Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Ronya – Akt 3, Szene 2 ---------------------- 7 Jahre vor Team Shadows Gründung   „Hallo? Ist da jemand?!“ Ronya klopfte seit geschlagenen fünf Minuten an die Wand, die sich jetzt, da sie direkt davorstand, als Stahl entpuppte. Stahl in Form von Steinen. Sie war sicher, dass hier ein Stahlos lag und gemütlich döste, während sie ihre Fäuste wund hämmerte. Egal, wie viel sie schrie und auf sich aufmerksam machte, das Stahlos bewegte sich keinen Zentimeter. Sybill trug ihren Teil bei, indem sie halbherzig an dem gewaltigen Pokémon kratzte, während Max längst aufgegeben hatte und stattdessen in Ronyas Nähe die Höhle erkundete. Hin und wieder nieste er laut, wenn er seine Schnauze zu tief in eine Spalte steckte. „So ein Mist“, murmelte Ronya und ließ sich auf den Boden sinken. „Jacob hat das mit der letzten Chance wirklich ernst gemeint.“ Jetzt verstand sie auch, weshalb die Trainer dort draußen die Hoffnung aufgegeben hatten. Wenn diese Gang, Kaiser oder wie sie hießen, ein Stahlos in der Hinterhand hatte—und von der Größe und Beschaffenheit des Stahlkörpers war es mindestens Level 40—dann gab es wirklich kein Durchkommen. Es half alles nichts. Dann würde sie eben nach Kaisers Regeln spielen und bis zum nächsten Tag warten. Aber sie glaubte nicht, dass der Arenaleiter von Erzelingen sehr erfreut über diese Neuigkeiten sein würde.     Sie erwachte, als ein bulliges, dunkelhäutiges Mädchen mit schwarzem Stirnband und stahlgrauer Trainerschuluniform sie mit ihrem Fuß anstupste. Ronya sprang wie vom Ariados gestochen auf die Beine. Max, der auf ihrer Brust eingeschlafen war, fiel quiekend zu Boden. „Aufwachen, Schlafmütze“, sagte sie grinsend. Ihr buschiges Haar formte einen perfekten Kreis um ihr breites Gesicht und ihre Augen funkelten. Obwohl sie stand, war das Mädchen immer noch anderthalb Köpfe größer als sie. Sie sah aus, als würde sie in ihrer Freizeit mit Machomei ringen. Ronya räusperte sich. „Gehörte dir das Stahlos?“, fragte sie. Sie sah an Meghan vorbei in den Gang, aber von dem gewaltigen Stahlpokémon, das gestern hier Wache gehalten hatte, war keine Spur zu sehen. „Was, neidisch?“ Das Mädchen verschränkte frech die Arme. „Nein, es gehört mir nicht. Aber ich habe andere Pokémon, die mindestens genauso episch sind. Mein Name ist übrigens Meghan Jones und ich bin heute deine Inspekteurin.“ „Ronya“, stellte Ronya sich knapp vor. Meghan war ihr erstmal sympathisch, aber sie hasste den Gedanken, dass sie auch Teil dieser Kaiser-Gruppe war. Trotzdem, sie zweifelte keine Sekunde daran, dass Meghan ihr körperlich in allen Aspekten überlegen war. Jacob hätte sie vielleicht noch zu Boden rangeln können, wenn es darauf angekommen wäre, aber nicht sie. „Bringen wir es hinter uns“, murmelte sie. Meghan zog die Brauen hoch. „Du klingst ja nicht gerade begeistert. Was, denkst du, ich kann dir keine ordentlichen Fragen stellen? Du wärst nicht die erste, die denkt, ich kann nur schwer heben und hab nichts in der Birne.“ „Darum geht es hier doch nicht“, entgegnete Ronya. „Ich habe einfach keine Lust, mich von irgendwelchen Leuten inspizieren zu lassen.“ „Tja, da musst du jetzt durch“, lachte Meghan herzhaft. „Wie ich sehe, hast du ein Evoli. Mit welchen Fähigkeiten können Evoli geboren werden, und welche hat deins?