Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Amy – Akt 3, Szene 5 -------------------- 7 Jahre vor Team Shadows Gründung   Brandon sah sie kurz verdutzt an, dann schien er zu verstehen. „Aha, jetzt wird ein Schuh draus. Das hättest du mal früher sagen können.“ Amy strahlte ein letztes Mal in die Dunkelheit. Wie gerne würde sie jetzt sofort losziehen und nach der Basis der Diebesbande suchen! Aber Brandons Worte hallten immer wieder in ihrem Kopf nach. Wenn sie sich im Ewigenwald besser vorbereitet hätte, wäre sie den meisten Problemen auf ihrer Reise entwichen. Ronya wäre das nicht passiert, dachte sie plötzlich und spürte eine erneute Woge Schmerzen in der Brust. Sie vermisste ihre Freundin. Ob sie inzwischen in Ewigenau angekommen war? Amy hatte keine Zeit gehabt, ihre E-Mails zu überprüfen, so viel war seit ihrer Ankunft in Stratos City vorgefallen. Hoffentlich ging es ihr und Max gut. „Alles okay, Amy?“ Brandon sah sie ehrlich besorgt an. „Machst du dir Sorgen wegen der anderen?“ Sie schüttelte ihre Gedanken ab. „Nein, ist schon okay. Ich vermisse nur meine beste Freundin. Sie ist super schlau und immer auf alles vorbereitet. Mit ihr wäre das hier ein Klacks.“ „Tja, dann musst du sie wohl stolz machen und es alleine schaffen.“ Er grinste. „Jetzt komm, hier unten stinkt es und es ist kalt. Morgen geht es richtig los, und wir haben noch viel zu tun.“ Als sie endlich wieder im Pokécenter ankamen, war es bereits neun Uhr abends. Trotzdem trollten sich noch einige Trainer im Gemeinschaftsraum, spielten Karten, futterten Snacks aus dem Automaten oder trugen frische Wäsche die Treppe hoch zu ihrem Zimmer. Amy schnupperte an ihrem eigenen Oberteil und rümpfte sofort die Nase. Sie hatte auch schon besser gerochen. Zum Glück waren alle Pokécenterzimmer mit Duschen ausgestattet. Neben ihr reckte Brandon den Hals. „Siehst du Oliver irgendwo?“ Amy sah sich um, schüttelte aber den Kopf. „Vielleicht ist er schon schlafen gegangen. Egal, dann müssen wir ihn eben wecken. Erkennst du sonst jemanden wieder?“ Brandon nickte und deutete auf einige der Trainer. „Die dort hinten habe ich interviewt. Und da sind auch noch welche, neben der Rezeption beim Bücherregal.“ „Okay, du trommelst sie zusammen, ich kümmere mich um Oliver. Wir treffen uns in unserem Zimmer.“ Er nickte entschlossen und steuerte auf eins der Karten spielenden Grüppchen zu. Amy fragte bei Schwester Joy nach Olivers Zimmernummer und fand sich wenig später vor der entsprechenden Tür wider. Sie klopfte an. Nichts geschah. „Oliver!“, rief sie und klopfte energischer. „Oliver, mach bitte die Tür auf!“ Die Tür schwang auf und traf sie fast ins Gesicht. „Vorsicht!“, kreischte sie. Oliver, in Pyjamas gekleidet und mit einer schäumenden Zahnbürste im Mund, sah sie entrüstet an. „Waff denn?!“ „Wir müssen ganz dringend mit dir sprechen“, sagte sie. „Es kann leider nicht bis morgen warten. Kommst du gleich in unser Zimmer? Wir sind Nummer 14.“  Er schluckte die Zahnpasta hinunter und musterte sie eindringlich. „Meinetwegen. Aber es ist besser wirklich so wichtig, wie du sagst.