie es schon manches Mal geschafft hatte, und vielleicht konnte sie ihm auch helfen nachzuvollziehen, ob der Marimo in manchen Dingen vielleicht auch Recht hatte oder ob er einfach nur überreagierte. Aber unabhängig davon, wer von ihnen im Recht lag, es hatte nun mal dazu geführt, dass Zorro deshalb – wenn auch nicht nur deshalb – nicht zurückgekommen war oder ihnen die Wahrheit gesagt hatte und Sanji hatte entschieden, dass er so etwas nicht noch einmal zulassen würde. Er und Zorro verstanden sich oft nicht, hatten viele unterschiedliche Ansichten und gingen sich ganz offen ausgesprochen einfach auch gerne mal auf die Nerven. Aber wenn ein Blick ausreichen konnte – egal ob berechtigt oder nicht – um ihr Vertrauen ineinander zu gefährden, dann musste er es ernst nehmen. Nur so konnte er verhindern, dass die Vergangenheit sich wiederholen würde. Plötzlich ließ ein leises Piepsen ihn aufhorchen. Überrascht sah er sich um. Sie waren immer noch alleine. Der Silberstreif am Horizont war etwas breiter und heller geworden, erleuchtete seine Umgebung etwas besser, ließ ihn die Umrisse seines Crewmitglieds etwas deutlicher erkennen. Aber ansonsten hatte sich nichts an der Ruhe geändert, nichts, bis auf das leise Piepsen. Nach einer Sekunde fand er den kleinen Störenfried in seiner eigenen Hosentasche. Er hatte fast vergessen, dass Zorro ihn aufgefordert hatte, die winzige Teleschnecke mitzunehmen und nun rief sie unermüdlich nach ihrem Besitzer, der kaum einen Fußtritt entfernt selig schlief. Neugierig betrachtete Sanji das kleine Ding, während er einen erneuten Zug seiner Zigarette nahm, und überlegte, ob er drangehen sollte. Er brauchte nicht zweimal nachzudenken, um zu wissen, wer wohl am anderen Ende der Leitung sein würde und er fragte sich, ob es klug wäre dranzugehen. Beide Optionen waren schlecht. Wenn er drangehen würde, würde Falkenauge sich aufregen, dass Zorro nicht dran war und wer wusste schon, was dieser Typ machen würde, wenn er erfahren würde, dass Zorro verletzt worden war, während er mit Sanji allein unterwegs gewesen war. Sanji glaubte schon, dass Falkenauge - im Gegensatz zum Marimo - eher ein rachsüchtiger Typ war, und er konnte sich echt Besseres vorstellen, als sich vor diesem Mistkerl zu rechtfertigen. Auf der anderen Seite wer wusste schon, was dieser Typ machen würde, wenn Sanji nicht drangehen würde. Er schien auch nicht der geduldigste Typ Mensch zu sein und Sanji meinte sich daran zu erinnern, dass Zorro ihn einen besessenen Kontrollfreak genannt hatte. Aufstöhnend raufte er sich erneut die Haare – musste aufpassen, sie mit seiner Zigarette nicht in Brand zu setzen – und versuchte zwischen Pest und Cholera zu wählen, wobei er ein bisschen die Hoffnung hatte, dass die kleine Teleschnecke ihm die Entscheidung abnehmen würde, aber das tat sie nicht. Dann fiel sein Blick hinab auf Zorro, der sich nun etwas rührte, und er entschied, dass er den anderen nicht aufwecken würde. Wenn Sanji eines wusste, dann wie wichtig Schlaf für einen verletzten Lorenor Zorro war, und vermutlich war es für ihn in dieser Gestalt nur umso wichtiger. Aber dafür würde der andere ihm was schulden! Entnervt nahm er ab. „Ja“, murrte er. Überraschenderweise grüßten ihn zwei Sekunden der Stille, ehe eine herablassende Stimme entgegnete: „Kannst du frei sprechen?