“ „Angsthase, Anpassung und in sehr seltenen Fällen Vorahnung. Max hier ist mit Anpassung ausgestattet.“ „Nicht schlecht, du musstest nicht mal nachdenken. Vorahnung vergessen die meisten.“ „Weil die Chance, ein Evoli damit zu züchten, verschwindend gering ist. Claire J. White schreibt in ihrem Buch Züchtungsmethoden der Neuzeit, dass Evoli nicht nur die richtigen Eltern mit dieser Fähigkeit haben müssen, sondern noch diverse epigenetische Faktoren dazukommen.“ Je länger sie redete, umso stiller wurde Meghan, bis sie wie eine Statue dastand. „Wie alt bist du?“, fragte sie schließlich gedehnt. „Vierzehn.“ „Vierzehn Jahre alt und zitiert J. White, als wäre es ihre Nachtlektüre …“ Meghan atmete hörbar aus und trat zur Seite. „Bitte sehr. Erzelingen ist dort entlang.“ „Das war’s?“ Ronya konnte ihr Glück kaum fassen. Gleichzeitig ging sie nur vorsichtig weiter. Würde Meghan sie gleich von hinten anfallen? Sicher konnte der Test nicht so einfach gewesen sein.  „Was soll ich dich denn noch fragen? Thomsen, Starling und Riley kennst du doch bestimmt auch, oder?“ Ronya nickte. „Da siehst du. Und jetzt ab mit dir. Ich würde dich ja begleiten, aber ich muss hier die Stellung halten.“ Meghan schien aufrichtig zu sein. Ronya zuckte mit den Achseln und stapfte los. Dem geschenkten Ponita schaute man nicht ins Maul. „Hey!“, rief Meghan ihr hinterher, als sie schon fast außer Hörweite war. „Tu dir selbst einen Gefallen und halte dich aus Kaisers Angelegenheiten raus.“ Ohne zu antworten, drehte Ronya sich um und ging weiter. An sich wollte sie sich so wenig wie möglich in diese lokalen Angelegenheiten einmischen. Aber Trainer aufgrund ihres Wissens auszusortieren und von ihrer Reise abzuhalten, das ging zu weit. Sie musste immer wieder an Billys tränenverschmiertes Gesicht denken, und daran, wie schwer ihr selbst der Beginn ihrer Reise gefallen war, weil Thea versucht hatte, sie zurückzuhalten.     Sie brauchte nur noch zwei Stunden bis in die Bergbaustadt. Erzelingen lag in einer Senke inmitten von felsigem Gebirge, das die blauen Häuser mit Schrägdächern von allen Seiten umringte. Ronya stiefelte die Treppen hinunter, Max dicht auf den Fersen, der neugierig die Luft schnupperte. Es war noch früh am Morgen, und die Straßen leer. In einiger Entfernung konnte Ronya das Dach der hiesigen Arena ausmachen, in der Veit den Kohleorden an würdige Trainer verlieh. Nur, dass ein Großteil von diesen von Kaiser zurückgehalten wurde. Entrüstung ließ Ronya schneller gehen. Meghan konnte sagen, was sie wollte, sie würde sich ganz sicher nicht aus dieser Angelegenheit raushalten. Sie war vermutlich einer der weniger Trainer, der ohne Ausbildung an der Trainerschule durch die Barrikade in die Stadt kam und die Möglichkeit hatte, etwas gegen diese Ungerechtigkeit zu unternehmen. Ein Wort zu Veit, und er würde Kaiser sicher das Handwerk legen. Max nippte an ihrer Hand. Ronya blieb stehen und fand sich direkt vor der Arena wieder. Sie wollte bereits eintreten, da entdeckte sie ein Schild, das an der Tür hing.   