“ Er knallte ihr die Tür vor der Nase zu. „Das lief doch super“, murmelte Amy, konnte ihre Aufregung aber nur noch schwer unterdrücken. Jetzt wo es dunkel und spät war, lief sie zur Höchstform auf. Mit Schwester Joys Hilfe stattete sie noch einigen anderen Opfern einen Besuch ab und fand sich schließlich eine halbe Stunde später mit Brandon und dreizehn anderen Trainern in allen möglichen Stadien der Bekleidung und Müdigkeit eingezwängt in ihrem Zimmer wider. Zufrieden sah sie die ungewöhnliche Truppe an. Sie warf Brandon einen anerkennenden Blick zu. Nicht alle Opfer waren vertreten, aber mehr als die Hälfte. Das war schon ein Erfolg. „Tut mir leid, dass wir euch so spät noch belästigen“, begann sie und musste unwillkürlich schlucken. Sie hatte noch nie vor so vielen Menschen gesprochen, schon gar nicht, wenn sie etwas von ihnen wollte und sie davon überzeugen musste. Ihre Mutter hätte die Trainer bestimmt in Windeseile kleinlaut gemacht, eingeschüchtert und dazu genötigt, alles für sie zu tun, aber so war Amy nicht und so wollte sie auch nicht sein. Es musste anders gehen! Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Als sie weitersprach, zitterte ihre Stimme nur bei den ersten paar Wörtern. „Ich heiße Amy, und das hier ist Brandon. Genau wie ihr sind auch wir von den dunkel gekleideten Trainern ausgeraubt worden. Und wir haben herausgefunden, wo sie sich verstecken.“ Ein Raunen ging durch die Gruppe. Hier kam der Knackpunkt. „Jetzt wollen wir unser Eigentum zurückholen. Morgen geht es los. Wer ist dabei?“ Wäre es Sommer, hätte sie draußen die Grillen zirpen gehört. „Nur nicht alle auf einmal“, lachte sie verlegen. Ihr brach der Schweiß aus. Wenn sie die Trainer nicht dazu überreden konnte, ihr zu helfen, waren die Chancen, die Bilder zurückzubekommen, fast null. „Ich weiß, ich überrumpele euch hier ein bisschen, aber ihr wollt eure Sachen doch auch zurück, oder?“ „Na ja, klar“, sagte Oliver, der immer noch im Schlafanzug an einer Wand lehnte und sich die Schläfen rieb. „Aber das letzte Mal, dass ich denen über den Weg gelaufen bin, hatte ich nicht den Hauch einer Chance. Genauso wenig wie du und Brandon. Warum denkst du, dass wir plötzlich irgendetwas gegen sie ausrichten können?“ Amy sah von einem zum anderen. Ein Mädchen mit kurzem, schwarzen Haar erinnerte sie an Ronya. Sie hatte ein Buch im Arm und über ihrer Schulter hing ein schläfriges Floink. Der Gedanke an ihre Freundin gab ihr neue Kraft. Wenn Ronya es schaffte, sich von der Querschnittslähmung ihres Pokémons zu erholen und einen Schlachtplan zu dessen Rehabilitation zu starten, konnte sie wohl ein paar gute Argumente vorbringen. „Dein Floink kann bestimmt Smog, oder?“, fragte sie. Das Mädchen schreckte auf und presste das Buch enger an sich. „J-ja, Funkel hat es vor kurzem gelernt.“ „Und du“, fuhr Amy fort und deutete auf einen tuschelnden Trainer mit einem Bluzuk, das über ihm schwebte. „Ich wette, dein Bluzuk kann jede Menge richtig nervige Attacken, hab` ich Recht?“, unterbrach sie ihn. „Superschall, Schlafpuder, oder Stachelspore vielleicht?“ Er wirkte ertappt, grinste aber bei ihren Worten. „Oh ja, darin ist Joker ein Pro.“ Oliver ließ die verschränkten Arme sinken und sah nachdenklich auf seinen Pokéball. „Du willst nicht gegen sie kämpfen“, sagte er langsam. „Du willst sie sabotieren.“ „So lange wie möglich“, stimmte Amy zu. Sie war heilfroh, dass Oliver verstanden hatte. Nein, er hatte nicht nur verstanden. Er war selbst auf ihren Plan gekommen. Das war noch viel besser. Obwohl er ruhig war, schien er etwas älter als die meisten Trainer zu sein, und machte dein Eindruck eines besonnenen Anführers. Wenn sie ihn überzeugen konnte, hatte sie mit dem Rest der Trainer vielleicht auch eine Chance. „Plan A ist Verwirrung stiften, Ablenkungsmanöver starten, und Chaos verbreiten. Dann können wir unsere gestohlenen Sachen heimlich zurückholen. Wenn sie mich dabei erwischen, werde ich nicht am Kämpfen vorbeikommen, aber je mehr von euch mir helfen, sie fernzuhalten, umso unwahrscheinlicher wird das. Deshalb brauchen Brandon und ich eure Hilfe. Wenn eure Pokémon irgendwelche nervigen Attacken kennen oder anderweitig Chaos stiften können, macht mit und helft uns. Helft euch, euer Eigentum zurückzuholen!