“ Damit hatte er nicht gerechnet. „Ja“, antwortete er also misstrauisch. „Du bist also allein, Smutje?“ „Der Marimo ist hier, aber er schläft.“ „Mhm“, war alles was er an Antwort erhielt. „Dann frage ich dich, wie schwer sind seine Verletzungen?“ „Wa..was?“ Woher wusste der Mistkerl, dass Zorro verletzt war? „Tze, bitte vergeude doch nicht unser beider Zeit“, entgegnete der andere entnervt wie eh und je. „Warum sonst solltest bitte du abgehoben haben? Es ist ganz offensichtlich, dass Lorenor die Teleschnecke nicht unbeaufsichtigt lässt und du würdest nicht unbedarft einfach an fremder Leute Eigentum gehen. Ergo ist eine Situation eingetreten, in der Lorenor nicht in Besitz der Teleschnecke ist, und wenn du abhebst und niemand sonst aus deiner Crew, obwohl uns nur gegenseitige Abneigung verbindet, kann dies nur eines bedeuten: Du und Lorenor seid getrennt von eurer Crew unterwegs – vermutlich diesen Bengel zu seinen Eltern bringen - Lorenor wurde verletzt, aber weder schwebt er derzeit in Lebensgefahr noch werdet ihr aktuell verfolgt, sodass du in einem Moment der Ruhe, den Lorenor zum gesundschlafen nutzt, den Ruf der Teleschnecke gehörst hast und nach einer kurzen Debatte darüber, welche Möglichkeit für dich die unangenehmere darstellen würde, hast du entschieden, Lorenor nicht extra zu wecken aber auch nicht die Gefahr einzugehen, dass ich euch aufsuchen würde. Deshalb hast du diesen Anruf entgegengenommen, wohl wissend, dass du dich dann mit mir auseinandersetzten würdest.“ Erneut schnalzte der andere mit seiner Zunge und Sanji wusste nicht, ob er beeindruckt oder angepisst sein sollte. „Aber das bedeutet auch, dass du dir zumindest eine Mitschuld an Lorenors Verletzung gibst und dich nicht meinem Urteil aussetzen wolltest. Also frage ich dich erneut, wie schlimm sind seine Verletzungen?“ Was für ein Arsch! „Nicht schlimm“, presste Sanji zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er mochte es gar nicht, dass dieser Mistkerl ihn lesen konnte, wie ein offenes Buch und gleichzeitig empfand er etwas Mitleid gegenüber Zorro, wenn er sich vorstellte, dass die meisten ihrer Unterhaltungen so ablaufen würden. „Er hat eine kleine Fleischwunde im Bauchbereich. Nichts Wichtiges wurde verletzt, aber blutet wie sau. Bei Sonnenaufgang wollen die anderen uns aufsammeln und er meinte, er würde problemlos bis dahin durchhalten.“ Bis auf eine wortlose Zustimmung erhielt Sanji keine Antwort und er fragte sich, was Falkenauge nun wieder alles an Informationen aus seinen Worten sammeln würde. Eine Sekunde war es still, bis auf das Rauschen der Wellen und den gleichmäßigen Atemzügen Zorros. „Nun gut, ich danke dir für deine Informationen, Smutje. Bitte richte Lorenor aus, er möge mich zurückrufen, sobald es ihm möglich ist. Ich habe langweilige Formalitäten mit ihm zu besprechen.“ Mit dieser Reaktion hatte Sanji nicht gerechnet und erst nicht mit dieser Wortwahl, bei der er sich vorkam wie ein zu schlecht bezahlter Sekretär. „Das… das ist alles, was von dir kommt?“, fragte er schlechtgelaunt nach. „Keine Nachfrage? Keine Anschuldigung? Zwingst mich noch nicht mal ihn aufzuwecken? Du…?