Arena vorübergehend geschlossen       Aha. Das erklärte natürlich einiges. „Dann muss wohl das Pokécenter herhalten“, sagte Ronya zu Max. Während sie die Stadt durchquerten, wurde es langsam wärmer. Die Luft roch nach Erde und dem metallischen Geruch von Kohle und Werkzeug. Südlich des Pokécenters, direkt außerhalb der Stadt, konnte Ronya zum ersten Mal einen Blick auf die Mine werfen. Arbeiter mit Helmen und Picken waren bereits am Werk und fuhren schwere Geräte durch die Gegend. Ein Fließband förderte Erz und Eisen direkt aus der Mine hinaus, welches von den Arbeitern abtransportiert und in riesigen Containern gelagert wurde. Die elektronischen Türen des Pokécenters öffneten sich, als Ronya und Max auf den Eingang zutraten. Im Inneren entdeckte sie einen jungen Mann mit pinkem, kurzem Haar, der freundlich lächelnd hinter der Theke stand. Ronya wurde automatisch langsamer—sie hatte noch nie eine männliche Schwester Joy gesehen—kam jedoch schließlich am Schalter an. Außer ihr war in dem Pokécenter nur eine alte Dame, die an einer Pokémonpuppe häkelte, und ein Jugendlicher, der scheinbar beim Warten auf die Heilung seines Pokémons auf der Bank eingeschlafen war. Nur seine Schuhe und sein Kopf schauten hinter dem Tisch hervor. „Ein Zimmer bitte, und eine doppelte Portion Reis mit Pilzen“, bestellte Ronya. „Oh, und dürfte ich den Computer benutzen?“ „Nur zu.“ Der Joy schob ihr einen Zimmerschlüssel und einen kleinen Papierzettel zu, auf dem ein Einmalpasswort stand. „Der Computer ist den Gang entlang rechts. Log dich einfach ein, du hast 30 Minuten, danach kostet es Geld.“ Ronya dankte ihm und machte sich auf den Weg. Kaum, dass sie ihr Postfach öffnete, flutete es panische Mails ihrer Mutter. Schuldbewusst klickte Ronya sich durch jede einzelne durch. Wer hätte denn ahnen können, dass ihre Eltern bereits einen Tag nach ihrer heimlichen Abreise eine Antwort erwartet und danach mit dem Schlimmsten gerechnet hatten? Was ihre Mutter berichtete, ließ sie noch mehr bereuen, nicht früher mit ihren Eltern in Kontakt getreten zu sein: Thea war nach dem ersten missglückten Versuch, Ronya zurückzuholen, wutentbrannt heimgegangen und danach unausstehlich geworden. Sie und Tommy trafen sich fast jeden Tag und hausten stundenlang in Ronyas altem Zimmer. Darlene war sicher, dass sie etwas ausheckten. Kurz darauf kam dann die warnende Nachricht: Thea und Tommy waren abgehauen. Diese nur wenige Tage vor dem Zusammentreffen im Polizeipräsidium. Ronya starrte den Text an. „Ich habe wirklich mein Bestes getan, sie in ihre Schranken zu weisen“, schrieb Darleen in der Nachricht, „aber dieses Mädchen ist nicht zu bändigen. Sie ist ohne alles mitten in der Nacht verschwunden. Ich hoffe nur, dass du bereits weit weg bist und sie dich nicht mehr einholt.“ Wenn Ronya nur ihre Nachrichten durchgelesen hätte, wäre sie gewarnt gewesen. Sicher, sie hätte die letzten Tage nicht mehr mit Amy verbringen können, aber lieber das, als so überstürzt fliehen zu müssen. „Es hilft alles nichts“, sagte sie nach einigen stillen Minuten zu Max, der unruhig auf ihrem Schoß lag und an ihrem Pulli kaute. „Ich kann mir noch so viele Vorwürfe machen, aber geschehen ist geschehen. Aber ich werde nicht noch einmal so einen Fehler machen. Wir bleiben einige Tage hier, bringen euch drei auf ein ordentliches Level, klären die Sache mit Kaiser, und dann geht es weiter nach Herzhofen.“ Nur weg von hier, und weg von Thea. Max grummelte fröhlich. Ronya strich ihm durchs samtige Fell. Sie konnte es kaum erwarten, ihr richtiges Training zu beginnen. Mit neuem Elan öffnete sie eine neue E-Mail, tippte Amys Adresse ein, und begann zu schreiben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)