“ Der Junge mit dem Bluzuk lachte laut auf. „Oh Mann, ich bin sowas von dabei. Sie haben mir schon alles abgenommen, was irgendeinen Wert hat. Nicht mal meine Trainer-ID haben sie verschont. Ich musste gestern eine neue bei Schwester Joy beantragen und mir von meinem Freund frische Unterhosen leihen. Die können mir gar nichts mehr, und ich will mich an diesen Dieben rächen. Du bist auch dabei, oder Joker?“ Bluzuk fiepte und schwebte aufgeregt hin und her. „Ich werde auch helfen“, sagte das wie Ronya aussehende Mädchen. Sie fing Amys Blick auf. „Angst habe ich zwar schon, aber so wie ich das verstanden habe, willst du nicht, dass wir gegen sie kämpfen, sondern aus der Ferne Statusattacken machen. Das wird gutes Training für Funkel sein, damit er lernt, mit Smog umzugehen. Und wenn der Plan gelingt, umso besser.“ „Was ist mit dir, Oliver?“, fragte Amy. „Arghh …“ Er strubbelte sich durchs Haar. „Ich will wirklich, wirklich nichts mit diesen Schurken zu tun haben. Ich hatte tagelang Albträume von dem Überfall. Aber wenn selbst Leah bereit ist, zu helfen … dann mache ich mit. Ich kann bestimmt etwas zum Erfolg der Mission beisteuern, und je mehr wir sind, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass einem von uns etwas passiert, während wir alleine sind.“ „Super!“ Amy schwebte auf Wolke sieben. Das waren drei Trainer mehr, damit konnte sie schon arbeiten. Vor allem auf das Bluzuk freute sie sich. Das Käferpokémon lernte so ziemlich alle Statusattacke, die man sich vorstellen konnte. „Was ist mit dem Rest von euch?“, fragte Brandon neckend. „Wollt ihr euch von euren Kollegen abhängen lassen? Wir werden natürlich versuchen, alles Diebesgut zurückzubringen, aber wer mithilft, bekommt seine Sachen auf jeden Fall. Wer weiß, wie viel da unten in ihrer Basis liegt und wie viel wir zurücklassen müssen …“ „Jetzt wird es unfair“, grummelte ein großer, sehr schmaler Junge mit blondem Haar. „Ich hatte mich schon mit dem Verlust meiner seltenen Sammelkarten abgefunden, aber der Gedanke, dass sie hätten gerettet werden können und ihr sie nicht mitbringen konntet … nein, das ertrage ich nicht. Ihr habt meinen Beistand, für was auch immer er nützlich sein wird.“ Begeistert sah Amy dabei zu, wie sich nach und nach Trainer für die Sache aussprachen. Nach einer weiteren Stunde Diskussionen und Besprechungen, saßen sie und Brandon alleine in ihrem Zimmer. „Elf machen mit, zwei sind raus“, sagte Brandon und ließ sich rückwärts ins Bett fallen. „Das lief erstaunlich gut.“ Amy nickte. Ihre Gedanken schwelgten bereits bei dem Moment, wenn sie in der Basis ankommen und die Bilder ihres Papas in Händen halten würde. „Aber etwas wollte ich noch wissen, Amy. Jetzt, wo die anderen weg sind.“ Amy sah zu ihm herunter. „Schieß los.“ „Du hast die ganze Zeit von Plan A gesprochen. Was ist mit Plan B?“ Amy seufzte und ließ sich neben ihm ins Bett fallen. Sie war nicht sicher, ob sie heute Nacht schlafen konnte. „Das sehe ich dann, wenn es soweit ist.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)