“ „Smutje“, unterbrach Falkenauge ihn und klang dabei beinahe freundlich, „das ist alles nicht notwendig. Ich weiß alles, was ich wissen muss, ich gebe dir keine Schuld, weil Lorenor seine eigenen Entscheidungen fällt, und ihn aufzuwecken, während er sich gesundschläft, wäre wohl kontraproduktiv.“ Die winzige Teleschnecke zeigte ein gefährliches Schmunzeln. „Aber“, sprach der andere langgezogen weiter, „wenn es dich eher schockiert als erleichtert, dass ich unser Gespräch schnell beenden möchte, bedeutet dies, dass du etwas von mir wissen willst, oder irre ich mich da? Nicht, dass ich mich je irre.“ „Du bist ein arroganter Mistkerl, weißt du das?“, knurrte Sanji zurück. „Natürlich, wie dir sehr wohl bewusst ist, lässt Lorenor sich keine Möglichkeit entgehen, dies zu betonen.“ „Das war eine rhetorische Frage.“ „Oh, ich bin überrascht, dass du so etwas beherrschst.“ „Ach, leck mich doch!“ Der andere lachte leise auf. „So wenig unterhaltsam dieser kleine Schlagabtausch mit dir auch sein mag, Smutje, so hege ich doch kein Interesse daran, ein Gespräch mit dir zu führen. Also frag, was du zu fragen hast, oder lass uns diese ermüdende Unterhaltung beenden.“ Mittlerweile graute der Morgen und eine dicke Wolkenwand verbarg jedes Blau des Himmels, ließ selbst das Meer bedrückend trüb aussehen. Aber dafür konnte Sanji nun den Schwertkämpfer ausführlich begutachten und stellte fest, dass der besorgniserregend große Fleck der Scherpe mittlerweile nicht mehr größer geworden war. Immerhin etwas. „Warum hast du eigentlich angerufen?“, murmelte er, anstatt das zu fragen, was er wirklich fragen wollte. „Um diese Uhrzeit ist der Marimo doch eigentlich nie wach.“ „Au contraire“, widersprach der ehemalige Samurai, „wie du sehr wohl weißt, ist dies die Zeit, in der Lorenor für gewöhnlich sein Training beendet, bevor er sich hinlegt. Er hat gewiss einen ungewöhnlichen Tagesablauf bei euch an Bord. Aber die Beweggründe werde ich mit dir nicht teilen, nicht, dass es dich wirklich interessieren würde, du schindest nur Zeit.“ „Könntest du damit aufhören“, murrte Sanji. „Dein besserwisserisches Getue ist nervig.“ „Dann hör auf, mit unnötigen Fragen meine Zeit zu vergeuden, Smutje“, entgegnete der andere unbeeindruckt. Missmutig betrachtete Sanji erst seine Zigarette, dann wieder sein Crewmitglied. „Schläft er sich auch als Loreen wieder gesund?“, fragte er dann unumwunden. „Kann ihn wirklich ein solcher Kratzer als Loreen gefährden?“ Auf der anderen Seite war es für einen Moment ruhig, dann seufzte der andere. „Nun gut, meinetwegen“, sprach Falkenauge dann. „Ja, Lorenors Selbstheilungskräfte sind in beiden Körpern beeindruckend und werden unverschämt deutlich von Schlaf verstärkt. Als Loreen braucht seine Wundheilung grundsätzlich länger, dafür hinterlässt sie keine Spuren. Aber, auch ohne die Blessur gesehen zu haben, kann ich dir versichern, dass Lorenor ganz gleich seines Körpers sich nicht so einfach von einer Wunde umbringen lässt.“ Es sollte Sanji beruhigen, warum also verwirrte ihn diese Aussage umso mehr. „Du brauchst dir keine Sorgen machen, Smutje.“ Die überraschend freundlichen Worte machten ihm beinahe Angst. „Er hat sich nicht zurückgehalten, weil er seine letzten Kräfte aufsparen musste.“ „Warum dann?“, murmelte Sanji und fragte sich gar nicht mehr, woher Falkenauge das alles wusste. Der andere seufzte. „Das solltest du ihn fragen. Ich halte es nicht für klug, hinter seinem Rücken über ihn zu reden.“ „Ach komm“, rollte Sanji mit den Augen, „als ob du dich um so etwas scherrst. Außerdem weißt du, dass Zorro nicht gerade ein offenes Buch ist. Ich will keinen Streit vom Zaun brechen, ich will ihn nur besser verstehen.“ Falkenauge schwieg, dann seufzte er erneut. „Es sollte dir eigentlich offensichtlich sein“, sprach er ruhig. „Aber meinetwegen, ich werde dir diese Antwort geben, Lorenor zuliebe. Es ist nicht so, als ob Lorenor in seinem anderen Körper nicht ähnlich zäh ist, aber sein Körper ist schmächtiger, schwächer, Wunden sind größer, schmerzhafter und Blutverlust macht sich deutlicher bemerkbar. Ich habe ihm beigebracht in jenem Körper seine Grenzen nicht auszureizen, wenn er es vermeiden kann, und es beruhigt mich, wenn er ausnahmsweise meinen Anweisungen mal folgt.“ Eine Sekunde schien der andere nachzudenken. „Und deshalb solltest du dir keine Sorgen machen. Dass Lorenor entschieden hat, sich zurückzuhalten, bedeutet nur, dass er dir die Verantwortung gegeben hat, nicht, dass er sich in einem kritischen Zustand befindet. Dass er nun schläft, obwohl ihr noch in feindlichem Gebiet seid und er in seinem weiblichen Körper ist, spricht dafür, dass er dir vertraut – zumindest mehr als bisher – und deshalb gebe ich dir keine Schuld, ganz gleich was geschehen ist.“ Überrascht begutachtete Sanji die Teleschnecke. „Ich habe dir doch gesagt, dass eure Unstimmigkeiten nur durch Worte gelöst werden könnten, weil ihr aneinander vorbeiredet und unterschiedlichen Idealen folgt. Also sage mir, Smutje, was hat dich nun schlussendlich dazu bewegt, dieses Gespräch ausgerechnet jetzt zu suchen?“ Diese Frage verwirrte ihn – auf mehreren Ebenen, die freundliche Stimme des anderen ließ bei ihm sämtliche Alarmglocken schrillen – und dann wusste er auch warum. Erneut begutachtete er Zorro. „Es war der Marimo“, murmelte er. „Ich bin nur drauf eingegangen, weil er es angeboten hat. Er hat den ersten Schritt gemacht.“ „Ach, hat er das?“ Zum ersten Mal klang Falkenauge zumindest etwas überrascht, doch dann fing er sich wieder. „Nun gut, ich habe deine Frage beantwortet und gedenke nun mich mit wichtigeren Dingen als deinen Unsicherheiten zu befassen. Richte Lorenor bitte meine Nachricht aus und einen schönen Tag noch.“ Im nächsten Moment hatte der andere bereits aufgelegt. „Tze, arrogantes Arschloch“, knurrte Sanji und steckte die Teleschnecke weg. Doch wütend sein konnte er nicht. Er hätte nie gedacht, mal ein solches Gespräch mit Falkenauge zu führen; für einen Arsch konnte er nicht schlecht erklären. Aber im nächsten Moment vergaß er den ehemaligen Samurai, als er am fernen Horizont ein vertrautes Schiff erkennen konnte. Seufzend rutschte er von seinem Stein hinunter, streckte sich ausgiebig und drückte seinen Zigarettenstummel aus. Während er noch das ruhige Meer beobachtete, fragte er sich, ob er Zorro wecken sollte, da ließ ihn ein unerwartet tiefes Stöhnen sich umdrehen. Hinter ihm erhob sich Zorro, die strubbeligen kurzen Haare standen in alle Richtungen ab. Mantel und Scherpe lagen auf dem Boden, sodass Sanji die verkrustete Wunde problemlos sehen konnte, während der Marimo sich nach seinen Klamotten bückte. Ohne Mantel konnte Sanji jetzt sehen, dass er eine schwarze enganliegende Hose trug, über die er nun seine normale Hose zog, ehe er sich nach seinem Bauchwickel bückte und diesen samt Schwertern auch überzog. „Die anderen sind bald da, oder?“, fragte er, ohne Sanji überhaupt anzusehen und zog sich Mantel und Scherpe wieder an. „Ja, ich kann die Sunny schon sehen“, bemerkte er und beobachtete neugierig, wie Zorro die zwei schwarzen Schläppchen in die Stiefel drückte und dann mit den Füßen folgte. Es schien System zu haben. „Gut“, murrte der andere und streckte sich erneut, nun da er endlich wieder ganz angezogen war, „ich krieg langsam Hunger.“ Dann gesellte er sich zu Sanji und hielt ihm die leere Hand hin. „Du hast noch meine Teleschnecke“, meinte er und sah aufs Meer hinaus. Wortlos reichte Sanji sie ihm und tat es ihm dann gleich. Mit verschränkten Armen sahen sie beide ihrem Schiff entgegen. „Alles in allem ist es ganz gut gelaufen, oder?“, murmelte Zorro. „Aber nächstes Mal geh einfach nicht dran, wenn er anruft. Dieser besessene Kontrollfreak kann auch mal ein paar Stunden warten, bis ich zurückrufe.“ Schmunzelnd musste Sanji den Kopf schütteln. „Nah, schon gut. Ausnahmsweise war er mal nicht ganz so sehr ein Arsch.“ Der Marimo nahm das nur mit einem bösen Schmunzeln hin, während er aufs Meer sah. „Sag mal, Zorro“, murmelte Sanji, „warum hast du mir das eigentlich nie gesagt? Warum hast du mir nie vorgeworfen, dass du wegen mir nicht zurückgekommen bist? Wir haben uns so oft gestritten und ich hab dir einiges an den Kopf geworfen, aber du hast…“ „Ich glaube, ich habe schon ganz gut ausgeteilt“, unterbrach Zorro unzufrieden, „und ich glaube, ich habe dir auch genügend Vorwürfe gemacht.“ Sanji begutachtete ihn aus dem Augenwinkel, während Zorro stur aufs Meer starrte. „Mag schon sein, aber wenn du mir doch so viel vorwerfen wolltest, warum dann das nicht? Warum hast du genau das verschwiegen, was dich ja anscheinend am meisten belastet hat? Warum hast du es nicht gesagt, als Nami nachgefragt hat, obwohl du doch einen Grund hattest?“ Zorro schwieg. Sanji wartete. Er verstand es, um ehrlich zu sein, immer noch nicht. Verstand Zorros Argumentation nicht wirklich, seine Sorge nicht wirklich, aber es war ein Grund und es wäre so einfach gewesen, Sanji die Schuld in die Schuhe zu schieben, wenn er es hätte tun wollen. Warum also, hatte er es nicht? „Hast du Ruffy je von Thriller Bark erzählt?“ „Wa… was?“ Ungläubig starrte er den anderen an. Konnte es sein… Zorro sprach doch gerade nicht etwa… das an, was Sanji dachte? „Hast du ihm je gesagt, was damals passiert ist?“ Plötzlich sah Zorro ihn an, absolut ernst. „Während ich ohnmächtig war oder nach der G6? Hast du es je angesprochen?“ Fassungslos begegnete er diesem ruhigen Blick und nach einigen Sekunden der Stille wurde ihm bewusst, dass Zorro wohl wirklich eine Antwort von ihm erwartete. „Nein“, meinte er kopfschüttelnd, „natürlich nicht.“ „Warum?“ Immer noch sah Zorro ihn so ernst an. Aber Sanji wusste nicht, was er antworten soll. Er wäre nie auf die Idee gekommen, Ruffy von damals zu erzählen. Er wäre noch nicht mal auf die Idee gekommen, es irgendwann gegenüber Zorro zu erwähnen. Warum also? Warum fragte er das jetzt? „Genau“, sprach Zorro dann nach einigen Sekunden weiter. „Genau deshalb habe ich es nicht gesagt. Denn was bringt es? Schuldgefühle? Zweifel? Selbstvorwürfe? Wem bringt das was? Mir gewiss nicht, dir? Ruffy? Irgendwem? Nein. Ich kann es nicht ab, wie du mit Frauen umgehst, und diese Abneigung ist mit Sicherheit nicht besser geworden, seitdem Lady Loreen existiert. Aber es ist nicht meine Aufgabe, dich zu erziehen und da hab ich auch echt keinen Bock zu. Letzten Endes war es meine Entscheidung, nicht zurückzukommen und euch nicht die Wahrheit zusagen, die Gründe dahinter sind irrelevant.“ „Ganz ehrlich, das sehe ich anders“, murrte Sanji, nachdem er einen Moment über diese Worte nachgegrübelt hatte. „Du hast damals gesagt, dass du keinen guten Grund hattest, aber wenn schon ein…“ „Koch“, seufzte der andere auf und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an, „lass es bleiben. Die G6 ist vorbei und ich habe dir meine Gründe genannt. Was du damit jetzt machst, ist deine Sache. Ich für meinen Teil habe damit abgeschlossen und ich muss echt nicht alle Gefühle und Gedanken über diesen Mist aufarbeiten. Also bitte nerv du mich nicht auch noch damit, ist schon schlimm genug, dass Dulacre da nie die Klappe hält.“ Sanji begutachtete den anderen von der Seite. Ob Zorro wirklich so dachte? Ob er wirklich nicht darüber nachdachte, was er damals erlebt hatte? Ob er die Vergangenheit einfach hinter sich ließ und nur in der Gegenwart lebte? Dumm genug dafür war er, das stand außer Frage. Aber eigentlich zeigte dieser diplomatische Zorro, dass er es ja doch irgendwie tun musste. „Danke“, murmelte Sanji dann und entschied, nicht nachzubohren, nicht nachzuhaken, aber vor allem, dieses Gespräch nicht wieder eskalieren zu lassen, schließlich war das hier seit langer, langer Zeit, das erste Mal, dass sie sprachen wie früher, über Sake, Kaffee oder Spülmittel. „Danke, dass du mir heute den Grund genannt hast, und danke, dass du es nicht vorher gegen mich eingesetzt hast, obwohl ich mich wie ein Arsch aufgeführt habe.“ Er konnte den Blick des anderen auf sich fühlen, aber er wandte den Blick ab und fixierte bewusst die Sunny, die stetig näher kam. „Du bist nicht der Einzige, der sich ziemlich beschissen aufgeführt hat“, murrte Zorro dann, „und ich denke, auch wenn ich vielleicht diese eine Sache nicht erwähnt habe, so wollte ich dich dennoch auch ein bisschen provozieren. Hab so einiges gesagt, was nicht fair war, einfach weil ich wütend auf dich war.“ „Weil ich dich angegafft und nicht ernstgenommen habe?“ „Mhm.“ „Das tut mir leid. Ich hatte nicht beabsichtigt…“ „Schon okay, Koch.“ Hart schlug Zorro ihm auf die Schulter. „Manchmal muss man halt ein Arsch sein, um mit meinem Dickschädel klarzukommen.“ Nun sah Sanji ihn überrascht an. „Ach so“, stellte er fest, „deshalb Falkenauge? Der schlimmste Arsch für den schlimmsten Dickkopf?“ „Ach, halt doch die Klappe!“ Aber zum ersten Mal, seit die Crew wieder zusammengefunden hatte, zum ersten Mal lachten sie beide wieder, so wie sie es nur taten, wenn sie unter sich waren und Gespräche führten, die anderen glauben lassen könnten, dass sie einander vielleicht doch leiden könnten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)